Protokoll der Sitzung vom 11.12.2012

Meine Damen und Herren, wie lange haben wir dafür gekämpft, das Splitting bei der Gewerbesteuer bei den erneuerbaren Energien nicht nur auf die Windenergie, sondern auch auf die Photovoltaik anzuwenden? Wir haben das hier 2009 vorgetragen. Da waren die Rufe aus dieser Ecke − ich höre sie heute noch -: Dazu haben wir von den Bürgermeistern noch nie etwas gehört; also tun wir nichts. Meine Damen und Herren, jetzt lenken Sie Gott sei Dank ein. Das waren drei verlorene Jahre. Sie hätten bei den erneuerbaren Energien, bei der Gewerbesteuer die Kommunen früher ordentlich mit ins Boot nehmen können. Sie aber wollten die Gewerbesteuer abschaffen. Das war Ziel der FDP. Man hat Modelle vorgegaukelt, mit denen man die Gewerbesteuer irgendwie anders regeln wollte. Sie sind Gott sei Dank zu der Erkenntnis gekommen: So lange man nichts Besseres hat, lässt man das Bewährte. Mit Ihnen war die Gewerbesteuer in Gefahr. Es war höchste Zeit, dass Sie erkannt haben, wie wichtig diese Gewerbesteuer ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD - Thomas Hacker (FDP): Nur weil man es nicht versteht, muss es nicht gleich schlecht sein!)

Die Kommunen sind auch bei weiteren politischen Themen ein wichtiger Partner. Wenn wir heute von der Stärkung des ländlichen Raumes reden, geht dies nicht ohne die Kommunen. Meine Damen und Herren, Sie haben zu lange Metropolpolitik betrieben. Sie haben zu lange gemeint: Die paar Bauerndörfer interessieren uns nicht. Heute stellen wir fest, dass wir dort Nachholbedarf haben, dass wir das schnelle Internet noch nicht so haben, wie wir es hätten haben können, wenn Sie rechtzeitig auf unsere Vorschläge eingegangen wären. Ihr Wirtschaftsminister hat den Breitbandausbau im Jahr 2011 für abgeschlossen erklärt, weil wir annähernd ein Megabit hatten. Mitte 2012 haben Sie gemerkt, dass das nicht reicht, und haben in Brüssel noch ein hingestopseltes Programm nachgereicht, das ein Jahr in der Warteschleife war. Sie brüsten sich heute mit Finanzmitteln, die hier zur Verfügung stehen, aber nicht abgerufen werden können, weil wir kein Programm haben,

(Zuruf des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

weil Sie geschlafen haben, weil Sie die Situation falsch eingeschätzt haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Klare Botschaft: Herr Schmid glaubt das bis heute nicht und wirft mir vor, ich würde Märchen erzählen.

(Georg Schmid (CSU): Die stehen zur Verfügung; die sind da!)

Herr Schmid, Sie haben zu lange nicht gemerkt, dass der Breitbandausbau ein Problem ist. Ihre eigene Partei hat noch bis zur Landtagswahl gesagt: Das brauchen wir nicht. Die FDP hat ihn dann für abgeschlossen erklärt. Jetzt korrigieren Sie nach. Schnelles Internet − eine versäumte Geschichte. Hier haben Sie ein paar Jahre versäumt. Wir könnten weiter sein. Der Rest der Republik hatte das Bundesförderprogramm mit 500.000 Euro pro Projekt; Bayern hat jahrelang mit 100.000 Euro herumgefuhrwerkt, hat damit Geld, hat damit Potenzial verschenkt. Das ist meine Feststellung. Diese Feststellung ist kein Märchen, Herr Schmid, sondern sie ist die Realität. Hören Sie eher auf diese Dinge; hören Sie eher auf die kleinen Themen; träumen Sie nicht nur von der dritten Startbahn, sondern sprechen Sie mit den Kommunalpolitikern. Diese sagen Ihnen das seit Jahren. Das interessiert Sie aber anscheinend nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Georg Schmid (CSU): Wir machen das selber seit dreißig Jahren! Da brauchst du mir nichts zu erzählen! Wir sind doch nicht blöd!)

- Seit dreißig Jahren? − Okay; jawohl. Wenn Sie das dreißig Jahre lang gemacht haben, wundert es mich, dass es heute noch nicht so weit ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Georg Schmid (CSU): Das ist blödes Geschwätz! Entschuldigung!)

Meine Damen und Herren, die Gewichtung der Situation des ländlichen Raums lässt sich auch an der Einschätzung der Großprojekte ablesen. Als es geheißen hat, die dritte Startbahn ist nicht mehrheitsfähig, kam sehr schnell der Ruf: Dann muss das Geld in die Röhre fließen. Meine Damen und Herren, warum nicht in einen Eisenbahnanschluss in Plattling, in Oberfranken, in Unterfranken oder sonst wo? Warum automatisch nur in die Röhre in München? Überlegen Sie einmal, dass hier Milliarden zur Debatte stehen und dass Bayern weitere Finanzierungsrisiken in Höhe von Hunderten Millionen Euro eingeht. Wenn das Ding teurer wird, haftet Bayern zu einem Großteil. Meine Damen und Herren, momentan werden dort bei den Planungskosten wahrscheinlich wieder Weichen in der falschen Richtung, in Richtung Milliardenrisiken gestellt, aber für die kleinen Dinge ist kein Geld da. Wenn wir draußen sagen, dass man angesichts der Landesgartenschau in Deggendorf darüber nachdenken sollte, den Personenverkehr auf einer kurzen Strecke zu reaktivieren, kommt die Antwort: Dafür ist kein Geld da. Bei den Milliarden sind wir aber immer schnell. 100.000 Euro können wir uns nicht leisten, aber die Milliarden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Am Umgang mit den Infrastrukturprojekten liest man also ab, auf welcher Seite Sie wirklich stehen. Sie stehen bis heute nicht wirklich an der Seite des ländlichen Raumes.

(Georg Schmid (CSU): Wir machen das schon seit fünfzig Jahren! Da hat es euch noch gar nicht gegeben!)

Sie träumen bis heute weiter von der Startbahn in München. Trotz Bürgerentscheid gegen die dritte Startbahn sagen Sie eiskalt: Wir machen das trotzdem. Meine Damen und Herren, Sie schreiben das auch noch in Ihren Landesentwicklungsplan. Gleichzeitig vergessen Sie aber, dass es auf dem Land auch noch die Landwirtschaft gibt. Die Landwirtschaft ist nicht enthalten, aber die abgelehnte dritte Startbahn. Das zeigt Ihre Wertschätzung für Stadt und Land.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie an dieser Stelle: Beerdigen Sie die dritte Startbahn für die nächsten paar Legislaturperioden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der Ab- geordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Kümmern Sie sich stattdessen lieber um die ordentliche Anbindung der jetzigen zwei Startbahnen. Wir haben bis heute nicht die seit ewigen Zeiten versprochene Anbindung Ostbayerns über die Neufahrner Kurve. Mir wurde in Beantwortung einer Anfrage im letzten Jahr mitgeteilt, 2012 gehe es los. Heuer wurde mir mitgeteilt, nächstes Jahr geht es los. Wenn ich nächstes Jahr die Anfrage stelle, wird es heißen, 2014 geht es los. Sie schieben die Realisierung bezahlbarer und einigermaßen durchgeplanter Projekte vor sich her, weil hierfür das Geld angeblich nicht vorhanden ist, in Wirklichkeit aber planen Sie Größeres und Ostbayern soll dabei nur die zweite Geige spielen. Diese Anbindung ist dann offensichtlich nicht so wichtig. Meine Aufforderung an Sie: Realisieren Sie schnellstmöglich die Neufahrner Kurve, diese direkte Anbindung Ostbayerns.

Das ist nur ein Beispiel von vielen. Meine Damen und Herren, setzen Sie sich bitte auch für eine bessere Anbindung des Chemiedreiecks ein. Dort ist seit Jahren die Erstellung einer durchfinanzierten Planung verschlafen worden. Sie, meine Damen und Herren von der CSU, haben einen Bundesverkehrsminister, der sich darum kümmern sollte. Es ist schön, wenn er sich um die Wiedereinführung der nostalgischen Autokennzeichen kümmert. Wer das haben will, gut, der kann es haben, das ist in Ordnung. Aber der Minister darf dabei nicht die wichtigen Projekte vergessen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN − Zuruf der Abgeordneten Reserl Sem (CSU))

Und warum vergisst er die? − Weil der Verkehrsetat gnadenlos unterfinanziert ist. Wir brauchen etwa zwei Milliarden im Bundesverkehrsetat mehr, damit ausreichend Geld bei der Straße und der Schiene ankommt. In diese Richtung bitte ich einmal Rettungsschirme aufzustellen und vielleicht sogar über Nacht einen Sondertopf einzurichten, statt die Rettung von Großbanken zu finanzieren. Bei letzterem sind Sie schneller zur Hand.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ländlicher Raum bedeutet auch Landwirtschaft. Wir haben zu diesem Haushaltsentwurf einen Antrag dahin eingebracht, die Vermarktungsstrukturen zu fördern und die Landwirte dabei zu unterstützen, ihre Produkte besser im Markt zu platzieren. Sie machen von der großen Politik her den Fehler, auf der einen

Seite den Abnehmern mit ihren Monopolstrukturen die Füße zu küssen, die Produzenten auf der anderen Seite aber als Billiglieferanten zu missbrauchen. Das ist in der Milchpolitik ebenso wie in der Fleischpolitik der Fall. Großen Schlachthofketten und großen Handelsunternehmen wird Tür und Tor geöffnet, während die kleinen Landwirte mit ihren Bündelungswünschen allein gelassen werden.

(Albert Füracker (CSU): Lüge! - Anhaltende Zurufe der Abgeordneten Reserl Sem (CSU))

Helfen Sie den kleinen Landwirten bei der Bündelung der Milcherzeugung und tragen Sie dazu bei, dass kleine Schlachthöfe erhalten bleiben. Sorgen Sie nicht nur dafür, dass einige große Ketten die Märkte übernehmen, sondern stehen Sie auch an der Seite der kleinen Bauern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, es gilt, Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen. Sie haben die Fehlentwicklungen lange Zeit nicht erkannt. Das gilt auch für den Bereich der Gesundheitspolitik. Heute gehen die Hausärzte und die Fachärzte auf die Barrikaden, weil sie Angst davor haben, dass die Freiberuflichkeit der Ärzteschaft in Gefahr ist und die flächendeckende Versorgungsstruktur nicht mehr aufrechterhalten bleiben kann. Die kommunalen Kliniken gehen vielfach Pleite und müssen verkauft werden. Sie sind gefordert, dieses Wegbrechen der Gesundheitsstrukturen gerade im ländlichen Raum zu verhindern, das heißt zu den alten Verträgen bei den Hausärzten zurückzukehren, für eine bessere Krankenhausfinanzierung und für Rahmenbedingungen, die den Haus- und Fachärzten helfen, zu sorgen. Das heißt auch einmal Klartext gegenüber den Krankenkassen zu reden, die sich seit Langem weigern, vernünftige Verträge mit den Ärzten auszuhandeln.

(Unruhe − Glocke der Präsidentin)

Letzten Endes bedeutet es ein klares Bekenntnis zu einer guten Versorgungsstruktur statt eine börsennotierte Gesundheitsmedizin und Gesundheitsindustrie, wie sie vor den Türen steht, zu protegieren. Vor allem die FDP ist gefordert, in diese Richtung die richtigen Weichen zu stellen. Die richtigen Weichen wurden in der Vergangenheit nicht gestellt, sonst wären diese Ärzte heute nicht auf den Barrikaden zu finden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn wir von richtigen Strukturen sprechen, werfe ich Ihnen auch vor, die Strukturentwicklung in der Energiepolitik lange Zeit falsch eingeschätzt zu haben. Es gab das große Ziel, alles zu privatisieren mit der Aus

sage, dann werde es billiger. Man hat das Bayernwerk unnötig über Bord geworfen. Der Vorstoß des Ministerpräsidenten war im Grunde richtig, aber er ist leider wieder zurückgerudert, als die FDP geschimpft und gesagt hat, die Staatsregierung solle sich nicht in die Energiewirtschaft einmischen. Ich meine, sie muss sich einmischen, Herr Ministerpräsident!

Wir müssen daran festhalten: Wenn Eon, Gazprom oder andere nicht in der Lage sind, die beim Abschalten der Atomkraftwerke entstehende Lücke durch Gaskraftwerke zu ersetzen, ist es besser, seitens des Freistaates ein paar hundert Millionen in die Hand zu nehmen, um diese Lücke zu schließen, anstatt sich damit zufriedengeben, dass Gazprom oder Eon sagen: Das wollen wir nicht, also tun wir es nicht. Wir müssen dieses Ziel umsetzen, das ist unsere Aufgabe als bayerische Politiker.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Die Energiepolitik wurde in Bayern lange Jahre falsch aufgehängt, indem man nur auf die Atomlaufzeitverlängerung abzielte. Bis heute hat man nicht nur den Eindruck, sondern eigentlich den Anscheinsbeweis, dass für kleinere Strukturen kein besonderes Herz schlägt. Wenn der kleine Landwirt eine Biogasanlage baut, muss er lange betteln, bis er die Einspeisevergütung bekommt. Viel lieber stimmen Sie den Entschädigungen für die Offshore-Investoren zu, meine Damen und Herren, Investoren − ich sage das noch einmal -, die in Windanlagen vor der Küste investiert haben, aber ihren Strom nicht liefern können.

(Alexander König (CSU): Allerschlimmste Polemik, wirklich schlimm!)

Sie haben investiert, aber können den Strom nicht liefern, und bekommen auch noch Geld für den nicht gelieferten Strom. Für solche Dinge heben Sie die Hand, für nicht gelieferten Strom irgendeines Großinvestors.

(Alexander König (CSU): Infame Polemik!)

Sie sollten sich dafür einsetzen, dass kleine Dinge im Land geschehen, die den Kommunen helfen wie beispielsweise die Rückübertragung von Netzen in den Fällen, in denen es sinnvoll ist. Hören Sie auf mit Milliarden für Großinvestoren, die dem Bürger am Ende keinen Strom liefern, sondern nur für Planungen bezahlt werden.

(Alexander König (CSU): Übler Vergleich, üble Polemik!)

Wir müssen bei der Energiepolitik auf eine ehrliche Wende hin zu den Bürgern setzen. Da ist es ein geradezu politisches Trauerspiel, wie die erneuerbaren

Energien als die Preistreiber verschrien werden. Gleichzeitig werden die Kosten der Atomenergiewirtschaft ausgeblendet, obwohl wir doch überhaupt noch nicht abschätzen können, was in den nächsten Jahrhunderten auf uns zukommt. Hier wird dagegen die Meinung vertreten, dass es uns das Genick bricht, wenn sich ein paar Leute für erneuerbare Energien einsetzen. Meine Damen und Herren, uns wird am Ende nichts anderes übrig bleiben, als unsere Energieversorgung mit erneuerbaren Energien selbst zu bewerkstelligen. Wir müssen dabei verstärkt in die Energieeinsparung investieren. Es ist doch geradezu peinlich, wenn die Energiekommission, die nach Fukushima als überparteiliches Gremium eingerichtet wurde, um parteiübergreifend Lösungswege zu finden, nicht einmal ein paar Millionen Euro Zuschuss bekommt. Kein sinnvoller Vorschlag von dort, wie beispielsweise die energetische Gebäudesanierung oder ähnliches, hat Eingang in den Haushaltsentwurf gefunden. Man missbraucht diese Energiekommission dazu, dieses brisante Thema aus der Landtagsdebatte herauszuhalten, und versucht, ein Thema hinter verschlossenen Türen zu entschärfen, das unangenehm zu sein scheint. Am Ende heißt es dann: Außer Spesen nichts gewesen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Lasst diese Leute doch arbeiten, gewährt ihnen ein kleines Budget oder nehmt sie zumindest ernst. Und wenn dann von dort ein parteiübergreifender Vorschlag kommt, dem sie auch zugestimmt haben, für den dann aber kein Geld fließt, frage ich mich schon: Wieso sitzen die zusammen? Das alles ist symptomatisch für die letzten Jahre. Ich hatte zu Beginn dieser Legislaturperiode so sehr gehofft, bei diesem Thema das Parteibuch in der Tasche lassen zu können und stattdessen anhand von Themen entscheiden zu können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Anhaltende Unruhe - Lebhafter Widerspruch von der CSU)

Das gilt auch für andere Themen. Wenn von den FREIEN WÄHLERN beispielsweise der Vorschlag kam, die Studiengebühren abzuschaffen, haben Sie geradezu das Gegenteil vertreten. Sie haben immer das Gegenteil von dem gesagt, was wir gesagt haben. Vielleicht hätten wir etwas sagen müssen, was wir gar nicht wollten. Dann wären wir vielleicht dahin gekommen, wohin wir wollten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)