Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Und wir müssen die Mittel des Programms zur Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger erhöhen. Der doppelte Abiturjahrgang, der heute schon angesprochen wurde − es gab natürlich einen Aufwuchs der Studienplätze −, kommt nicht in einem einzigen Jahr, sondern er kommt verteilt auf mehrere Jahre. Wir werden noch über mehrere Jahre hinweg hohe Studienanfängerzahlen haben. Den Fehler, irgendwelche Studentenberge untertunneln zu wollen, hat es in der Bildungspolitik und in der Hochschulpolitik schon öfter gegeben. Wir werden lange hohe Studienanfängerzahlen haben. Ein Beispiel: Wir hatten vor zehn Jahren in Bayern eine Übertrittsquote auf das Gymnasium von 30 %. Darunter fallen die, die heute das Studium beginnen. Wir haben heute eine Übertrittsquote von 40 %. Diejenigen, die darunter fallen, beginnen ihr Studium in acht Jahren. Wir werden diese hohen Studienanfängerzahlen 10, 15 Jahre lang haben. Deswegen brauchen wir jetzt die zusätzlichen Mittel für dieses Programm, und zwar dauerhaft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Exzellente Lehre heißt, zur Kenntnis zu nehmen, dass Studieren nicht bedeutet, nur an der Universität zu sein, sondern auch wohnen zu müssen, sich ernähren zu müssen. Beratung und Kinderbetreuungsangebote werden benötigt. Deshalb brauchen wir mehr Mittel für die Studentenwerke.

Exzellente Lehre heißt auch, bessere Lehrbedingungen für Studierende mit Behinderung zu schaffen. Wir müssen die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auch an den Hochschulen umsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Exzellente Lehre heißt auch, dass bei Abschaffung der Studiengebühren diese durch entsprechende Mittel ersetzt werden müssen. Wir haben beantragt, dafür 180 Millionen Euro einzustellen. Jetzt wird gemunkelt, die CSU und die Regierung würden überlegen, dafür Geld auf die Seite zu legen.

(Staatssekretär Franz Josef Pschierer: Wie finan- zieren Sie 180 Millionen, Herr Kollege?)

- Wir finanzieren sie mit unserer Gegenrechnung. Wir haben einen gegenfinanzierten Haushalt, Herr Staatssekretär.

Die Regierung will angeblich Mittel zur Seite legen. Das kann man eigentlich nicht. Stellen Sie sie jetzt in den Haushalt ein, wenn die Studiengebühren abgeschafft werden. Das wären vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber den Hochschulen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die zweite falsche Verknüpfung im CSU-Grundsatzprogramm ist die, dass die Studiengebühren aus sozialpolitischen Gründen vertretbar seien. Sie sind es eben nicht. Sie bilden eine soziale Schwelle, über die viele nicht gehen können. Sie grenzen aus. Studierende ohne eigenes Einkommen hängen weiterhin am Geldbeutel ihrer Eltern. Damit fördern wir eine Bildungskarriere, die für Deutschland ganz symptomatisch ist, bei der Bildung vom Einkommen der Eltern abhängt, die im Kindergarten beginnt, sich durch die Schule zieht und sich bis an die Hochschulen fortsetzt. Der soziale Ausgleich - darüber zu reden, ist richtig - muss über das Steuersystem erfolgen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie ernsthaft über nachgelagerte Studiengebühren diskutieren würden, was ich für legitim halte und in meiner Partei schon mit anderen getan habe, dann würden Sie sehr bald feststellen: Sie sind sehr schnell in der Systematik des Steuersystems. Wir sind bei der Steuerpolitik, wenn wir wirklich über dieses Thema reden. Sie diskutieren aber nicht ernsthaft darüber. Die CSU gibt auch keine inhaltliche Begründung für die Abkehr von Studiengebühren. Sie suchen nur einen Rettungsanker dafür, wie Sie Ihre Koalition aus diesem Schlamassel herausbringen, solange Sie noch an der Regierung sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das dritte große Missverständnis: Mit Studiengebühren müsste sich das Verhältnis von Hochschule zu Studierenden verändern. Das ist ein grandioses Missverständnis von Demokratie. Sie setzen hier demokratische Beziehungen mit Kundenbeziehungen

gleich. Kein Kunde bestimmt aber mit, was es im Kaufhaus zu kaufen gibt; er kauft etwas oder nicht. Die Mitbürgerinnen und Mitbürger bestimmen in den demokratischen Einrichtungen unseres Gemeinwesens mit, zum Beispiel in der Gemeinde, in einem Verband, in einer Genossenschaft, im Staat. Wenn wir die Hochschule als demokratische Hochschule verstehen, dann bestimmen dort Studierende mit, wenn sie Teilhabe an dieser Hochschule haben, und sie bestimmen über die Mittel für Lehre mit. Wenn es Ihnen wirklich um die Mitbestimmung der Studierenden geht, dann unterstützen Sie uns bitte bei der Einführung der Verfassten Studierendenschaft, wie es sie in allen anderen Bundesländern gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Ich will zum Stichwort Teilhabe zur Kulturpolitik kommen. Unser Ministerpräsident will "Leuchttürme" in unserer Kulturlandschaft schaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, erstens leben wir in Bayern und nicht an der Küste, und zweitens leben wir auch nicht im kulturellen Dunkel, sondern wir haben eine vielfältige Kulturlandschaft. Ganz Bayern leuchtet.

(Zuruf von der CSU: Lindau hat einen Leucht- turm!)

Diese Kulturprojekte sind Projekte in Städten, kleineren Städten und auf dem Land, in alten und neuen Einrichtungen und soziokulturelle Projekte: Diese Projekte gilt es zu stärken. Viele Kultureinrichtungen im Besitz des Freistaats und der Kommunen sind tatsächlich Schätze. Schätze müssen poliert werden, damit sie strahlen und leuchten können. Das heißt konkret: Wir brauchen keine neuen Museen, sondern wir müssen die bestehenden erhalten, erneuern. Mit geeigneten Konzepten müssen wir dafür sorgen, dass sie von den Menschen besucht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um es mit Zahlen zu sagen: Der Sanierungs- und Investitionsbedarf bei den Kultureinrichtungen - die Kollegin hat es vorhin angesprochen − liegt im Milliardenbereich. Hier 50 Millionen und da noch einmal 25 Millionen Euro reichen bei Weitem nicht aus. Sie reichen nicht einmal aus, um die Kürzung der letzten Jahre auszugleichen und den Inflationsausgleich zu gewährleisten. Das ist Finanzierungssymbolpolitik. Natürlich geht es in der Kultur um Symbole, aber bei der Finanzpolitik sollte es um konkrete Zahlen gehen.

Weil wir glauben, dass man das Geld nicht mit beiden Händen ausgeben kann, auch nicht im Kulturbereich, schlagen wir vor, Mittel zu streichen, um sie in der Breite einzusetzen, also die Streichung der Mittel für

den Neubau des Museums für Bayerische Geschichte, die Hochglanzbroschüre "aviso" oder die Machbarkeitsstudie für den neuen Konzertsaal in München.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen exzellente Aufführungsbedingungen für die Münchner Orchester von Weltrang. Wohl der Stadt, die gleich mehrere Orchester dieser Kategorie hat. Dazu brauchen wir aber eine Auseinandersetzung und Entscheidung hier im Parlament und nicht ein Gutachten für den Bau im Deutschen Museum, der dort abgelehnt wird und eine Zweckentfremdung von Forschungsmitteln darstellt.

Bayern zeichnet sich durch eine bemerkenswert leistungsfähige Forschungslandschaft aus. Wir haben viele Forschungseinrichtungen, gute Hochschulen und viele forschungsnahe Betriebe. Ich möchte ein Viereck der Forschungspolitik aufmachen: erstens Verantwortung des Staates für Hochschule, Wissenschaft und Forschung, zweitens Freiheit der Wissenschaft, drittens Anforderungen einer wissensbasierten Wirtschaft, viertens gemeinsame Verantwortung für die Zukunft in einer von Forschung und Wissenschaft geprägten Welt. In diesem Viereck muss jeder der Akteure seine Aufgaben erfüllen. Die Distanz zwischen den Akteuren ist notwendig, damit ihre Freiheit beachtet wird.

Aufgabe des Staates ist die Finanzierung der Grundlagenforschung und die ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen. Das gilt auch für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften und für angewandte Forschung, die ehemaligen Fachhochschulen. Sie brauchen eine angemessene Grundausstattung, auch wenn sie anwendungsorientiert forschen wollen.

Die Zusammenarbeit der Forschung mit der Wirtschaft ist sehr wichtig. Es kann aber nicht sein, dass die Forschungseinrichtungen der Hochschulen ausgelagerte Forschungseinrichtungen der Wirtschaft sind. Hier muss jeder seinen Job leisten.

(Beifall der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Deswegen wollen wir Vorhaben streichen, die so wirtschaftsnah sind, dass sie von der Wirtschaft ausgeführt werden müssen.

Der zweite Ansatz ist das Verhältnis zwischen Staat und Forschung. Wir wollen als Staat nicht vorschreiben, was erforscht werden soll. Wir müssen in der Politik die Fragen formulieren, die uns alle berühren, die von der Forschung gelöst werden sollen. Wir glauben, dass zum Beispiel im Klimaschutz interdisziplinäre

Ansätze notwendig sind. Deswegen wollen wir ein entsprechendes Projekt, ein entsprechendes Institut ausschreiben; die Hochschulen sollen Vorschläge machen, auch organisatorisch, wie das geleistet werden kann. So stellen wir uns das Verhältnis zwischen Staat und Forschung vor.

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich mich bei unserer haushaltspolitischen Sprecherin, Claudia Stamm, und unseren beiden Vertretern im Hochschulausschuss, Ulrike Gote und Sepp Dürr, die heute leider nicht anwesend sein können,

(Alexander König (CSU): Deshalb ist es heute so ruhig!)

bedanken, die mich in der Vorbereitung dieser Rede sehr unterstützt haben. Ich möchte für die GRÜNENFraktion zum Haushalt für Hochschule, Wissenschaft, Forschung und Kultur abschließend feststellen: Wir setzen auf eine Politik, die Beteiligung ermöglicht, die Hochschule und Lehre verbessert, kulturelle Vielfalt in Bayern erhält und stark macht, nachhaltige Wissenschaft fördert, die Freiheit der Wissenschaft sichert und gesellschaftliche Verantwortung einfordert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

Für die FPD hat sich Frau Sandt zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Als wir vor zwei Jahren im Weihnachtsplenum über den Haushalt 2011/2012 beraten haben, sah die Lage sehr düster aus und die Opposition war ähnlich aufgeweckt und malte den Teufel an die Wand, denn in ganz Europa wüteten Wirtschafts- Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrisen. Zwei Jahre später ist das Feuer an den Finanzmärkten noch nicht erloschen.

Die Frage ist: Wie hat sich Bayern in dieser Zeit entwickelt? Die Arbeitslosigkeit ist von knapp 5 auf 3,4 % gesunken. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die meisten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die wenigsten Arbeitslosengeld-II-Bezieher. Wir bauen Schulden ab und wir sind spitze beim Bruttoinlandsprodukt und bei der Produktivität. Natürlich liegt das in erster Linie an den Menschen. Natürlich liegt das am Bäcker, der eine Stunde früher aufsteht, oder am Elektriker, der nicht Dienst nach Vorschrift macht, sondern länger bleibt. Natürlich liegt das am Arbeitnehmer genauso wie am Unternehmer, der seine Aufgabe verantwortungsvoll wahrnimmt. Vor allem liegt es auch an den Rahmenbedingungen, die wir setzen, an den Investitionen in Infrastruktur und Bildung.

(Beifall bei der FDP)

Der Haushalt, über den wir jetzt beraten, ist der Haushalt, der für die Zukunft Bayerns maßgeblich ist. Es ist ein Haushalt mit puren Investitionen in die Weiterentwicklung der Technologie, in die Weiterentwicklung der Innovationskraft und in die Weiterentwicklung des Geistes.

(Beifall bei der FDP)

Dass wir die Bedeutung bereits erkannt haben, zeigt ein Blick auf die Entwicklung des Etats: Während 2010 noch knapp 5 Milliarden Euro in Hochschule, Forschung und Kultur geflossen sind, wird es im Jahr 2014 erstmals so weit sein, dass wir die 6-MilliardenEuro-Schallmauer durchbrechen. Dieser Haushalt ist nicht nur in absoluten Zahlen rekordverdächtig. Auch der Anteil am Gesamthaushalt ist gestiegen. Damit geben wir ein ganz starkes Signal an zukünftige Generationen.

Es kommt aber nicht nur auf die Quantität an, es kommt vor allen Dingen darauf an, dass wir die richtigen Prioritäten setzen. Das Ressort stand vor extrem hohen Herausforderungen. Ich nenne nur den doppelten Abiturjahrgang und die Aussetzung der Wehrpflicht. Wir haben über 50.000 zusätzliche Studienplätze geschaffen und 3.800 zusätzliche Hochschulmitarbeiter eingestellt. Wir bauen auch jetzt die Studienkapazitäten bedarfsgerecht und weitsichtig aus. Wir investieren verstärkt in die Internationalisierung unserer Hochschullandschaft, denn Innovationskraft und kluge Köpfe sind in der ganzen Welt zu finden. Bayern muss weiterhin attraktiv bleiben und weiter investieren.

Auch im sozialen Bereich haben wir die staatlichen Leistungen ausgebaut. Der Anteil am BAföG stieg um circa 5 %, und der Anteil der Studentenwerke, die im Jahr 2011 noch mit 19,5 Millionen Euro auskommen mussten, wird im neuen Haushalt auf 22 Millionen Euro aufgestockt. Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes − ich zitiere ihn, Frau Biedefeld − sagt, alle anderen Länder, auch die SPD-regierten Länder, sollten sich den Freistaat Bayern beim Studentenwohnheimbau zum Vorbild nehmen. Bayern fördert jeden Wohnheimplatz eines Studentenwerks mit 26.000 Euro faktischem Zuschuss. Das ist das Ergebnis unserer Politik, Frau Biedefeld.

(Beifall bei der FDP - Susann Biedefeld (SPD): Sagen Sie das den jungen Menschen, die keinen Platz finden!)

- Sagen Sie das einmal den SPDlern in den anderen Ländern. Natürlich sind auch die Kommunen gefragt, wie zum Beispiel das SPD-regierte München oder das

SPD-regierte Nürnberg, die mehr beim Wohnungsbau unternehmen müssten.

(Susann Biedefeld (SPD): Da hat sich der Freistaat Bayern zurückgezogen!)

Es fließen übrigens 2,7 Millionen Euro jährlich als Zuschüsse an die Einrichtungen von Kinderbetreuungsstätten. Damit helfen wir zum Beispiel auch jungen Müttern zu einer akademischen Ausbildung.