Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Wir kommen wieder zurück zum Einzelplan 08 zum Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und setzen die Aussprache mit Frau Kollegin Noichl für die SPD-Fraktion fort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister Helmut Brunner, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zuallererst meinen Dank an meinen Kollegen Reinhold Strobl aussprechen, der im Haushaltsausschuss die Belange des Landwirtschaftsausschusses sehr gewissenhaft vertritt.

Bevor ich zur eigentlichen Haushaltsdebatte komme, ist es mir wichtig, die Ziele, die die SPD im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verfolgt, deutlich zu machen. Denn eigentlich sollten sich die Anträge an den Zielen orientieren. Wer klare Ziele hat, bekommt klare Anträge und eine klare Richtung. Ohne Ziele wird aus dem Einzelplan 08 ein Einzelplan 08/15.

(Beifall bei der SPD)

Erlauben Sie mir, am Anfang die Ziele im Bereich Ernährung aufzuzählen. Ich erinnere mich daran, Herr Minister, als Sie vor vielen Hauswirtschafterinnen standen, sich den Bauch rieben und sagten: "Ernährung ist schon wichtig". Dabei haben Sie ein bisschen gelächelt. Das ist uns zu wenig, wenn es um den Bereich Ernährung geht. Ernährung sehen wir als ganz große Verantwortung, ganzheitliche Verbraucherbildung zu betreiben, Verbraucherschulung zu organisieren, das wirklich praktische Handwerk des Kochens den Kindern und auch den Erwachsenen wieder beizubringen. Die Kunden der Zukunft müssen geschult werden, das gezielte Auswählen im Geschäft muss gelernt werden. Es ist unser Ziel, durch Verbraucherbildung die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen zu steigern. Es ist aber auch unser Ziel, für die Landwirte Verbraucherinnen und Verbraucher für morgen zu bekommen, die die hochwertige Qualität, die unsere Landwirte erzeugen, erst einmal verstehen, die sie einkaufen und auch bereit sind, mehr dafür zu bezahlen. Das alles hat mit Verbraucherbildung und Verbraucherschulung zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Aber anders als Sie, der Sie immer noch an Projekte glauben und sagen: Es gibt da ein Projekt "gesundes Pausenbrot" und es gibt ein Projekt und ein Projekt, sind wir der Meinung, Ernährung kann man nicht projekthaft lernen. Das geht nicht. Ernährung, sensorische Bildung, das alles braucht täglichen Vollzug. Das einzige wirklich erfolgreiche Programm in diesem Haus ist in diesem Fall das Schulfruchtprogramm. Nur − darauf komme ich nachher, wenn es um unseren Antrag geht − sperren Sie sich gegen eine Ausweitung.

Unser Ziel ist, dass alle Kinder, kleine Kinder genauso wie Schulkinder, und Jugendliche dieses Angebot an frischem Obst und Gemüse mehrfach pro Woche auf den Tisch der Kita, des Kindergartens oder der Schule bekommen.

Ein weiteres Ziel ist es, die regionalen Kreisläufe besonders im Bereich der Ernährung zu unterstützen. Diesem Ziel geben wir Vorrang, anders als Sie, Herr Minister. Sie sprechen immer davon, die Landwirt

schaft ist da, um die Weltmärkte und die Wochenmärkte zu bedienen. Wir sagen, wir wollen die Wochenmärkte vor den Weltmärkten bedienen. Das ist uns ein ganz wichtiges Anliegen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten The- resa Schopper (GRÜNE))

Dazu brauchen wir eine klare Kennzeichnung. Rückblickend muss man sagen, dass sich da leider nichts verbessert hat, dass eine klare, ehrliche Kennzeichnung nicht vorangetrieben wird. Wenn Sie gerade wieder das Regionalsiegel angesprochen haben, haben wir große Sorge, dass aus dem Regionalsiegel, das der Minister hoch lobt, vielleicht wieder so ein "Regionalsiegel light" wird. Es reicht nämlich, wenn 51 % der Inhaltsstoffe regional sind, der Rest ist egal. Wer so mit Verbrauchern umgeht, der täuscht die Verbraucher, wenn er ihnen vormacht, das Produkt sei aus der Region, obwohl fast die Hälfte nicht aus der Region stammt. Ein "Regionalsiegel light" wird es mit uns nicht geben, Herr Minister.

Auch für die Landwirtschaft haben wir klare Ziele. Wir haben natürlich den Plan, dass die eigentümergeführten landwirtschaftlichen Betriebe Bestand haben. Da ist es wichtig, wie Sie betont haben, dass die Ausgleichszulage weiterhin besteht usw. Wir stellen uns ganz klar gegen das Motto "Wachsen und Weichen". Seit dem Krieg verschwinden jedes Jahr Bauernhöfe, auch Ihre Politik hat daran nichts geändert. Wir wollen unbedingt die Erzeuger stärken. Sie müssen gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel eine deutlich stärkere Machtposition erhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen die regionalen Wirtschaftskreisläufe stärken, und − das ist mir ein ganz besonderes Anliegen − wir brauchen weiterhin die unabhängige Beratung für die Landwirtschaft.

(Beifall bei der SPD)

Denn es kann nicht sein, dass sich Landwirte bei Monsanto, BASF und Co. beraten lassen müssen, wie sie agieren sollen.

Wir wollen unbedingt dafür sorgen, dass der Boden als Grundlage für Artenvielfalt, als Grundlage für gutes Wasser auch der nächsten Generation fruchtbar zur Verfügung steht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Brunner, eigentlich unterschreiben Sie unsere Forderungen immer. Zumindest hört man aus Ihrem Hause Forderungen, die sehr ähnlich klingen.

Im Bereich Forst ist es uns ein Anliegen, den Waldumbau voranzutreiben und klimagerechte, standortgerechte Mischwälder entstehen zu lassen, die für die Zukunft stehen.

(Zuruf der Abgeordneten Annemarie Biechl (CSU))

Im Privatwald muss natürlich ein guter Ausgleich zwischen Natur, Gesellschaft und der Wirtschaft geschaffen werden. Im Staatswald haben wir klare Prioritäten: Der Staatswald hat Vorbildcharakter, im Staatswald stehen die Gemeinwohlleistungen an erster Stelle. Darüber gibt es bei uns keine Diskussion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wichtig ist, dass die ehemalige Forstverwaltung nach wie vor die fachliche Kontrolle über den Staatsforst behält, was aber aufgrund der Personalausstattung bald nicht mehr möglich sein wird. Wer das Personal im Forstbereich bewusst kürzt, kürzt auch die Kontrolle im Staatsforst, und das wollen wir nicht haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen natürlich für die Naturverjüngung ohne Zaun, für ein Management für Energieholz. Es kann nicht sein, dass immer mehr Nährstoffe den Wald verlassen. Es gibt Waldbereiche, in denen das noch geht, aber es gibt auch Waldbereiche, bei denen die Ampel auf Rot steht. Auch im Forstbereich ist die unabhängige Beratung ein ganz, ganz wichtiger Bereich. Ich würde sagen, Herr Brunner, auch da werden Sie vielen Punkten von uns zustimmen. Das hört man immer wieder und liest es in Überschriften von Veröffentlichungen aus Ihrem Haus.

Umso mehr ärgert mich - ich möchte schon einmal deutlich sagen, dass es mir wirklich richtig stinkt -, dass alle unsere Anträge, die diese Dinge in diese Richtung weiterentwickeln würden, aus Ihrem Hause oder von Ihren Parteien, der CSU und der FDP, prinzipiell abgelehnt werden, weil sie nicht aus Ihrer Feder sind.

(Beifall bei der SPD)

Das ist schon interessant. Bei uns, bei der SPD, ist es trotz Parteibuchs zu denken erlaubt. Bei Ihnen ist es mit Parteibuch anscheinend nicht mehr erlaubt, zu denken. Natürlich stimmen wir Ihren Anträgen zu, wenn wir sie für sinnvoll und richtig halten.

(Zuruf von der CSU: Weil sie gut sind!)

Sie stimmen unseren Anträgen nie zu, weil Sie sie gar nicht lesen. Sie denken nur an Ihr Parteibuch. So

kann man nicht miteinander umgehen. Es ist schön, dass Publikum anwesend ist und das Publikum es hört.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben klare Anträge gestellt. Sie liegen auf dem Tisch. Wir wollen das erfolgreiche Schulfruchtprogramm auf alle Kindertagesstätten, auf die Krippen und auf alle Schulklassen ausdehnen. Wir wollen dem immer ungesünderen Ernährungsverhalten entgegenwirken. Wir wollen ernährungsbedingten Krankheiten entgegenwirken. Wir wollen die stark verarbeiteten Lebensmittel etwas zurückdrängen. Wir wollen die immer größer werdende gefühlte Entfernung zwischen Verbraucher und Erzeuger reduzieren.

Herr Brunner, da reicht es nicht, wenn Sie einen Tag der Grundschule am Bauernhof einführen. Das springt zu kurz. Dieser Erlebnisbauernhoftag ist sehr nett; das bringt auch dem Minister viele schöne Bilder mit großen Kindergesichtern; das ist wunderschön. Glauben Sie aber wirklich, dass ein Bauernhoftag in der Grundschule eine nachhaltige Veränderung im Ernährungsverhalten der Kinder bewirkt? − Das glaube ich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben gerade das Thema Bildung so betont, Herr Minister. Es ist beschämend, dass Sie im selben Moment, in dem Sie den Bauernhoftag eingeführt haben, die Ausbildung der Erlebnisbäuerinnen von 15 Tagen auf einen Tag reduziert haben. Das heißt: Wir bringen mehr Schulklassen auf die Bauernhöfe, aber bilden die Bauern, die die Schulklassen empfangen, schlechter aus. Das ist Ihre Art von Bildung auf dem Bauernhof. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der SPD)

Seite an Seite, Annemarie Biechl, stehen die Landfrauen mit uns. Die Landfrauen des Bayerischen Bauernverbandes stehen Seite an Seite, wenn es darum geht, endlich ein Schulfach einzuführen, wie wir es gefordert haben. Wir brauchen endlich durchgängig Ernährungsbildung statt Show-Veranstaltungen beim Ponystreicheln und müssen Ernährungsverantwortung übernehmen.

(Beifall bei der SPD − Zurufe von der CSU)

Im Bereich Landwirtschaft blockieren Sie alles, was eigentlich Gebot der Stunde wäre. Sie blockieren auch ein Nachdenken über neue Möglichkeiten der Ferkelkastration. Es ist interessant: In der "tz" kann man lesen, dass Schwarz-Gelb an der Ferkelkastrati

on über 2016 hinaus festhalten will, weil es noch keine Alternativen dazu gibt. Andererseits lehnen Sie unseren Antrag ab, endlich ein Forschungsprojekt auf den Weg zu bringen, um die Ferkelkastration genauer zu erforschen. Sie lehnen ab, Gelder für ein solches Forschungsprojekt bereitzustellen. Sie sind nicht dafür, dass in diesem Bereich Forschung betrieben wird.

Ebenso wenig sind Sie für Forschung zu den Pflanzenölen. Es ist todchic, sich beim Zentralen Landwirtschaftsfest neben dem großen Schlepper fotografieren zu lassen, der mit Pflanzenöl betrieben wird. Wenn aber die SPD einen Antrag stellt, die Pflanzenöle forschungsmäßig etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, ist dafür kein Geld vorhanden. Das Foto hat schon gereicht; die Wirkung ist erzielt. So wollen wir nicht agieren.

(Beifall bei der SPD)

In zwei Bereichen haben Sie sich in unsere Richtung bewegt, nämlich einmal beim Stallbau. Stallbau soll in Zukunft verstärkt an Tierwohlstandards gekoppelt werden. Dafür danken wir Ihnen. Sie haben sich auch bei der regionalen Vermarktung, zumindest was die finanzielle Ausstattung angeht, etwas in unsere Richtung bewegt − zaghaft, aber immerhin. Wir werden Sie aber daran messen, ob bei der regionalen Vermarktung das Geld wirklich bei den Landwirten statt wieder beim Lebensmitteleinzelhandel hängen bleibt, und wir werden Sie daran messen, was aus dem Topf regionale Vermarktung kommt oder ob es nicht vielleicht so ist, dass ein paar Leute vom Ministerium zur Grünen Woche fahren und dann gesagt wird: Das ist regionale Vermarktung. Schauen wir einmal.

(Beifall bei der SPD)

Richtig betroffen hat mich gemacht, dass Sie unseren Antrag zum KULAP abgelehnt haben. Hier vorne haben Sie das KULAP gerade für toll erklärt. Sie wissen ganz genau, Herr Minister, dass außer dem hervorragenden Programm zum Ökolandbau alle anderen KULAP-Maßnahmen bis auf eine Ausnahme nur auf Acker abzielen. Es werden nur Ackermaßnahmen gefördert. Sie wissen, dass das Grünland hochwertig ist. Sie wissen, dass wir mehr Grünland brauchen. Sie wissen, dass jetzt Grünland umgebrochen wird, weil man dem Umbruchverbot vorauseilen will. Trotzdem legen Sie nur ein winzig kleines Programm auf, mit dem das Grünland gefördert wird. Wir haben Programme für Blühstreifen, für Weidehaltung und so weiter gefordert. Diese Programme würden nicht nur die Landwirte bevorzugen, die Milchviehhaltung betreiben, sondern sie würden vor allen Dingen auch

den Milliarden Bienen nützen. Herr Minister, kein einziges Wort von Ihnen dazu.

(Beifall bei der SPD)

Sie stehen hier vorne und sprechen über Landwirtschaft, nehmen aber nicht einmal das Wort Biene in den Mund, obwohl es bei den Bienen im Stock brennt.