Protokoll der Sitzung vom 06.02.2013

Im Doppelhaushalt 2013/2014 haben wir in diesem Hohen Hause zudem beschlossen, erstmals 400.000 Euro für Erstattungen an Kommunen vorzusehen für Personal- und Vormundschaftskosten bei der Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Deshalb bin ich froh, dass ich das hier noch einmal darstellen konnte.

(Beifall des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Der Antrag 16/14264 der FREIEN WÄHLER befasst sich insbesondere mit der Dauer des Asylverfahrens und mit den Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber. Der Antrag fordert eine Verkürzung der Verfahrensdauern. Dazu kann ich festhalten: Jawohl, das ist der vollkommen richtige Weg. Für den Staat ist es der richtige Weg, aber auch für den einzelnen Asylbewerber, der schneller Klarheit bekommt, der früher weiß, woran er ist und der, wenn er einen Titel bekommt, arbeiten kann. Deshalb hat der Bayerische Ministerrat am 16. Oktober letzten Jahres ein Sofortmaßnahmenpaket beschlossen. Deshalb fordern wir weiter personelle Verstärkung am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. 200 zusätzliche Beamtinnen und Beamte soll es geben. Das hat Innenminister Herrmann auch angemahnt. Die Stoßrichtung des Antrages ist vollkommen richtig. Dennoch braucht es den Antrag nicht, Herr Dr. Fahn, weil die Staatsregierung nicht

mehr aufgefordert werden muss, das zu tun. Ich habe es gerade dargestellt.

Wir setzen uns für Personalmehrung ein. Wir tun dies ohnehin schon seit Längerem und mit Erfolg, wie die Verfahrensdauern zeigen. Die Verfahrensdauer für Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien hat sich − das glauben Sie fast nicht − auf durchschnittlich sieben Tage verkürzt. Alles in allem liegen die Verfahrensdauern aktuell bei ca. sieben Monaten. Es geht durchaus noch schneller. Das ist im Interesse der Asylbewerber. Es bedarf auch keiner Frist bis zur Arbeitsaufnahme, wenn der Titel schon vorher da ist und ein Bewerber vom Bewerberstatus in den anerkannten-Status gewechselt ist. Darum bedarf es der Fristen nicht, egal ob sechs oder neun oder zwölf Monate. Sie haben richtig dargestellt, dass die Frist durch EU-Vorgaben ohnehin auf neun Monate verkürzt wird. Das ist doch etwas, da tut sich etwas. Aber noch einmal: Die Frist läuft ins Leere; wenn die Verfahren alle schon nach sieben Monaten abgeschlossen wären, dann bedürfte es einer Frist bis zur Arbeitsaufnahme nicht mehr.

Was wir nicht machen können, ohne Unmut in der eigenen Bevölkerung zu provozieren, das ist die Abschaffung der sogenannten Vorrangprüfung.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Der was?)

- Der Vorrangprüfung. Die Arbeitslosigkeit ist in Bayern zwar die niedrigste in ganz Deutschland, dennoch gibt es arbeitslose Mitbürgerinnen und Mitbürger, gerade unter den Geringqualifizierten. Ihnen muss unsere Verpflichtung gelten. Deshalb muss die Vorrangprüfung bleiben.

Unser Ziel, unsere Aufgabe ist es, allen, die in Not zu uns kommen, Schutz zu gewähren. Der Schutz des Lebens und der Gesundheit steht im Mittelpunkt, nicht die Arbeitsmöglichkeit. Deshalb ist die aktuelle Rechtslage gut und tariert die verschiedenen Interessen aus.

Dreist ist schon, was Frau Tolle anfangs hier gesagt hat, nämlich dass unsere Asylpolitik krank macht. Unsere Asylpolitik ist da, um die krankmachenden Bedingungen auszugleichen, um den Leuten Schutz zu bieten, die in ihren Heimatländern verfolgt werden. Frau Tolle, was Sie hier gebracht haben, ist eine Verkennung der Umstände, eine Verdrehung der Tatsachen. Das können wir so nicht stehen lassen. Ihre Aussagen von unwürdigen Bedingungen, von einer Verletzung der Menschenwürde, das passt nicht zur Asylpolitik Bayerns. Es tut mir leid, das muss ich in aller Schärfe zurückweisen.

(Beifall bei der CSU)

Aus den von mir genannten Gründen lehnen wir alle drei Anträge ab. Mein Fazit: Auch wenn sie eine andere Stoßrichtung haben, dann machen die drei Anträge trotzdem deutlich, welche Quantensprünge sich im Asylsozialrecht in den vergangenen Jahren ereignet haben. Dabei ist eines der wichtigsten Elemente noch gar nicht genannt, nämlich das geänderte Aufnahmegesetz mit der Einführung einer Obergrenze des Verbleibs in den Gemeinschaftsunterkünften, oder mit der Möglichkeit für viele Gruppen, aus den Gemeinschaftsunterkünften auszuziehen. Das alles wurde mit enormer Anstrengung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Regierungen, in den Ministerien und in den einzelnen Gemeinschaftsunterkünften geleistet. Herr Dr. Fahn, ich bin dankbar, dass Sie das heute auch einmal dargestellt haben. Es ist eine tolle Leistung der Leute vor Ort. Diese Bilanz kann sich wirklich sehen lassen. Das ist die frohe und erfreuliche Begründung hinter unseren ablehnenden Voten.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man Herrn Seidenath so hört, muss man als unbeteiligter Zuhörer den Eindruck bekommen, die Asylpolitik und die Lage der Asylbewerber, der Flüchtlinge hier in Bayern, sei eine Insel der Seligen, ein Schlaraffenland sozusagen. Lieber Herr Kollege Seidenath, ich kann die Aussage von Frau Kollegin Tolle bestätigen. Das Gegenteil ist der Fall. Ihre Asylpolitik macht krank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das kann man schon sehen, wenn man die Zeitungen liest, die Demonstrationen der Betroffenen sieht oder mit den Betroffenen spricht. Wir werden morgen im sozialpolitischen Ausschuss einen Bericht erhalten. Herr Kollege Seidenath, Sie werden dann sehen: Ihre Asylpolitik macht krank.

Es geht nicht um die Frage, ob das eine oder andere verbessert wurde. Es gab Verbesserungen, zum Beispiel die Erhöhung der finanziellen Zulagen. Das ist keine Frage. Es gab auch Verbesserungen bei der Beratung. Dies ist jedoch nicht der Kernpunkt der Debatte, die wir zu diesen drei Anträgen führen. Der Kernpunkt ist die Frage, ob wir eine Asyl- und Flüchtlingspolitik betreiben wollen, deren Überschrift lautet: Sie sind uns willkommen und eine Bereicherung unserer Gesellschaft, oder ob wir eine Flüchtlingspolitik betreiben wollen, über der steht: Sie sind uns nicht willkommen. Sie müssen wieder zurück. Wir haben Misstrauen und wollen Sie eigentlich nicht haben.

Letzteres ist Ihre Linie der Flüchtlingspolitik. Unsere Linie ist eine andere. Lieber Herr Kollege Seidenath, dabei geht es nicht um Detailfragen, sondern um Grundsatzfragen. Ich möchte ein paar dieser Grundsatzfragen nennen, die Sie hier immer wieder übergehen und versuchen, sie mit kleinen Detailthemen zu überspielen.

Artikel 1 des Grundgesetzes lautet:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Oktober 2012 waren in Zirndorf 1.043 Menschen untergebracht. Aktuell sind es 683 Menschen. Sie leben in Containern und Zimmern, die für sechs Menschen vorgesehen, teilweise aber mit acht Menschen belegt sind. Frau Staatsministerin, so schön die neuen Container sein mögen, in ihnen befinden sich lediglich ein Stockbett, ein Tisch, zwei Stühle und ein Spind. Nennen Sie das menschenwürdig, wenn Menschen, die zu uns kommen, so über Jahre hinweg wohnen müssen? Nein, meine Definition von Menschenwürde ist das nicht.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für 100 Menschen steht eine Küche zur Verfügung. Sechs-Bett-Zimmer sind mit acht Personen überbelegt. Noch schlimmer wird es, wenn man den Blick in die Flüchtlingseinrichtung Würzburg richtet: Sie ist für 700 Personen ausgelegt und eingezäunt. Zum Betreten braucht man eine Erlaubnis. Man muss dazu seinen Pass abgeben. Patrouillen des Sicherheitsdienstes sind im Einsatz. Familien mit zwei Kindern leben zusammen auf 24 Quadratmetern. Pro Stockwerk stehen ein Waschraum, eine Gemeinschaftsdusche und eine Toilette für 80 Personen zur Verfügung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nennen Sie das menschenwürdig, trotz aller Verbesserungen, die nicht wegzudiskutieren sind?

(Beifall bei der SPD)

Ich sage: Das hat mit Menschenwürde nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun. Richten wir unseren Blick auf das Männerhaus in Würzburg. Acht Männer leben in einem Zimmer. Für 50 bis 60 Personen steht eine Dusche zur Verfügung. Nennen Sie das menschenwürdig? Ich sage: Das ist menschenunwürdig. Das ist der Kernpunkt der Flüchtlingspolitik hier in Bayern. Ich möchte diese Debatte noch mit dem Zitat eines Bewohners, eines Flüchtlings, bereichern, der

gesagt hat: Sie behandeln uns nicht wie Menschen. Sie, damit ist die bayerische Bevölkerung gemeint.

Das ist die Realität in den Flüchtlingseinrichtungen. Da hilft es auch nicht, wenn Sie vorbeten, dass Sie wieder irgendwo drei Stellen geschaffen haben. Nein, wir brauchen einen Paradigmenwechsel im Sinne von Teilhabegerechtigkeit und Menschenwürde in der Flüchtlingspolitik. Das ist der Kernsatz dieser Debatte. Alles andere ist Ablenkung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt in der Tat ein universelles Menschenrecht in Artikel 25 der Menschenrechtsdeklaration der UN, nämlich das Recht auf Arbeit. Sie handeln genau dagegen.

(Dr. Manfred Weiß (CSU): Blödsinn!)

Sie und Ihre Freunde in Berlin haben ein Arbeitsverbot für Asylbewerber erlassen; ebenso gilt die Nachrangigkeitsregel. Das hat nichts mit dem Recht auf Arbeit zu tun. In der Bayerischen Verfassung gibt es auch einen Artikel 100. Dieser Artikel sichert einen unantastbaren Bereich der privaten Lebensgestaltung. Ich wiederhole: Einen unantastbaren Bereich der privaten Lebensgestaltung. Er verbürgt ferner ein menschenwürdiges Existenzminimum. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen Sie die Pflichtunterbringung in völlig überfüllten, mit menschenunwürdigen Zuständen gesegneten Einrichtungen denn wirklich mit dem Artikel 100 der Bayerischen Verfassung für vereinbar erklären? Das können selbst Sie nicht, wenn Sie wirklich in sich gehen und nachdenken.

Ist die Residenzpflicht mit dem Artikel 100 der Bayerischen Verfassung vereinbar, in dem den Menschen ein unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung zugesichert wird? Die Residenzpflicht bedeutet exakt das Gegenteil. Es mag so sein, dass Juristen und Rechtskundige diese beiden Dinge für vereinbar erklären. Das ist eine formaljuristische Diskussion. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite gibt es aber vor dem Hintergrund solcher Gesetze auf keinen Fall eine moralische Legitimation, eine solche Flüchtlingspolitik zu betreiben, wie Sie dies tun.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Taschengeld, also die Finanzzuweisungen, wurde von vormals 40 auf jetzt 137 Euro erhöht. Das ist anzuerkennen. Sie sollten jedoch mehr Demut walten lassen. Sie verkünden das als die Wohltat schlechthin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, von 137 Euro würde keiner von uns hier im Saal auch nur einen halben Monat leben können. Sie sprechen hier von Teilhabe an dieser Gesellschaft. Wer weiß, dass

eine Kinokarte und ein Ticket im öffentlichen Personennahverkehr 20 Euro kosten, weiß, dass dies für eine Teilhabe nicht reicht.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen: Wir alle halten die christlichen Wertvorstellungen immer wieder hoch, Sie vielleicht mehr als andere. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich sage Ihnen aber eines: Sie verstoßen hier moralisch und ethisch nicht nur gegen geltende Verfassungsgesetze, das Grundgesetz und internationales Recht, Sie verstoßen auch ganz gravierend gegen Ihre eigenen Ansprüche, nämlich die christlichen Werte, die Sie immer so gern hochhalten. Ich sage das nicht, weil ich Ihnen etwas Böses will. Vielmehr haben die deutschen und die bayerischen Bischöfe vor Kurzem erklärt, dass Ihre Asylpolitik so nicht geht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Bischöfe haben das ganz konkret formuliert. Die Bischöfe, die Gralshüter der christlichen Soziallehre, haben gesagt: Die Residenzpflicht muss weg. Die Bischöfe haben gesagt: Es ist eine Sache der Menschenwürde, die Arbeitsaufnahme zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist letztendlich nicht nur ein rechtliches Thema, sondern wir diskutieren hier die christlichen Werte. Ich sage Ihnen: Sie verstoßen gegen die christlichen Werte, die Sie jeden Sonntag in die Kirche tragen.

(Beifall bei der SPD)

Das sollten Sie sich einmal gut überlegen. Das ist der Grundsatz dieser Debatte. Wir werden den drei Anträgen zustimmen, weil sie den Kern treffen. Sie sollten, wenn Sie sich selber sonntags oder sonst wo ernst nehmen, diesen Anträgen zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Frau Kollegin Meyer das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Asylpolitik nimmt in der Tat einen breiten Raum auf den Tagesordnungen ein, auf den Tagesordnungen der Plenarsitzungen und im Sozialausschuss. Das Thema begleitet uns kontinuierlich. Für die Asylpolitik tragen wir eine große Verantwortung und müssen uns den Herausforderungen stellen. In der Sitzung am 15. November 2012 haben wir ein dickes Antragspaket zur Asylpolitik behandelt. Drei Anträge haben die Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN ins Plenum hochgezogen. Zwei Anträge der GRÜNEN und ein Antrag

der FREIEN WÄHLER stehen somit wieder zur Diskussion.

Sehr verehrter Herr Kollege Pfaffmann, erlauben Sie mir am Anfang einen Hinweis. Die Lebensbedingungen der Asylbewerber in Bayern zu verbessern, war uns Liberalen bei Eintritt in die Regierungsverantwortung ein ganz wichtiges Anliegen. Wir haben dafür gekämpft, dass in den Koalitionsvertrag einiges hineingeschrieben wurde. Sie sagen hier, alles sei schlecht. Vieles sei nicht gemacht worden. Ein Großteil dieser Aufgaben fällt in die politische Zuständigkeit des Bundes. Die geltenden Regelungen haben Sie zum Teil mitbeschlossen und jahrelang auf Bundesebene nicht geändert.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Dazu gehört unter anderem auch die Residenzpflicht. Erlauben Sie, dass ich das einfach einmal sage.