In der Kürze der Zeit vom Dienstagnachmittag bis heute - selbst wenn man Nachtschichten einlegt hat - war es nicht möglich, das umfangreiche Werk in seiner ganzen Tiefe zu erfassen. Was uns heute mit der Regierungserklärung vorgelegt wurde, sehe ich als Arbeitspapier, das mit all seinen Fakten, Daten und Zahlen intensiv und überall diskutiert werden muss:
in den verschiedenen Ausschüssen - das wurde schon erwähnt -, in den Parteien, in den Wohlfahrts- und Wirt
schaftsverbänden, bei den kommunalen Spitzenverbänden, in den Kirchen. Die Aufgabe der Politik ist es, daraus die Konsequenzen zu ziehen und die notwendigen Weichen zu stellen. Dass der Bericht insgesamt eine gute Grundlage ist, hat Frau Steiger von der SPD bestätigt.
Zieht man ein erstes Fazit aus dem vorgelegten Sozialbericht, lässt sich nicht nur lapidar, sondern anhand von Zahlen feststellen: Bayern ist im natonalen und internationalen Vergleich ein wohlhabendes Land mit einer vergleichsweise breiten Einkommensverteilung, einer geringen Arbeitslosigkeit, familienfreundlichen Lebensbedingungen und einer relativ hohen Lebenserwartung seiner Bürgerinnen und Bürger. Das ist nicht unbedingt ein Anlass, sich auf die Schulter zu klopfen, und es ist nicht zwangsläufig nur das Verdienst einer besonders tollen Regierung. Nein, ich denke, es ist das Zusammenspiel von Politik, von Land und den Leuten, die hier leben.
Es ist also auch mit ein Verdienst der Menschen und nicht zuletzt ein Verdienst der Kommunen, die sich immer öfter um mehr Attraktivität und gute Lebensqualität für ihre Bürgerinnen und Bürger überall in unserem Land, sowohl in Oberbayern als auch in Franken, bemühen.
Die Zahlen belegen, Bayern ist seit Jahren volkswirtschaftlich Wachstumsspitzenreiter in Deutschand. So betrug das Wirtschaftswachstum von 2000 bis 2006, bereinigt um die Preissteigerungen, 11,6 % gegenüber dem Bund mit 8,4 %. Das ist Fakt. Es gibt einen Zuwachs an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in Höhe von 2,9 %, und die Zahl der Erwerbstätigen stieg um 2,9 % gegenüber 1,5 % im Bund. Mit einer Arbeitslosenquote von 5,3 % im Jahr 2007 war Bayern hinter Baden-Württemberg das zweitbeste Bundesland.
Diesem Bericht lassen sich zahlreiche weitere positive Zahlen und Erkenntnisse entnehmen. Bayern hat die geringste Arbeitslosenquote und die höchste Erwerbstätigkeitsquote für Frauen, wenngleich es unbestritten ist, dass es noch sehr viele Defizite in Bereichen gibt, wo Frauen arbeiten. Trotzdem sind Familien mit Kindern mit Abstand am wenigsten auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen. Bayern ist - das muss man darstellen und zugeben - attraktiv für Familien.
Es gibt aber auch Defizite und Schattenseiten, die wir uns vor allen Dingen ansehen müssen. Das ist unsere Aufgabe.
Die Armutsrisikoquote für Alleinerziehende, die vom Jahr 2000 bis 2005 von 25 % auf 35 % angestiegen ist, können wir so nicht hinnehmen. Die Armutsrisikoquote der über 65-Jährigen, die mit 16,2 % im Jahre 2003 deutlich über der westdeutschen Armutsrisikoquote von 13,7 % lag, können wir nicht einfach akzeptieren. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt es Defizite, wobei vor allen Dingen auch wieder - das ist ganz besonders bedenklich - die Alleinerziehenden betroffen sind, seien es Frauen oder Männer.
Deutlich erkennbare Defizite gibt es bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Dinge müssen nachdenklich machen, und sie verpflichten uns Handelnde zum Handeln.
Eine ganz wichtige zentrale Erkenntnis aus dem Landessozialbericht bestätigt das Credo der FDP: Die beste Sozialpolitik ist eine gute Wirtschaftspolitik.
Deshalb war es für uns auch ganz, ganz wichtig, im Koalitionsvertrag festgeschrieben zu wissen, dass sich die Regierung mit Nachdruck zur sozialen Marktwirtschaft bekennt.
Allen Schwierigkeiten, die wir derzeit durchleben, zum Trotz ist die FDP fest davon überzeugt, dass es zur sozialen Marktwirtschaft einfach keine Alternative gibt.
Mit Ihrer Forderung nach Mindestlohn, die ich hier immer wieder gehört habe, setzen Sie sich damit eigentlich in erster Linie für diejenigen ein, die schon Arbeitsplätze haben. Sie lassen aber diejenigen vor, die keine Arbeitsplätze haben.
Gerade sie müssen wir im Auge behalten; ihnen muss unsere besondere Sorge und Aufmerksamkeit gelten.
Die zweite, ganz wichtige Erkenntnis aus dem Landessozialbericht bestätigt die Bedeutung einer guten Bildung. Zwei zentrale Aussagen im Bericht treffen aus meiner Sicht den Kern der Dinge. Erstens: "Bildung ist ein wesentlicher Bestandteil der Sozial- und der Wirtschaftspolitik."
Zweitens: "Die Weichen für einen chancengerechten Zugang zur Bildung werden vorrangig in der Kindheit gestellt." Dort, wo Bildung und berufliche Ausbildung eine Basis bilden, stellen sich die Menschen einfach besser.
Eines macht der Sozialbericht deutlich: Die Ziele, die wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, sind ganz, ganz wichtig. Wir räumen ein und sehen es so: Zum Teil besteht Nachholbedarf.
Die Weichen für einen chancengerechten Zugang zur Bildung werden in der Kindheit gestellt. Diesen Satz habe ich gerade vorhin aus dem Sozialbericht zitiert. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass der Kindergarten eine Bildungseinrichtung ist.
Die Bedeutung dieser Kindergarteneinrichtungen muss gestärkt werden. Da sehen auch wir Verbesserungsbedarf, zum Beispiel beim BayKiBiG.
Der Bildungsplan, der begleitend eingeführt wurde, muss tatsächlich umgesetzt werden. Es ist ganz, ganz wichtig, Sprachförderung so früh wie irgend möglich einsetzen zu lassen. Da sind wir uns mit Sicherheit alle einig. Das gilt natürlich in erster Linie für die Kinder, die bei uns mit Migrationshintergrund ankommen. Aber, das muss man auch deutlich sehen: Das gilt auch für Kinder aus bildungsfernen Familien bei uns, die im Kindergarten sind und noch nicht so gut sprechen können wie andere, die vielleicht in einer Familie aufwachsen, in der man sich mehr mit Sprache beschäftigt.
Ganz wichtig ist natürlich die Erweiterung und Verbesserung der Angebote im Schulbereich. Ganztagsschulen in gebundener Form mit rhythmisiertem Unterricht müssen eingeführt werden. Das ist, denke ich, unser gemeinsames Ziel. Grundlegenden Verbesserungen gegenüber sperren wir uns nicht. Regionale Schulentwicklungskonzepte sind im Moment ein zentrales Thema in unserer Bildungspolitik.
Ich denke, man muss auch einmal anerkennen, was in der Vergangenheit war, und dass wir jetzt nach vorne streben. Vielleicht haben wir jetzt unsere Ziele auch ein bisschen anders gesetzt.
Die Reduzierung der Klassenstärken, die Erhöhung der Lehrerzahlen, die Verbesserung der Schulsozialarbeit - all diese Themen erkennen wir in ihrer Bedeutung. Wir haben sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben und werden sie zielstrebig verfolgen.
Es geht um Verbesserungen der Möglichkeiten in der beruflichen Ausbildung, um Verbesserungen im Hochschulbereich und an den Universitäten. Auch da haben wir in den letzten Wochen schon ganz eindeutig klare Zeichen gesetzt, die vor einiger Zeit hier in Bayern, das muss man ganz ehrlich sagen, vielleicht noch nicht denkbar und vorstellbar gewesen sind.
Ein ganz wichtiges Ziel ist natürlich auch die Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Erzieherinnen, angefangen von den Erzieherinnen bis hin zu den Lehrern. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den wir in unserer Koalitionsvereinbarung haben, ein festes Ziel, das wir gemeinsam ansteuern.