Protokoll der Sitzung vom 12.02.2009

(Sepp Daxenberger (GRÜNE): Aber der Bildungsabschluss!)

- Ich rede von Kompetenzen, denn Kinder und Jugendliche brauchen Kompetenzen.

(Sepp Daxenberger (GRÜNE): Ja, zum Schuhbandlbinden!)

Wenn Sie natürlich mit der Kompetenz eines bayerischen Hauptschulabschlusses in Bremen das Abitur schaffen, dann ist das das Problem von Bremen.

Gleichzeitig steht wörtlich im Landessozialbericht, dass wir eine sehr erfreuliche Entwicklung bei den Quoten derer haben, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Diese sind ständig im Sinken und sind in Bayern mit am niedrigsten.

In keinem anderen Bundesland - das sagt uns die PISAStudie, die hier auch eingebunden ist - haben Kinder mit Migrationshintergrund bessere Kompetenzen.

(Renate Ackermann (GRÜNE): 16 % haben keinen Abschluss!)

Darum muss es uns gehen, um die Bildungsinhalte, meine Damen und Herren, und nicht nur um das formalistische Abschlussdenken. Alle Maßnahmen, die sich die Staatsregierung jetzt bei der Bildung vornimmt - das sage ich nach kurzer Absprache sozusagen auch als Bitte an die Vertreter des Kultusministeriums -, sind darauf ausgerichtet, im Bildungssystem die Gerechtigkeit noch stärker zu erhöhen, obwohl wir bundesweit ohnehin das durchlässigste Bildungssystem haben, auch wenn Sie schon jahrelang das Gegenteil behaupten. Davon wird es nicht richtiger.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Wir wollen vorrangig und schwerpunktmäßig auch die Stärken der Klassen mit mehr als 50% Kindern mit Migrationshintergrund verringern, um auch hier die Bildungschancen zu verbessern.

Ich komme kurz auf das Thema "Qualität in der Kinderbetreuung" zu sprechen. Die Sprachberaterinnen haben den Vorteil, dass es uns nicht wie Baden-Württemberg gehen wird, wo in den Kinderbetreuungseinrichtungen für die Kinder Sprachunterricht stattfindet. Dort, so ist mir bescheinigt worden, bringt dies so gut wie nichts, weil Kleinkinder Sprachkompetenz unterschiedlich und ihrer Entwicklung angepasst erwerben, und eben nicht über die Form eines Frontalunterrichts, liebe Frau Ackermann.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir in jeder Kinderbetreuungseinrichtung in Bayern mit unserem Sprachberaterinnen-Programm eine Art Inhouse-Coaching machen, das sich auf jede Fachkraft, die dort tätig ist, auswirkt. Das heißt, es ist eine Art Fortbildung im besseren Sinne; eben nicht in dem Sinne, dass wir die Fachkräfte auf irgendwelche Kurse schicken, sondern dass vor Ort in der Betreuungseinrichtung anhand der individuellen Situation, die dort herrscht, eine zusätzliche und zielgerichtete Unterstützung der Erzieherinnen stattfindet.

(Zuruf von der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Die Erzieherinnen bekommen durch die Sprachberater zusätzliche Unterstützung, weil sich die Sprachberaterin in dieser Einrichtung 170 Stunden mit dazu setzt und

mit den Erzieherinnen am Kind sozusagen alle Methoden und Fertigkeiten, die zur Erhöhung der Sprachkompetenz führen, durchgeht. Ich kann mir - ehrlich gesagt - keine bessere Fortbildung vorstellen.

Frau Ackermann, ich habe mich bezüglich Ihrer Aussage über die Kinderkrippen in der Stadt Fürth ein bisschen schlau gemacht, die angeblich nicht gefördert werden. Das Jugendamt der Stadt Fürth teilte mir mit, dass es keine Erkenntnisse darüber gebe, dass geplante Bauvorhaben nicht gefördert würden, dass es aber bestehende Krippen bzw. zwei Großtagespflegestellen gebe, die beim Bau nicht gefördert worden seien, weil sie schon vor Inkrafttreten der Förderrichtlinie existiert hätten.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

- Entschuldigung, die "Dinger" sind bereits gebaut. Das Jugendamt Fürth teilte mir mit, dass diese Großtagespflegestellen damals aus anderen Töpfen gefördert worden seien, nämlich aus Töpfen für die Tagespflegestruktur,

(Zuruf der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

und dass sie derzeit natürlich laufend ebenso wie alle anderen Krippen durch die Übernahme der Betriebskosten gefördert würden, also in der ganz normalen Krippenförderung enthalten seien. Ich hoffe, dass ich damit dieses Missverständnis ausgeräumt habe, das sich da bei Ihnen eingeschlichen hat.

Zur Verwendung des Landeserziehungsgeldes für eine kostenfreie Kinderbetreuung: Ich will eines festhalten das scheinen immer noch zu wenige Kolleginnen und Kollegen zu wissen: Circa 30 bis 40% der Eltern in den Städten, aber insgesamt alle Eltern, die sozial bedürftig sind und deren Bedürftigkeit über den Bezugsgrenzen von Hartz IV liegt, bekommen den Kindergarten- und Kinderkrippenbesuch bereits kostenfrei. Das heißt, es gibt beim Zugang zur Kinderbetreuung keine soziale Barriere. Ich finde, das ist eine gezielte Sozialpolitik. Das Landeserziehungsgeld ist aus meiner Sicht schon eine wichtige familienpolitische Balance; denn wir alle sind uns doch darin einig, dass die Politik nicht vorschreiben sollte, wie junge Familien leben. Das heißt, man muss auch diejenigen unterstützen, die sich entschließen, ihr Kind zu Hause zu betreuen.

(Beifall bei der CSU - Erwin Huber (CSU): Sehr richtig!)

Frau Jung ist nicht mehr da, aber ich möchte trotzdem kurz auf ihre Ausführungen eingehen, weil ich es sehr witzig gefunden habe, dass hier von einer Abgeordne

ten im Bayerischen Landtag moniert wird, die Hartz-IVSätze seien zu niedrig. Liebe Frau Jung, da habe ich Sie an meiner Seite, denn ich habe an unseren Bundesminister Scholz ein Schreiben gesandt, in dem ich ihn dringend gebeten habe, den Beschlüssen der länderübergreifenden Arbeits- und Sozialministerkonferenz endlich zu folgen und für Kinder kinderspezifische Sätze festzulegen. Was schreibt er mir zurück? Die Sätze für Kinder seien angemessen. Das kann ich Ihnen schriftlich geben.

(Zuruf: Frechheit!)

Ich muss also eines sagen: Es ist dringend notwendig, für Kinder kinderspezifische Sätze vorzusehen. Aber an uns soll es wirklich nicht scheitern. Deswegen lasse ich mir das in dieser Debatte nicht sagen und wende ich mich dagegen, dass irgendwelche bundespolitische Blockadepolitik von Herrn Scholz mit unserem Landessozialbericht in Verbindung gebracht wird.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte nun zum Thema Pflege etwas sagen, weil ich es schön finde, dass die Prinzessin die ganze Zeit da gewesen ist, aber auch deshalb, weil es eines meiner Schlüsselthemen für die Zukunft ist. Ich möchte aber gleichzeitig sagen, dass ich mir dieses Thema "Pflege" im Landessozialbericht bewusst für das Schlusswort vorbehalten habe, weil es im Landessozialbericht natürlich erwähnt wird, was die Anzahl der Pflegebedürftigen angeht, aber nicht in Bezug auf die Einkommensverhältnisse. Deswegen gehört es nicht zu den Kernthemen, die ich in den ersten 30 Minuten bei der Vorstellung des Landessozialberichts im Auge gehabt habe. Für mich ist es wichtig festzumachen, das Bayern eines der ersten Bundesländer war, die den Paradigmenwechsel von stationär zu ambulant vollzogen haben. Bayern baut auch den ambulanten Sektor nicht nur konsequent aus, sondern sieht auch verstärkte Kooperationen und Vernetzungen vor, um dem Wunsch älterer Menschen bestmöglich nachzukommen, möglichst lange und selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben.

Eine besondere Herausforderung ist die zunehmende Anzahl der an Demenz erkrankten Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Hier fördern wir bereits seit dem Jahr 1998 sogenannte Fachstellen für pflegende Angehörige; damit waren wir die ersten. Gleichzeitig werden wir zu Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und Konzepte für Menschen mit Demenzerkrankung 15 Modellprojekte mit einem Gesamtvolumen von 2,5 Millionen Euro auf den Weg bringen.

Ich möchte zusätzlich darauf hinweisen, dass Bayern als erstes Land den ihm von der Föderalismuskommission eingeräumten Spielraum ausgenutzt hat. Es gilt bei

uns seit 01.08.2008 das Bayerische Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, das erstmals eine klare Definition für den rechtlichen Rahmen für ambulant betreute Wohngemeinschaften setzt und weitere Verbesserungen bringt, auch im Hinblick auf Qualitätsfragen, auf Transparenz und unangemeldete Heimkontrollen. Auch da sind wir das erste Bundesland gewesen.

Ein Schlüsselthema ist - gerade auch im Hinblick auf die Zahlen bei der Pflegebedürftigkeit - natürlich der pflegerische Beruf, das heißt, die Rahmenbedingungen für den pflegerischen Beruf. Hier liegt die Personalgewinnung in erster Linie in der Verantwortung der ambulanten und stationären Einrichtungen. Aber wir unterstützen jede Einrichtung bei der Personalgewinnung mit 3.000 Euro pro zusätzlich geschaffenen Ausbildungsplatz. Wir haben dafür im Haushalt Mittel in Höhe von 3,5 Millionen Euro bereitgestellt. Auch die Qualifizierung des Pflegepersonals ist ein wichtiger Punkt. Für die Verpflichtung der Alten- und Pflegeeinrichtungen, sich ständig fortzubilden, haben wir in den letzten zehn Jahren über 14 Millionen Euro Fördergelder für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für die professionelle Pflege ausgereicht. Es ist für mich auch wichtig, die häusliche Pflege im Blick zu haben. Wir werden die auf uns zukommenden Herausforderungen im Bereich der Pflege nur dann gut bewältigen, wenn wir auch für die häusliche Pflege bessere Strukturen schaffen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Die Problematik der Pflegehilfskräfte aus Osteuropa war eines der ersten Themen, deren ich mich angenommen habe, weil diese Rechtsprechung aus München in den Beginn meiner Amtszeit gefallen ist. Für mich war es sehr wichtig deutlich zu machen, dass Pflegehilfskräfte und Pflegekräfte nicht in einen Topf zu werfen sind. Diese Menschen aus Osteuropa, die zum Teil 24 Stunden gegen Kost und Logis in den Familien helfen und sie unterstützen, können aber nie die qualitativ hochwertige Tätigkeit der Fachkräfte ersetzen. Das halte ich für wichtig. Ich halte es aber auch für wichtig, hier darüber nachzudenken, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu öffnen; wir haben sie momentan für Haushälterinnen, aber nicht für jemanden, der bei Pflegeleistungen zur Hand geht. Oft geht es nur darum, da zu sein. Oft geht es einfach nur darum, dass alte Menschen nicht allein gelassen werden. Das hat noch gar nichts mit der fachlichen Pflege zu tun. Deswegen habe ich Herrn Bundesminister Scholz ein Schreiben gesandt, in dem ich ihn gebeten habe - und das ist jetzt möglich -, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Pflegehilfskräfte genauso zu öffnen, wie wir sie für Haushälterinnen haben. Das ist eine Erklärung, die er abgeben müsste. Ich habe noch keine Antwort erhalten. Das Schreiben ist zehn Wochen alt. Ich höre, dass es aus

seinem Hause ablehnende Signale gibt. Wir werden also alle miteinander dafür kämpfen müssen, die Situation von Familien, die pflegen, zu verbessern. Was wir nicht machen können, ist weiterhin zuzuschauen und uns letztlich damit abzufinden, dass sich pflegende Familien in die Illegalität begeben, wenn sie versuchen, Hilfe zur Pflege zu bekommen.

Zur Pflege, aber auch zu allen anderen sozialen Berufen eine letzte Bemerkung. Soziale Arbeit ist Arbeit am Menschen. Wir haben in unserer Gesellschaft insgesamt für diese Arbeit am Menschen, ob sie am kleinen Menschen oder am pflegebedürftigen Menschen, am Menschen mit Behinderungen oder im Alter stattfindet, eine viel zu geringe Wertschätzung. Das drückt sich in einer Art kollektiver Übereinkunft darüber aus, was die Löhne und Gehälter in diesen Bereichen angeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

- Das ist so. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass diese Gehälter natürlich nicht von mir oder von uns staatlich gesteuert werden. Wir müssen aber sehr wohl politischen Druck ausüben, um gesellschaftliche Einstellungen zu verändern, die dann auch wiederum Druck auf die Tarifvertragsparteien, auf die Träger, auf diejenigen ausüben, die diese Gehälter verhandeln. Ich habe bereits hinsichtlich der Kinder gesagt, dass ich den Weg zu einem höheren Basiswert mitgehe. Zur Pflege kann ich das nicht so sagen, da wir dort Selbstverwaltungsstrukturen haben. Ich kann dazu sagen: Ich werde auch dort - das habe ich bereits gemacht - größtmöglichen öffentlichen Druck ausüben, um zu höheren Vergütungen zu kommen. Eines muss uns aber allen klar sein: wir bezahlen das alle mit. Wir müssen bitte auch bereit sein, das mitzubezahlen. Das muss es uns wert sein.

(Beifall bei der CSU - Zuruf von den GRÜNEN: Eben!)

Ich bitte dann aber auch um Ehrlichkeit in der Diskussion, wenn die Beiträge zur Pflegeversicherung hochgehen.

(Zurufe von der SPD)

- Ich spreche von den Beiträgen zur Pflegeversicherung - immer schön im System bleiben, damit sich jeder noch auskennt, meine Kolleginnen und Kollegen.

Ich möchte zum Schluss bei allem, was hier geäußert worden ist, eines sagen. Zum Teil hatte man wirklich das Gefühl, man lebt in einem anderen Land; aber gut, Sie sagen ja auch, dass Sie das Gefühl manchmal haben. Ich habe mich bemüht, das Ganze ausgewogen darzustellen. Wir sind ja schon länger miteinander im Gespräch. Lassen Sie uns aber immer daran denken,

dass das, wie ich immer flapsig sage, was wir an Geldern in die Hand nehmen, nicht aus der Steckdose kommt. Alles, jeder Cent und jeder Euro muss erarbeitet werden. Deswegen meine ich, dass wir die Verantwortung für das gezielte Einsetzen dieser Gelder tragen: da, wo es hilft, da, wo es dringend notwendig ist und da, wo es auch wichtig ist. Das sind einige der gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen übrigens ganz Deutschland und nicht nur Deutschland steht. Wir haben sie in Bayern mit unseren bisherigen Zielsetzungen immer noch besser gemeistert. Wir wollen sie auch ganz konkret angehen. Ich habe sie in meiner Regierungserklärung genannt.

Ich glaube, insgesamt muss uns klar sein: Wir werden nie eine Gesellschaft haben, in der es keine Armut gibt. So, wie Armut berechnet wird, ist das denklogisch kaum möglich. Ich möchte aber eine Gesellschaft haben, in der bestmögliche Teilhabechancen, bestmögliche Durchstiegsmöglichkeiten und Durchlässigkeit bestehen. Ich glaube nämlich, dass es insgesamt für eine Gesellschaft der wichtigste Erfolgsfaktor ist, sich in sozialer Balance zu befinden. In diesem Sinne werden wir auch die Diskussionen in den nächsten Wochen führen und die Arbeit in der Staatsregierung gerade in diesem Bereich nach vorne bringen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Ministerin, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen, denken Sie bitte daran, dass Ihre politische Leistungsfähigkeit von einer gesunden Ernährung abhängt. In diesem Sinne eine schöne Mittagspause. Um 14.00 Uhr geht es weiter.

(Mittagspause von 13.24 Uhr bis 14.04 Uhr)

Ich nehme die Sitzung wieder auf.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf: