Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Danke schön, Herr Kollege Jörg. Als Nächste hat Frau Kollegin Isabell Zacharias das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Werter Präsident, geschätztes Haus, Kolleginnen und Kollegen! Die CSU ist mit ihren Aktionen ohnehin immer spät dran; so hat es mich auch heute nicht gewundert, dass sie spät dran war.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Das war jetzt nicht hilfreich! - Franz Maget (SPD): Das war wirklich elegant!)

Kolleginnen und Kollegen, was für ein Tag! Diesen Satz habe ich vor zwei Wochen schon einmal strapazieren müssen. Wir feiern heute einen Sieg der Opposition.

(Beifall bei der SPD)

Nicht jene haben diesen Gesetzentwurf ermöglicht, sondern diese, der linke Teil des Hauses und draußen

die Frauen und Männer, die Menschen, die sich beim Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren in die Listen eingetragen haben. Sie sind die Gewinner des heutigen Tages. Sie schaffen die Studiengebühren ab, und niemand sonst.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf daran erinnern: 2005 hat es die ersten Diskussionen über den Sinn der Einführung von Studienbeiträgen, der sogenannten Uni-Maut, gegeben. Diese Diskussionen wurden damals von Staatsminister Thomas Goppel initiiert. Damals hieß es, man versuche eine soziale Abfederung zu schaffen, man müsse die Studierenden daran beteiligen, dass sie eine so hohe Bildung genießen dürfen. Ich sage Ihnen eines: Die Begründung war damals genauso falsch wie heute. Sie haben 2005 Studienbeiträge angedacht und sie 2007 eingeführt und dies damit begründet, dass das Hochschulsystem, das tertiäre Bildungssystem, so chronisch unterfinanziert sei, dass sie das Geld dafür denen aus der Tasche nehmen müssten, die es scheinbar haben. Das war eine falsche Entscheidung, die mit dem heutigen Tag aufgehoben wird.

(Beifall bei der SPD)

2011 hat jener Herr − ich kann nicht mehr "Landesvater" sagen -, also Herr Ministerpräsident Seehofer, zum ersten Mal zu Recht die Verwendung der Studienbeiträge kritisiert. Etwas über 100 Millionen Euro sind angesammelt worden. Daraufhin hat der Fachminister die Anweisung gegeben, man müsse die Mittel abschmelzen. In einer Panik haben die Hochschulen dann das Geld so schnell ausgegeben, dass man gar nicht zugucken konnte. Wir wissen, dass das Geld falsch ausgegeben worden ist. War nur ein Stuhl kaputt, wurden ganze Reihen von Stühlen ausgetauscht. War ein Beamer nur ein Jahr alt, wurde schon eine neue Beamer-Anlage eingebaut. Ich könnte Ihnen viele Beispiele für Ausgaben vorführen, die zeigen, wie absurd diese Abschmelzung gewesen ist, wie absurd der ganze Beitrag gewesen ist.

Die SPD-Landtagsfraktion hat dann eine Massenpetition mit 33.000 Unterschriften initiiert. Damals spürte man in der Bevölkerung schon, dass es so nicht weitergehen kann. Die CSU und die FDP hat das überhaupt nicht beeindruckt. Im Gegenteil − auch das habe ich hier schon gesagt −: FDP und CSU haben, wie in den Protokollen nachzulesen ist, fest und starr an den Studienbeiträgen festgehalten und dies mit den immer gleichen Phrasen und inhaltsleeren Argumenten begründet, die, wie wir heute wissen, nicht stimmten.

Als dann das Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren im Herbst 2012 exakt am Geburtstag des geschätzten Kollegen Piazolo − dir noch mal ein herzlicher Glückwünsch zum Ja, das du für dieses Volksbegehren bekommen hast −zugelassen wurde, merkte der Fraktionsvorsitzende der CSU zum ersten Mal, dass ihm am 15. September 2013 an der Wahlurne die Wählerstimmen wegrauschen könnten. Das war der einzige Grund dafür, dass die CSU so früh gewagt hat, gegenzusteuern. Ich darf einmal festhalten: Das Volksbegehren 2013 hat weit über eine Million Stimmen bekommen. Weit über eine Million Frauen und Männer haben gezeigt, dass sie keine Studiengebühren wollen.

(Beifall bei der SPD)

Heute liegt uns ein Gesetzentwurf vor − mein Kollege Christoph Rabenstein wird dazu noch Ausführungen machen -, der von der CSU und der FDP nicht aus innerer Überzeugung vorgelegt wird. Das macht die Sache so dramatisch. Die Regierungskoalition in Bayern ist nicht davon überzeugt, dass die Studiengebühren unsozial sind, dass dadurch Frauen benachteiligt werden, und dass eine kostenfreie Bildung eine Staatsaufgabe ist. Rein aus wahltaktischen Gründen stimmt ihr diesem Gesetzentwurf zu. Schämt euch dafür!

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CSU - Georg Schmid (CSU): Die Kirche im Dorf lassen!)

Vor zwei Wochen haben wir den Gesetzentwurf der Opposition zur Kompensation der abzuschaffenden Studiengebühren vorgelegt. Dazu hat der Fachminister nicht gesprochen. Heute spricht er auch nicht. So viel ist der FDP und dem FDP-Minister dieses Thema wert.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. Als Nächster spricht Herr Kollege Professor Dr. Piazolo für die FREIEN WÄHLER. − Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war schon etwas symbolhaft, dass die CSU bei diesem Thema zu spät dran gewesen ist. Auf den letzten Drücker haben Sie es aber doch geschafft, auf den Zug aufzuspringen. Heute stört mich aber etwas anderes, und deshalb habe ich die Bayerische Verfassung dabei. Ein Volksbegehren wird im Landtag normalerweise von der Regierung eingebracht. Beim letzten Volksbegehren zum Nichtraucherschutz hat das der damalige Gesundheitsminister Herr Söder ge

macht. Heute traut sich die Regierung nicht, dieses Volksbegehren hier einzubringen und zu begründen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen: Man sieht, dass das schon ein Problem ist, wenn man sich Artikel 74 der Bayerischen Verfassung durchliest. Der Fachminister ist nicht bereit, den Willen des Volkes hier vorzubringen. Hier scheint ein Stück Angst dabei zu sein, wenn sich die Regierung nicht einigen kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stehe heute als Bote vor Ihnen, der stellvertretend für 1,35 Millionen Menschen, die sich gegen die Studiengebühren ausgesprochen haben, vor dem Parlament spricht. Ich spreche im wahrsten Sinne im Namen des Volkes. Als Vertreter von 14,3 % der bayerischen Bevölkerung fordere ich das Ende der Studiengebühren in Bayern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ein Gesetzentwurf liegt vor uns, der klar den Willen des bayerischen Volkes bekundet. Das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, sind studienbeitragsfrei. So steht es in diesem Gesetzentwurf. Die Menschen wollen die Regierung dazu zwingen, sich von den bisherigen Regelungen zu verabschieden. Die Menschen in Bayern haben der Regierung die Stirn geboten. Bayern ist das letzte Land, das sich von den Studiengebühren verabschiedet. Dies hat die bayerische Bevölkerung erreicht, und dafür danken wir ihr.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sicherlich hat auch der Wahltermin ein wenig dazu beigetragen. Es ist schon erstaunlich, was kurz vor Wahlen und aus Angst vor einem Volksentscheid möglich ist.

Lassen Sie mich noch ganz kurz zurückblicken. Meine sehr verehrten Damen und Herren insbesondere von der CSU-Fraktion, stellen Sie sich in den nächsten Monaten nicht vor das Wahlvolk und behaupten, schon immer gegen die Studiengebühren gewesen zu sein und diese abschaffen zu wollen. Das entspricht nicht den Tatsachen. Ich möchte Ihre Erinnerung auffrischen: In den letzten Jahren hat es elf Anträge, insgesamt sieben Dringlichkeitsanträge und drei Gesetzentwürfe, gegeben. Sie haben elfmal Nein gesagt.

(Tobias Thalhammer (FDP): Sieben plus drei sind zehn!)

- Es gab noch einen ganz normalen Antrag. Zum Mitzählen für die FDP: Sieben Dringlichkeitsanträge, einen normalen Antrag und drei Gesetzentwürfe. Das ergibt elf. Sie haben elfmal Nein gesagt. Wir haben das Volksbegehren im Herbst 2011 in Würzburg im Rahmen einer Klausurtagung auf den Weg gebracht. Kurz danach haben die Regierungsfraktionen Nein gesagt. Bis Mai 2012 haben wir 30.000 Unterschriften gesammelt. Keiner von Ihnen hat unterschrieben. Sie haben Nein gesagt. Das Innenministerium und das Wissenschaftsministerium haben vielmehr versucht, die Unzulässigkeit dieses Vorgehens nachzuweisen. Am 22. Oktober 2012 hat der Verfassungsgerichtshof das Urteil erlassen. Kurz danach haben wir einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, und Sie haben Nein gesagt. Einen Tag später hat Ministerpräsident Horst Seehofer die Wende eingeleitet.

Ich weiß nicht, ob dieser Umschwung aus innerer Überzeugung erfolgt ist. Ich hoffe es. Ich wünsche es. Neulich habe ich Sie in einem Interview Herrn de Talleyrand-Périgord zitieren hören: Die Menschen wollen belogen werden. Sie haben sich diesen Spruch dort nicht zu eigen gemacht. Das sage ich ganz deutlich. Sie haben aber gesagt: Die Menschen wollen belogen werden. Wenn das Ihr Wahlspruch sein sollte, sollten Sie ihn überdenken.

(Widerspruch bei der CSU)

Ich sagte "wenn" und sprach im Potenzialis.

Wir haben den zehnten und elften Dringlichkeitsantrag gestellt. Jedes Mal hat die Regierung Nein gesagt. Hinzu kommt, dass der Wissenschaftsminister gesagt hat: Wir als FDP stehen zum Volksentscheid; wir wollen den Volksentscheid; ich stehe dazu; es wird jedoch keinen Volksentscheid geben. Die FDP steht nicht dazu. Mit 14,3 % war das Volksbegehren erfolgreich. Das Volk hat Ja gesagt. Nach zwei oder drei Tagen folgte der nächste Dringlichkeitsantrag. Die Regierungsfraktionen haben wieder Nein gesagt. Im Februar ist die FDP dann umgefallen. Vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade gesagt habe, und wenn man so auf einem Volksentscheid beharrt und ihn dann nicht durchführt, sage ich: Das trägt das Odium des verletzten demokratischen Anstands in sich.

(Thomas Hacker (FDP): Wollen Sie ihn, oder wollen Sie ihn nicht? Sie müssen sich entscheiden!)

Wenn Sie ein bisschen in der Geschichte zurückgehen, wissen Sie, von wem das Zitat stammt. Das Zitat stammt von Frau Hamm-Brücher anlässlich ihrer

Rede am 1. Oktober 1982 zum Bruch der Koalition von FDP und SPD, der Regierung Schmidt. Es gibt also einige Beispiele in der Geschichte Ihrer Partei.

(Thomas Hacker (FDP): Sie erinnern sich noch an das Jahr 1982?)

- Ich erinnere mich sehr gut. Damals saß ich vor dem Fernseher und habe gesagt: Diese Frau hat Mut. Den hat sie bis heute bewiesen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Sie muss Mut haben, wenn Sie in der FDP ist!)

Sie ist nicht mehr Mitglied der FDP.

Leider ist die Wende halbherzig. Das bedauere ich.

Die Stellungnahme, die die Staatsregierung abgegeben hat, ist keine Stellungnahme. Laut Artikel 74 "Volksbegehren, Volksentscheid" Absatz 3 der Bayerischen Verfassung hat die Staatsregierung dem Landtag eine Stellungnahme zu unterbreiten. Das bedeutet eine rechtliche Begutachtung, eine Folgenabschätzung und eine Positionierung. Das heißt, man muss deutlich machen, wo man steht. So steht das auch im Kommentar von Nawiasky zur Bayerischen Verfassung. In Ihrer Stellungnahme steht gar nichts. Das sind drei Absätze. Das ist eine Zustandsbeschreibung. Es steht nicht drin, wie Sie zu diesem Volksbegehren stehen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Richtig!)

Das ist keine Stellungnahme im Sinne der Bayerischen Verfassung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN - Ulrike Gote (GRÜNE): Weil Sie zu feige sind!)

Das macht deutlich, dass Sie sich in der Regierung nicht auf eine Position haben einigen können. Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Ist es nicht möglich gewesen, die FDP-Minister zu einer Stellungnahme zu überreden und sie durchzusetzen? Wo bleibt Ihre Richtlinienkompetenz? Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt. Das moniere ich deutlich. Der Landtag hätte sich auch überlegen können, ob er diese Stellungnahme in dieser Form überhaupt annimmt.

Unser Volksbegehren ist klar, es ist einfach und kraftvoll. Das haben auch die Bürger begriffen. Sie haben gegen die Regierungsfraktionen entschieden. Elfmal haben die Regierungsfraktionen Nein gesagt. Das Volk hat einmal Ja gesagt. Dieses Ja ist stärker als die elf Nein. Das Volk hat gesagt: Wir können es. Im Grunde genommen ist es der damalige Satz Obamas:

Yes, we can. Wir können es als Volk. Die Regierung kann es nicht.