Protokoll der Sitzung vom 16.04.2013

Wir gehen voran. Wir reden nicht nur, wir handeln. Wir machen Politik mit den Menschen. Das ist gut so.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Professor Dr. Piazolo. – Nächster Redner ist Herr Staatsminister Dr. Spaenle. – Bitte schön, Herr Dr. Spaenle.

Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus! Es ist gut, dass sich dieses Hohe Haus mit Bildungspolitik und mit dem bayerischen Gymnasium beschäftigt. Ich halte es allerdings für beschämend und unverantwortlich, wie die Kollegen der FREIEN WÄHLER mit den berechtigten Interessen der gymnasialen Schulfamilie in diesem Land umgehen.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie sind nicht besser!)

Ich finde das deshalb beschämend, weil wieder einmal Reden und Handeln auseinanderfallen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wieder einmal!)

Mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich aus der Sitzung des Bildungsausschusses vom 5. Juli 2012. Kollege Felbinger hat damals im Zusammenhang mit dem Thema, unterschiedliche Geschwindigkeiten und Modelle am bayerischen Gymnasium einzuführen, sinngemäß Folgendes formuliert:

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sinngemäß! - Günther Felbinger (FREIE WÄHLER): Zitat!)

Das Anbieten beider Modelle innerhalb einer Schule wäre problematisch und würde zu einer gewaltigen Unruhe unter den Lehrkräften, den Eltern und nicht zuletzt unter den Schülerinnen und Schülern führen.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei den FREI- EN WÄHLERN - Georg Schmid (CSU): Guter Mann, der Felbinger!)

Im Umgang mit dem Gymnasium in Bayern ist das beschämend. Es ist unverantwortlich, den Menschen

vorzugaukeln, dass man die Gleichheit der Lebensbedingungen mit einer solchen Strategie verfolgt. Die FREIEN WÄHLER werden zu Totengräbern der kleinen Gymnasien auf dem Lande. Ich bezeichne das als unverantwortlich.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie werden der Totengräber der großen, wenn Sie so weitermachen! )

Wenn der Hubert Schule macht, bin ich um den Schlaf gebracht. – Das darf man wirklich so sagen.

(Beifall und Heiterkeit bei der CSU und der FDP - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann haben wir das Ziel schon erreicht, dass Sie einmal nachdenken!)

Reden ist das eine, Politik zu machen das andere.

Das bayerische Gymnasium bietet auf die größte Herausforderung, die gymnasiale Bildung zu gewärtigen hat, nämlich die große Nachfrage nach dem bayerischen Gymnasium, eine Antwort. 40 % der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs besuchen in Bayern das Gymnasium,

(Renate Will (FDP): Trotz G 8! - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das stimmt! Trotz G 8, nicht wegen!)

obwohl das bayerische Gymnasium als leistungsstarkes schulisches Angebot verbal nicht immer gut behandelt wurde.

Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für das bayerische Gymnasium und für die Familien brechen, die sich für diese Schulform entscheiden. Während sich vor zehn Jahren, als der Grundsatzbeschluss zur Einführung des Gymnasiums in seiner achtjährigen Form gefasst wurde, noch etwa 30 % eines Jahrgangs für das Gymnasium in Bayern entschieden haben, tun es heute, wie Kollege Rüth richtig angemerkt hat, 10 % mehr. 40 % eines Jahrgangs entscheiden sich für diese Schulform.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Was ist das für eine Milchmädchenrechnung? Vor 50 Jahren waren 10 % am Gymnasium! Natürlich werden es immer mehr! Das hat nichts mit dem G 8 zu tun!)

Wir werden die bildungspolitischen Einsichten von Hubert Aiwanger der Öffentlichkeit sicherlich zugänglich machen können.

(Heiterkeit der Abgeordneten Renate Will (FDP))

Diese Schulart gibt den jungen Menschen die Möglichkeit, über den Weg zur Hochschulreife ein akade

misches Studium aufzunehmen. Auf die Tatsache, dass 40 % eines Jahrgangs diesen Weg wählen, ist eine klare Antwort zu geben: Wir müssen den jungen Leuten die Zeit geben, die sie benötigen. Ich durfte das hier schon in der letzten Woche ausführen. Wir tun das aber nicht nur am bayerischen Gymnasium. Dass jedes Kind die individuelle Lernzeit bekommt, die es braucht, um den angestrebten Abschluss zu erreichen, ist Grundprinzip der Bildungspolitik im Freistaat Bayern. Beispiele dafür sind das Modell der flexiblen Grundschule und die Möglichkeit, den mittleren Bildungsabschluss an der Mittelschule in elf statt in zehn Jahren zu machen. Junge Menschen, die einen mittleren Bildungsabschluss ablegen, können bei Bedarf ein zusätzliches Schuljahr in Anspruch nehmen, wenn sie den Weg zur Hochschulreife über die Fachoberschule oder das Gymnasium gehen. Das ist die Wirklichkeit in Bayern.

Die Möglichkeit, dass jeder Schüler in Bayern, der das Gymnasium besucht, bei Bedarf mit seiner Familie entscheiden kann, ob er das Gymnasium acht Jahre oder neun Jahre lang besucht, konzentriert auf die Mittelstufe, ist Beschlusslage. Das wird mit Beginn des kommenden Schuljahres die Realität an den bayerischen Gymnasien sein.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Gehring (GRÜ- NE))

Zusätzlich geben wir Antwort auf die Heterogenität und die Tatsache, dass immer mehr Familien gymnasiale Bildung nachfragen. Wir verfolgen eine völlig neue Strategie, die es ermöglicht, jeden Schüler und jede Schülerin ihrem Leistungsstand entsprechend zu fördern. Wir unterlegen das damit, dass die Lehrkräfte in besonderer Weise auf den Leistungsstand der Schüler Rücksicht nehmen.

Das bayerische Gymnasium bietet im Gegensatz zu den rudimentären und nebulösen Überlegungen, die hier im Raum stehen, den Familien eine konkrete Wahlmöglichkeit. Wir bieten erstens eine zusätzliche, dem Leistungsstand der Schüler entsprechende Förderung an, um diesen Weg erfolgreich zu gehen.

Wir bieten zweitens jedem Schüler die Möglichkeit, individuell zu entscheiden, ob er das Gymnasium bis zum Abitur in acht oder in neun Jahren durchläuft.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Also doch!)

Der große Unterschied zwischen unseren Positionen liegt darin, dass Sie einen Vorschlag aus dem 20. Jahrhundert machen. Sie antworten auf die Herausforderungen mit organisatorischen Maßnahmen. Kleine Gymnasien auf dem Land werden das möglicherweise nicht anbieten können. Sie werden also

dafür sorgen, dass die Abwanderungstendenzen noch zunehmen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kleine Gymnasien auf dem Land werden gefährdet sein. Ich bringe es auf den Punkt: Mit ihrem Vorschlag sind die FREIEN WÄHLER die Totengräber der kleinen Gymnasien im ländlichen Raum. Erklären Sie das einmal den Menschen vor Ort!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die zweite Tatsache ist, dass Gymnasien unterschiedliche Zweige anbieten: mathematisch-naturwissenschaftlich, neusprachlich, sozialwissenschaftlich, musisch und altsprachlich. Mit Ihrer Retro-Lösung werden Sie nur einem Zweig die Möglichkeit eröffnen, ein neunjähriges Zeitbudget in Anspruch zu nehmen. Für alle anderen Zweige, die ein Gymnasium ausweist, wird diese Möglichkeit institutionell verbaut. Somit schaffen Sie eine institutionelle Ungerechtigkeit am einzelnen Schulstandort. Damit noch nicht genug. Wir wissen, dass die Menschen in unserem Land insbesondere in Bezug auf die Wahrnehmung des Sprachenangebots auf eine große Vielfalt setzen. In jedem Schuljahr werden Anträge für zusätzliche Sprachenfolgen an den Gymnasien gestellt. Mit Ihrem RetroModell wird den Schülerinnen und Schülern, die eine bestimmte Sprachfolge wie die alten Sprachen – die gibt es durchaus –, drei moderne Fremdsprachen oder eine spät beginnende Fremdsprache wahrnehmen wollen, die Möglichkeit, eine neunjährige Gymnasialzeit für sich in Anspruch zu nehmen, verbaut.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das werden wir öffentlich diskutieren.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Gerne!)

Ich kann Sie nur bitten, Ihrer politischen Verantwortung gerecht zu werden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das tun wir!)

Sie sollten den Bestand kleiner Schulstandorte im ländlichen Raum nicht gefährden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie schließen diese selbst!)

Sie sollten keine Debatte über die Vergleichbarkeit der Lebensbedingungen im ländlichen Raum anfachen. Die werden wir haben. Wir werden das massiv thematisieren. Sie gefährden die Chancen der jungen Menschen im ländlichen Raum massiv. Wir können mit der Zahl der Schulgründungen und der Stabilisie

rung der Angebote im weiterführenden Schulbereich punkten. Wir haben die Schulstandorte massiv ausgeweitet und können deshalb die Ansätze, die Sie vortragen, nur -

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): begrüßen!)

- Mei Hubert, Ferkel halten allein langt halt nicht.

Wir können nur davor warnen, diesen Weg einzuschlagen. Die Schülerinnen und Schüler können ab dem kommenden Herbst an den bayerischen Gymnasien konkret wählen, ob sie eine achtjährige oder neunjährige gymnasiale Schulzeit in Anspruch nehmen. Wir geben dem einzelnen Schüler mehr Zeit, aber nicht dem System.

(Beifall bei der CSU)