Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

(Heiterkeit bei der SPD)

Wenn in der Konsequenz aber wichtige Verbände wie der Städtetag und der Einzelhandelsverband bei sie betreffenden wichtigen Themen gar nicht eingeladen werden oder wenn die Verbände schon jetzt für die letzte notwendige Anhörung, den Text der Verordnung bekommen, bevor der überhaupt endgültig durch das Parlament gegangen ist, dann ist das eine schwere Missachtung des Parlaments und gesellschaftlich wichtiger Akteure.

(Lebhafter Beifall der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die CSU scheint von diesem Entwurf alles andere als begeistert zu sein. Ich erinnere mich noch an den Ausspruch von Herrn Kollegen Schöffel: Der Knaller ist es nicht.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Das ist ja fast ein emotionaler Ausbruch!)

Das war sehr diplomatisch ausgedrückt. Deshalb hat die CSU auch per Beschluss festhalten lassen, dass gleich nach der Wahl 2014 eine Teilfortschreibung zu den zentralen Orten stattfinden wird. Da heute auch Bürgermeister anwesend sind, lassen Sie mich dies ein bisschen ausführen. Man muss sich das wirklich einmal vor Augen halten: Im Jahr 2006 beschließt der

Landtag wegen der zentralen Orte eine Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms, weil dieses System nicht mehr passt. Aus der Teilfortschreibung wird dann, aufgrund der Initiative des Ministerpräsidenten, eine Gesamtneufassung. Die liegt uns jetzt vor. Und nun wird gesagt, mit den zentralen Orten haben wir uns in den ganzen fünf Jahren nicht beschäftigt, das ist uns jetzt vor der Wahl auch etwas zu schwierig, jemandem auf die Füße zu treten, also verabschieden wir das jetzt mal und machen dann, nach der Wahl, munter weiter.

(Zuruf des Abgeordneten Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP))

So geht das nicht, so kann man mit Bürgermeistern auch nicht umgehen!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Wir werden diesen Entwurf, dieses Sammelsurium ohne System, ohne Konzept und ohne Plan ablehnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Initiativrecht für diese Verordnung liegt bei der Staatsregierung, das heißt, als Fraktion oder als Parlament können wir keinen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Ich betone das ausdrücklich, damit nicht wieder die Mär verbreitet wird, wir würden nur kritisieren und hätten keine eigene Vorstellung, wohin es denn gehen soll. Wir haben deshalb mit einigen exemplarischen Änderungsanträgen Punkte beispielhaft hervorgehoben, mit denen wir unsere Vorstellungen deutlich machen wollen. Diese Punkte können weder allumfassend sein noch jeden Bereich der Verordnung erfassen, sonst hätten wir wieder einen eigenen Entwurf. Ein Teil davon steht nachher auch zur namentlichen Abstimmung.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf diese Punkte eingehen. Der erste und wichtigste Punkt: Nachdem unser Antrag, sich für die Erarbeitung eines guten LEP ausreichend Zeit zu nehmen, von den Regierungsfraktionen abgelehnt wurde, wird eine SPD-geführte Staatsregierung ab Oktober umfassend anfangen, an einem neuen LEP zu arbeiten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CSU und der FDP)

- Ob dann die FDP noch im Landtag ist, wird sich zeigen.

Wir werden Kommunen, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Sozialverbände, Umweltorganisationen und vor allen Dingen die Bürgerinnen und Bürger in einem umfassenden Diskurs beteiligen. Zu den exemplarisch genannten Themen: Um gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilräumen zu schaffen,

genügt es nicht, lieber Herr Minister Zeil, dieses Ziel mit ein paar schönen, lapidaren Sätzen ins Programm zu schreiben. Dieser Handlungsauftrag steht schließlich schon seit 50 Jahren im Grundgesetz, ohne dass man das Ziel erreicht hätte, und in die Bayerische Verfassung schreiben wir es jetzt auch noch hinein. Bei der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist nämlich nicht der Weg das Ziel, sondern man muss irgendwann auch mal am Ziel ankommen, sonst werden sich die Bevölkerungsverschiebungen innerhalb Bayerns noch weiter verstärken, und das will keiner von uns. Wir brauchen deshalb einen tauglichen Instrumentenkasten, wir brauchen innovative Finanzierungsmodelle, passgenaue staatliche Förderprogramme und den Auftrag an die Regionen, für ihre Heimat eigene Konzepte und Strategien zur Entwicklung auszuarbeiten.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Dieses Ziel, das wir gefordert haben, hätte dann zwei Folgen: Zum einen setzen wir auf die Kompetenz der Menschen vor Ort; die wissen nämlich am besten, was ihrer Region hilft, viel besser als jede Ministerialbürokratie in München.

(Beifall bei der SPD)

Zum anderen bedeutet ein verbindlicher staatlicher Auftrag an die Regionen nach dem Konnexitätsprinzip auch die Verpflichtung für den Staat, diese Regionen bei ihrer Regionalentwicklung finanziell und personell zu unterstützen. Die freiwillige Regionalentwicklung, die Sie den Kommunen und Regionen einräumen, hat nämlich den durchaus beträchtlichen Nachteil, dass das nur die machen können, die es sich leisten können. Die Regionen, die gut dastehen, können sich eine solche Infrastruktur schaffen. Die Regionen aber, denen es nicht so gut geht, die finanzielle Kalamitäten haben, können es sich nicht leisten; dabei hätten es gerade die am nötigsten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Tagen aus aktuellem Anlass viel über das Thema Flächenversiegelungen geredet und über die Wichtigkeit von Retentionsflächen, um Hochwasserereignisse einigermaßen erträglich zu halten. Minister Huber hat darauf hingewiesen, ebenso wie Minister Brunner. In diesem Licht erschüttert es schon, dass sich auch die CSU unter dem Mäntelchen einer Deregulierung und einer angeblichen Stärkung der Kommunen dazu hergibt, die Regelungen für die Siedlungsentwicklung massiv aufzuweichen und damit dem Flächenfraß Tür und Tor zu öffnen. Hier sind wir wieder bei der Notwendigkeit, dass eine Staatsregie

rung wenigstens ab und zu Entscheidungen treffen muss, die nicht jede Lobbygruppe glücklich machen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist für uns ein Skandal, dass Krokodilstränen über Flächenfraß und fehlende Retentionsflächen vergossen werden und im gleichen Atemzug das Anbindegebot ausgehöhlt wird, damit auch noch die letzte Wiese bebaut werden kann, statt dass die Potenziale der Innenentwicklung stärker genutzt werden. Leider befinden sich die FREIEN WÄHLER mit ihrem Änderungsantrag auch auf diesem - nach unserer Meinung Irrweg.

Ich fasse kurz zusammen: Wir brauchen ein LEP, das den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist, das Bayern als attraktiven Standort für Wirtschaft und Bürger auch in Zukunft erhält, das nicht nur klingende Worthülsen enthält, sondern Ziel, Weg und Überprüfungsmöglichkeiten für die Zukunft ganz Bayerns vorgibt. Lieber Herr Minister Zeil, dieser Entwurf hilft Ihnen im Wahlkampf auch nicht. Ziehen sie ihn zurück, und lassen Sie uns alle einen neuen Anfang machen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben eine namentliche Schlussabstimmung zu Tagesordnungspunkt 5 durchgeführt, da ging es um die Drucksache 16/16672. Das Ergebnis war: Mit Ja haben gestimmt 102, mit Nein 42, keine Stimmenthaltungen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Damit ist das Gesetz so angenommen. Es trägt den Titel "Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes".

Mit der Annahme in der beschlossenen Fassung hat sich der Änderungsantrag auf Drucksache 16/16769 erledigt.

Dann darf ich dem nächsten Redner das Wort geben. Herr Kollege Schöffel, bitte schön. Sie sind dran, Sie können jetzt erklären, was es mit der Granate, oder was das war, auf sich hat.

(Zuruf von der CSU: Bravo!)

- Oder was war es nicht?

(Zuruf von der CSU: Ein Knaller!)

- Ein Knaller? – Ein Knaller war es also nicht. Erklären Sie uns das doch einmal.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, ich möchte keine Einschätzung über Sie abgeben, sondern über das Landesentwicklungsprogramm.

(Lachen bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist ein starkes Land, und zwar in allen Landesteilen.

(Inge Aures (SPD): Franken auch!)

- Das zeigt sich auch in Franken. Die Staatsregierung hat sich aktiv eingesetzt, in besonderen Situationen ebenso wie für besondere Landesteile und für den ländlichen Raum. Vor allem hat sie sich für die Bildung und die Hochschulen eingesetzt. Deshalb ist als Erstes daraus zu schließen: Die Landesentwicklung ist bei der CSU und bei dieser Staatsregierung aus CSU und FDP gut aufgehoben.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Inge Aures (SPD): Aber nicht mehr lange!)

In dieser Legislaturperiode haben wir zunächst mit einem eigenen Landesplanungsgesetz begonnen. Dazu hat uns der Bund die Möglichkeit gegeben.

(Volkmar Halbleib (SPD): Was will der Mann uns damit sagen?)

In diesem Landesplanungsgesetz ist die Aufgabe eines LEP festgelegt. Das heißt: Das Landesentwicklungsprogramm legt die Grundzüge der anzustrebenden räumlichen Ordnung und Entwicklung des Staatsgebietes fest.

Es ist richtig: Das neue LEP beruht auf einem gewissen Paradigmenwechsel. Es konzentriert sich mit Absicht auf die bedeutsamen Aspekte der Raumordnung, der Flächeninanspruchnahme und der Konkurrenz um knappe natürliche Ressourcen. Diese Neugewichtung hat zu vielerlei Diskussion und Missverständnissen geführt.

Der Ansatz war eine Verschlankung des bestehenden LEP, eine Entbürokratisierung und so weit wie möglich auch eine Kommunalisierung. Ich möchte anhand von Beispielen deutlich machen, warum es notwendig war, hier Verantwortung auf die kommunale Ebene zu übertragen. Sie alle haben ja an der einen oder anderen Stelle dazu etwas miterlebt.

Aus unserer Sicht ist dies der zielführende Ansatz für eine prosperierende Entwicklung unseres Landes. Der Staat muss raumordnende Leitplanken oder Rahmenbedingungen setzen. Innerhalb dieser Bedingun

gen können und sollen die Entscheidungen vor Ort getroffen werden.

Wir haben es bei den Beratungen gespürt: Raumordnung und Raumbezugsfragen betreffen unterschiedlichste, notgedrungen widerstreitende Interessen und Interessengruppen. Ein Beispiel ist der Lebensmitteleinzelhandel. Die kleineren Kommunen haben immer wieder gefordert, Lockerungen bei neuen Einrichtungen im ländlichen Raum vorzunehmen. Viele andere haben dagegen eine strikte Eindämmung gefordert.