Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch. Die Staatsan waltschaft wusste, dass die Revision der HVB einge schaltet war und dass Frau Mollath dadurch ihren Job verloren hatte. Aber man hat Gustl Mollath von An fang an als Spinner abgestempelt. Er hatte überhaupt keine Chance. Das ist umso schlimmer, als seine An zeige zur Entlastung im Strafverfahren hätte dienen können; denn es war klar geworden, dass seine Schwarzgeldvorwürfe kein Wahn sind. Die Glaubwür digkeit der Hauptbelastungszeugin Frau Mollath wäre damit natürlich erschüttert gewesen.
Deshalb muss man heute feststellen: Die Staatsan waltschaft hat mit größter Brutalität gegen Gustl Mol lath ermittelt. Sie hat keinerlei entlastende Momente überhaupt nur berücksichtigt. Der Vorwurf der Reifen stecherei war bar jeder Beweisführung, wie es der zu ständige Staatsanwalt Dr. Meindl vermerkt hat. Das Attest der Ärztin ist inzwischen eine unechte Urkunde. Frau Mollath hat eine Ferndiagnose ihrer eigenen Psychiaterin, Frau Dr. Kraft, vorgelegt, derentwegen das Amtsgericht eine Begutachtung angeordnet hat. Das kann uns allen passieren. Das Magazin ""quer" hat ja auch schon einmal eine Ferndiagnose über die Frau Staatsministerin angefertigt.
Die Staatsanwaltschaft hätte als Wächterin des Rechts auch gegen die Rechtsverstöße von Herrn Richter Brixner einschreiten müssen. Das Bundesver fassungsgericht hat erst jüngst festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft als objektive Behörde eine eigene Pflicht hat, für ein ordnungsgemäßes Verfahren zu sorgen. Das dauernde Anschreien eines Angeklagten ist nicht akzeptabel. Die zahlreichen Rechtsbrüche hätten gerügt werden müssen. Von Objektivität war in diesem Verfahren leider keine Spur.
Doch kommen wir nun zum Höhepunkt in diesem Drama, zu Ihnen und Ihrem Haus, Frau Ministerin. Was Sie da abgeliefert haben, sagt nun wirklich gar nichts. Ich stelle fest: Versagen auf der ganzen Linie. Sie haben sich nicht informiert. Wollten Sie sich nicht informieren? Sind Sie nicht richtig informiert worden? Oder haben Sie schlichtweg die Realität ausgeblen det? Schon 2004 hat Ihr Ministerium eine Eingabe von Herrn Mollath falsch behandelt. Es hieß, die Sachbehandlung sei nicht zu beanstanden, obwohl alle Unterlagen vorlagen, die heute für die Steuerer mittlungen ausreichen.
Noch ungeheuerlicher war der Umgang im Haus mit den Eingaben des Zahnarztes Edward Braun im Juli 2011. Sie haben ihn, den besorgten Bürger, einfach auflaufen lassen. Sie haben es jetzt persönlich zu ver antworten, dass seine Eingabe als Wiederaufnahme antrag ausgelegt wird, obwohl klar war, dass ein sol cher Antrag unzulässig war. Er hat dafür sogar noch eine Rechnung erhalten, weil er einen Brief geschrie ben hat. So schaut die Realität aus.
Heute ist die Aussage von Herrn Braun diejenige, die die Glaubwürdigkeit von Frau Mollath erschüttert. Das ist ein Wiederaufnahmegrund für die Staatsanwalt schaft. Seine Aussagen lagen bereits 2011 vor. Da hätten Sie längst einschreiten müssen, spätestens im Dezember 2011, als wir im Landtag dieses Thema zum ersten Mal behandelt haben.
Was war Ihre Antwort? Sie sind nicht eingeschritten. Man hat den Eindruck, es ist Ihnen egal. Sie haben ja auch gesagt, Sie seien schließlich nicht die Sachbear beiterin, sondern die politische Spitze. Na ja, dazu kann sich jeder sein Urteil bilden.
Ich denke, Frau Minister, hier wird einem Bürger seit vielen Jahren die Freiheit entzogen, und Sie persön lich interessiert das nicht. Sie tragen aber persönlich die Verantwortung für Ihr Ministerium. Die Bürgerin nen und Bürger erwarten, dass sie ernst genommen werden. Sie können sich nicht einfach wegducken oder abtauchen, indem Sie sagen, Sie würden die Akten nicht lesen, dafür seien andere zuständig. Die
Freiheit eines Menschen ist Chefsache. Sie sind ver pflichtet, sich als verantwortliche Ministerin persönlich ein Bild davon zu machen.
Ich habe Ihnen bereits im Dezember 2011 für die SPD-Fraktion einen umfangreichen Fragenkatalog zu geleitet. Sie haben im Rechtsausschuss am 8. März 2012 nur einseitig berichtet und wichtige Details ver schwiegen.
Sie haben Folgendes gesagt – ich zitiere: "Ich sage auch hier vorab noch einmal ganz ausdrücklich: Die Strafanzeige Mollaths wegen der Bankgeschäfte sei ner Frau war weder "Auslöser" noch "Hauptanlass" noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus."
Das ist schlicht und einfach falsch. Die 106-seitige Verteidigungsschrift von Herrn Mollath war die Grund lage für das Gutachten, das ihm einen Schwarzgeld wahn unterstellt hat. Sie behaupten immer, Sie wür den sich Gerichtsentscheidungen nicht zu eigen machen. Das folgende Zitat aus dem Rechtsaus schuss vom 8. März 2012 spricht aber eine andere Sprache. Sie führten am Ende Ihres, wohlgemerkt, ei genen Berichts im Ausschuss aus, es gebe zusam menfassend zu der Frage, warum Herr Mollath noch immer untergebracht sei, drei Möglichkeiten: Es sei erstens eine große Verschwörung, oder es lägen zweitens alle falsch, nur Herr Mollath liege richtig. Jetzt zitiere ich die dritte Möglichkeit: "… oder es liegt einfach schlicht daran, dass Herr Mollath immer noch in die Psychiatrie gehört, weil er schwere Straftaten begangen hat und weiterhin allgemeingefährlich ist."
Es wird Sie nicht überraschen, dass ich die Variante 3 für die richtige Antwort halte. Wir haben uns eindeutig positioniert. Ich denke, eine neutrale Sachbehandlung sieht anders aus. Umso erstaunlicher ist das gnaden lose Urteil, wenn man bedenkt, dass Sie selber zuge geben haben, dass Sie den HVB-Bericht, obwohl Sie uns im Landtag doch schon am 8. März 2012 darüber informiert haben, erst im November 2012 gelesen haben wollen. Sie hätten sich eben nicht auf die Aus sagen der Nürnberger Staatsanwaltschaft verlassen können. Es kann auch nicht Ihr Ernst sein, dass man hier den Bock zum Gärtner macht.
Eine Ministerin, die sich von ihren untergeordneten Behörden so vorführen lässt, muss man nicht mehr ernst nehmen. Sie hätten die Pflicht gehabt, den HVBBericht selbst zu lesen und sich eigenständig darüber zu informieren. Dann hätten Sie anders gesprochen, zum Beispiel so: Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt. Oder so: Allen Mitarbeitern waren viele gravierende Verfehlun gen und Verstöße gegen interne Richtlinien und exter
ne Vorschriften – unter anderem Abgabenordnung, Geldwäschegesetz, Wertpapierhandelsgesetz – anzu lasten. Das stand alles in dem Bericht. Man hätte uns, den Bürgerinnen und Bürgern, den für ganz Bayern und Franken peinlichen Auftritt in der ARD ersparen können.
Jetzt reden Sie plötzlich davon, dass die Unterbrin gung von Herrn Mollath unverhältnismäßig sein könn te. Das ist der vorläufige Höhepunkt Ihrer Unfähigkeit, meine Damen und Herren. Frau Ministerin, bei allem, was da auf einen zukommt, wird es einem wirklich ganz schlecht.
Die Staatsanwaltschaft hat mit Ihrer Zustimmung die weitere Unterbringung beantragt. Nur weil sie jetzt das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet hat, än dern Sie plötzlich Ihre Meinung. Jetzt wollen Sie Ihre Haut retten, weil Sie befürchten, dass die Unterbrin gung von Herrn Mollath, die Sie immer verteidigt haben, vielleicht doch verfassungswidrig ist.
An dieser Stelle müssen wir Sie jetzt sogar vor den Angriffen des Richtervereins in Schutz nehmen, weil ich nicht verstehe, warum Sie nicht berechtigt sein sollen, die gesetzlich vorgesehene Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht abzugeben.
- Ich sage es halt für das Protokoll. Man wird es ihm ausrichten. Der Stellvertreter ist ja da. Herr stellvertre tender Ministerpräsident, geben Sie es bitte weiter. Das gilt nicht für Sie direkt.
Sie haben die Ministerin mehrmals zum Jagen getra gen. Aber Sie haben das halt nur versucht. Sie haben gemerkt, dass die Ministerin einfach bockt. Sie kriegt den Fall Mollath nicht in den Griff. Sie hat keine Pei lung mehr, das muss man sagen, und leidet unter Re alitätsverlust. Sie ist eine Belastung für das baye rische Volk.
- Ja, das wollen Sie nicht hören; das ist mir klar. Ich würde das an Ihrer Stelle auch nicht hören wollen. Ich verstehe das schon. Sie ist aber dafür verantwortlich, dass es in der Bevölkerung eine tiefe Verunsicherung gibt. Sie hat dem Ansehen der Justiz geschadet.
Eine solche beratungsresistente Ministerin können wir uns nicht leisten. Sie ist abgehoben und verbohrt. Herrn Seehofer fordere ich jetzt auf, sich von der Mi nisterin zu trennen. Ich sage: Herr Seehofer, schen ken Sie ihr doch ihre Freiheit. Lassen Sie sich nicht länger auf Ihrer Nase herumtanzen.
Heute sind gravierende Fehler der bayerischen Be hörden festzustellen. Der Umgang mit Gustl Mollath ist eine einzige Fehlerkette. Wieso die CSU jetzt be hauptet, man habe eine Verschwörungstheorie wider legt, ist mir schleierhaft. Eine Verschwörung hat Gustl Mollath überhaupt nicht behauptet, auch wir nicht. Wir haben uns aber auch Gedanken darüber gemacht, wie solche Fehler in Zukunft vermieden werden kön nen. Die Vorschläge der Bundesjustizministerin zur Änderung des Unterbringungsrechts gehen in die rich tige Richtung. Heribert Prantl spricht von "Dunkelkam mern des Rechts". Herr Mollath war bei uns im Unter suchungsausschuss sogar so frustriert, dass er um Sicherungsverwahrung gebeten hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Justiz muss das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu rückgewinnen. Ihre Ausstattung muss dringend ver bessert werden; eine Justizreform ist erforderlich. Wir brauchen mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Bereichen der Justiz – in den Justizvollzugsan stalten, bei den Staatsanwaltschaften und vor allem bei der Steuerfahndung.
Wir erleben heute einen historischen Tag: Zwei Unter suchungsausschüsse legen ihre Abschlussberichte vor. Ich muss deutlich sagen: Bei dem, was heute zum NSU berichtet wurde, bekam ich Gänsehaut. Umso schwerer ist es zu verstehen, dass Herr Mollath nach sieben Jahren immer noch in der Psychiatrie sitzt. Ich empfehle jedem, einmal die Abteilung für Fo rensische Psychiatrie zu besuchen, damit er weiß, was dort eigentlich los ist.
Ich stelle fest: Die Oppositionsfraktionen gemeinsam haben ihre Aufgabe in dem Untersuchungsausschuss erfüllt. Wir haben auf die anstehenden Gerichtsent scheidungen zu warten. Dann werden wir sehen, wie sich die Sache weiterentwickelt. Wir wünschen auch von dieser Stelle aus Herrn Mollath alles erdenklich Gute.
Ich darf jetzt für die FREIEN WÄHLER Herrn Kollegen Streibl das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Als ich im Herbst vergangenen Jahres dafür plädierte, in der Causa Mollath einen Untersuchungsausschuss einzu setzen, war ich noch relativ allein auf weiter Flur.
Heute sind fast alle froh darüber, dass dieser Untersu chungsausschuss von allen Fraktionen des Landtags eingesetzt wurde. Dessen Arbeit war wichtiger denn je und zur Aufklärung des Sachverhalts dringend er forderlich.
Meine Damen und Herren, mein Dank gilt all jenen, die an der Arbeit des Untersuchungsausschusses be teiligt waren.
Ich danke unseren Mitarbeitern, die bis in die Nach stunden, manchmal sogar bis in die Morgenstunden hinein, unermüdlich mitgearbeitet und mitgeholfen haben.
Dank gilt auch dem Stenografischen Dienst, der das, was wir gesagt haben, peinlichst genau aufgeschrie ben hat.
Dir, lieber Florian Herrmann, danke ich dafür, dass du den Untersuchungsausschuss kollegial geführt hast, sodass wir in einer guten Atmosphäre verhandeln und untersuchen konnten.
Allerdings bin ich – wie wahrscheinlich viele andere Mitglieder der Oppositionsfraktionen – enttäuscht da rüber, dass Opposition und Koalition bei der Bewer tung der Ergebnisse so stark voneinander abweichen. Ihr von der Koalition habt das Gleiche gesehen, was wir gesehen haben. Ihr habt das Gleiche gehört, was wir gehört haben. Ihr habt dieselben Akten gelesen. Dennoch kommen wir zu fundamental unterschiedli chen Ergebnissen.
Es ist enttäuschend, dass die Regierungskoalition in das Lied der Ministerialbeamten einstimmt, die immer wieder festgestellt haben, dass in der Sachbehand lung alles richtig gelaufen sei. Wenn dem so gewesen wäre, dann säßen wir nicht hier, um darüber zu bera ten. Wenn dem so gewesen wäre, dann wäre Herr
Mollath nicht immer noch in der Unterbringung. Wenn dem so gewesen wäre, dann hätten wir den Untersu chungsausschuss nicht gebraucht. Aber es hat ihn gebraucht; das müssen wir alle heute erkennen. Von daher hätte ich mir bei der Koalition schon einen Fun ken an Kritikfähigkeit und an Fehlerkultur gewünscht.
Es gab in diesem Untersuchungsausschuss einige Tiefpunkte; Frau Kollegin Aures hat schon manche genannt. Ein Beispiel: Der Vorsitzende Richter, der Herrn Mollath verurteilt hat, musste im Ausschuss zu geben, dass er die Verteidigungsschrift von Herrn Mollath, die er in seiner Akte hat, nicht gelesen hat – er hat das mit den Worten "Ich lese doch keine 110 Seiten" beiseite gewischt –, sondern erst sechs Jahre nach der Verurteilung zur Kenntnis ge nommen hat. Damit wird ein sehr trauriges Bild von diesem Prozess und dem gesamten Fall gezeichnet.