Protokoll der Sitzung vom 18.07.2013

Wir haben diese Verbesserungen in unserem Antrag alle konkret aufgezählt: Essenspakete abschaffen, das System der Gemeinschaftsunterkünfte durch dezentrale Unterbringung ersetzen, die Residenzpflicht komplett abschaffen und nicht nur lockern – sie ist ein Dinosaurier; wir brauchen sie nicht mehr –,

(Beifall bei den GRÜNEN)

eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung schaffen, Asylsozialberatung bedarfsgerecht ausbauen – bedarfsgerecht!, das heißt nicht, um zwei Stellen aufstocken -, das 4-Stufen-Modell für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge abschaffen. Das ist auch ein Anachronismus. Das widerspricht schon längst der UN-Konvention, wonach Flüchtlingskinder genauso behandelt werden sollen wie deutsche Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danach müssten die Flüchtlingskinder alle bis zum 18. Lebensjahr in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden. Dieses 4-Stufen-Modell ist völliger Blödsinn. Schaffen Sie es also ab!

Außerdem fordern wir in unserem Antrag genügend Personal für die Erstaufnahmeeinrichtungen und die Flüchtlingsbetreuung; wir fordern, die Zielländer der Abschiebung nach dem Dublin-Verfahren auf die Einhaltung von Menschenrechten zu überprüfen. Ich könnte Ihnen in den nächsten drei Stunden eine Geschichte darüber erzählen, wie Flüchtlinge zum Beispiel in Italien untergebracht sind. Dort werden sie schlimmer als Tiere gehalten. Wir fordern, den Kommunen die Option einzuräumen, bei vollständigem Kostenersatz die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in eigener Zuständigkeit zu organisieren, und wir fordern schließlich, im Bundesrat darauf hinzuwirken, das Asylbewerberleistungsgesetz – auch so ein Dinosaurier – abzuschaffen.

Das steht im zweiten Teil unseres Antrags. Wenn Sie wirklich bereit sind, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen, dann müssen Sie diesem zweiten Abschnitt unseres Antrags in namentlicher Abstimmung auch zustimmen.

Dem SPD-Antrag werden wir zustimmen. Dem CSUAntrag können wir nicht zustimmen; denn er ergeht sich in Lobeshymnen über die bisherige Asylpolitik. Im Übrigen wird, was den zitierten Satz anbelangt, ja auch nur das Handeln der Staatsregierung begrüßt, und es ist kein eigenes Handeln beabsichtigt. Sie

müssen sich noch gewaltig anstrengen, dann werden wir auch Ihren Anträgen zustimmen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächste hat die Frau Kollegin Isabell Zacharias von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte sehr.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geehrter Herr Präsident, guten Morgen meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Renate Ackermann, ich möchte mich an dieser Stelle als Erstes bei dir bedanken; denn du hast in zwei Legislaturperioden so viel für die Thematik der Flüchtlings- und Asylpolitik getan und eine Sensibilität im Bayerischen Landtag hierfür geschaffen. Die Flüchtlinge draußen wissen das zu schätzen. Ich denke, dafür dürfen wir uns auch als SPD sehr herzlich bei dir bedanken. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, es gab unlängst einen Hungerstreik am Rindermarkt in München, der ein verzweifelter Hilferuf von Menschen war, die sich nicht mehr anders zu helfen wussten. Sie wussten nicht mehr, wie sie sich dieser inhumanen, dieser unchristlichen Asyl- und Flüchtlingspolitik in Bayern erwehren könnten. Sie haben ein sehr drastisches Mittel gewählt: den trockenen Hungerstreik. Das ist ein sehr drastisches Mittel, das ich sehr problematisch finde. Aber sie haben ein Mittel gewählt, um Aufsehen zu erregen, und das ist ihnen gelungen.

Es kam sogar soweit, dass der Ministerpräsident von Bayern sagte: Ich möchte, dass dieser Satz gestrichen wird; wir als Staatsregierung betreiben eine solche Politik nicht! Was meint der Ministerpräsident damit? Er meint genau den Satz in der DV Asyl, der – Renate Ackermann hatte es bereits ausgeführt – feststellt: Wir machen alles in der Asylpolitik, um die Rückkehr in die Herkunftsländer zu beschleunigen. Übersetzt heißt das für mich: Wir gestalten die Asylund Flüchtlingspolitik so drastisch, so inhuman und so unchristlich, dass die Menschen weglaufen.

Sie laufen aber nicht weg, meine lieben Damen und Herren der Christlich-Sozialen Union; denn in ihren Herkunftsländern haben sie es dramatisch schlechter. Wir müssen beklagen, dass sie mit einer Fluchtgeschichte kommen, mit Vertreibung, mit Missbrauch, mit Hunger, mit Elend. Nach Wochen und Monaten kommen sie irgendwann bei uns in Deutschland, in Bayern an. Was machen wir? Wir verschränken die Arme, anstatt Willkommenskultur wirken zu lassen. Wir sind inhuman!

Herr Seehofer – schade, dass er nicht da ist, so wichtig scheint ihm das Thema dann doch nicht zu sein –, ich rufe Ihnen zu: Betreiben Sie als Staatsregierung eine solche Politik nicht? Doch, Herr Seehofer, Sie haben genau eine solche Politik betrieben.

(Beifall bei der SPD)

Schauen wir einmal genauer hin. Was beklagen die Flüchtlinge, und was beklagt die Opposition seit Jahren: Essenspakete!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Mündige Menschen werden dazu verdonnert, Essenspakete anzunehmen. Ich war häufig in der Bayernkaserne in München. Frau Haderthauer, ich war einmal dabei, als tiefgefrorene Pizzen verteilt wurden. Tiefgefrorene Pizzen! Diese wurden verteilt, ohne dass in der Bayernkaserne auf den Etagen Backöfen vorhanden sind. Ich frage Sie: Soll man eine tiefgefrorene Pizza lutschen oder soll man sie in die Sonne legen, bis sie aufgetaut ist? Tiefgefrorene Pizzen an Flüchtlinge zu verteilen, die noch nicht einmal die Möglichkeit haben, diese aufzubacken, ist zynisch.

(Beifall bei der SPD)

Kollegin Ackermann hat es ausgeführt: Essenspakete an mündige Menschen sind inhuman. Wir müssen das abstellen.

Die nächste Herausforderung ist der Zustand der Gemeinschaftsunterkünfte. Die Bayernkaserne ist dafür ein sehr schönes Beispiel. Auf einem Kasernengelände steht ein Gebäude, das mit Stacheldraht eingezäunt ist. Was assoziiert das eigentlich bei uns? – Stacheldraht heißt: Du musst in diesem Gelände bleiben. Stacheldraht heißt auch: Du kannst nicht auf die andere Seite gelangen. Das ist auch etwas Emotionales. Das Gebäude ist umzäunt von Stacheldraht und hat sehr kleine Zimmer – bis zu vier Menschen in einem Zimmer. Jede Großvieheinheit in Bayern bekommt mehr Platz als ein Flüchtling, als ein Mann, als eine Frau oder als ein Kind. Diesen Zustand müssen wir abschaffen.

(Beifall des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Weitere Themen sind von Frau Kollegin Ackermann angesprochen worden. Das muss ich im Hinblick auf die Zeit nicht weiter ausführen. Es geht um Essenspakete und Gemeinschaftsunterkünfte.

Ein weiteres Thema ist mir besonders wichtig. Es geht um die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Allein in der Bayernkaserne sind es weit über 100 Kin

der, die unter 18 Jahren sind – es sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Ich rufe Ihnen zu: Das muss in das Jugendhilfegesetz!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf der Abgeordneten Brigitte Meyer (FDP))

Ja, Brigitte Meyer, dann macht den Gesetzentwurf dazu. Ihr seid noch an der Regierung, wir noch nicht, aber ab 15.09. – das darf ich hier versprechen – werden wir hier das ändern.

(Zuruf von der CSU)

Ich möchte Ihnen sagen, was mir ein Jugendbetreuer dazu sagte: Hat man hundert Jugendliche auf einem Haufen – egal, ob sie einen Flüchtlingshintergrund haben oder nicht –, die einfach nur Fußball spielen bzw. auf so engem Raum leben, dann ist die Explosionsgefahr groß. Wir schauen zu bei jungen Flüchtlingen, die ein Trauma durchlebt haben und in kleinen Räumen eingepfercht sind. Und da wundern wir uns noch darüber, dass dort Spannung aufkommt und Aggressionen bestehen. Ich würde nach einem Tag in der Bayernkaserne übrigens auch wahnsinnig werden – Sie sicherlich auch. Sie würden dann sofort für eine andere Asylpolitik stehen.

Abschließend will ich sagen – deswegen haben wir die namentliche Abstimmung beantragt –, dass dieser eine Satz gestrichen werden muss. Wir müssen alles dafür tun, um eine Willkommenskultur in Bayern einzurichten, und nicht alles dafür tun, um diese Menschen wieder zurückzujagen. Diesen peinlichen Satz haben Sie auch in Ihrem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag drin. Dem SPD-Antrag werden Sie zustimmen müssen, und wenn Sie es nicht tun, dann kann ich dem Ministerpräsidenten nur zurufen: Diese Drehhofer-Geschichten gehen mir allmählich richtig auf den Senkel!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Bernhard Seidenath von der CSU.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit gleich drei Dringlichkeitsanträgen zur Asylsozialpolitik befassen wir uns heute zu Beginn des letzten Plenartages, und das aus gutem Grund. Der Zuzug von Asylsuchenden nach Deutschland und nach Bayern ist dramatisch.

(Zuruf von der SPD)

Mein Dachauer Landrat Hansjörg Christmann – seit 36 Jahren Landrat und damit dienstältester Europas – hat zu Beginn dieser Woche beim Vergleich der Entwicklungen festgestellt, dass die aktuelle Situation durchaus mit der zu Beginn der Neunzigerjahre vergleichbar ist, die mit die schwierigste Phase seines beruflichen Lebens war.

Wir haben es also mit einem veritablen Problem zu tun, das uns auch in den nächsten Wochen und Monaten begleiten wird. Dabei ist in kaum einem anderen Politikfeld so viel in den letzten fünf Jahren passiert wie in der Asylsozialpolitik.

(Tobias Thalhammer (FDP): Dank der FDP!)

Schade, dass Frau Ackermann das in ihrer letzten Rede nicht anerkennen konnte.

In unserem Dringlichkeitsantrag mit der Überschrift "Erfolgreiche Asylsozialpolitik fortsetzen!" fassen wir die Verbesserungen in sieben Spiegelstrichen zusammen und weisen in weiteren sechs Spiegelstrichen künftige Ziele und Handlungsfelder auf.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Schönfärberei!)

Diese Ziele sind bereits mehr als Handlungsoptionen, es ist die Vorgabe klarer Ziele für die Staatsregierung, um die hohe Zahl von Asylsuchenden möglichst gut zu bewältigen. Das erfordert eine Kraftanstrengung aller, insbesondere der Kommunen zusammen mit dem Staat. Wenn Sie so wollen, dann ist unser Dringlichkeitsantrag am Ende dieser Legislaturperiode Bilanz und Vermächtnis für eines der ganz wichtigen und prägenden Themen der letzten fünf Jahre.

(Zuruf der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Deshalb ist dieser Dringlichkeitsantrag auch sehr lesens- und beachtenswert.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Wir rufen mit diesem Dringlichkeitsantrag zunächst den Asylkompromiss vom 14. Juli 2010 in Erinnerung, mit dem wir die Auszugsmöglichkeiten aus Gemeinschaftsunterkünften gerade für Familien und Kranke deutlich erleichtern. Wir weisen darauf hin, dass die Residenzpflicht gelockert wurde und nun auf Regierungsbezirksebene sowie für die angrenzenden Landkreise gilt. Wir haben – auch das ist ein Meilenstein – die vom Sozialministerium erlassenen Leitlinien zu Art, Größe und Ausstattung der Gemeinschaftsunterkünfte. Wir haben die deutliche Ausweitung der Asylsozialarbeit und der Asylsozialberatung seit 2008. Wir

hatten im Jahr 2008 1,44 Millionen Euro für die Asylsozialberatung; dieser Betrag wurde im Jahr 2012 auf 2,64 Millionen Euro angehoben, also fast verdoppelt, und in diesem Jahr, also in 2013, noch einmal um eine dreiviertel Million auf 3,39 Millionen Euro erhöht. Das ist sehr beachtenswert und hätte auch hier einer lobenden Erwähnung bedurft.

Zudem wird – das ist ein Paradigmenwechsel, der bislang untergegangen ist – seit dem Bildungsfinanzierungsgesetz vom 20. März 2013 allen Asylbewerbern die Möglichkeit geboten, einen Deutschkurs zu besuchen. Dieser beläuft sich auf 300 Stunden. Das ist ein Paradigmenwechsel, der extrem wichtig ist, um den Menschen, die zu uns kommen – ob sie bleiben können oder nicht – etwas aus unserem Land mitzugeben: Deutschkenntnisse, Bildung.

Schließlich – das ist auch wichtig – wird die Arbeitserlaubnis für Asylbewerber schneller erteilt. Anstatt bisher nach zwölf Monaten wird sie nunmehr nach neun Monaten erteilt. Und – das ist jetzt besonders wichtig – die Staatsregierung wird den zweiten Halbsatz des § 7 Absatz 5 Satz 3 der Asyldurchführungsverordnung streichen.