Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

(Beifall bei der FDP)

Moment noch, Herr Kollege. Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass Frau Generalkonsulin der Republik Südafrika, Frau Mokuena, soeben ihren Antrittsbesuch macht. Sie sitzt oben auf der Ehrentribüne. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Nun zur Zwischenbemerkung.

Geschätzter Herr Kollege Rohde, mit Verlaub, Ihr Beitrag hat erstens bewiesen, dass eine längere Redezeit für die Qualität einer Äußerung im Parlament nicht unbedingt Voraussetzung ist.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens, wir sollten uns einig sein - das ist für Ihre Tätigkeit als Vizepräsident wichtig -, dass nach § 111 Absatz 3 der Geschäftsordnung Zwischenfragen während einer Rede in beliebiger Anzahl zulässig sind, ohne Beschränkung auf Fraktionen. Bei der Zwischenbemerkung hingegen gibt es die Beschränkung.

Drittens nehme ich für die mittelfränkische Diskussion zur Kenntnis, dass Sie auch auf mehrfache Nachfragen nicht über praktische Erfahrungen mit der Arbeitsgemeinschaft Ihres Landkreises Erlangen-Höchstadt berichten konnten, in dem Sie Kreisrat sind, sondern sich ausschließlich auf Erfahrungen der Optionskommune Erlangen stützen.

Viertens - das ist das Entscheidende -, ich halte es für zynisch, wenn Sie sagen, wir warten ab, welche Mehrheiten es geben wird, um dann zu überlegen, wie die Behördenzuständigkeit ist. Das ist etwas, was ich noch nie gehört habe, nicht einmal von der FDP. Es geht darum, für eine durch die Rechtsordnung gegebene Aufgabe eine durch die Rechtsordnung zulässige geeignete Struktur zu finden, und nicht darum, ob die FDP dabei die Hand heben darf oder nicht, verehrter Herr Kollege Rohde.

(Beifall bei der SPD)

Und schließlich zu Erlangen. Erlangen ist sicherlich in der Tat - für die nichtmittelfränkischen Kolleginnen und Kollegen sei dies gesagt - eine sehr erfolgreiche Optionskommune. Auch ich kenne die Arbeit dort, auch ich kenne die handelnden Akteure. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass sich hier bewahrheitet, was ich eben gesagt habe. Eine langjährige Vorarbeit, eine aktive Arbeitsmarktpolitik der Stadt Erlangen - damals sozialdemokratisch, auch im Sozialbereich, geführt von einer hervorragenden sozialdemokratischen Bürgermeiste

rin - wurde geleistet, damit Erlangen heute eine gute Optionskommune sein kann. Das sollte man der Vollständigkeit halber auch sagen. Es geht darum, gute Arbeit für die Menschen zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, bitte.

Ich fange mal hinten an. Ich gestehe zu, natürlich hat Schwarz und Rot in Erlangen dieses vor vielen Jahren auf die Schiene gesetzt. Und derjenige, der es mit initiiert hat, war zuletzt der Landtagskandidat für die FDP, um das auch der Vollständigkeit halber zu sagen.

Ich war nicht als Kreisrat bei der ARGE, ich war als Bundestagsabgeordneter am Ohmplatz in Erlangen bei den Zuständigen im Arbeitsamt, also nicht konkret vor Ort in Erlangen-Höchstadt, sondern praktisch eine Ebene darüber. Das ist nahe dran; ich kenne die ARGEn auch. Ich habe viele ARGEn in anderen Bundesländern besucht, weil ich in der Funktion als Bundestagsabgeordneter viel herumgekommen bin. Die Probleme vor Ort waren wirklich dem Eilverfahren geschuldet. Mittlerweile sind sie ausgeräumt. Es funktioniert - das habe ich in meiner Rede nicht bestritten -, nur ist es eben nicht verfassungsgemäß. Das eine ist eben verfassungsgemäß, das andere nicht, und da setzen wir an.

Es ist doch wohl unbestritten, dass es besser ist, nur eine Reform der Verwaltung zu machen als zwei Reformen. Da wir beide nicht wissen, wie die Bundestagswahl ausgeht, aber damit zu rechnen ist, dass eine andere Mehrheit vielleicht etwas anderes will als die derzeitige Mehrheit,

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Dann dürften Sie gar nichts mehr machen!)

dann kann man doch sagen, dass sicher nichts vertan ist, wenn wir uns noch ein halbes Jahr Zeit nehmen, vor allem, da die derzeitigen Punkte nicht kompromissfähig sind. Es zeichnen sich Kompromisslinien ab, aber in Ihren Anträgen steht nicht drin, dass man mehr Optionskommunen hat. Deswegen wird die FDP bei ihrer Linie bleiben. Wir werden für unsere Überzeugung kämpfen. Das sieht man sicher an dem einen oder anderen Ort.

Ich glaube, Ihren ersten Punkt habe ich vergessen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Das war die Geschäftsordnung!)

Ja, die Geschäftsordnung - geschenkt. Da muss ich sagen, dass die Übung hier im Hause aufgrund der geltenden Geschäftsordnung so ist, dass man Zwischenfragen nicht zulässt und am Ende nur eine Zwischenbemerkung übrig bleibt. Ich hatte heute so viel Redezeit, dass wir uns darin üben konnten.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rohde. Das Wort erhält nun die Staatsministerin Frau Haderthauer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Wir haben gut funktionierende Strukturen bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen. Umso ärgerlicher war es für uns, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht diese Strukturen, zumindest einen Großteil, für verfassungswidrig erklärt hat. Über die Optionskommunen hat das Bundesverfassungsgericht gar nichts gesagt, darum kann man nicht sagen, dass sie verfassungsgemäß sind; sie sind schlicht im Urteil überhaupt nicht beurteilt worden.

(Angelika Weikert (SPD): Richtig!)

Die anderen Strukturen sind für verfassungswidrig erklärt worden, und das tut mir persönlich leid, weil sie hervorragend arbeiten.

Ich sage das deshalb, weil ich die politische Entscheidung, dass wir Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengeführt haben, für eine richtige halte. Wir haben versucht, das auch durch die Strukturen nachzuvollziehen. Das ist vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Deswegen stehen wir gemeinsam vor der Verantwortung, hier etwas Neues zu gestalten. Ich sage das deshalb, weil hier ab und zu erzählt worden ist, wir würden Strukturen zerschlagen. Wir zerschlagen keine Strukturen. Wir würden sie wohl alle miteinander am liebsten so erhalten und hätten keinen Änderungsbedarf, wenn das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden hätte. Aber wir kommen nicht darum herum, Herr Pointner, dass wir handeln müssen. Das zu Ihrem Satz: Was sich bewährt hat, soll man erhalten.

Bayern hat immer dann - das war im ganzen letzten Jahr der Fall - grundsätzlich einer Grundgesetzänderung zugestimmt, wenn man zu dem Ziel kommt, wenn zwei zentrale Forderungen erfüllt sind: erstens der Fortbestand des Optionsmodells, zweitens eine angemessene Mitwirkung der kommunalen Ebene, weil genau das der charmante Punkt ist, der jetzt vielerorts so gut funktioniert. Dafür wären wir bereit gewesen, sogar eine Grundgesetzänderung mitzumachen - aber eben nur, wenn das gewährleistet ist.

Hätte Herr Minister Scholz vor einem Jahr gesagt, dass er nicht bereit ist, beide Forderungen zu erfüllen, und hätte er nicht ein Jahr lang herumgeeiert und immer wieder neue Hoffnungen geweckt, dann hätten wir uns ein Jahr Arbeit sparen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Zuruf von der CSU: Bravo!)

Er hat insgesamt in einem rasanten Wechsel, bei dem einem schwindlig werden konnte, drei verschiedene Gesetzentwürfe zur Grundgesetzänderung vorgelegt. Nun verfolge ich das Ganze erst seit Ende 2008, weil ich, Frau Scharfenberg, noch nicht 2007 im Amt war. Es ist aber schön, dass Sie sich offenbar schon so an mich gewöhnt haben in diesem Amt, dass ich von Ihnen so wahrgenommen werde.

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich habe zu wenig Zeit. Im Dezember 2008 legte das BMAS einen Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes vor. Allerdings wurden darin die Optionskommunen unter die Aufsicht des BMAS gestellt. Das kann aber keine Lösung sein.

Am 13. Februar kam ein neuer Entwurf; das war dann die Grundlage für die Arbeitsgruppe, die unter dem Vorsitz von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geführt wurde. Darin war eine einfach gesetzlich geregelte Entfristung der Optionen vorgesehen, also keine Absicherung der Optionskommunen im Grundgesetz. Alle Arbeits- und Sozialminister der B-Länder haben sich dann am Faschingsdienstag, am 24.02. - da hätte es auch eine angenehmere Tätigkeit gegeben - getroffen, um sich abzustimmen, ob sie da mitgehen können. Wir haben letzten Endes Ja gesagt. Dann aber hat Scholz am 3. März den nächsten Entwurf zur Grundgesetzänderung vorlegt, bei dem er als politischen Preis für die Absicherung der Optionskommunen im Grundgesetzt verlangte, deren Anzahl zu zementieren, so dass keine Vermehrung möglich gewesen wäre, weil deren Anzahl dann im Grundgesetz zementiert gewesen wäre

(Bernhard Pohl (FW): Eben!)

und gleichzeitig die Mitwirkungsrechte, die wir für die Kommunen in den ZAG wollten, nicht gestattet worden wären, sondern nur ein Mitspracherecht. Dazu sagte mir mein OB in Ingolstadt, mitsprechen kann ich lang, es nutzt mir aber nichts, wenn ich nicht mitgestalten kann. Deshalb sage ich, genau dafür ändern wir das Grundgesetz nicht, sondern gehen lieber auf das zurück, was wir zugegebenermaßen schon vor einem Jahr hätten verfolgen können, nämlich ein Kooperationsmodell, ein Modell, in dem wir versuchen, die ver

schiedenen Strukturen durch eine Kooperation hinzubekommen.

Es sieht so aus, als könnten wir das schaffen und eine Möglichkeit finden, die vor allen Dingen eins zum Ziele haben muss: Es wird nicht zu Leistungseinschränkungen für die Betroffenen kommen. Wer das hier behauptet, der instrumentalisiert die Langzeitarbeitslosen für parteipolitische Zwecke.

(Beifall bei der CSU)

Es gibt keine Änderung für die Langzeitarbeitslosen, für die wir diese Anstrengungen unternehmen, ihre Leistungen zu erhalten. Es wird weiterhin auch nach unserem Modell eine Leistung unter einem Dach geben, und was die Geldleistung angeht, auch aus einer Hand. Ansonsten werden wir zu einem Modell finden, wo wir für die Optionskommunen eine Entfristung haben - das ist auch in unserer Bundesratsinitiative enthalten - und wo wir eine Grundlage haben für eine Kooperation im Sinne der Beschäftigten, im Sinne derer, die Hilfe brauchen, und vor allen Dingen so, dass uns das Bundesverfassungsgericht nicht in einem Jahr wieder sagt, das Ganze sei verfassungswidrig. Damit täten wir uns allen keinen Gefallen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatsministerin, bleiben Sie bitte noch kurz am Mikrofon. Frau Kamm hat noch eine Zwischenbemerkung.

Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass Sie sich von der Leistung aus einer Hand verabschieden. Mit der Leistung unter einem Dach kann nur etwas gemeint sein, wo es eine Doppelung gibt und sich zwei Personen letztendlich mit demselben Fall beschäftigen müssen. Letztendlich sind das organisatorisch verursachte Ineffizienzen zulasten der Betroffenen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD )

Sie sollten sich wirklich darum bemühen, dass es nach wie vor eine Leistung aus einer Hand ist, die allen Hilfebedürftigen diskriminierungsfrei zukommen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gebe Ihnen recht. Ich wünschte, das Bundesverfassungsgericht hätte es genauso gesehen; denn das war genau unser Ziel. Ich muss dazu sagen, dass ich mich freuen würde, wenn wir das schafften; aber bisher gibt es keine Signale von unseren Bundespolitikern, egal von welcher Partei, dass es als besonders charmant angesehen würde, wenn die 35 Milliar

den Bundesmittel an die Länder gegeben werden müssten, um von diesen in eigener Verantwortung verteilt zu werden. Auch Scholz möchte das verhindern.

(Christine Kamm (GRÜNE): Ich frage mich, ob Sie das charmant finden!)

- Ich sage, ich fände es schön, aber wir müssen es leider verändern, da es verfassungswidrig ist, wie uns gesagt wurde.