Als ich den Dringlichkeitsantrag gelesen hatte, hatte ich vermutet, ich hätte verpasst, dass die Linkspartei doch in den Bayerischen Landtag eingezogen ist.
Allerdings ist das nicht der Fall. Herr Pohl hat es gerade bestätigt, zumal ich von ihm, als wir über das allgemeine Gleichstellungsgesetz diskutiert hatten, eher die Positionen rechts denn links der Mitte wahrgenommen hatte. Das, was hier vorliegt, entspricht jedenfalls nicht dem Geist der bürgerlichen Mitte und nicht dem Geist der wirtschaftsorientierten Mitte, den Sie sonst immer für sich in Anspruch nehmen. Wir haben hier einen tiefen Griff in die Mottenkiste einer Sozialneiddebatte und einer Umverteilung auf Verdacht.
Sie sprechen ein grundsätzliches Misstrauen gegen Wirtschaftsunternehmen und ihre Führungspositionen aus. Ihr Antrag offenbart ein Verständnis von unserer Wirtschaft, das mich schon erschüttert. Die Botschaft des Bayerischen Landtags an die Wirtschaft und an die Bevölkerung kann nicht sein, dass wir sämtliche Führungspersonen unserer Unternehmen unter den Generalverdacht stellen, es ginge nur um persönliche Bereicherung auf Kosten der Unternehmen. Das entspricht nicht unserem Verständnis von der Wirtschaft in Bayern und in Deutschland und vor allem nicht der Realität.
Der vorliegende Dringlichkeitsantrag offenbart aber nicht nur ein völlig überzogenes Misstrauen gegenüber Vorständen, sondern vor allem ein völliges Unverständnis für das geltende deutsche Aktienrecht und die Rechtspraxis.
Es gibt in Deutschland ziemlich genau 14.000 Aktiengesellschaften, also mindestens 14.000 Vorstände, wenn nicht mehr, da es meistens mehrere in einem Unternehmen sind. Für diese Vorstände gibt es in § 93 des Aktiengesetzes hinsichtlich deren Haftung eine klare Regelung. Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Sie haften dann mit ihrem gesamten Vermögen, nicht nur mit zwei Jahresbruttogehältern, nebenbei gesagt. Außerdem tragen sie selbst die Beweislast dafür, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben oder nicht. Hinzu kommt natürlich die
Haftung für kriminelles Verhalten, die - das ist eine Selbstverständlichkeit - nicht nur die Gesellschaft, sondern jeder Geschädigte gerichtlich geltend machen kann.
Es steht außer Frage, meine Damen und Herren, strafrechtlich relevantes Vorstandshandeln zulasten der Gesellschaft, auch Untreue genannt, führt schon nach geltendem Recht zur Schadenersatzpflicht, die übrigens nicht von der D&O-Versicherung abgedeckt ist.
Wir müssen uns aber auch im Klaren darüber sein: Nicht jeder wirtschaftliche Misserfolg eines Unternehmens basiert auf kriminellem Verhalten seines Vorstands. Unternehmerische Entscheidungen sind deutlich komplexer, als Sie dies mit Ihrem populistischen Antrag vorgaukeln wollen. Es gibt unternehmerische Fehlentscheidungen, die zu einem Schaden für das Unternehmen führen, die auch bei strenger Beachtung der kaufmännischen Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen wären. Das gilt gerade unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, auch bei Insolvenzen von Unternehmen, die nicht abgewendet werden können.
Übrigens ist auch das Stellen eines Insolvenzantrages nicht in jedem Fall das Indiz für ein völliges Versagen des Unternehmensleiters. So mancher Mittelständler die haben Sie völlig aus dem Blick verloren - kann leider ein Lied davon singen. Deshalb ist gerade das Kriterium "Insolvenzantragstellung" in Ihrem Antrag völlig untauglich. Das pflichtwidrige Unterlassen einer Insolvenzantragstellung durch einen Vorstand führt übrigens bereits nach geltendem Recht zu einer Schadenersatzpflicht des Vorstands. Dieses kleine Detail ist Ihnen offenbar bei der Formulierung des Antrags entgangen.
Vorstände sind Sachwalter fremden, nicht eigenen Vermögens. Daher ist an ihre Fähigkeiten und kaufmännische Sorgfalt ein hoher Maßstab anzulegen. Das Aktiengesetz tut dies genau so wie das GmbH-Gesetz. Die gestiegene Anzahl von Schadenersatzprozessen gegenüber Vorständen und die umfangreiche Rechtsprechung zu diesem Thema, die man sich bei Gelegenheit auch einmal zu Gemüte führen könnte, tragen dem Rechnung.
Gleichwohl gehört es zur Fairness im Geschäftsleben, jedem Vorstand das Recht einzuräumen, sich für seine unternehmerischen Entscheidungen rechtfertigen zu können. Er muss die Möglichkeit haben, darzulegen und nachzuweisen, dass er einen Schaden, den das Unternehmen genommen hat, trotz Anwendung von kaufmännischer Sorgfalt nicht vermeiden konnte. Der Maßstab für diese Sorgfalt wird beispielsweise durch den deutschen Corporate Governance Kodex gesteigert und wird in letzter Zeit auch beachtet. Dieses Best
Practice-Modell des deutschen Corporate Governance Kodex dient auch der Rechtsprechung als Anhaltspunkt, ob Sorgfalt eingehalten wurde oder nicht. Dieses Recht der Selbstverteidigung wollen Sie ihm aber mit Ihrem Antrag absprechen.
Die verschuldensunabhängige Haftung stellt zu Recht eine Ausnahme im deutschen Rechtssystem dar, die bei der Haftung von Kfz-Haltern oder Tierhaltern sachlich begründet sein mag, nicht aber dort, wo es um Entscheidungen von Personen geht. Dort muss weiterhin gelten: keine Haftung ohne Verschulden.
Mit Ihrem Antrag entwerten Sie vielmehr den hohen Maßstab, den das Gesetz schon heute an die unternehmerische Sorgfalt legt, da der Vorstand dann letztlich machen kann, was er will. Er würde ja sowieso haften. Damit erweisen Sie aber dem Rechtsstaat einen Bärendienst und stellen den sorgfältigen, aber glücklosen Manager gleich mit dem leichtfertig oder gar rücksichtslos oder kriminell handelnden.
Das skandalöse Verhalten von Managern, das wir derzeit zu Recht mit Empörung kritisieren und das wohl auch der Grund für Ihren Antrag ist, darf nicht dazu führen, über sämtliche Vorstände der 14.000 Aktiengesellschaften den Stab zu brechen, sie unter den Generalverdacht des illegalen Handelns zu stellen und damit die Aktiengesellschaft, die wir nicht zuletzt durch Einführung der kleinen Aktiengesellschaft auch für den Mittelstand attraktiv machen wollten, zu diskreditieren. Welcher vernünftige Manager würde es in Deutschland dann noch für attraktiv erachten, eine Aktiengesellschaft zu führen? Ihr Ansinnen schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Unsere Nachbarn würden sich freuen und 24-Stunden-Services für Sitzverlegungen ins Ausland einrichten, noch bevor das Gesetz unterschrieben wäre.
Ihr Vorstoß ist aber auch in sich kontraproduktiv. Muss ein Vorstand verschuldensunabhängig im Insolvenzfall persönlich eintreten, wird er noch mehr, als er dies ohnehin schon tut, den Insolvenzfall vermeiden wollen.
Der übliche Weg ist der Abbau von Arbeitskräften. Ihr Vorschlag ist daher geradezu eine Aufforderung zur Vernichtung von Arbeitsplätzen.
Natürlich müssen wir uns auch aus Sicht der betroffenen Anleger und Gläubiger von Aktiengesellschaften intensiv Gedanken darüber machen, welche Verbesserungen wir hinsichtlich der Verantwortung von Vorständen für unlautere Machenschaften und unternehmeri
sche Fehlentscheidungen über das geltende Recht hinaus machen sollten und welche strukturellen Maßnahmen ergriffen werden sollten. Ich denke zum Beispiel an die noch striktere Entflechtung von Vorstandsund Aufsichtsratstätigkeiten oder an die Erweiterung des Kreises derer, die anspruchsberechtigt sind, wenn es um Schadenersatzansprüche geht und Ähnliches. Derartige gesetzgeberische Schritte dürfen aber nicht dazu führen, Sachverstand aus dem Unternehmen fernzuhalten bzw. fähige Führungspersönlichkeiten von deutschen Aktiengesellschaften abzuschrecken. Sie wollen etwas gegen die schwarzen Schafe unter den Managern unternehmen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es dürfte aber allen einleuchten, dass das nicht dadurch gelingt, alle 14.000 Schafe schwarz einzufärben. Wir sind deshalb gegen undurchdachte, mit heißer Nadel gestrickte Schaufensteranträge wie den vorliegenden. Wir sind generell gegen eine rein symbolische Gesetzgebung.
Die Haftung von Vorständen für unternehmerische Entscheidungen ist eben doch etwas völlig anderes als die verschuldensunabhängige Haftung eines Hundehalters nach § 833 BGB. Wenn Sie sich diesen Unterschied vergegenwärtigen, können wir gerne auf einem vernünftigen Niveau weiterdiskutieren.
Vielen Dank, Herr Dr. Herrmann. Bleiben Sie noch einen Moment. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Herr Kollege Pohl gemeldet.
Sie haben von einer Gleichstellung leichtfertiger mit glücklosen Managern gesprochen. Da haben Sie unseren Antrag offensichtlich nicht gelesen. Der leichtfertige Manager haftet verschuldensabhängig mit seinem gesamten Vermögen für den angerichteten Schaden, während derjenige, der verschuldensunabhängig haftet, nur mit zwei Jahresgehältern haftet. Die eine Haftung steht neben der anderen. So ist das System.
Zur persönlichen Bereicherung: Verschuldensunabhängige Haftung impliziert doch gerade, dass derjenige, der hier in die Haftung genommen wird, nicht deswegen in die Haftung genommen wird, weil er sich persönlich bereichert hätte. Ich habe auch kein Misstrauen in die Führungskräfte. Nein, es ist lediglich die notwendige Gleichstellung eines Vorstands einer Aktiengesellschaft, der per se als Arbeitnehmer nicht mit
seinem Privatvermögen haftet, mit dem Unternehmer, der mit seinem Privatvermögen als Selbstständiger haftet. Um diese Gleichstellung geht es. Das hat mit Sozialismus oder Linkspartei überhaupt nichts zu tun. Der Sozialismus kennt kein freies Unternehmertum. Das sollten Sie als Christsozialer eigentlich wissen.
Vielen Dank, Herr Kollege, für die erneuten Belehrungen. Ich kann das aber gerne zurückgeben. Ihr Antrag enthält im Endeffekt überhaupt keinen vernünftigen Anwendungsbereich.
So einfach kann man das auf den Punkt bringen. Es gibt nach dem geltenden Recht, sowohl nach dem Aktienrecht als auch nach dem GmbH-Recht, eine umfassende Regelung zur Schadenersatzpflicht von Managern. Das einzig Neue in Ihrem Antrag ist das Kriterium der Insolvenz. Wenn ein Insolvenzfall vorliegt, dann soll der Vorstand mit zwei Jahresgehältern haften. Dieses Kriterium ist völlig ungeeignet; denn die Insolvenz als solche sagt nichts aus, sondern es geht nur um die Frage, ob sich ein Manager falsch verhalten hat oder nicht.
Man kann in eine Insolvenz auch völlig unverschuldet kommen; das hat aber überhaupt nichts mit dem Vorstand zu tun. Solange dieser nicht an der Aktiengesellschaft beteiligt ist, gibt es auch keinen Grund, ihn haften zu lassen. Ich glaube auch nicht, dass Sie verschuldensunabhängig haften für die Gesetze, die wir hier beschließen.
Vielen Dank, Herr Dr. Herrmann. Die nächste Wortmeldung hat für die SPD Herr Kollege Schindler. Bitte.
(Thomas Kreuzer (CSU): Verschuldensunabhängige Haftung für Anwälte bei verlorenen Prozessen! - Heiterkeit bei der CSU )
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag zum ersten Mal gelesen habe, habe ich mich gefragt, was sich der Antragsteller dabei gedacht hat und warum er diesen Antrag überhaupt eingebracht hat. Ich bin froh, dass die Diskussion jetzt diesen humoristischen Touch bekommen hat, denn anders kann man diesen Antrag nicht bewerten.
Es geht nicht um eine Gleichstellung von Vorständen mit Handwerkern und Eigentümern kleiner Unterneh
men. Sie schlagen eine verschuldensunabhängige Haftung von Vorständen vor. Ich muss darauf hinweisen, dass der Eigentümer eines kleinen Unternehmens möglicherweise sein Vermögen verliert, wenn es schiefgeht, aber er haftet nicht verschuldensunabhängig. Dieser Vergleich, den Sie da heranziehen, ist also falsch.
Es geht auch nicht um den Vergleich von Vorstandsmitgliedern mit Arbeitnehmern, das heißt von Vorständen, die arbeitnehmerähnlich sind. Ich muss Sie darauf hinweisen, Herr Kollege, dass es für den Bereich der Arbeitnehmer das Institut der gefahrgeneigten Arbeit gibt, weil man weiß, dass Arbeit gefährlich sein kann, zum Beispiel am Fließband. Genauso gefährlich kann es aber auch im Vorstand einer GmbH oder im Vorstand einer Aktiengesellschaft sein.
Ich schließe mich ausdrücklich dem an, was Kollege Dr. Herrmann zur grundsätzlichen Bewertung hier ausgeführt hat und will noch auf Folgendes hinweisen: Neben alldem, was zu Ihrem Antrag schon an Richtigem gesagt worden ist, muss man ihn doch ein bisschen grundsätzlicher ansehen und daran erinnern, dass aus ganz guten Gründen Haftung, also die Verpflichtung zum Ersatz eines Schadens, in aller Regel vorwerfbares Verhalten, also Verschulden, voraussetzt. Das geht von der leichten Fahrlässigkeit bis zum Vorsatz.
Ein Risiko, das ohne Verschulden gesetzt wird, bleibt eben auch - bis auf wenige Ausnahmen - bei den Betroffenen. Es gilt auch im Jahre 2009 die alte Formel von Rudolf von Ihering, der schon vor 150 Jahren gesagt hat: Nicht die Zufügung eines Schadens verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld.
Auf dieser Grundlage wird heute in allen Kulturstaaten Schadensersatz grundsätzlich nur bei Verschulden gewährt. Es gibt hiervon Ausnahmen für bestimmte Rechtsbereiche. Wir nennen das Gefährdungshaftung. Gefährdungshaftung gibt es dort, wo sich der Einzelne der Gefahr nicht entziehen kann und wo es geradezu erwünscht ist, dass Gefahrenpotenzial geschaffen wird, beispielsweise im Straßenverkehr, im Arzneimittelrecht oder auch bei Produkten, die auf den Markt kommen. Da wird etwas Erlaubtes getan. Weil es hierbei zu Risiken kommen kann, muss derjenige, der dieses Risiko setzt, unabhängig von seinem Verschulden, von einer persönlichen Vorwerfbarkeit dafür haften.