Protokoll der Sitzung vom 31.03.2009

Was jetzt passiert, ist, dass Anarchie in den bayerischen Gaststätten herrscht, dass ab 23 Uhr überall geraucht wird, völlig wurscht, ob "getränkegeprägt" oder "essensgeprägt" oder was auch immer. Was passiert, ist, dass Jugendliche in Discos bis 3 Uhr bleiben, weil sie sich mit Ausnahmetatbeständen in geschlossenen Gesellschaften aufhalten, was dem Jugendschutz in Bezug auf die Dauer des Aufenthalts widerspricht, und die dort auch Rauch ausgesetzt sind.

Sie wollen, dass die Nebenräume abgetrennt sind. Wie funktioniert das? Es passiert schon überall, dass in Nebenräumen geraucht wird. Da steht die Tür offen, weil die Bedienung nicht für jeden Schweinsbraten extra laufen will und weil sie es sonst nicht schafft, zu bedienen.

Frau Staatssekretärin, das Beispiel mit den Barhockern, das Sie gebracht haben, war ja wunderhübsch. Wenn jeder Gast mit dem Barhocker in eine Speisegaststätte geht, dann darf überall geraucht werden, oder wie stellen Sie sich das vor? Und was ist - da wird es wieder ernster - mit den Beschäftigten in den Nebenräumen oder in den Einraumgaststätten? Für die ist es auch alternativlos, sich da aufzuhalten.

(Beifall bei der SPD)

Die können sich dem nur leider nicht entziehen. Schauen Sie sich die Studie der LMU über das ansteigende Risiko der Beschäftigten in der Gastronomie an, an Lungenkrebs zu erkranken.

Richtig zynisch wird es, Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie diese Maßnahmen mit dem Hinweis auf folgerichtige Ausnahmen als Konsequenz auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig das Primat des Gesundheitsschutzes in den Vordergrund gestellt. Wenn Sie folgerichtig hätten handeln wollen, dann hätten Sie die Ausnahmen aus dem bestehenden Gesetz streichen, aber nicht neue Ausnahmetatbestände hineinbringen sollen, die medizinisch und hinsichtlich des Gesundheitsschutzes unsinnig sind und auch von den Verwaltungen so nicht zu kontrollieren sind.

(Beifall bei der SPD)

Das Einzige, das wir Ihnen empfehlen können: Ziehen Sie diesen unsinnigen Gesetzentwurf zurück.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Sonnenholzner. Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Dr. Zimmermann.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Noch ein Arzt!)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche anfänglich die Kolleginnen und Kollegen an, die in der vergangenen Legislaturperiode bereits diesem Hohen Haus angehört haben.

(Margarete Bause (GRÜNE): Wir erinnern uns gut an Ihre Rede!)

- Ja freilich, ich auch. Ich traue mich aber trotzdem, hier rauszugehen. Das ist meine große Stärke in solchen Dingen,

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

dass ich versuche, Ihnen klarzumachen, Kolleginnen und Kollegen, dass die Situation etwas differenzierter zu beurteilen ist.

(Heiterkeit bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, es ist ja nett, dass Sie, nachdem es nach 20 Uhr ist, diese "Unterhaltungssitzung" heute Abend wieder in die richtige Richtung zur Ernsthaftigkeit lenken wollen. Ich muss Ihnen sagen, dieses Thema ist grundsätzlich zu ernst, um am späten Abend noch in dieser Art und Weise diskutiert zu werden.

Die Kolleginnen und Kollegen haben in der letzten Legislaturperiode mit großer Mehrheit - CSU, SPD und GRÜNE -, wie ich immer sagte, ein schneidiges, gutes Gesundheitsschutzgesetz verabschiedet.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU, der SPD und der GRÜNEN)

Allerdings, Kolleginnen und Kollegen, muss man auch die Entwicklung hin zu dem Gesetz nüchtern und ohne Schaum vor dem Mund wieder einmal Revue passieren lassen, um dann abzuwägen, was daraus abzuleiten ist. Erinnern Sie sich, dass die Ersten, die angefangen haben, an unserem Gesundheitsschutzgesetz zu nörgeln, eigenartigerweise die in München nicht ohne Respekt angesehenen Wies’n-Wirte waren.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Ja, sieben Menschen!)

- Das war so, Frau Kollegin Sonnenholzner.

Sie erinnern sich, dass die Wies’n-Wirte damals der Meinung gewesen waren, sie könnten das Nichtraucherschutzgesetz auf dem Oktoberfest nicht umsetzen, und sie stellten in den schillerndsten Farben dar, was passieren könnte. Ich hatte den Münchener Wies’nWirten mehr Fantasie zugetraut, nachdem ich wusste, dass Wies’n-Wirte Versuche unternommen haben, aus einem Gickerl drei halbe Hendl zu machen. Ich dachte also, sie hätten mehr Esprit, um das Gesetz auszuführen. Dann kam noch die Landeshauptstadt München als Veranstalter des Oktoberfestes. Sie hat in mehreren Schreiben an den damaligen Innenminister abgesetzt, dass die Landeshauptstadt München als Veranstalter eines der größten Volksfeste der Welt die Verantwortung für dieses Gesetz nicht übernehmen könne, und man möge speziell das Oktoberfest ausnehmen. Was geschehen ist, wissen wir alle. Damit aber nicht genug.

Dann ist diese Situation tatsächlich passiert. Ich erinnere an unseren ehemaligen Kollegen Joachim Wahnschaffe, hochgeschätzter Sozialpolitiker, der damals in seiner Eigenschaft als langjähriger Richter uns im sozialpolitischen Ausschuss hat wissen lassen, dass der Terminus "öffentlich zugänglich" letztendlich nicht mit dieser Hintergrundsituation so interpretiert werden könne, was daraus geworden ist. Das war der nächste Pferdefuß.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Man hätte reagieren müssen!)

- Ich sage ganz offen, ich war auch dabei. Wenn Sie mich, Frau Sonnenholzner, darauf hingewiesen hätten, welche Möglichkeiten von dem Terminus "öffentlich zugänglich" abgeleitet werden können und Sie uns schon damals darauf hingewiesen hätten, wären wir sicherlich schlauer gewesen und hätten das eine oder andere von vorneherein nicht gemacht.

Kolleginnen und Kollegen, wir sind heute in der Situation, feststellen zu müssen, dass die Compliance der Bevölkerung zu diesem Gesetz nicht in dem Ausmaß gegeben war, wie wir Gesundheitspolitiker das erwartet hatten. Das muss festgehalten werden.

Ich muss immer wieder sagen: Gerade die Landeshauptstadt München und deren Leiter der Kreisverwaltungsbehörde hatten einen ganz wesentlichen Anteil, dass die Umsetzung des Gesetzes in Zweifel gezogen,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

die Durchführbarkeit als nicht gegeben angesehen wurde und wir letztendlich eine Situation hatten, dass sich auch die Medien der Ablehnung des Gesetzes immer stärker zugewandt haben.

Ich glaube, die Fachdebatte führen wir nicht nach 20.00 Uhr hier, in einer etwas aufgeregten Stimmungslage, sondern ganz nüchtern und ruhig, wie wir das gewohnt sind, im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit. Wir werden die einzelnen Argumente austauschen, und Sie werden sehen, meine Damen und Herren, dass wir wegen der Reaktion der Bevölkerung eine Situation vorfinden werden, die es ermöglicht, dass in den bayerischen Gasthäusern endlich wieder Frieden einkehrt.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Darf ich davon ausgehen, dass Sie dann auch zum Gesetz reden werden?)

Nächste Wortmeldung: Herr Aiwanger von den Freien Wählern.

Herr Dr. Zimmermann, ich kann mich erinnern, dass wir in München vor den Wies’n-Wirten zu diesem Thema gesprochen und Sie mit breiter Brust Ihr Gesetz verteidigt haben. Leider ist dieses Gesetz jetzt Schall und Rauch.

Ich bedaure es sehr, dass Kollege Georg Schmid nicht mehr anwesend ist; denn er hat vorhin gesagt, es gehöre zum guten Stil, hier anwesend zu sein, wenn ein anderer spricht.

(Beifall bei den Freien Wählern, der SPD und den GRÜNEN - Zurufe von der CSU)

Sei es drum, ich habe keinen Grund auf Herrn Schmid böse zu sein. Schließlich hat er mit der Einführung des Nichtraucherschutzgesetzes zum guten Wahlergebnis der Freien Wähler beigetragen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren, Herr Schmid hat damals gesagt, es werde durchregiert und das Gesetz werde durchgezogen. So ist es gewesen. Die Änderung, die heute auf dem Tisch liegt, ist gut gemeint und geht in vielen Dingen in die richtige Richtung - das sage ich ganz offen. Die Freien Wähler waren immer der Meinung, dass die Entscheidungskompetenz des Wirtes gestärkt werden muss. Die Bevormundung im alten Gesetz war zu stark.

(Beifall bei Abgeordneten der Freien Wähler und der FDP)

Die Praxis hat gezeigt, dass das Gesetz nicht funktioniert und zu einer unsäglichen Bürokratie geführt hat, gipfelnd in der Situation, dass sich Kommunen in der Zwangslage befanden, schlussendlich mit der Polizei kontrollieren zu müssen, ob die Leute in einem Raucherclub wirklich anwesend sein dürfen. Nicht wenige der Bürger haben am eigenen Leib erfahren, einem Raucherclub beitreten zu müssen, wenn Sie als Nichtraucher in einem Gasthaus essen gehen wollten, obwohl dort niemand geraucht hat. Das ist mir in München mehrmals passiert. Das Gesetz hat also das Ziel nicht erreicht, das erreicht werden sollte.

Am gegenwärtigen Gesetzesvorschlag ist die Passage des Ausdrucks "getränkegeprägt" zu kritisieren. Zwar wird im Vorfeld gesagt, das sei lediglich ein "Mauerblümchen-Artikel", weil das nicht so streng kontrolliert und nicht genau genommen werde. Ich frage Sie: Warum schreiben Sie das in das Gesetz?

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren, wenn Sie die Entscheidungskompetenz des Wirtes stärken wollen, lassen Sie

diesen Passus ersatzlos weg. Er bringt keine Neuerungen.

Worum geht es uns im Wesentlichen? - Nichtraucherschutz ist wichtig. Nichtraucherschutz ist ein elementarer Bestandteil unserer Politik. Es hat sich aber gezeigt, dass das alte Gesetz nicht greift. Der Wirt konnte sein Wirtshaus in einen Raucherclub umwidmen. Dort ist geraucht worden. Mit der neuen Situation wird meiner Meinung nach nicht mehr geraucht werden. In der ganzen Debatte kommen die technischen Möglichen zu kurz, die beitragen könnten - Stichwort Mitarbeiterschutz - wirklich gute Luft in Wirtshäusern zu erreichen, auch wenn geraucht wird.

Weiterhin ist wichtig - das geht über das Gesetz hinaus -, Vorstöße zu unternehmen, die Beimengung suchtsteigender Mittel zum Tabak zu verbieten. Das war bis in die 1970er-Jahre verboten und wurde dann erlaubt. Die Tabakindustrie ist sehr erfinderisch, diverseste Mittel beizumischen, um die Leute abhängiger zu machen. Wenn wir uns politisch mehr in diese Richtung bewegen und aktiver werden, um die Abhängigkeitsverhältnisse zurückzudrängen, ist sehr viel passiert.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ansonsten muss die Aufklärung in Richtung Gesundheitserziehung, verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema Drogen gehen. Mir scheint Nachbesserungsbedarf gegeben zu sein.

Das vorliegende Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, enthält aber Passagen, die nicht praxisgerecht sind. Das werden Sie nach einiger Zeit feststellen müssen. Wir bitten, darüber hinaus weitere gesundheitspolitische Aktionen anzustoßen und die Beimengung suchtsteigender Stoffe einzuschränken.