Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Herr Staatsminister, vielen Dank. Der nächste Redner ist für die Fraktion der SPD Herr Dr. Paul Wengert. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für diese Lehrstunde, verehrter Herr Staatsminister, aber wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nehmen für uns in Anspruch, von sozialer Marktwirtschaft mehr zu verstehen als die Leute, die jahrelang Turbokapitalismus und Marktradikalismus gepredigt haben und die uns in den Kommunen mit ihren Privatisierungsideen schier verrückt gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, mit einem Volumen von jeweils rund 1,7 Milliarden Euro in den Jahren 2009 und 2010, wovon rund zwei Drittel auf Regionalisierungsmittel des Bundes entfallen, ist der Einzelplan 07 der kleinste Einzelhaushalt. Deswegen müssen wir uns hier leider in Bescheidenheit üben. Wer geglaubt hat, dies würde sich in Zeiten der schwersten Rezession seit Kriegsende ändern, befindet sich leider im Irrtum.

Der konjunkturelle Abschwung hat sich in Deutschland zu Jahresbeginn verstärkt fortgesetzt. Die Krise hat längst auch Bayern erreicht. Die Auftragseingänge befinden sich im freien Fall, die Zahl der Arbeitslosen zieht

an und Zigtausende Menschen selbst aus Branchen bester Provenienz befinden sich in Kurzarbeit. Während Sie, Herr Staatsminister Zeil nicht müde wurden und werden - Sie haben eben wieder ein augenfälliges Beispiel dafür geliefert -, noch höhere Beiträge vom Bund zur Ankurbelung der Konjunktur einzufordern, waren Sie selbst nicht bereit, ein eigenes bayerisches Konjunkturprogramm aufzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Die Anträge der SPD vom November mit einem Volumen von insgesamt 800 Millionen Euro wurden abgeschmettert. Während der Bund rasch, effektiv und umfänglich gehandelt hat, hat Ihre FDP bis zuletzt sogar noch herumgeeiert, ob sie den Konjunkturpaketen überhaupt zustimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Angesichts der Lage in diesem Lande ist das ein skandalöses wahltaktisches Manöver gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die auf Bayern entfallenden Bundesmittel mutieren zu einem Landesinvestitionsprogramm und werden von Ihnen und Ihren Kabinettskollegen und -kolleginnen landauf, landab als eigene Wohltaten des Freistaats verkauft.

Leider setzt der Einzelplan 07 nur wenige Akzente, um der gegenwärtigen außerordentlichen Krise zu begegnen. Insgesamt wird er der aktuellen und mit Sicherheit noch länger anhaltenden konjunkturellen Lage nicht gerecht.

Ihr Credo, Herr Staatsminister Zeil, Bayerns Wirtschaft sei flexibel, innovativ und wettbewerbsfähig genug diese drei Attribute würde ich unterstreichen -, um mit den Problemen fertig zu werden und gestärkt aus der Krise hervorzugehen, erinnert mich an einen, der im dunklen Wald pfeift, oder an eine Formulierung am Ende der Kohl-Ära: "Wir haben eine andauernde Unterbrechung des konjunkturellen Aufschwungs." So kann man es auch ausdrücken.

Bei den großen Firmenproblemen der jüngsten Zeit signalisierte die Bayerische Staatsregierung zwar höchste Priorität: Sie steht im ständigen Kontakt, sie führt einen konstruktiven Dialog, sie strebt Hilfsmaßnahmen an. Das ist ein wortreiches wirtschaftspolitisches Wording, aber leider weit entfernt von dringend notwendigen praktischen Lösungen.

(Beifall bei der SPD)

Und wo es brennt, Herr Staatsminister, da sind Sie zwar zur Stelle, aber Sie müssen auch löschen, sonst hilft das dem Unternehmen nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Beim Mittelstandskreditprogramm bewegt sich wenig, und nur wegen der Halbierung der bisherigen 20-prozentigen Haushaltssperre auf 10 % kommt es effektiv zu einer Anhebung um gerade mal 2,5 Millionen Euro, was mehr als bescheiden ist. Ihr Lob auf den Mittelstand, das ich uneingeschränkt mittrage, wäre viel glaubwürdiger, wenn Sie den Worten auch kräftige Taten folgen lassen würden.

Der Präsident des Bundes der Selbstständigen, Herr Professor Fritz Wickenhäuser, hat es am 16. März 2009 in einer BdS-Pressemitteilung auf den Punkt gebracht, wenn er sagt: "Für drei Viertel aller Mittelständler ist es trotz aller staatlichen Rettungspakete schwerer geworden, einen Bankkredit zu bekommen. Unternehmer und Arbeitnehmer zahlen nun den Preis für die falsche Finanz- und Bankenpolitik der letzten Jahre."

Die Konditionen haben sich drastisch verschlechtert. Deshalb muss die Landesförderbank Bayern, übrigens eine hervorragende Förderbank, weitere Instrumente anbieten können, ihr Beratungs- und Produktangebot nochmals deutlich verstärken, und die Produkte der LfA müssen gemeinsam mit dem Bankensektor viel transparenter werden und trotz oft deutlich verschlechterten Rankings bei den Unternehmen auch ankommen.

Sie wollen die Mittelstandsfinanzierung durch konzertierte Aktionen mit der Kreditwirtschaft sicherstellen. Aber auch hier ist "ohne Moos nichts los". Wie Sie selbst vorgestern auf der Bilanzpressekonferenz der LfA gesagt haben, kommen auch hier zwei Drittel des Bürgschaftsvolumens woher? Aus Berlin, vom Bund. Wen wundert es da, wenn Fritz Wickenhäuser meint, die fünf Aktionssäulen des bayerischen Wirtschaftsministers stünden "auf einem brüchigen Fundament".

Leider, sehr verehrte Damen und Herren, wurden unsere Änderungsanträge allesamt von CSU und FDP abgelehnt, insbesondere unsere Forderung nach einer deutlichen Erhöhung des Ansatzes für das regionale Wirtschaftsförderprogramm. Von hohem Niveau zu reden, ist schon mutig, Herr Kollege Zeil.

Rund 30 Millionen Euro werden zusätzlich in die Förderung von Bussen im ÖPNV fließen, was ebenfalls auf unserer Agenda stand. Nachdem 2007 und 2008 die Busförderung im Zug der allgemeinen Sparmaßnahmen sehr zum Leidwesen auch im ländlichen Raum ausgesetzt worden war, besteht ein erheblicher Nach

holbedarf. Die Wiedereinführung der Busförderung ist nicht nur eine effiziente Maßnahme zum Klimaschutz, sondern auch als regionalpolitische Maßnahme zur Sicherung des öffentlichen Personennahverkehrs in der Fläche zwingend. Der Jubel von Ihnen und der sehr verehrten Frau Staatssekretärin Hessel über die so mögliche Steigerung der Attraktivität des ÖPNV - wir haben noch nicht einmal das Niveau von vorher erreicht - schallte dem geneigten Publikum gleich aus sieben Pressemitteilungen an einem einzigen Tag entgegen.

Die ebenfalls bejubelte und im Koalitionsvertrag vereinbarte beschleunigte Entwicklung und Markteinführung von Elektromobilen - Sie haben es gerade auch angesprochen - unter der nach meinem Gefühl etwas hochtrabenden Schlagzeile "Zukunftsoffensive Elektromobilität - Bayern fährt elektrisch" wird dagegen doch sehr getrübt durch die ernüchternde Tatsache, dass von den 706.767 Kraftfahrzeugen, darunter etwa 600.000 Personenkraftwagen, die 2008 in Bayern neu zugelassen wurden, gerade mal 24 Fahrzeuge einen Elektroantrieb haben.

Wir jubeln nicht, aber wir nehmen mit gewisser Erleichterung zur Kenntnis, dass die CSU-FDP-Breitbandstory vielleicht doch nicht zu einer unendlichen Geschichte wird, auch wenn es lang gedauert hat, bis Dornröschen wachgeküsst wurde, und ein Happy End noch nicht in Sicht ist. Vor drei Jahren brachte unsere ehemalige Kollegin Dr. Hildegard Kronawitter dieses Thema im Landtag zur Sprache. Unisono führten SPD und Gemeindetag Klage über die absolute Unterversorgung des ländlichen Raums. Geschehen ist leider jahrelang nichts. Sie, sehr geehrter Herr Staatsminister, haben das selbst in Ihrem Redebeitrag im Haushaltsausschuss im Februar mit Bedauern festgestellt.

Ein leistungsstarkes und schnelles Breitbandangebot ist Teil der Daseinsvorsorge und zwingender Bestandteil moderner Infrastruktur.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Erwin Huber blockte seinerzeit als Wirtschaftsminister ab, schnelle Internetanschlüsse seien allein Sache der Wirtschaft und, so haben Sie es gesagt, nicht Aufgabe des Staates.

(Erwin Huber (CSU): Das bleibt auch Aufgabe der Wirtschaft!)

Laut Koalitionsvertrag wollen CSU und FDP die schnelle Internetverbindung innerhalb der nächsten drei Jahre sicherstellen, während Wirtschaftsminister Zeil beklagt, dass der Bund die Versorgung ländlicher Gebiete mit schnellem Internet finanziell nicht unterstützt, sich aber im Bundesrat gegen die Verabschiedung des Konjunkturpakets II querlegt und Koalitionspartner Erwin Huber

querschießt, indem er Zeils Förderpläne Anfang Februar als absolut unzureichend bezeichnete. Da soll sich mal einer draußen im Land auskennen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Während die Männer streiten, schreitet Staatssekretärin Hessel zur Tat und sticht am 13. März den ersten Spaten für die erste in Bayern geförderte Verlegung von Glasfaserkabeln in Mühlhausen in der Oberpfalz. Endlich zieht der Fortschritt ein. Georg Schmid lobt derweil Brüssel, weil es in einer enorm wichtigen Frage die Bremse gelockert habe,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das hätte schon längst geschehen können!)

und fordert seinen Koalitionskollegen Zeil auf: "Jetzt muss auch das bayerische Wirtschaftsministerium beim schnellen Internet im Freistaat Gas geben", worauf Kollege Zeil fast reflexartig mit Kritik am Beschluss des EU-Gipfels kontert: 1 Milliarde für die ganze EU sei zu wenig für einen kräftigen Anschub. Es sei auch hier daran erinnert, wie es früher war. Seinerzeit hatte sich Erwin Huber geweigert, überhaupt Fördermittel der EU anzunehmen.

(Erwin Huber (CSU): Das sind Märchen, was Sie da erzählen! Es hat gar nichts gegeben!)

Im Rahmen des Konjunkturpakets II, kommunales Investitionsprogramm, fließen pro Jahr 12,5 Millionen Euro zusätzlich in die Breitbandförderung. Deshalb konnten wir unseren Antrag für erledigt erklären, auch wenn sich Bayern hier am Bund "abspatzt". Aber ein Megabit Übertragungskapazität ist Steinzeit. "40 Minuten für die Übertragung von 14 Megabit, das ist ein Drama", ärgert sich ein Allgäuer Campingplatzbetreiber laut "Allgäuer Zeitung" vom 25. März zu Recht über die völlig unzureichenden Verhältnisse.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und noch etwas: Die Gemeinden dürfen nicht länger gezwungen werden, sich für die billigste Lösung,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

nämlich Internet per Funk, zu entscheiden. Das hat keine Zukunft. Basis muss die Glasfaserverkabelung sein, und zwar anbieterneutral. Alles andere ist Humbug und konterkariert die Wirtschaftsförderung für den ländlichen Raum.

Sehr geehrter Herr Kollege Zeil, suchen Sie sich ein gutes Team für die Profiliga. Sorgen Sie endlich dafür, dass die Bürger und die Gewerbetreibenden in Bayern leistungsfähige Internetverbindungen bekommen. Ani

mositäten im Vorwahlkampf zwischen Bund und Land, zwischen Ihnen, Herrn Huber und Herrn Schmid, sind kontraproduktiv.

Lassen Sie mich, auch wenn diese Mittel weitgehend gebunden sind, noch auf den Schienenpersonennahverkehr eingehen. Natürlich stehen auch wir für die in Ihrem Koalitionsvertrag enthaltenen Verbesserungen des flächendeckenden Angebots und die Weiterentwicklung des Bayerntaktes. Der Wettbewerb bei den Bahnunternehmen in Bayern findet allerdings auf dem Rücken der Beschäftigten statt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die staatseigene BEG vergibt die Aufträge ausschließlich nach den Kriterien des Preises. Es werden zwar alle möglichen Standards im Hinblick auf Technik und Ausstattung gefordert, aber die grundlegenden tariflichen und sozialen Bedingungen für die Mitarbeiter bleiben außen vor. Die "Märklinisierung" der Bahn geht voll zulasten der Arbeitnehmer, und damit wird dem Wert der Arbeit die Anerkennung entzogen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Erwin Huber (CSU): Das ist doch abwegig, was Sie da erzählen!)

Sie müssen sich vorstellen, dass mit jedem Wechsel des Anbieters nach einer verlorenen Ausschreibung in der Regel auch die Mitarbeiter umflaggen und jedes Mal neue Lohneinbußen hinnehmen müssen mit allen sozialpolitischen Folgen für sich und ihre Familien.