Protokoll der Sitzung vom 22.04.2009

(Beifall bei der SPD)

Deswegen wollen wir eine solche Familienpolitik machen.

Alle diese steuerlichen Entlastungen für Familien und für die kleinen fleißigen Leute kosten Geld und führen zu Steuerausfällen. Wir sagen aber sehr deutlich: Steuerausfälle kann sich dieses Land in den nächsten Jah

ren nicht leisten. Das zu sagen, ist auch unpopulär. Populärer ist es, was Sie machen. Sie versprechen die Senkung der Mehrwertsteuer für viele Bereiche. Sie versprechen, dass der Solidaritätszuschlag abgeschafft wird. Sie versprechen die Senkung der Einkommensteuer um 25 Milliarden Euro. All das ist nicht realistisch, ist nicht ehrlich, ist nicht finanzierbar.

(Beifall bei der SPD)

Die Menschen wissen das auch, und deswegen sollten wir so etwas nicht tun. Wir sind ehrlicher, denn wir sagen: Angesichts der hohen Verschuldung, die die öffentliche Hand in diesen Monaten auf sich nimmt, um gegen die wirtschaftliche Krise zu steuern, und angesichts der hohen Schulden, die irgendwann zurückgezahlt werden sollen, muss die steuerliche Basis erhalten bleiben. Deswegen müssen wir das, was wir den Beziehern kleiner und durchschnittlicher Einkommen und den Familien geben, dort wiederholen, wo die höchsten Einkommen und die größten Vermögen in diesem Land sind.

(Beifall bei der SPD)

Das halten wir in der Tat für gerecht. Deswegen wollen wir, meine Damen und Herren, den Spitzensteuersatz von 45 % wieder auf 47 % erhöhen und die Reichensteuer nicht wie bisher bei 250.000 Euro bei einer Person oder bei 500.000 Euro bei Verheirateten beginnen lassen, sondern bereits bei 125.000 Euro bei Alleinstehenden und bei 250.000 Euro bei Verheirateten. Wenn Herr Fahrenschon jetzt sagt, damit würden wir die Facharbeiter in Bayern treffen,

(Lachen bei der SPD)

dann muss ich mich schon fragen, in welcher Welt Sie, Herr Fahrenschon, leben.

(Beifall bei der SPD)

Wer den Menschen einen solchen Unfug erzählt, dass man bei Verheirateten mit 250.000 Euro Jahreseinkommen die Facharbeiter trifft, der weiß wirklich nicht mehr, in welcher Welt er sich befindet.

(Beifall bei der SPD)

Letzte Bemerkung, Frau Präsidentin. Es gibt auch einen inhaltlichen Grund, der landespolitisch wichtig ist. Wir wollen mit den Mehreinnahmen, um die wir die Reichen mit den höchsten Einkommen und Vermögen bitten, etwas landespolitisch Sinnvolles finanzieren, nämlich eine bessere Bildung für alle Kinder in diesem Land. Wer unsere Bildungseinrichtungen finanziell besser ausstatten will, der muss über die dafür erforderlichen finanziellen Mittel verfügen, die er durch ein gerechtes

Steuersystem einnehmen muss. Das ist unsere Politik, das ist zukunftsorientiert, das ist zukunftsfähig, und damit werden wir uns in den nächsten Monaten intensiv auseinandersetzen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Für die CSU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Graf von und zu Lerchenfeld das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Lieber Kollege Maget, eigentlich hatte ich mir vorgenommen, Sie heute mit dem Titel "Hochehrenwerter Kollege" anzusprechen, aber ich behalte mir das doch für diejenigen vor, die von Steuern und Politik tatsächlich etwas verstehen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Für den Koalitionspartner!)

Herr Kollege Maget, das, was Sie heute hier dargestellt haben, ist Klassenkampf pur.

(Lachen bei der SPD)

Man merkt, es ist schon Wahlkampf, und mit dem Wahlkampf ist es schon ein Kreuz; denn da bekommt man von allen Seiten Prügel, sogar von denen, die man eigentlich als Koalitionspartner haben will. Wahrscheinlich hat Ihnen Ihr Kollege Pronold aufgetragen, hier etwas vorzutragen unter dem Motto: "Lieber Genosse, wir verstehen zwar beide nichts von Steuern, aber es ist so schön, von Gerechtigkeit zu reden, die Reichen zu verurteilen und Steuergeschenke zu verkünden, ohne die steuerliche Realität zu beachten."

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Lieber Herr Kollege Maget, ich möchte Sie nicht belehren, aber das, was Sie heute hier gesagt haben, zeigt doch sehr deutlich: Ihnen und Ihren Vordenkern in der SPD fehlt eines, aber das gründlich: steuerliches Fachwissen.

(Christa Naaß (SPD): Sie haben das?)

Tatsächlich erhalten Sie nicht einmal von den Linken den Beifall, den Sie sich erhofft haben. Alle Experten vom Steuerzahlerbund über Arbeitgeber und Gewerkschaften bis hin zu den Leuten, die wirklich etwas von Steuern verstehen, sagen, dass Ihr Modell nicht tragfähig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich haben wir Ihnen vernünftige Dinge vorgegeben. Die CSU kämpft seit gut einem Jahr dafür, dass wir die Steuerlast für die Bürger insgesamt erleichtern und dabei insbesondere für die mittleren Einkommen Erhebliches tun. Wir haben

Ihnen etwas Vernünftiges vorgegeben, aber nicht einmal das können Sie nachmachen.

Auf den ersten Blick macht es einen wunderbaren Eindruck, den Eingangssteuersatz auf 10 % zu senken und den Spitzensteuersatz zu erhöhen. Wunderbar. Herr Kollege Maget, das ist eine traumhafte Überlegung. Sie sagen, Facharbeiter verdienen gar nicht 250.000 Euro, es kann gar nicht sein, dass sie belastet werden. Leider haben Sie sich noch nicht einmal von Ihrem eigenen Parteikollegen im Bundesfinanzministerium vorrechnen lassen, wie die mittleren Einkommen gerade dadurch belastet werden, dass man den Tarif oben anzieht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

- Herr Kollege Dr. Beyer, rechnen Sie das doch einmal durch, schauen Sie es sich an. Sie tun nichts gegen die kalte Progression und für die dringend notwendige Entlastung der mittleren Einkommen, sondern Sie kommen auf die großartige Idee, denjenigen einen Bonus von 300 Euro zu zahlen, die keine Steuererklärung abgeben. Das ist sensationell gut, wirklich eine Vereinfachung, wie man sie sich nur wünschen kann.

Anstatt die mittleren Einkommen zu entlasten, haben Sie wirre Steuerpläne verkündet. Bezeichnenderweise hält sich der Bundesfinanzminister bei dem Thema relativ ruhig. Ihr Generalsekretär bezeichnet den - ich nenne ihn einmal so - Lohnsteuerverzichtsbonus als eine Steuervereinfachung, auf die sonst niemand kommen kann. Dem kann ich nur zustimmen; denn auf einen solchen Unsinn kann wirklich niemand kommen, der einigermaßen bei Verstand ist und von Steuern etwas versteht.

Was bedeutet es denn, einen Bonus dafür zu gewähren, dass man keine Steuererklärung abgibt? - Da bekommt der Schüler oder Student, der kurz Ferienarbeit leistet, dafür, dass er keine Steuererklärung abgibt, plötzlich vom Finanzamt 300 Euro gutgeschrieben, während gleichzeitig der Arbeiter, der im Rahmen der Kurzarbeit Lohnersatzleistungen erhält, keine Chance hat, den Bonus zu erhalten, weil er laut Gesetz eine Steuererklärung abgeben muss. Das nenne ich echte Steuergerechtigkeit. Bravo, SPD, für so einen Unsinn können Sie sich gern einsetzen!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Was sagen Sie dem jungen Ehepaar, das Elterngeld erhält und eine Steuererklärung abgeben muss, weil auch das eine Lohnersatzleistung ist, und das deshalb den Bonus von 300 Euro nicht bekommt? Was sagen Sie demjenigen, der Arbeitslosengeld als Lohnersatzleistung erhält? - Auch der muss eine Steuererklärung

abgeben. Was sagen Sie dem Ehepaar, das in Steuerklasse III und Steuerklasse V veranlagt worden ist und eine Steuererklärung abgeben muss? Wie erklären Sie diesen Leuten, dass sie keine 300 Euro bekommen, weil auch sie eine Steuererklärung abgeben müssen?

Entschuldigung, ich habe glatt vergessen, dass Sie eine Vereinfachung wollen. Die Finanzbeamten sollen massiv entlastet werden, damit sie mehr Zeit haben, die übrigen Steuerpflichtigen zu prüfen. Haben Sie dabei vielleicht vergessen, dass 100.000 oder mehr Anträge gestellt werden müssen, die bearbeitet werden müssen? - Sie behaupten, es geht ganz einfach, man schickt eine Postkarte an das Finanzamt - hoffentlich erwähnen Sie dabei, dass man die Kontonummer und die Bankleitzahl angeben muss, wohin die 300 Euro überwiesen werden sollen - und dann erhält man sofort den Bonus von 300 Euro. Wunderbar, ich gebe keine Erklärung mehr ab, und kriege dafür 300 Euro. Wer garantiert Ihnen denn, dass der Einkommensmillionär das nicht auch tut? Wie wollen Sie das überprüfen? - Der bekommt am Schluss auch noch 300 Euro vom Finanzamt.

(Lachen bei der SPD)

Ich gebe zu, eigentlich bin ich fasziniert von diesem Vorschlag; denn Sie eröffnen der gesamten Verwaltung ganz neue Möglichkeiten. Zum Beispiel müsste doch derjenige, der ein Haus baut und keine Baugenehmigung beantragt, eine Erleichterung in Form von 300 Euro bekommen. Das Nächste ist wahrscheinlich, dass der verehrte Kollege Pfaffmann den Vorschlag machen wird, dass wir zur Entlastung der Schulen und insbesondere der Lehrer denjenigen Eltern 300 Euro zahlen, die ihre Kinder nicht auf die Schule schicken.

(Franz Maget (SPD): Mein Gott!)

Meine Damen und Herren, es ist einfach unsinnig, was Sie von sich geben. Es ist unsinnig, was Sie an Steuerplänen haben. Wenn Sie Steuerreformen fordern, dann sollten Sie sich darauf konzentrieren, die mittleren Einkommen zu entlasten, die heimlichen Steuererhöhungen durch die Inflation zu verhindern und den Mittelstand mit geeigneten Maßnahmen zu unterstützen. Nur mit vernünftigen Steuererleichterungen können Sie allen Bürgern helfen und in dieser Zeit zur Stabilisierung der Konjunktur beitragen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für die Fraktion der Freien Wähler erteile ich Herrn Kollegen Pointner das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Reden heute

hört, merkt man, dass der Bundestagswahlkampf im bayerischen Parlament angekommen ist.

(Tobias Thalhammer (FDP): Steigt ihr auch mit ein?)

- Wir sind noch nicht dabei, aber schauen wir mal.

(Allgemeine Heiterkeit - Beifall bei den Freien Wäh- lern)

Wir sind noch nicht dabei, deswegen kann ich das Ganze sehr gelassen von außen betrachten. Aber ich kann Ihnen auch sagen, was ich von der ganzen Diskussion, die man vor diesen Wahlen führt, halte. Erinnern Sie sich an die Zeit vor der Bundestagswahl 2005, Thema Mehrwertsteuer. Da hat es eine Gruppierung gegeben, die bei 16 % bleiben wollte. Die anderen haben gesagt: höchstens plus 2 % auf 18 %. Dann hat man das zusammengezählt und ist auf 19 gekommen. So sehe ich es - je nachdem, wie die Koalitionen ausgehen - auch bei dieser Diskussion, die wir heute führen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ich kann beiden Seiten irgendwie zustimmen. Ich stimme Ihnen, Herr Kollege Maget, in einigen Dingen zu. Beim Fußballverein 1860 stimme ich immer zu. Leider sind wir vorgestern schlecht behandelt worden.