Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

(Heiterkeit bei der CSU)

Ich habe mitbekommen, dass Sie gestern ein Gespräch mit dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM - gehabt haben. Ich habe den Eindruck, da haben Sie nicht zugehört. Bei diesem Gespräch waren Sie geistig abwesend, sonst hätten Sie etwas anderes tun müssen. Ich sehe schon, wie in den Zentralen von Aldi Nord und Aldi Süd wegen unserer Missbilligung die Verantwortlichen vor Ehrfurcht erstarren. So etwas glauben Sie doch wohl selber nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie Ihre Missbilligung auf ein Blatt Klopapier geschrieben und hinuntergespült hätten,

(Zurufe von der SPD - Lachen bei der CSU)

dann hätte es bei denen die gleiche Wirkung gehabt wie unsere Missbilligung.

(Hubert Aiwanger (FW): Warum?)

Aldi kann nämlich die Milch nur deshalb so billig anbieten, weil er sie von den Molkereien so billig bekommt. Das wissen Sie so gut wie ich. Aldi bietet Milch so billig an, weil zu viel Milch auf dem Markt ist. Wir müssen also dort den Hebel ansetzen, und dazu höre ich leider überhaupt nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Milchbauern, angeführt vom BDM, haben im letzten Jahr Vorschläge gemacht, wie man die Milchmenge reduzieren kann. Sie hätten politische Hilfe gebraucht, um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen; die hat man ihnen aber nicht gegeben. Man muss sich einmal vorstellen: Die deutschen Milcherzeuger wollen die Milchmenge reduzieren, weil sie einen Milchpreisverfall verhindern wollen, und bitten die Politik, ihnen

dabei mit entsprechenden Instrumenten zu helfen. Aber die politisch Verantwortlichen lehnen das in ihrer Selbstherrlichkeit ab. Sie machen das, weil sie sich zum Lakaien der Milchverarbeiter - sprich der Molkereien und des Handels - machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und der Bauernverband ist fett mit dabei. Anders kann man die im Herbst des letzten Jahres getroffene Entscheidung schlicht und ergreifend nicht erklären.

Liebe Kollegin Müller, ich frage Sie: Hat Verarbeiter und Handel jemals interessiert, ob die Bauern einen kostendeckenden Milchpreis bekommen? Die klare Antwort muss Nein sein. Das hat sie noch nie interessiert. Auch ein Milchpreis von 30 Cent war für die meisten bayerischen Bauern nicht kostendeckend; er hat sie allerdings nicht - zumindest nicht in den unmittelbaren - Ruin getrieben, wie es der jetzige Milchpreis tut. Die Bauern haben immer das bekommen, was übrig blieb, nachdem Handel und Verarbeiter ihr Geld verdient haben. Bei den Verarbeitern ist das umso schlimmer, als die Hälfte der milchverarbeitenden Betriebe in genossenschaftlicher und damit in bäuerlicher Hand ist. Darum bringt es auch nichts, die ohne Zweifel vorhandene Marktmacht der Discounter anzuprangern. Sie forciert ohne Zweifel den Preisverfall der Milch, ist aber nicht deren Ursache. Das können wir schon daran sehen, dass vor circa eineinhalb Jahren selbst die allmächtigen Discounter ganz andere Milchpreise bezahlt haben, weil damals am Milchmarkt Knappheit herrschte. Das Problem ist also der Milchüberschuss auf dem Markt. Da müssen wir ansetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie in der Marktmacht ein kartellrechtliches Problem sehen, muss ich Sie fragen: Wie wollen Sie das lösen? Glauben Sie, das Kartellamt schreibt Aldi vor, dass es sich nicht nur in Nord und Süd, sondern auch in Ost und West aufteilen muss? Eine andere Möglichkeit wäre: Sie können den Discountern nachweisen, dass sie Preisabsprachen getroffen haben. Vermutlich ist das bisher nicht gelungen, denn sonst wäre das Kartellamt zu einem Ergebnis gekommen.

Was wir brauchen, ist mehr Marktmacht bei den Bauern. Der BDM hat Ihnen gestern sicher erklärt, dass der Milchpreis vom Erzeuger kalkuliert und bestimmt wird nicht umgekehrt. Wenn dann das Kartellamt einschreiten sollte - was Sie an die Wand malen, ich persönlich aber nicht glaube -, dann ist unser Protest angebracht und muss die Politik einschreiten.

Neben der Mengenreduzierung müssen wir in Bayern nach dem Motto handeln: Wir können - und ich sage, wir wollen - keine billige Milch auf den Markt bringen.

Was wir können, ist, Qualität erzeugen; Qualität, die sich auch in den Preisen widerspiegelt, Bio- und gentechnikfrei.

Herr Kollege, Ihre Redezeit -

Ich bin sofort beim Ende.

Es gilt, Milch von Kühen zu erzeugen, die auf die Weide dürfen und daher einen erhöhten Gehalt an Omega-3Fettsäure haben. Das sind nur einige Stichworte dazu.

Zum Schluss noch einige Anmerkungen zum dritten Spiegelstrich im CSU-Antrag: Ich glaube, da werden bei den Bauern etwas falsche Hoffnungen geweckt. Aber wenn die Situation weiterhin so bleibt, schließe ich unter dem Druck der Milchpreise nicht aus, dass es die Auszahlung vorher gibt. Da unterscheide ich mich von der Kollegin Noichl Die EU-Kommission hat schon viel gesagt. Auf alle Fälle bringt es eine Verbesserung der Liquiditätssituation auf den Höfen, und die haben wir im Augenblick bitter nötig. Deshalb werden wir dem CSUAntrag auch zustimmen. Bei dem Antrag der Freien Wähler werden wir uns enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CSU)

Vor einem abschließenden Redebeitrag hat der Herr Kollege Aiwanger noch um das Wort gebeten.

Meine Damen und Herren! Ja, es scheint so zu sein, als habe heute die CSU seit dem Kormoran-Antrag in den GRÜNEN einen neuen Freund gefunden. Aber sei es drum. Auch wenn wir heute allein gegen alle auftreten, sowohl beim Thema Kormoran, bei dem wir eine weitergehende Lösung vorschlagen wollen,

(Zurufe von der CSU: Oh!)

als auch jetzt bei diesem Milchantrag, glaube ich, dass ich zumindest versuchen soll, Ihnen zu erklären, was wir Ihnen aus den Rippen leiern wollen.

Der Kernsatz unseres Antrags lautet - hören Sie genau hin -: Wir sehen in der momentanen Marktmacht der Discounter ein kartellrechtliches Problem, welches für die Preismisere mitverantwortlich ist. Die Kartellsituation ist für die Preismisere mitverantwortlich. Es geht uns darum, dass zunächst einmal diese eigentlich auf dem Tisch liegende Wahrheit akzeptiert wird. Aber selbst da windet sich die CSU, und sie gibt das gar nicht zu. Wenn wir dokumentiert hätten, dass die Kartellsituation an der Preismisere mitverantwortlich ist, könnten wir daraus die politischen Schlüsse ziehen. Aber Sie gehen bei

dieser Analyse nicht mit. Sie schreiben nur, Sie seien besorgt, und wollen es dann kartellrechtlich prüfen. Diese Prüfung läuft bereits. Entweder Sie wissen dies nicht oder Sie fordern es trotzdem nochmals. Diese Prüfung läuft momentan. Nach Aussage des Kartellamts ist in den nächsten Wochen angeblich mit einem Ergebnis zu rechnen. Aber was tun wir dann, wenn bewiesen ist, dass es hier eine marktbeherrschende Stellung gibt? Dann geben Sie wahrscheinlich gar nicht zu, dass sie an der Preismisere mitverantwortlich ist. Wenn wir diese Analyse positiv durchbekommen und heute sagen könnten, jawohl, diese Kartellsituation ist mitverantwortlich, dann können wir weitere Schlüsse ziehen. Aber Sie sind nur besorgt und wollen nochmals prüfen lassen, ob es sowieso läuft. Hätten wir aber diese Erkenntnis vorliegen und würden wir das allgemein akzeptieren, dann könnten wir den nächsten Schritt gehen.

Es stimmt wohl, dass das Kartellamt eine unabhängige Behörde ist, die nicht vom Wirtschaftsministerium gesteuert werden kann. Insofern soll die Bundesregierung darauf hinwirken. Aber sie macht das, wie gesagt, sowieso. Also ist dieser Satz eigentlich eine Luftnummer.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Dann müssten wir in der Tat bundespolitische Überlegungen anstellen. Dann könnten Sie den Antrag an den Bundestag stellen, hier gesetzliche Forderungen zu erheben, um dagegen vorgehen zu können, was in der Bundesrepublik momentan leider noch nicht der Fall ist. Wir können momentan nur zur Kenntnis nehmen, jawohl, wir haben eine kartellrechtlich bedenkliche Situation. Dann muss nachgewiesen werden, dass das Ganze missbräuchlich ist und spätestens dann scheitert dieser Beweis. Spätestens dann verläuft alles im Sande. Die Forderung der FDP, wir müssen gucken, ist mir zu wenig. Mich wundert es, dass jetzt als Lösungsansatz nicht die Gentechnik oder so etwas kommt. Zu gucken ist mir zu wenig.

Also noch einmal: Ich halte daran fest: Unser Antrag geht weiter, als Ihnen das heute vielleicht bewusst ist. Aber Sie gehen nicht einmal diesen ersten Schritt mit. Diese vorgezogene Zahlung ist natürlich besser als nichts. Sie ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeld und wird allein auf Dauer nicht reichen. Einmal ist zwar besser als kein Mal, aber auf Dauer reicht das nicht.

Nochmals: Wenn Sie heute unseren Antrag ablehnen und das haben Sie dokumentiert -, gehen Sie nicht einmal der Grunderkenntnis nach, dass wir in der kartellrechtlichen Situation einen der Gründe für den momentanen Preisverfall sehen. Aber das ist nicht der einzige Grund. Deshalb sagen wir, es ist einer der Gründe, der für die Preismisere verantwortlich ist. Na

türlich will ich jetzt nicht alle Bergbauern- und Wiesenbrüter-Programme und den innovativen Käse aufzählen, den wir angehen müssen. Das haben wir x-mal getan. Heute ging es uns vor dem Hintergrund der Sieben-Cent-Kürzung um die kartellrechtliche Situation. Wenn Sie hier nicht mitgehen, dann tut mir das leid.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Aiwanger, bitte bleiben Sie noch hier am Pult. Zu einer Zwischenintervention hat sich Kollege Beyer gemeldet.

Mir ist es ein Anliegen, hier zu dokumentieren, dass wir uns der Stimme enthalten und Ihrem Antrag heute deswegen nicht zustimmen, weil, wie Frau Noichl bereits sehr klar und deutlich gemacht hat, wir der Meinung sind: Es reicht nicht aus, in der heutigen Situation einen solchen Antrag zu stellen. Wir haben bereits vor zwei Wochen einen weitergehenden Antrag gestellt.

Herr Aiwanger, ich wollte eines deutlich machen: Meine Fraktion ist der Meinung, dass die kartellrechtliche Situation, die Sie zutreffend geschildert haben, diejenige ist, dass die Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels von den Bauern ein grausames Opfer fordert. Wir sind gut beraten - in der Tat ist der Appell an die CSU völlig richtig -, uns diesen Problemen auf der Ebene des Bundes - denn da gehört das hin - endlich zu stellen. Man hat viel zu viel Angst davor, wie auch die abgeschwächte Formulierung der CSU beweist, den Konzernen endlich einmal die Krallen zu zeigen. Das ist das Problem. Insofern stimmen wir vollkommen überein. Das wollte ich noch hinzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke für diese Klarstellung. Ich habe aber ausdrücklich betont, dass ich heute nicht alle Programme aufzählen will, vom Wiesenbrüterprogramm angefangen bis hin zum Bergbauernprogramm - das hätte ich tun können -, sondern dass es uns heute um das Kartell ging, das es im Falle der Milch genauso gibt wie bei der Energie. Solange sich CSU und FDP vor der Lösung dieses Problems drücken, solange wird es Opfer geben. Opfer werden in Zukunft nicht nur die Bauern und die Energieverbraucher sein, sondern einer nach dem anderen wird bei dieser Marktsituation an die Wand gedrückt.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke, Herr Kollege Aiwanger. Zum Abschluss der Debatte hat sich noch Herr Staatsminister Brunner gemeldet. Ich bitte Sie ans Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Noichl, falls es Ihnen entgangen ist, möchte ich darauf hinweisen: Kein anderes Bundesland hat gerade in der Zeit, in der die Milchbauern diese enormen Probleme haben, so viele Vorschläge und Programme entwickelt und Appelle laut werden lassen wie Bayern. Allein in einer Woche haben wir 65 Millionen Euro für die bayerischen Milchbauern zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Sie haben es letztes Mal selbst angesprochen, selbst kritisiert! Ist das ein Problem, oder ist es kein Problem?)

- Herr Aiwanger, wir wissen sehr wohl, dass die Milchbauern innerhalb eines Jahres allein in Bayern durch den Preisverfall eine Milliarde Ausfall haben. Sie werden wohl nicht ernsthaft fordern, dass Bayern jetzt eine Milliarde zum Preisausgleich zur Verfügung stellt.

(Hubert Aiwanger (FW): Das habe ich nicht gesagt. Ist das Kartell ein Problem, ja oder nein?)

- Herr Aiwanger, lassen Sie mich doch ausreden. Ich bin eine andere Rede- und Diskussionskultur gewohnt als jene, die Sie an den Tag legen.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Ich merke, dass Sie die Zeit totschlagen!)

- Ich komme schon noch auf Ihren Antrag zu sprechen, keine Angst.