Herr Präsident, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Förster, zu Ihrem letzten Satz: In einem werden Sie mir wohl zustimmen: Die CSU ist die einzige Partei, die eine eigenständige bayerische Liste hat. Damit gibt sie Bayern eine wesentliche Stimme.
Schauen Sie einmal in das gegenwärtige Europäische Parlament, wie viele Abgeordnete aus Bayern dort vertreten sind.
(Dr. Linus Förster (SPD): Nach dieser Wahl werden wir mehr haben! - Dr. Thomas Beyer (SPD): Frau Männle, wir sprechen uns am 8. Juni wieder!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor 30 Jahren fand zum ersten Mal eine Direktwahl zum Europäischen Parlament statt. Vor 20 Jahren fiel der Eiserne Vorhang, und die Grenzen zum Osten wurden geöffnet. Vor zehn Jahren haben wir den Euro eingeführt. Vor fünf Jahren fand die Osterweiterung statt. Das sind europäische Daten, die deutlich machen, welche Bedeutung Europa in unserer Geschichte hat.
Frau Staatsministerin Müller hat in ihrer Regierungserklärung eindrucksvoll die Bedeutung des vereinten Europa dargelegt. Sie hat an vielen Beispielen aufgezeigt, welchen Vorteil Europa gerade für uns in Bayern darstellt und welche Vorteile dieses Europa in der Finanzund Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden, hat. Sie hat auch deutlich gemacht, dass es andere Bedrohungen gibt, denen wir in Europa nur gemeinsam begegnen können. Herr Kollege Dr. Förster, Sie haben den Grundzügen der Regierungserklärung von Frau Staatsministerin Müller zugestimmt und gesagt, die Ziele seien alle richtig, aber in Einzelpunkten gebe es Unterschiede.
Ich möchte aufgreifen, was Sie zu den kontroversen Punkten gesagt haben. Es ist richtig, dass wir der Antidiskriminierungsrichtlinie II nicht zugestimmt haben. Wir haben ihr deswegen nicht zugestimmt, weil damit privatrechtliche Verhältnisse von Europa geklärt werden, die, wie wir meinen, vom Nationalstaat geklärt werden sollten. Das sind die tatsächlichen Gründe und nicht die, die Sie populistisch in den Mittelpunkt gestellt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gründungsväter der Europäischen Union wie Robert Schuman oder Konrad Adenauer haben deutlich gemacht, dass Krieg in Europa nur durch eine europäische Einigung verhindert werden kann. Frauen standen damals eher in der zweiten Reihe. Ich möchte aber feststellen, dass Maria Probst eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat. Maria Probst wäre in dieser Woche 102 Jahre alt geworden. Sie war eine der Mitbegründerinnen der Europäischen Union. Sie war entscheidend an der Aussöhnung mit Frankreich beteiligt. Damals sind Männer und Frauen für die Aussöhnung und für die Verhinderung von kriegerischen Auseinandersetzungen eingetreten. Das können wir nicht hoch genug einschätzen. Der Frieden sollte durch eine wirtschaftliche Verknüpfung gesichert werden. Das ist in Europa eindrucksvoll gelungen. Das ist der große Erfolg Europas.
Ich weiß, dass wir uns heute hart tun, dies der jüngeren Generation zu vermitteln, die den Krieg, die Nachkriegszeit, die Zerstörung und den Hass zwischen den Völkern nicht mehr miterlebt hat. Ich erinnere mich aber sehr gut an ein Erlebnis, das ich kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte. Ich war in Moskau auf einer
Tagung, an der Vertreter und Vertreterinnen aus dem früheren Ostblock teilgenommen haben. Wir hatten eine Diskussion mit der Staatsduma. In der Staatsduma saßen auch Offiziere in voller Uniform. Ein General in Uniform stellte den Vertretern der neu entstandenen Staaten die Frage, warum sie in die Europäische Union wollten. Da erhob sich eine junge Frau aus Tschechien und sagte: Weil ich nie wieder russische Panzer auf dem Wenzelsplatz sehen möchte. Dieses Erlebnis beeindruckt mich noch heute. Wir müssen uns vor Augen halten, dass es eine echte historische Leistung Europas ist, den Frieden sicherer gemacht zu haben.
Die EU ist für viele Länder attraktiv. Vor fünf Jahren sind acht ehemals kommunistische Länder der EU beigetreten. Rumänien und Bulgarien sind später gefolgt. Wir wissen, dass dieser Beitritt in gewisser Weise knirscht, dass es unterschiedliche Mentalitäten gibt und dass in diesen Ländern noch vieles zu bereinigen ist. Der Beitritt dieser Länder zur EU hat aber zur Stabilisierung Europas beigetragen. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass weitere Länder folgen sollen. Mazedonien, Albanien und Serbien werden an die Türe klopfen oder haben bereits ihren Anspruch angemeldet. Gerade nach den Erfahrungen der letzten Beitritte müssen wir deutlich sagen: Die Kriterien müssen erfüllt werden. An den Kriterien ist nicht zu rütteln. Es muss überlegt werden, wie aufnahmefähig die EU ist und ob wir noch Möglichkeiten haben.
Selbst westeuropäische Länder erkennen inzwischen den Vorteil der EU, obwohl sie noch vor kurzem ziemlich gelästert haben, wenn es um die EU ging. Denken Sie nur an Island.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kollege Dr. Förster und die Ministerin haben schon darauf hingewiesen, dass Europa gestern einen wichtigen Schritt vorangekommen ist. Der Tschechische Senat hat dem Lissaboner Vertrag zugestimmt. Der Arbeitskreis für Bundes- und Europaangelegenheiten der CSU-Fraktion war im März in Prag und hat mit Vertretern des für Europaangelegenheiten zuständigen Ausschusses des Senats diskutiert. Wir haben ernsthaft darüber gesprochen, was eine Ablehnung des Lissaboner Vertrages bedeuten würde. Wir sind sehr froh, dass die tschechische Seite zugestimmt hat, auch wenn Präsident Vaclav Klaus noch unterzeichnen muss. Wir sind einen großen Schritt vorangekommen. Jetzt fehlen nur noch die Zustimmung Irlands und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Wir können feststellen: Der Lissaboner Vertrag wird Europa weiter voranbringen. Wir haben auch in diesem Hause kontrovers über diesen Vertrag diskutiert. Meine
Fraktion hätte sich zu vielen Einzelfragen andere Formulierungen gewünscht. Denken Sie nur an die Frage der Kompetenzen. Wir hätten uns in vielen Fällen Kompetenzverlagerungen nach unten vorstellen können, sodass entweder die Nationalstaaten, die Regionen oder die Kommunen mehr Kompetenzen erhalten hätten. Wir haben aber gesehen, dass der Lissaboner Vertrag Europa insgesamt demokratischer macht. Das Europäische Parlament bekommt künftig mehr Kompetenzen, zum Beispiel in der Agrarpolitik. Das Europäische Parlament kann Vorlagen verhindern. Das Europäische Parlament stimmt über den Haushalt ab. Es ist damit Haushaltsbehörde. Jetzt fehlt nur noch das Gesetzgebungsinitiativrecht des Europäischen Parlaments. Das ist aber schon ziemlich das einzige, was fehlt. Ansonsten ist das Europäische Parlament bedeutsam geworden. Wer verfolgt hat, wie sich die Kompetenzen des Parlaments Schritt für Schritt, von Legislaturperiode zu Legislaturperiode ausgeweitet haben, kann nicht sagen, dass das Europäische Parlament ein zahnloser Tiger ist. Das Parlament hat mehrfach bewiesen, dass es sich als echtes Kontrollorgan gegenüber der Kommission versteht. Manchmal kritisiert es auch das, was im Rat passiert. Das Europäische Parlament nimmt diese neuen Kompetenzen wahr. Schon lange gilt nicht mehr der Satz: "Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa." Deswegen ist diese Europawahl so wichtig. Zukünftig findet demokratische Kontrolle statt.
Der Lissaboner Vertrag stärkt auch uns. Er stärkt die Parlamente, den Deutschen Bundestag und den Bayerischen Landtag. Das Wort Subsidiarität ist keine Worthülse mehr, die nur in den Verträgen steht. Subsidiarität wird inzwischen mit Leben erfüllt. Es ist schon deutlich angesprochen worden, dass wir in Bayern als erstes Parlament noch vor Inkrafttreten des Lissaboner Vertrags versuchen, die Subsidiaritätskontrolle auszuüben. Sie ist entscheidend dafür, welche Kompetenzen Europa zukünftig wahrnehmen soll. Sollen wir alles, was regelbar ist, tatsächlich von Europa geregelt bekommen? Oder sollen wir kritisch überprüfen, ob die Nationalstaaten oder die Regionen ein Problem viel besser regeln können? Jetzt haben wir das Recht, dazu Stellung zu nehmen. Wenn wir uns mit den anderen Landesparlamenten vereinen, wenn wir uns vor allem mit Österreich und Belgien, die auch föderale Strukturen haben, verbünden, dann können wir etwas verhindern. Das müssen wir tun.
Heute steht im "Straubinger Tagblatt" eine Überschrift: "Nicht jedes Problem in Europa darf ein Problem für Europa sein." Das ist ganz richtig. Ich weiß es aus leidvoller Erfahrung im Ausschuss der Regionen. Wenn Regelungen erlassen werden, sagen viele, sie könnten
es auf nationaler Ebene nicht durchsetzen, also geben sie es nach Europa. Hier gibt es mit Sicherheit viele Gefahren. Wir, die über eine lange demokratische Erfahrung verfügen und in föderalen Strukturen denken, können die positiven Erfahrungen mit dem Föderalismus in die europäische Diskussion einbringen.
Wir sagen Ja zu Europa. Wir wollen aber auch in Europa bestimmen, wo die Grenzen sind. Ich spreche von realen Grenzen zum Beispiel im Osten. Ich spreche aber auch von Grenzen im übertragenen Sinne. Bei den Kompetenzen erwähne ich nur das Stichwort Daseinsvorsorge. Das ist für uns eine echte Grenze für Europa. In diesen Fragen lassen wir uns von Europa nichts vorschreiben. Damit meinen wir es ernst.
Wir wollen nicht, dass die Regionen und die Kommunen von Europa durch Kompetenzübertragungen und eine überbordende Bürokratie bevormundet werden. Wir sind echte Wächter darüber, ob dies passiert oder ob es nicht passiert. Wenn wir das verständlich machen können, können wir die Bürgerinnen und Bürger überzeugen. Wir wissen, dass wir Europa nicht ausgeliefert sind, sondern dass wir Gestalterinnen und Gestalter Europas sind. Diese Aufgabe, Gestalter von Europa zu sein, müssen wir ernst nehmen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben von der Europaministerin eine Rede gehört, die sie fast ohne Emotionen vorgetragen hat. Wahrscheinlich war sie von ihren eigenen Inhalten wenig überzeugt. Sie konnte damit auch nicht überzeugen. Nur wenn man persönlich hinter einer Meinung steht, nur wenn man persönlich zu seinen Worten steht, ist es auch möglich, die Herzen der Menschen zu erreichen. Dann ist es auch möglich, für Europa so einzutreten, dass die Bürger Ja sagen, dass sie verstehen, warum wir uns auf diesem vielleicht doch etwas weit entfernten Gebiet engagieren.
Ausfluss dieses Denkens ist, dass die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich meinen, die EU-Abgeordneten hätten zum großen Teil keinerlei Interesse an der Wirklichkeit vor Ort. Sie sind kaum zu sehen. Sie sind nicht interessiert. Wer in der Kommunalpolitik tätig ist oder war, wird es noch nie erlebt haben, dass einmal ein EU
Abgeordneter vorbeigekommen ist und zu den Kommunalpolitikern gesagt hat: Das oder jenes steht an, ich möchte eure Meinung dazu hören.
- Gerade die CSU braucht mir überhaupt nichts zu sagen. Ich kenne es. Ich war 18 Jahre lang Landrätin aus ihren Reihen. Bei mir hat sich niemals ein Ingo Friedrich gemeldet und gesagt: Jetzt steht diese oder jene Verordnung an.
(Beifall bei den Freien Wählern - Georg Schmid (CSU): Der Ingo ist aber einer der fleißigsten! Weitere Zurufe von der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Jetzt wird es wenigstens lebendig! - Glocke des Präsidenten)
Eine unsinnige Glühbirnenverordnung steht zur Entscheidung an, die den Kommunen noch einmal viel Geld aus den Taschen ziehen wird. Ich frage mich wirklich, ob wir im Moment nichts Wichtigeres zu tun haben, als immer mehr bürokratische und belastende Verordnungen zu beschließen, ohne die Kommunalpolitiker einzubeziehen. Diese Verordnungen führen zu Aktionen, die kein Bürger mehr versteht.
Wir geben unheimlich viel Geld nach Europa und können nicht mehr kontrollieren, wohin diese Mittel fließen.
In der totalen Intransparenz und der totalen Vernebelung aller Finanzströme fühlen sich viele EU-Abgeordnete wohl. Vielleicht mag es polemisch klingen, aber es ist wahr: Tatsache ist, dass viele Sitzungsgelder kassiert haben, indem sie die Anwesenheitsliste einer Sit