Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

Abschließend darf ich Folgendes bemerken, meine Damen und Herren: In diesem politischen Konzert spielen Sie mittlerweile eine Rolle, die alles andere als glaubwürdig ist, auch beim Agrardiesel. Damals haben wir dazu im Landtag einen Antrag gestellt. Parallel dazu haben Ihre eigenen Leute in Berlin dagegen gestimmt. Jetzt schimpfen Sie mit Recht auf die SPD, aber Ihre Vertreter in Berlin waren nicht besser. Sie müssen sich darauf einstellen, dass Ihnen das um der Wahrheit willen in dieser Deutlichkeit gesagt wird.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ich komme zum Schluss. - Die bäuerliche Landwirtschaft ist das Ziel jeder vernünftigen Agrarpolitik. Leider Gottes müssen wir feststellen, dass sich diese bäuerli

che Landwirtschaft kurz vor dem Zusammenbruch befindet. Heute gibt es mehr Probleme als den Strukturwandel. Wer früher fünf Kühe hatte, ist irgendwann wegrationalisiert worden; dann der mit zehn Kühen. Wir sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem die Größe des Betriebes an sich keine Garantie mehr für die Zukunft ist. Vor wenigen Tagen war ich in Norddeutschland. Ich war auf einem Betrieb mit 400 Kühen, der mit EU-Fördermitteln massiv gefördert worden war. Der Besitzer sagt, es waren 25 %; mittlerweile hängt er ziemlich tief in den Schulden. Er bräuchte einen Milchpreis von 30 Cent pro Liter, bekommt aber nur 23 Cent. Das hält er wohl ein paar Monate durch. Neben seinem Anwesen steht schon ein leerer Stall, in dem früher einmal 400 Kühe gestanden sind, eine Investitionsruine.

Da muss, meine ich, auch mal genauer nachgefragt werden. Wenn der Besitzer dieses Hofs statt eines Stalls für 400 Kühe mit EU-Fördermitteln einen Stall für 100 Kühe aus eigenem Geld gebaut hätte, stünde er ohne Schulden da. Das wäre besser. Aber die Leute werden systematisch in eine Verschuldung hineingetrieben, sodass sie auf Gedeih und Verderb billig melken müssen, ob sie wollen oder nicht. Am Ende ihres Lebens gehört ihnen dann nicht einmal mehr der Hof, den sie von ihren Eltern übernommen haben, weil sie die Schulden zurückzahlen müssen. Diese blinde Wachstumspolitik, nur um billigen Rohstoff zu erzeugen, führt geradewegs an die Wand. Wir sagen also Ja zur bäuerlichen Landwirtschaft, aber Ihre Rahmenbedingungen und Ihre Aussagen zur Landwirtschaftspolitik führen geradewegs in die Agrarindustrie.

Ich komme zum Abschluss. Wenn Sie sagen "Ich glaube an die bäuerliche Landwirtschaft", ist das genauso, wie wenn Sie sagen würden: "Vater, Sohn und Heiliger Geist". Seien Sie mir nicht böse: Aber der Glaube ist zuwenig. Wir erwarten Taten. Wir erwarten klare Signale in Richtung Berlin. Wenn Sie die nicht abgeben, werden Sie inklusive Ihrer Kanzlerin hier baden gehen.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der FDP)

Danke, Herr Kollege Aiwanger. Als nächster Redner hat das Wort Herr Kollege Sprinkart. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Rede vom Herrn Minister gehört, die meines Erachtens nicht unbedingt hätte gehalten werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Denn erstens wurde nichts Neues gesagt, zweitens hat sie ihr ganz offensichtliches Ziel, zur Europawahl noch

ein paar Bauernstimmen für die CSU zu gewinnen, verfehlt. Zumindest bei den Milchbauern werden Sie mit dieser Rede nichts erben.

Sie haben recht, wenn Sie sagen, es sei Aufgabe der Politik, den Schwachen in Notsituationen zu helfen. Ich kann nur nicht erkennen, wo Sie das tun, besser gesagt, wo Sie das wirksam tun. Die Lobhudelei auf Ministerpräsident Seehofer als Agrarminister hätten Sie sich sparen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Er hat keinerlei Impulse gesetzt, sondern das getan, was er als Ministerpräsident auch tut, nämlich allen alles versprochen. Davon, dass Sie in der Mitte der Gesellschaft verankert sind - das waren Sie unter RotGrün auch schon mit Ausnahme des Bauernverbands, der unter Rot-Grün seine Einflüsterer-Rolle verspielt hat -, können sich die Bauern nichts kaufen. Die Landtagswahl hat deutlich gezeigt, dass die Bauern auf solche Sprüche nicht mehr hereinfallen. Bei der Europaund der Bundestagswahl wird das nicht anders sein. Die rot-grüne Regierung und Renate Künast als Landwirtschaftsministerin haben Impulse gesetzt.

(Lachen bei der CSU - Josef Miller (CSU): Welche denn?)

- Kollegen, ich habe gewusst, dass Sie da lachen werden. Da können Sie schon lachen; aber wer zuletzt lacht, lacht am besten. Das EEG - das ErneuerbareEnergien-Gesetz -, mit dem Sie heute hausieren gehen, hat für viele Bauernfamilien ein verlässliches zusätzliches Standbein geschaffen. Bayerns Bauern profitieren davon. Allein für die Photovoltaik werden bayerischen Landwirten jährlich Einspeisevergütungen in Höhe von 160 Millionen Euro bezahlt. Das ist etwa so viel, wie sie im Kulturlandschaftsprogramm bekommen. Kolleginnen und Kollegen, das sind Impulse, aber nicht das Geschwätz von eurem Ministerpräsidenten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Umsetzung der Agrarreform hat Renate Künast mit der Mehrheit der Bundesländer gegen den erbitterten Widerstand Bayerns und des Bauernverbandes dafür gesorgt, dass die Milchviehbetriebe an Grünlandstandorten, die praktisch keine Alternative zur Milchviehhaltung haben, bei der Verteilung der Mittel aus der ersten Säule gleichberechtigt behandelt werden. Das werden wir zwar erst 2014 erreichen. Im Augenblick haben sie immer noch einen Nachteil von 200 Euro pro Hektar. Das macht, umgerechnet auf den Liter, 4 Cent aus. Das muss man auch mal klar sagen. Wenn es nach CSU, Staatsregierung und BBV, also nach dem Bayerischen Bauernverband, gegangen wäre, hätte das al

lein die Milchviehhalter im Allgäu 20 Millionen Euro jährlich gekostet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Brunner, ich bin völlig Ihrer Meinung, dass der Milchmarkt wieder ins Gleichgewicht kommen muss. Ich widerspreche Ihnen allerdings, wenn Sie sagen, dass es unter den Bauern einen Dissens über den Weg gibt. Unter den deutschen Milcherzeugern gab es bereits vor einem Jahr eine klare Mehrheit für die Beibehaltung der Quotenregelung. Ich bin mir sicher: Jetzt wäre diese Mehrheit noch deutlicher. Aber die Bauernverbandsfunktionäre sind anderer Meinung. Viele von ihnen sitzen in Aufsichtsräten und haben Vorstandsposten bei Molkereien. Dort vergessen sie allzu leicht die Interessen der Milchbauern und sehen nur noch die der Molkereien. Die Interessen sind dabei bei Weitem nicht deckungsgleich.

Zu Ihren Forderungen. Die Aussetzung der Milchmenge ist durchaus positiv, aber zu wenig. Was wir brauchen, ist eine flexible Milchmengensteuerung, was wir brauchen, ist mehr Marktmacht für die Milchbauern. Sie müssen gleichberechtigte Marktpartner sein. Es kann und darf nicht sein, dass sie nur das bekommen, was ihnen Handel und Molkereien übrig lassen.

Ich honoriere sehr wohl, dass Sie im Bundesrat die Forderungen der Milchbauern zur Mengenbegrenzung unterstützen. Aber Sie kämpfen nicht dafür, genauso wenig wie Ministerpräsident Seehofer das als Bundeslandwirtschaftsminister getan hat. Sie können zweifelsohne kämpfen. Das haben Sie bei der Abschaffung des Selbstbehaltes beim Agrardiesel gezeigt. Das haben Sie selbst gesagt. Bei der Milch haben Sie artig die Hand gehoben, aber Kampfgeist habe ich vermisst.

Die Exporterstattung und die Intervention sind unserer Meinung nach die falschen Mittel zur Lösung des Mengenproblems. Wir wollen unsere Probleme nicht auf Kosten der schwachen Länder dieser Welt lösen. Das machen wir aber mit den Exportsubventionen. Auf der Ausnahmeliste für Exportsubventionen steht kein einziges Entwicklungsland, dafür aber der Vatikan, Gibraltar und Südafrika. Nachdem Sie das "C" im Parteinamen führen, sollten Sie gleicher Meinung sein wie wir.

Die Wiedereinführung von Beihilfen zur Erschließung weiterer Marktanteile am Binnenmarkt ist okay, wenn es um soziale Einrichtungen geht. Wenn damit allerdings in das Marktgeschehen eingegriffen wird, halte ich das für kontraproduktiv. Wenn bei dem ohnehin schon sehr niedrigen und miserablen Milchpreis die Milch noch weiter subventioniert wird, entwerten wir die Milch in einem nicht akzeptablen Maße und erzeugen bestenfalls ein Strohfeuer.

Die Flexibilisierung und der Ausbau des Schulmilchprogramms sind okay. Das ist eine wichtige Investition in die Zukunft - aktuell hilft es uns aber wenig.

Wenn es stimmt, Herr Minister, was der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes - BBV -, Herr Sonnleitner, auf seiner Pressekonferenz am letzten Freitag gesagt hat, dass Sie der Meinung seien, der BBV würde den Strukturwandel fördern, kann ich Ihnen nur voll zustimmen. Hier hätte die CSU ruhig klatschen können, wenn ich dem Minister zustimme; denn viele Bauernverbandsfunktionäre hocken ja nicht mehr im Landtag. Sie hätten sich ruhig trauen dürfen.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Sie machen mit der Investitionsförderung aber nichts anderes. 0,3 % der Milchviehbetriebe haben 2007 Investitionsförderung bekommen. Umgerechnet sind das 50.000 Euro je Betrieb. Das ist nichts anderes, als den Strukturwandel zu fördern.

Noch ein Satz, weil Sie sagten, die Milchviehbauern hätten von den Schweinehaltern gelernt. Von den Fördermitteln haben die Schweinehalter 38 % bekommen, die Milchviehbauern 41 %, obwohl es laut Ihren Zahlen 18.000 Schweinehalter und 46.000 Milchviehbauern gibt. Die Milchviehbauern haben noch viel zu lernen.

Gezielt strukturerhaltende Maßnahmen, das heißt, dass kleine Betriebe besser gefördert werden als große, kann ich in der bayerischen Agrarpolitik nicht erkennen - von der Deckelung beim Kulap und bei der Ausgleichszulage einmal abgesehen.

(Josef Miller (CSU): Kulap und Ausgleichszulage!)

- Das hab ich grad g’sagt. Sie sollten mich ausschwätze lass’n.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Zu Ihren Initiativen: Die Milchkuhprämie ist nicht mehr als ein Symbol, als eine Geste. 33 Millionen Euro bei einer Milliarde Euro Einkommenseinbußen; das ist nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Abschaffung des Quotennachweises hilft nur noch den wenigen Wachstumsbetrieben und wird zur Steigerung der Milchmenge führen. Ein Wachstumsbetrieb braucht eine zusätzliche Quote, wenn er aufstockt. Das wird zur Steigerung der Milchmenge führen und ist damit im Sinne der Preisanhebung absolut kontraproduktiv. Die 15 zusätzlichen Berater können den Milchpreis auch nicht verbessern. Sie können bestenfalls zur Kostensenkung beitragen. Ich gehe davon aus, dass die meisten Betriebe da schon am Limit sind.

Das Zinsverbilligungsprogramm zur Stärkung der Liquidität klingt gut. Sie sagen aber selbst, dass das die Betriebe bekommen werden, die in den letzten Jahren investiert haben. Damit bekommen die Betriebe, die schon einmal staatlich gefördert wurden, nochmals eine Förderung. Wie gesagt, wir sprechen hier von einem Prozent der Betriebe jährlich. Die Betriebe, die wegen des Milchpreisverfalls ohne Investition in Liquiditätsschwierigkeiten kommen - davon gibt es leider jede Menge -, werden leer ausgehen. Da bin ich mir ganz sicher.

Über den Vorschlag, zusätzliche Mittel für die Erschließung neuer Märkte und Produktinnovationen einzusetzen, kann man durchaus diskutieren. Wobei es hier nicht darum geht, dass die mittelständischen Molkereien das alleine schultern sollen. Wir müssen fairerweise zugeben, dass Entwicklungen verschlafen werden. Ich will dazu ein Beispiel sagen: Die Omega-3-Fettsäuren sind vor allem in der Milch von Kühen enthalten, die mit Gras gefüttert werden oder noch besser Weidegang haben. Wir in Bayern und gerade die "muva kempten" haben sehr viel Arbeit geleistet. Wir diskutieren die eindeutigen Vorzüge dieser Milch und der Omega-3-Fettsäuren. Aber ein holländischer Konzern, nämlich Campina, hat mit der Produktpalette "Landliebe" als erstes Unternehmen aktiv dafür geworben. Das nenne ich Entwicklungen verschlafen. Wir hätten die Ersten sein müssen, nicht die Holländer, die vielfach keinen Weidegang machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zwei Betrachtungen zum Agrardiesel - Ihrem Lieblingsthema: Die Streichung der Unter- und Obergrenze wirkt sich so aus: Auf Bundesebene kostet die Streichung des Selbstbehalts von 350 Euro etwa 130 Millionen Euro. Im Haushalt sind 300 Millionen Euro veranschlagt. Das heißt konsequenterweise, in erster Linie profitieren von der beschlossenen Maßnahme die Großagrarier in den neuen Bundesländern. Das zum Thema: Wir helfen den Schwachen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abgeordneten Maria Noichl (SPD))

Die zweite Betrachtung: Der Selbstbehalt von 350 Euro betrifft im Grünlandbereich die Betriebe bis etwa 18 Hektar. Bei einer Quote von 100.000 Euro und einem Preisverfall von 15 Cent macht das 15.000 Euro Einkommensverlust aus. Glauben Sie wirklich, dass Sie mit 350 Euro diesen Bauern helfen können? Die sinkenden Dieselpreise haben deutlich mehr geholfen.

Beim Selbstversorgungsgrad bei Milch und Milchprodukten, wie wir ihn in Bayern haben, sind wir zweifelsohne auf Export angewiesen. Die Frage ist nur, zu welchen Preisen. Es ehrt Sie, Herr Minister, dass Sie

die Vermarktung bayerischer Produkte vor der Haustüre voranbringen wollen. Wenn Sie dazu noch gesagt hätten "mit dem erklärten Ziel einer höheren Wertschöpfung seitens der Landwirtschaft", würden Sie dafür meinen uneingeschränkten Beifall erhalten. Sie haben es nicht getan, und ich glaube nicht, dass das ein Versehen war, sonst würden Sie die Vermarktungskonzepte "Von Hier" und "Unser Land" nicht in einem Atemzug mit "Geprüfte Qualität - Bayern" nennen - was für die ersten beiden eine Beleidigung ist. Bei den ersten beiden Projekten gibt es eine höhere Wertschöpfung, was ich bei "Geprüfte Qualität - Bayern" stark bezweifle. Zumindest war ich an der Entstehung des "Von Hier"-Konzepts nicht unbeteiligt, sodass ich die Wertschöpfung bei den Bäuerinnen und Bauern deutlich aufzeigen kann. Es stimmt eindeutig, dass Bayern das Projekt unterstützt hat. Die Begeisterung - so sage ich mal - hat sich in Grenzen gehalten.

(Zuruf des Abgeordneten Josef Miller (CSU))

- Ich komme schon noch zu Ihnen, Herr Miller.

Als Sie vor zwei Jahren beim zehnjährigen Jubiläum von "Von Hier" waren, haben Sie in Ihrer Presseerklärung dummerweise verschwiegen, dass es sich um ein biologisches Programm handelt. Die Wertschöpfung bei den Bauern und der Umsatz sind nur mit "regional Bio" möglich. Das haben Sie verschwitzt. Ich glaube, dass dieses Projekt, den Umsatz und die Wertschöpfung zusammengenommen, in Deutschland seinesgleichen sucht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Verarbeiter müssen dabei mitmachen. Das macht gerade im Milchbereich Probleme. Für das "Von Hier"Projekt hat die Firma Feneberg bei der Allgäu Länder Molkerei angeklopft und gebeten, dass Biomilch gemacht wird. Die Molkerei hat kein Interesse bekundet. Erst als die Bauern mobilisiert wurden, hat sich die Molkerei umstimmen lassen. Heute läuft das Geschäft gut.

Große Chancen für die Regionalvermarktung haben wir gerade in Tourismusgebieten, weil enorm viel Kaufkraft importiert wird. Leider haben wir diese Chance bislang kaum genutzt.

Kommen wir zu den nachwachsenden Rohstoffen. Hier müssen wir die einzelnen Punkte sehr differenziert sehen. Bei der Holznutzung gibt es zweifelsohne noch viele Möglichkeiten. Biogas müssen wir schon etwas kritischer sehen; vor allem müssen wir die Wärmenutzung konkret und nicht nur auf dem Papier voranbringen. Bei den biogenen Treibstoffen müssen wir unterscheiden: Biodiesel oder Rapsmethylester bringt uns weder ökologisch noch klimatechnisch Vorteile. Zudem verdienen daran nicht die Bauern, sondern die Verar