Daher möchte ich mich auf einige praktische Fragen beschränken. Was fordert die AOK? Man muss dazu sagen: die Bundes-AOK; das hat irgendeiner meiner Vorredner schon gesagt. Ich denke, dass sich einige Länder-AOKs von diesem Programm schon verabschiedet haben bzw. es ablehnen, so zum Beispiel die AOK in Baden-Württemberg. Die Bundes-AOK fordert, Freundlichkeit, Praxisorganisation und Einbeziehung in die ärztliche Entscheidung sollten bewertet werden. Kann man denn wirklich individuelle Partnerschaften zwischen Arzt und Patient in so einem anonymen Fragebogen erfassen? Ich meine, das kann man nicht. Es ist in meinen Augen nicht die richtige Vorgehensweise, nur diese Kriterien heranzuziehen und daraus ein
Ärzte-Ranking abzuleiten. Sind denn nicht vielmehr für unsere Patienten die Qualität der Diagnose und der Therapieerfolg entscheidend? Wenn diese Kriterien in das Ärzte-Ranking keinen Eingang finden, dann habe ich damit Probleme.
Ich sehe wie Sie, Frau Sonnenholzner, durchaus einige positive Ansätze. Ich bin schon der Meinung, dass Qualität auch bei Ärzten wichtig ist. Ich nenne ein Beispiel aus der Praxis. Für Patienten ist es gewiss entscheidend, ob in manchen Krankenhäusern oder bei manchen Ärzten nach Gelenkpunktionen sehr viele Infektionen auftreten. Ich würde den Patienten davon abraten, dort hinzugehen. Wir müssten schon die Qualität von Ärzten in irgendeiner Weise beurteilen können. Im Übrigen geschieht das schon seit Jahren und Jahrzehnten durch Mundpropaganda.
Ich befürchte bei diesem System Manipulationsmöglichkeiten, zum Beispiel durch Kollegen. Es kam schon vor, dass in bestehenden Internet-Portalen Ärzte ihre Kollegen vor Ort verleumdet haben. Das haben auch schon Patienten getan. Ich befürchte, dass man mit einer solchen Veröffentlichung im Internet einen digitalen Pranger errichtet, wodurch Missbrauch Tür und Tor geöffnet wird. Solange diese Probleme nicht geklärt sind - und sie sind nicht geklärt -, kann und muss man sich mit diesem Thema zwar beschäftigen, aber es gibt noch sehr viel zu tun.
Wahrscheinlich wird man bei dieser Bewertung nur die kritischen Stimmen hören. Die Patienten, die mit ihren Ärzten zufrieden sind, werden sich wohl nicht die Mühe machen, an einer Beurteilung im Internet teilzunehmen.
Ganz entscheidend ist für mich auch - das wurde schon angesprochen -, wie sich der einzelne Arzt gegen falsche Beurteilungen und falsche Tatsachenbehauptungen wehren kann. Wegen des Arztgeheimnisses sind Gegendarstellungen und Widerruf nicht möglich; das ist ein Problem. Auch der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Herr Peter Schaar, der dazu Stellung genommen hat, ist absolut dagegen. Er fordert eine Objektivierung; man müsse böswillige und manipulierte Bewertungen verhindern, und man könne mit dieser Methode im Internet hoch- und runterbewerten. Das ist auch meine Meinung und die Meinung der Freien Wähler.
Ich höre, die AOK möchte dieses Projekt im Zusammenhang mit den Ärzten durchführen. Das finde ich sehr gut. Warum aber wird die Bertelsmann Stiftung von der Bundes-AOK als Erste mit ins Boot genommen, wenn es um Änderungen im Gesundheitswesen geht? Ich frage nach der Rolle der Bertelsmann Stiftung. Vielleicht wäre das einmal ein Thema für eine Aktuelle Stunde oder eine Diskussion im Landtag; das lasse ich
einmal dahingestellt. Wir Freien Wähler lehnen diese Vorgehensweise der AOK insoweit ab, als wir keine böswilligen und manipulierten Bewertungen wollen. Sollten Bewertungen irgendwann einmal in irgendeiner Form manipulationsfrei möglich sein, hätten wir nichts dagegen. Insgesamt halte ich diese Bewertung der Ärzte im Medium Internet für nicht geeignet und für nicht sachdienlich.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über ungelegte Eier. Jetzt ist die Empörung aber schon riesengroß. Die Idee der AOK, einen Ärzte-Navigator zu entwickeln, ist Anlass für eine Aktuelle Stunde. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die FDP, die Partei der "Liberalität und Freiheit", hier plötzlich Denkverbote aussprechen will. Das verstehe ich im Leben nicht.
Bisher ist nur bekannt, dass die AOK zusammen mit der Bertelsmann Stiftung einen Kriterienkatalog erarbeiten will, weil auch die AOK Kritik an der allergrößten Zahl der bisherigen Portale übt. Bei den bisherigen Portalen sind Manipulationsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet, was von allen hier im Parlament übereinstimmend angeprangert wird, und dort sind Rachebewertungen möglich. Ziel der AOK ist es, die bisherigen Portale zusammenzufassen, wie es das schon im Bereich der Krankenhäuser und der Pflege gibt. Die Tatsache, dass täglich 1.500 Informationsbedürftige bei den Themen der ambulanten und stationären Pflege nachforschen, zeigt, dass ein gewisser Informationsbedarf besteht. Die Leute wollen einen Überblick über die Qualität von Pflegediensten und Heimen.
Für uns ist ganz klar: Die Schwierigkeit bei diesem Portal liegt in der Überlegung, wie ein medizinischer Laie die Arbeit eines Arztes bewerten kann. Das ist die Gretchenfrage bei diesem Kriterienkatalog.
Das zweite Problem hat die AOK schon sehr konkret angepackt. Es muss eine Mindestzahl von Aussagen vorliegen, damit sie in dieses Portal überhaupt aufgenommen werden können. Es soll keinerlei Freibewertungen geben; man darf also nicht munter in den Kasten hineinschreiben, dass der Arzt so oder so gearbeitet hätte, sondern die Bewertung muss vernünftigen Kriterien folgen.
Ich bin anderer Meinung als Herr Kollege Vetter. So etwas wie Freundlichkeit oder die Wartezeiten, das kann man doch durchaus bewerten. Ich traue mir schon zu, zu sagen, am Empfang war ein Drache oder eine freundliche Arzthelferin. Ich glaube, so viel Bewertung kann man jedem Einzelnen zugestehen.
Die AOK und viele andere Kassen haben signalisiert, sie wollten ein seriöses Portal aufbauen. Dies ist nicht nur eine Idee der AOK, sondern auch andere Kassen haben sich dazu geäußert. Frau Kollegin Sonnenholzner hat auch schon die Kriterien genannt. Ich kann deshalb die Aufregung nicht verstehen. Bei der FDP ist der Patient doch sonst immer der mündige Bürger. Mir scheint aber, er ist nur dann für die FDP mündig, wenn die Behandlung abläuft, wenn er etwas zu bezahlen hat. Wenn der Patient aber etwas zu bewerten hat, dann ist er auf einmal nicht mehr mündig.
Das verstehe ich deshalb nicht. Ich habe mich beim AOK-Bundesverband und auch beim AOK-Landesverband erkundigt. Es scheint, Sie haben dort nicht angerufen, um Informationen einzuholen. Dem seriösen Ansinnen ist deshalb schon von vornherein eine Absage erteilt worden. Das Weltbild ist klar: Die LobbyInteressen stehen auf, wie der Nebel in der Frühe. Ähnlich wie bei den Agrarsubventionen, über die wir in der letzten Woche diskutiert haben, ist für Sie klar: Selbst wenn der Datenschutz - das ist auch für uns ein wichtiges Anliegen - gewahrt ist, darf nach Ihrer Auffassung kein Portal entwickelt werden. Da ist bei Ihnen kein Platz für Transparenz, Ihr politisches Drehbuch ist in dieser Frage klar. Wir haben hingegen entschieden, wir warten erst einmal auf die konkreten Vorschläge und bewerten dann. Da haben wir noch viel Zeit. Deshalb: ruhig Blut. Wir können uns das Adrenalin noch ein bisschen aufsparen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Franz Maget (SPD): Das ist auch gesünder! Das ist gesünder als zuviel unnötige Aufregung!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man in die Zeitungen der letzten Tage sieht, dann ist in der Tat nach den Ausführungen des stellvertretenden AOK-Bundesvorsitzenden Josef Graalmann der Teufel los. Die Ärzte regen sich auf, das ist gar keine Frage.
Aber auch andere Krankenkassen, wie die Barmer oder die Techniker Krankenkasse könnten sich einen ÄrzteNavigator oder einen Ärzte-TÜV - wie das inzwischen locker abgekürzt heißt - durchaus vorstellen. Bei der AOK geht es immerhin um 24 Millionen Versicherte in Deutschland und um 185.000 niedergelassene Ärzte. Ich sage das, damit klar ist, über welche Größenordnung wir überhaupt sprechen. Wir wissen bisher noch nicht viel darüber, wie der Fragebogen aussehen soll, auch das möchte ich hier einmal feststellen.
Frau Kollegin Sonnenholzner hat darauf hingewiesen, dass bei mindestens 1.000 Patientenkontakten pro Arzt 50 Bewertungen vorliegen müssen. Erst dann, so die AOK, sind Bewertungen belastbar.
Was soll denn in etwa der Innhalt des Fragebogens sein? - Die Praxisorganisation wurde schon genannt, des Weiteren die Wartezeiten und die Einbindung der Patienten in ärztliche Entscheidungen. Was die Wartezeiten und die Praxisorganisation anbelangt, darüber können Sie mit mir reden. Sie können mit mir auch über eine etwaige politische Indoktrination reden. Mit Sicherheit mögen es viele Patienten nicht gerade gerne, wenn sie zum Arzt gehen und sich dann erst einmal die schwierige Lage des Arztes anhören müssen, bevor sich der Arzt den Patienten überhaupt ansieht. Wir kennen solche Beispiele, weil wir davon bei unseren Bürgersprechstunden gehört haben.
Was aber die Einbindung der Patienten in ärztliche Entscheidungen anbelangt, befinden wir uns in einem sehr schwierigen Bereich. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat deshalb auch gesagt: Halt, hier gibt es Schwierigkeiten. - Wissen Sie, wo es noch Schwierigkeiten gibt? - Bei der Anonymität des Fragebogens. Wir erziehen die Kinder doch immer dazu, dass sie, wenn sie Kritik äußern, die Kritik offen äußern und Namen nennen. Vor Kurzem habe ich in einer Schülerzeitung folgenden Spruch gelesen: "Wer hier jemanden beleidigt, der muss dem Betreffenden nicht ins Gesicht sehen". - Da ging es um Cyber-Mobbing. Genau das gleiche Problem tut sich bei einem anonymen Ärztefragebogen, beim sogenannten Ärzte-TÜV, auf.
- Doch, sie sind anonymisiert. Das hat auch der Bundesvorsitzende der AOK klar gesagt. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.
Bei solchen Internetforen beteiligen sich mit Sicherheit als erste diejenigen, die etwas auszusetzen haben. Bei solchen Internetforen, besteht die Gefahr des Abgleitens ins Cyber-Mobbing. Da habe ich durchaus Probleme, egal, ob es sich dabei um die Kritik an Lehrern oder an Schülern handelt. Wir erwarten im Übrigen heute dazu ein Urteil des Bundesgerichtshofs. So etwas darf bei den niedergelassenen Ärzten nicht stattfinden.
Vor diesem Hintergrund denke ich: Transparenz und Qualität sind für die Patienten notwendig. Man sollte aber weiter darauf vertrauen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen in erster Linie für Transparenz und Qualität für unsere Patienten und Versicherten verantwortlich sind und hier in Bayern vieles auf den Weg gebracht wurde.
Es gibt im Übrigen viele Internetportale und Bewertungen für Ärzte. Das Internetportal "docinsider.de" ist ein kommerzielles Unternehmen. Ich war auf diesen Internetseiten. Es geht da im Übrigen auch um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten, die Ausstattung der Praxen und um Wartezeiten. Man muss dazu sagen: Anfang 2009 haben die Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die Ärzteportale untersucht und gesagt, trotz eines gezielten Fragenkatalogs würden wüste Beschimpfungen ins Portal eingestellt. Meine Damen und Herren, wenn man diesen Beschimpfungen Tür und Tor öffnet, dann sollten wir alle im Bayerischen Landtag sagen: So darf das nicht sein! Kritik muss mit offenem Visier geäußert werden.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege König. - Nicht? - Er verzichtet. Dann bitte ich Herrn Staatsminister Söder an das Rednerpult.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Qualitätsverbesserung und medizinische Versorgung ist ein Dauerthema. Das muss auch so sein, denn es geht um die Patienten. Eigentlich ist das Thema deshalb so besonders wichtig, weil wir in diesem Jahr durch die Erhöhung von Beiträgen die Erwartungen noch höher gesetzt haben, dass die Patienten besser behandelt werden. Die Frage ist nur, wie wir dazu kommen. Ich brauche mir nur anzusehen, was die Kassenärztliche Vereinigung in den letzten Jahren begonnen hat, um die Qualifikation der Ärzte zu steigern: verschiedene Maßnahmen, interne Schulungen und
Weiterentwicklung. Ich glaube, es ist der richtige Weg, durch ein bestimmtes Angebot die Qualifikation der Ärzte zu fördern. Das gehört zu den Dingen, die wir bei der Finanzstruktur der Medizin in Deutschland einfordern, dass sich nämlich die Qualität der bayerischen Fach- und Hausärzte, die sie über die Jahre durch eigene Qualifizierung erreicht haben, auch in der Honorierung spiegelt. Es geht auch darum, dass Spitzenleistung adäquat unterstützt werden muss. Ich glaube deshalb, dass Bewertungssysteme generell gesehen ein sinnvoller Weg sein können. Das gilt aber nicht für den Weg, der sich hier andeutet.
Wenn Menschen im Internet bewusst diffamiert werden, dann stellen sich heute viele Rechtsfragen. Manchmal können Menschen auf diese Weise sogar ruiniert werden. Ich meine, es muss für einen solchen Bewertungskatalog objektive Kriterien geben. Übrigens würde ich den Kriterienkatalog gerne dort lassen, wo man dafür zuständig ist, nämlich im Bereich der Selbstverwaltung. Der Vergleich mit den USA hinkt hingegen, Frau Sonnenholzner, denn das medizinische System der USA kann nicht unser Vergleichsmaßstab sein. Sie haben das auch nur am Rand erwähnt.
Ein solches Bewertungssystem muss wissenschaftlich fundiert, objektiv und nachprüfbar sein. Es muss übrigens auch Konsequenzen haben. Jemand, der fachlich schlecht ist, muss sich nachschulen. Es wäre schlecht, wenn wir zulassen würden, dass es gute und schlechte Ärzte gibt. In München oder in Nürnberg haben die Patienten eine große Auswahl, aber nicht alle Landstriche in Bayern bieten diese reichhaltige Auswahl. Daher muss jeder Patient die Möglichkeit haben, bestmöglich versorgt zu werden.
Ein System "Deutschland sucht den Superarzt", also eine Art Arzt-Casting, halte ich für falsch. Im Zweifelsfall schneidet dann nämlich ein Arzt mit einem schöneren Praxisdesign besser ab. Das sei zwar jedem Arzt zugestanden, uns geht es aber um die Versorgungsqualität. Deswegen müssen wir sehr vorsichtig vorgehen und sehr zurückhaltend agieren.
Wir haben im Moment ohnehin eine große Herausforderung zu bestehen, denn wir haben im Moment nicht die Sorge, dass wir zu viele Ärzte haben. Wir haben die Sorge, dass die Versorgung, über die von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen - egal, welcher Couleur - diskutiert wird, noch garantiert ist. Haben wir noch genügend Ärzte? Bleiben die bei uns? Finden die den Beruf attraktiv? Finden wir Nachwuchskräfte, die sich als niedergelassene Ärzte etablieren? Handeln wir mit solchen Modellen, wenn wir sie zwar entwickeln, aber nicht kontrollieren, nicht eher kontraproduktiv, weil die Ärzte dann lieber gleich dorthin gehen, wo sie andere Mög
Es geht uns nicht um Angst vor Qualität oder Angst vor Wettbewerb, sondern es geht uns um die Methode. Die Bewertung digital, vielleicht sogar anonym durchzuführen, ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Wir stehen hinter den Ärzten. Die Qualität der bayerischen Ärzte ist hervorragend. Sie sind hoch motiviert, und das unter manchmal schwierigen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen. Das ist aber eine andere Diskussion, die wir sicher auch noch weiterführen werden. Wir wollen objektive Kriterien. Eine Art Arzt-Casting im Internet halten wir aber für den falschen Weg.
Erste Lesung zu Gesetzentwürfen, die ohne Aussprache an die jeweils federführenden Ausschüsse überwiesen werden sollen:
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (Drs. 16/1517)