Karl Vetter

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Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Herr Staatsminister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! "Gut.Leben.Bayern − intakte Umwelt, gesundes Leben", so lautet der Titel Ihrer Regierungserklärung, Herr Staatsminister. Dabei stellt man sich grüne Wiesen, idyllische Berge, die Schönheit unseres Heimatlandes vor.
Sie haben die Worte eigentümlicherweise durch Punkte miteinander verbunden, womit Sie vermutlich betonen wollen, dass es sich um eine Feststellung handelt, an der es keinen Zweifel gibt.
Ich möchte Ihnen gar nicht widersprechen. Ohne Frage leben wir gut in Bayern.
Die Gesundheitsversorgung ist in Bayern sicherlich besser als in vielen anderen Ländern.
Herr Staatsminister, wenn ich mir aber Ihre Tätigkeit oder vor allem Ihre Untätigkeit in den letzten Jahren vor Augen führe, scheinen Sie aus diesem positiven Bild gleich die Rechtfertigung abzuleiten, nichts Großartiges verändern zu müssen: "Alles ist gut. Damit sind wir zufrieden."
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht die Politik der FREIEN WÄHLER. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Wir wollen für die Menschen in Bayern die bestmöglichen Bedingungen und die bestmögliche Gesundheitsversorgung erreichen. Herr Minister, dies erfordert aktiven Einsatz und progressives Handeln. Sie bieten aber nur starre Traumwelten als Rechtfertigung für teilweise verantwortungsloses Nichtstun.
Diese Politik hat mit Ihrem Vorgänger, Herrn Staatsminister Dr. Söder, schon begonnen. Statt eine deutliche Zäsur herbeizuführen, worauf wir alle, auch ich,
gehofft hatten, führen Sie diesen passiven Kurs des politischen Stillstands weiter.
Lassen Sie mich dies an einigen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen Bereichen verdeutlichen: Sicherlich sind wir uns alle einig, dass es einer der wichtigsten Aspekte einer guten Gesundheitsversorgung ist, dass der Arzt, sowohl der Hausarzt als auch der Facharzt, für die Menschen gut erreichbar ist. Er muss in angemessener Nähe zum Wohnort niedergelassen sein. Bekannt ist aber auch, dass das Durchschnittsalter der Hausärzte gerade in ländlichen Regionen zukünftig einen erheblichen Hausarztmangel befürchten lässt. Bei den Fachärzten sieht es nur wenig besser aus. Herr Dr. Huber, noch ist vielleicht alles gut. Aber bei einem Durchschnittsalter von 52 Jahren bei den Hausärzten wird dies in Zukunft nicht mehr so sein. Das ist eine ganz leichte Rechenoperation. Wenn man sich eine Karte ansieht, auf der die Hausärzte mit über 60 Jahren rot eingezeichnet sind, sieht man im wahrsten Sinne des Wortes in weiten Teilen Unterfrankens, der Oberpfalz, Oberfrankens und Oberbayerns rot. Dort sind 25 bis 50 % der Hausärzte über 60 Jahre alt.
Als Gesundheitsminister dürfen Sie sich nicht auf den Zahlen ausruhen und sagen, dass wir in Bayern eine Überversorgung mit Hausärzten hätten. Es ist absehbar, dass sich dieser Zustand in Zukunft ändern wird. Hier sind Taten gefragt. Kolleginnen und Kollegen, es müssen Lösungen gefunden und Konzepte vorgelegt werden. Deshalb fordern wir FREIEN WÄHLER seit mittlerweile zwei Jahren Hausarztverträge nach altem Recht, also ohne Refinanzierungsklausel.
Denn dies würde bedeuten, dass die Hausärzte tatsächlich ein Ansparpotenzial etwa bei der Arzneimittelverordnung hätten. Das ist aber nicht der Fall. Wir fordern einen Gesundheitsminister, der sich dafür einsetzt, dass gesetzliche Vorgaben − Hausarztverträge sind halt vom Gesetzgeber vorgesehen − auch umgesetzt und eingehalten werden. Man sollte doch meinen, dass das eine Selbstverständlichkeit ist; aber das, Kolleginnen und Kollegen, würde bedeuten, dass ein Gesundheitsminister Position bezieht und sich zumindest moderierend in die Verhandlungen über die gesetzlich vorgeschriebenen Hausarztverträge einbringt. − Ich gebe zu, das hat Ihren Vorgänger mehr betroffen als Sie. Die Hausarztverträge sind mittlerweile größtenteils geschlossen.
Das ist damals versäumt worden. Das hätte schon zwei Jahre eher gemacht werden können.
Wir FREIEN WÄHLER setzen uns für Lehrstühle für Allgemeinmedizin an den bayerischen Universitäten ein,
damit die Studenten universitäre Vorbilder haben und so an eine Hausarzttätigkeit herangeführt werden. Bislang gibt es an der TU München einen Stiftungslehrstuhl, finanziert von der Kassenärztlichen Vereinigung und von der AOK Bayern. Dieser Lehrstuhl muss in einen ordentlichen Lehrstuhl umgewandelt werden und damit auch dauerhaft finanziell gesichert sein. Die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Menschen in Bayern ist einfach eine staatliche Aufgabe, Kolleginnen und Kollegen.
Auf das beständige Drängen der FREIEN WÄHLER hin wird in Erlangen ein weiterer Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet. Aber was ist mit Würzburg, was mit Regensburg? Ein Gesundheitsminister muss sich − dazu fordere ich Sie erneut auf − unter Wahrung der Freiheit der Universitäten zumindest für die Schaffung der Rahmenbedingungen einsetzen, damit junge Mediziner den Hausarztberuf ergreifen. Es reicht eben nicht, vor der Wahl den Studenten im Rahmen eines schönen Förderprogramms 500 Euro oder mehr in die Hand zu drücken; das Programm läuft nämlich irgendwann einmal aus, und dann ist Schluss mit der Finanzierung. Vorausschauend und langfristig muss gehandelt werden, nicht immer nur mit wohlklingenden Programmen, Kolleginnen und Kollegen.
Wir FREIEN WÄHLER wollen die Stärkung der hausund fachärztlichen Versorgung in den ländlichen Regionen. Sonst heißt es bald: Ärzte weg - Menschen weg. Das setzt auch den Ausbau der Weiterbildungsverbünde für Allgemeinmedizin voraus, damit auch junge Mediziner in ländlichen Regionen an die Universitäten angebunden bleiben und keinen Nachteil durch ihre Tätigkeit im ländlichen Raum haben. Denn es reicht nicht aus, die Studenten für die Allgemeinmedizin zu interessieren; immer wieder müssen auch Anreize gesetzt werden, dass sie sich im ländlichen Raum niederlassen, nämlich dort, wo die Ärzte einfach fehlen.
Kolleginnen und Kollegen, das Problem beschränkt sich nicht allein auf die Ärzte. Auch viele Frauen sehen sich ernsthaften Problemen gegenüber, wenn sie eine Geburtshelferin suchen. Das meldete der Bayerische Hebammenverband erst dieser Tage. Auch hier fehlt ein klares Signal aus dem Gesundheitsministerium. Erst zu Jahresbeginn haben die He
bammen eine deutliche Anhebung ihrer Honorare bewirkt; aber wieder mussten erst die FREIEN WÄHLER, mussten wir einen Antrag stellen, damit etwas passierte.
Trotzdem zeichnet sich weiter eine Unterversorgung mit Hebammen in Bayern ab. Handeln Sie bitte, Herr Huber! Wenn Sie wieder einen Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER brauchen, sind wir gerne behilflich. Das machen wir sogar ganz schnell und kostenlos. − Ich hoffe, nicht umsonst.
Wir FREIEN WÄHLER fordern auch, dass sich die Bayerische Staatsregierung zu ihren Krankenhäusern bekennt und auf Bundesebene schnellstmöglich eine grundlegende Form der Krankenhausfinanzierung durchsetzt. Wer ist denn in Berlin an der Regierung, wir FREIEN WÄHLER oder die CSU? Jetzt, kurz vor der Wahl, Bundesratsinitiativen zu starten, ist mehr als Scheinagitation, Herr Gesundheitsminister. Wir fordern, dass Sie noch vor September eine Sofortförderung für die Krankenhäuser auf den Weg bringen, damit diese nicht noch weiter ins Defizit fallen. Wenn nach Angaben der Bayerischen Krankenhausgesellschaft mittlerweile fast jedes zweite bayerische Krankenhaus rote Zahlen schreibt, dann stimmt etwas mit der Finanzierung nicht. Das können nicht alles schlecht wirtschaftende Häuser sein. Die Menschen in Bayern brauchen ihre Krankenhäuser, vor allem auch die kleinen Häuser, die die Versorgung im ländlichen Raum sicherstellen.
Wir FREIEN WÄHLER haben auch seit Jahren die Abschaffung der Praxisgebühr gefordert, weil die Studien nachgewiesen haben, dass sie keinerlei Steuerungseffekte erzielt, die Ärzte dafür aber mit Bürokratie beschwert hat.
Sie haben unsere Anträge immer wieder abgelehnt. Jetzt hat sich Gott sei Dank alles zum Guten gewendet. Die Praxisgebühr wurde abgeschafft. Aber auch das, Kolleginnen und Kollegen, war nicht das Verdienst unseres Gesundheitsministers.
- Das war vielleicht noch einmal ein kleines Verdienst der FDP.
Wir FREIEN WÄHLER wollen aber auch, dass die Rechte derjenigen Menschen, die sich am wenigsten wehren können, beachtet werden und auch zwingend beachtet werden müssen. Das sind die psychisch kranken Menschen, die unter Betreuung stehen und sich in entsprechenden Einrichtungen befinden. Die allgemeine Rechtsgrundlage aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch zur erzwungenen medizinischen Behandlung dieser Menschen wurde vom BGH als nicht ausreichend angesehen. Eine konkretere Rechtsgrundlage wird gegenwärtig auf Bundesebene geschaffen. Dann muss das Bayerische Unterbringungsgesetz entsprechend angepasst werden. Diese Chance sollten wir in Bayern nutzen und unser Unterbringungsgesetz in ein modernes Gesetz zur Hilfe für psychisch kranke Menschen umwandeln, das die Rechte der Betroffenen auf bestmögliche Weise schützt. Psychisch Kranke brauchen Hilfe und nicht allein Unterbringung. Das muss in einem Gesetz auch zum Ausdruck kommen. Freiheitsentziehung und Zwangsmaßnahmen dürfen nur die Ultima Ratio sein, Kolleginnen und Kollegen.
Wir FREIEN WÄHLER setzen uns seit Jahren auch für eine grundsätzliche Neuordnung des Gesundheitssystems ein. Das gegenwärtige Gesundheitssystem ist durch den Reformwahn der letzten Jahre dermaßen komplex und unübersichtlich geworden, dass niemand mehr weiß, wohin welche Gelder fließen. Da muss man sich nicht wundern, dass die Finanzmittel letztendlich irgendwo versickern. Wir brauchen endlich ein transparentes, gerechtes System, das den Patienten in den Mittelpunkt stellt, die Haus- und Fachärzte von Bürokratie befreit und sie angemessen belohnt, ohne dass ständig das Damoklesschwert eines Regresses in existenzgefährdender Höhe droht.
Die Tätigkeit eines niedergelassenen Arztes, der seine Patienten gut versorgt, muss sich lohnen.
Wir FREIEN WÄHLER wollen auch die Dualität zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufgeben, weil wir jedem Bürger zutrauen, sich selbst zu entscheiden, ob er sich bei einer privaten oder bei einer öffentlich-rechtlichen Krankenversicherung versichern möchte. Die Pflichtversicherungsgrenze ist eine Bevormundung der Menschen, meine Damen und Herren. Jeder muss selbst entscheiden können, wie er sich versichern möchte. Vom Gesetzgeber muss sichergestellt werden, dass jeder überhaupt krankenversichert ist und dass der Umfang der Kran
kenversicherung auf jeden Fall eine gute medizinische Versorgung gewährleistet.
Aber darüber hinaus sollte aus unserer Sicht jeder frei entscheiden können, bei wem, ob gesetzlich oder privat, er sich versichern möchte und letztendlich auch, wie viel Geld ihm seine Gesundheitsversorgung wert ist. Das ist die Freiheit des Einzelnen. Wir schreiben ja zum Beispiel auch niemandem vor, welche Summen er für seine Altersversorgung ausgibt, mit wie viel Geld er an der Börse spekuliert oder ob er sich einen Porsche kauft, nur weil er ein kleines oder mittleres Einkommen hat. Die Rahmenbedingungen dazu müssen aber stimmen. Das heißt, der Leistungskatalog für eine gute medizinische Versorgung muss gesetzlich festgeschrieben sein und er muss für alle Krankenversicherer gelten. Das Konzept, das diesen Erwägungen entspricht, ist die soziale Gesundheitsversicherung der Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER, die wir hier ja schon mehrfach besprochen haben.
Wir FREIEN WÄHLER wollen, dass in Bayern die Notarztversorgung sowohl in der Stadt als auch auf dem Land sichergestellt wird. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, heißt auch, dass die Ärzte, die Notarztdienste versehen, angemessen bezahlt werden. Es kann einfach nicht sein, dass die notärztlich tätigen Kollegen im Streit um das Abrechnungssystem den Kürzeren ziehen und dafür, dass sie im Ernstfall zu jeder Tages- oder Nachtzeit für die medizinische Versorgung der Menschen in Bayern sorgen − hierbei geht es ja um Menschenleben −, noch nicht einmal angemessen und zeitgerecht honoriert werden.
Wir FREIEN WÄHLER fordern, dass Sie, Herr Staatsminister Huber, sich eindeutig zur neuen Bereitschaftsdienstordnung für Ärzte positionieren. Dies ist gegenwärtig besonders einfach, weil sie bei Ihnen zur Genehmigung liegt. Aber auch in diesem Bereich haben Sie sich bislang vornehm zurückgehalten. Auch die Kollegen, die in der Gesundheitspolitik tätig sind, sagen immer, das sei Aufgabe der Selbstverwaltung. Das stimmt auch; aber es hat schon einen Grund, dass es auch in Angelegenheiten der Selbstverwaltung eine Rechtsaufsichtsbehörde gibt. Das ist Ihr Ministerium, Herr Staatsminister. Wenn die Selbstverwaltung an ihre Grenzen kommt und gesetzlich
notwendige Leistungen nicht mehr erfüllen kann, muss sich der Gesundheitsminister zumindest positionieren. Es ist die Aufgabe eines Gesundheitsministers, klar Stellung zu beziehen und für die bayerische Gesundheitspolitik eine Führungsrolle zu übernehmen. Wenn nicht, was sind dann die Aufgaben eines Gesundheitsministers? Die Frage lautet also: Entspricht es Ihrem Verständnis von ärztlichem Berufsethos und Verantwortung für die Menschen in Bayern, wenn der Bereitschaftsdienst zukünftig auch von Ärzten wie Radiologen, Pathologen oder ärztlichen Psychotherapeuten bis zum Alter von 62 Jahren durchgeführt wird, die vielleicht jahrzehntelang keinen Patientenkontakt mehr hatten, nicht mehr somatisch tätig waren und bei medizinischen Notfällen vielleicht − das sagen die Kollegen selber − nicht viel mehr wissen als jeder Laie? Reicht für derartige Notfälle die kurze Fortbildung der KV mit 18 Stunden und einem Übergangszeitraum von zwei Jahren aus? Ich versehe das mit einem Fragezeichen. Wir von der Fraktion FREIE WÄHLER könnten uns vorstellen, dass man über längere Übergangsfristen, zum Beispiel von fünf Jahren, diskutiert oder auch Einzelfallprüfungen ermöglicht. Es kann nicht sein, dass ein Arzt gegen sein Gewissen gezwungen wird, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen. Das kann nicht sein. Auf diese Fragen erwarten die Menschen in Bayern und auch hier in diesem Hohen Haus eine Antwort.
Ich fasse zusammen: "Gut.Leben.Bayern − intakte Umwelt, gesundes Leben" − Ihre heutige Regierungserklärung war wieder Wahlkampf pur. Es waren schöne Worte, die wie immer im September dieses Jahres vergessen sein werden. Ich erinnere an die Versprechen, die Sie den Hausärzten im Herbst 2008 gemacht haben. Im Wahlkampf 2008 gab es im Übrigen schon einmal einen ähnlichen Slogan. Wahrscheinlich kam er von derselben Werbeagentur: "Sommer, Sonne, Bayern". Das ging damals bekanntermaßen in die Hose.
Wir haben in Bayern in der Gesundheitspolitik viele Baustellen. Aufgrund der Kürze der Zeit konnte ich nur ein paar nennen. Ein Beispiel sind die Probleme der konservativ tätigen Fachärzte. Auch hier sollte sich ein Gesundheitsminister positionieren. Ein weiteres Beispiel ist die Pflegekammer. Herr Staatsminister, Ihre Meinung zur Pflegekammer würde mich schon interessieren. Es kann doch nicht sein, dass Sie sich von einer Zwei- bis Drei-Prozent-Partei auf der Nase herumtrampeln lassen.
Die Telemedizin ist angesprochen worden. Herr Ministerpräsident, sie funktioniert nur mit schnellem Internet. Sonst kommen wir nicht weiter.
Dafür brauchen wir endlich Lösungen. Dafür bedarf es einer aktiven Regierung, eines aktiven Ministerpräsidenten, aber auch eines aktiven Gesundheitsministers. Schlagworte allein und das Aussitzen von Problemen haben die Menschen in Bayern nicht verdient.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir noch einen kurzen Satz bzw. eine kurze Bemerkung zum Brunnenvergifter Erwin Huber. Ich finde es schade − glauben Sie mir, das meine ich ernst −, dass mit solchen Äußerungen eine nicht unbedeutende Kariere kaputt gemacht wird.
Kolleginnen und Kollegen, seit zwei Tagen sitze ich hier im Plenum. In jeder Rede höre ich von den Leuten der CSU − die FDP macht auch schon mit: Bayern ist spitze. Bayern ist toll. Ministerpräsident Seehofer schießt den Vogel ab. Das macht er in letzter Zeit öfter. Herr Söder kann jetzt auch einen Teil dazu beitragen. Ministerpräsident Seehofer schießt den Vogel ab, indem er zu Beginn seiner Ausführungen sagt, dass laut der neuen Bayern-Studie 98 % der Menschen gerne in Bayern leben. Im Plenum wird suggeriert, dass dies an der CSU und der Staatsregierung liege.
Herr Schmid, man müsste sich die Bayern-Studie einmal genauer ansehen. Die Ursachen werden ganz klar benannt: Das ist die schöne Landschaft. Das sind die Traditionen. Das ist die Mentalität.
Dieses Totschlagargument für die CSU ist ein bisschen sehr weit hergeholt.
- Herr Schmid, ich komme dazu. Dann höre ich immer ein anderes Totschlagargument: die Arbeitslosenquote in Bayern unter 3 %, 2,2 % oder wie auch immer.
- Erkennen Sie es nicht, oder wollen Sie es nicht erkennen? Die Menschen wandern aus großen Teilen Bayerns ab. Wir haben 20 % Bevölkerungsrückgang in Nordbayern, im Landkreis Wunsiedel. Wir haben Landkreise mit minus 10 %, mit minus 7 %,
- Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen sich das jetzt bitte anhören, weil ich mir zwei Tage lang das Gegenteil anhören musste - und das wegen einer verfehlten Strukturpolitik der Bayerischen Staatsregierung. Daran kommen Sie nicht vorbei.
Wird das auf meine Redezeit angerechnet?
Dann bitte hinterher.
Sie haben − im Übrigen auch die FDP − keine Konzepte zum Umgang mit der demografischen Entwicklung. Sie haben keine Rezepte, keine Visionen dafür. Deswegen, liebe Freunde, brauchen wir die FREIEN WÄHLER in Bayern dringender denn je.
- Das ist so, liebe Kollegen. Wir stehen für gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern ein und nicht nur im Großraum München und in Oberbayern.
Jetzt komme ich zum Einzelplan 12.
Ein wichtiger Aspekt für gleichwertige Lebensbedingungen ist die haus- und fachärztliche Versorgung. Wir haben in den letzten Monaten zum Beispiel einen Antrag zur Einrichtung eines weiteren Lehrstuhls für Allgemeinmedizin gestellt. Er wurde abgelehnt. Wir haben einen Antrag zum Ausbau der Weiterbildungsverbünde gestellt. Er wurde, mir völlig unverständlich, abgelehnt. Das sind die Fakten.
Ein weiteres Thema: Crystal. Wir haben im Grenzgebiet zu Tschechien ein zunehmendes Problem mit Drogen. Zu Crystal bzw. Crystal Speed nenne ich zwei Zahlen: In der Oberpfalz wurden 2010 660 Gramm entdeckt, 2011 2,35 Kilogramm.
Man spricht in den letzten Wochen davon, dass ein bis zwei Tonnen Crystal bzw. Crystal Speed über Deutschland nach Europa gelangen. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher. Wir haben Innenminister Herrmann in einem Antrag aufgefordert, das gemeinsam mit Bundesinnenminister Friedrich und der Tschechischen Republik zur Chefsache zu machen. Der Antrag der FREIEN WÄHLER in dieser Richtung wurde abgelehnt. Die Staatsregierung schaut tatenlos zu, wie sich die Drogen in Bayern ausbreiten.
Die Menschen vor Ort werden aktiv, beispielsweise mit Benefizaktionen; die Rotarier im Landkreis Cham haben 16.000 Euro gesammelt. Sie werden aktiv, was man von der Staatsregierung nicht behaupten kann.
Der nächste Punkt: Suchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen. Der exzessive Alkoholkonsum hat stark zugenommen. Wir haben auch einen Antrag auf mehr Prävention und Unterstützung von "HaLT"-Projekten gestellt. Auch dieser Antrag ist abgelehnt worden. Längerfristige Planungen von Einrichtungen, die sich damit beschäftigen, sind nicht möglich.
Etwas Positives: Den Heilbäder-Antrag finden wir gut. − Prävention ist ein Anliegen der FREIEN WÄHLER. Das haben Sie gut gemacht.
Lassen Sie mich zusammenfassen, Kolleginnen und Kollegen:
Die Sicherstellung der haus- und fachärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, die soziale Gesundheitsversicherung der FREIEN WÄHLER, freiberuflich tätige Ärzte und Einsatz gegen Drogen, insbesondere Crystal Speed, sind die aktuellen gesundheitspolitischen Anliegen der FREIE-WÄHLER-Landtagsfraktion.
Mir persönlich ist es immer wieder ein Anliegen − wir werden das im nächsten Jahr vielleicht noch vertiefen können -: Das Gesundheitswesen darf nicht unter dem Primat der Ökonomie verkommen. Das ist uns ein ganz wichtiges Anliegen.
Fazit: Wir FREIE WÄHLER lehnen den Haushaltsentwurf des Einzelplans 12 der Staatsregierung auch deswegen ab, weil seit vier Jahren keinerlei aktive Gesundheitspolitik in Bayern gemacht wird und Sie unsere wenigen, aber überlegten und durchdachten Anträge abgelehnt haben.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Otto Bertermann, höre mir mal zu. Ein leichtes Schmunzeln hatte
ich jetzt im Gesicht. Die FDP entdeckt die bayerische Tradition. Sensationell!
Was tut man nicht alles im Wahlkampf. Man probiert’s mit allen Tricks. Aber ein Hinweis von mir: Wissen Sie, liebe Leute von der FDP, dass man sich am schwarzen Pulver auch verschlucken kann? Ich glaube, Ihr habt das in den letzten vier Jahren das eine oder andere Mal auch mitgemacht.
Nun ernsthaft! Die Tabakproduktionsrichtlinie von 2002 hatte ein begrüßenswertes Ziel, nämlich den Gesundheitsschutz. Dabei wurden auch Belange zwischen Gesundheitsschutz und dem freien Wettbewerb abgewogen. Dass jetzt eine Überarbeitung in der EU kommt, damit kann man leben. Ab und zu muss immer wieder einmal etwas aktualisiert werden.
Aktuell ist es tatsächlich so - Otto Hünnerkopf und Sabine Dittmar haben darauf hingewiesen -, dass die EU nach mir jetzt vorliegenden Informationen vom Verbot rauchloser Tabakproduktion absehen will. Das scheint überholt zu sein. Es heißt ganz speziell: Es besteht keine Absicht, traditionelle Formen des Tabakkonsums zu verbieten.
Was kommen wird, sind vermehrte Warnhinweise ähnlich wie auf den Zigarettenschachteln. Trotzdem glaube ich - deshalb unterstützen wir FREIEN WÄHLER diesen Antrag -, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um auf Bundes- und Europaebene einmal auf die bayerischen Interessen hinzuweisen.
Das ist überhaupt keine Frage. Schnupfen hat in Bayern eine lange Tradition. Dazu eine interessante Zahl. Jede zweite Dose des Schnupftabaks stammt offensichtlich aus Bayern. Ich war selbst überrascht, als ich das gelesen habe. Also: Wir werden dem Antrag zustimmen.
- Das ist richtig, aus Ostfriesland stammen die Dosen nicht. Auch die FREIEN WÄHLER halten das Verbot von Schnupftabak nicht für erforderlich. Allerdings muss ich dazu doch auch noch etwas sagen: Natürlich sind Schnupf- und Kautabak gesundheitsschädlich. Ich kenne selbst jemanden aus meinem Bekanntenkreis, der vom Schnupftabak abhängig ist. Es gibt
also keine Frage: Gesund ist Schnupftabak nicht. Aber er stört insoweit niemanden, denn es ist nicht vergleichbar mit dem Passivrauchen bei Zigaretten. Und das ist für mich das entscheidende Argument.
Ein weiterer Gesichtspunkt zum Antrag: Wir FREIEN WÄHLER wollen, dass Brüssel endlich aufhört, sich mit unsinnigen Vorschlägen in unser tägliches Leben einzumischen.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Und jetzt sage ich es noch einmal spaßeshalber: Bevor die Menschen von der EU-Kommission und von der EU generell die Nase voll haben, sollen sie die Nase lieber von Schnupftabak voll haben. Allerdings hat auch diese Aussage einen ernsthaften Hintergrund. Denn wenn sich die EU zu sehr ins Alltagsleben einmischt, wird sie bei den wirklich wichtigen Dingen nicht mehr ernst genommen. Diese Richtlinie, aus diesem Blickwinkel Tabak zu verbieten, ist nicht sinnvoll.
Also: Kirche im Dorf lassen, sonst wird die EU bei wichtigen Dingen unglaubwürdig.
Ich komme zum Schluss.
- Ich habe Sie akustisch nicht verstanden.
Ich komme zum Schluss. Ich will nicht zu lange reden. Liebe FDP, es ist ein netter Versuch von euch, jetzt auch an den Stammtischen zu punkten. In Bayern allerdings haben am Stammtisch die FREIEN WÄHLER die Hoheit,
und wenn es nach den FREIEN WÄHLERN geht, soll weiter jeder nach seiner Fasson selig werden.
Dann gibt es noch eine Möglichkeit, und darauf warte ich jetzt: Die FDP beantragt erneut ein bayerisches Rauchverbot. Habe ich Sie da richtig verstanden?
Das wäre hervorragend. Das wäre ganz, ganz toll. Im Gegensatz zur FDP, die seit Jahren und Jahrzehnten - ich beobachte das sehr wohl - eine neoliberale Linie in allen Dingen verfolgt, sind wir FREIEN WÄHLER lernfähig. Egal, ob Sie sich das vorstellen können oder nicht.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Dringlichkeitsantrag auf der Tagesordnung ist eigentlich relativ einfach, klar und konkret. Das ist nicht der erste Antrag der FREIEN WÄHLER zur Sicherstellung oder Verbesserung der hausärztlichen Versorgung in Bayern. Im Dezember 2010 haben wir bereits einen ähnlichen Dringlichkeitsantrag gestellt. Dieser ist leider abgelehnt worden. Ein weiterer Antrag, den wir im Juli 2011 zum Thema gestellt haben, ist ebenfalls abgelehnt worden.
Der Titel des aktuellen Dringlichkeitsantrags lautet: "Hausarztversorgung sicherstellen - Weiterbildungsverbünde für Allgemeinmedizin unterstützen". Wenn wir nicht so schlechte Erfahrungen in diesem Hohen Hause gemacht hätten, könnte ich meinen Vortrag bereits beenden und zur Abstimmung übergehen. Ich befürchte jedoch, dass wir auch heute nicht problemlos beraten werden.
Im Übrigen möchte ich anmerken, dass wir seit über einem Jahr darüber reden, dass es in Bayern nach wie vor keine Hausarztverträge gibt.
Ich habe den Eindruck - damit möchte ich es bewenden lassen -, dass vor allem die Menschen im ländlichen Raum der Staatsregierung nicht genügend wert sind, um entsprechend zu handeln und die benötigten Gelder zur Verfügung zu stellen. Die Fakten sind bekannt: 23 % der Hausärzte in Bayern sind älter als 60 Jahre. Auf einen Hausarzt kommen 1.666 Einwohner, obwohl die KVB ein Verhältnis von einem Hausarzt zu 1.500 Einwohnern empfiehlt. Die Zahlen im ländlichen Raum sind deutlich schlechter als in München.
Wir stellen diesen Dringlichkeitsantrag heute deswegen, weil sich die jungen Mediziner relativ wenig für Allgemeinmedizin interessieren. Was kann man tun? Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die jungen Medizinstudenten oder Absolventen dazu bringen, sich stärker für die Allgemeinmedizin zu interessieren. Wir müssen Lehrstühle für Allgemeinmedizin an den bay
erischen Universitäten schaffen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wir haben in Bayern einen Stiftungslehrstuhl, der von der AOK und der KVB zusammen finanziert wird. In Deutschland gibt es 18 Lehrstühle. Bayern ist ein Flächenstaat, und daher sehen wir allein aus diesen zwei Zahlen, dass es zu wenige sind. Es stellt sich die Frage, warum wir in Bayern hinterherlaufen. Warum tut die Staatsregierung seit Jahren und Jahrzehnten nichts in dieser Richtung? In Bayern ist ein zweiter Lehrstuhl geplant, aber für diesen zweiten, in Erlangen geplanten Lehrstuhl gibt es meines Wissens nicht einmal eine Ausschreibung. Es stellt sich die Frage, warum das so ist.
Wenn wir davon ausgehen, dass irgendwann einmal an allen Universitäten, also auch in Regensburg, solche Lehrstühle eingerichtet sind, dann ist als Nächstes wichtig, unsere jungen Mediziner auf die Niederlassung als Allgemeinmediziner und Hausarzt vorzubereiten. Dazu sind die Weiterbildungsverbünde wichtig. Diese Weiterbildungsverbünde - es gibt schon einige in Bayern - müssen aus unserer Sicht, aus Sicht der FREIEN WÄHLER, qualitativ hochwertig sein und von den Lehrstühlen studienbegleitend organisiert werden. Die Medizinstudenten müssen von den Lehrstuhlinhabern an die Allgemeinmedizin herangeführt werden. Deshalb halten wir es für wichtig, diese Weiterbildungsverbünde an den Universitäten anzusiedeln. Im Übrigen gibt es sie bereits an der Technischen Universität in München. Soweit ich weiß, gibt es dort Weiterbildungsverbünde, die jedoch nicht vom Staat bezahlt werden. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung der TU München.
Betrachten wir als Beispiel die Uni Heidelberg in Baden-Württemberg. An der Uni Heidelberg gibt es 30 Weiterbildungsverbünde. Das Land Baden-Württemberg unterstützt diesen Weiterbildungsverbund an der Uni Heidelberg mit 250.000 Euro, und zwar nicht als Anschubfinanzierung, sondern pro Jahr. Dorthin müssen wir in Bayern auch kommen.
An der TU München gibt es, soweit ich weiß, zehn Weiterbildungsverbünde, aber auf ehrenamtlicher Basis. Diese sind gefährdet.
Die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung ist staatliche Aufgabe. Deshalb muss die Bayerische Staatsregierung Mittel bereitstellen, um den Bestand zu sichern. Weiterbildungsverbünde dienen weder der Wirtschaft noch der Lehre. Die Universitäten können es aus finanziellen Gründen nicht übernehmen. Ich bitte also, unserem Antrag einfach zuzustimmen. Es ist ein Antrag, mit dessen Umsetzung man endlich einmal konkret in Bayern etwas für die ärztliche Ver
sorgung, vor allem auf dem flachen Land, tun kann. Ich bin gespannt, welche Ausflüchte heute wieder kommen, damit Sie vielleicht unserem Antrag nicht zustimmen müssen.
Zum Antrag der CSU und der FDP: Dieser Antrag ist mit heißester Nadel gestrickt. Wenn man ihn durchliest, stellt man fest, dass er am Thema der Weiterbildungsverbünde völlig vorbeigeht. Es ist ein allgemeiner Antrag, ein Wischiwaschi-Antrag, nach dem Motto: "im Rahmen vorhandener Mittel", "wenn wir einmal Zeit haben". Es ist ungefähr so, als wenn ich den damaligen Gesundheitsminister Söder aufgefordert hätte, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auch um Gesundheitspolitik zu kümmern. Auch das hätte nicht hingehauen.
- Das hat auch nicht hingehauen.
Der Antrag der CSU ist meines Erachtens mit heißer Nadel gestrickt. Er ist eigentlich ein Armutszeugnis für Ihre Fraktion. Er ist aber nun einmal auf dem Tisch.
Wir werden ihn - das hängt etwas von der Diskussion ab - trotzdem unterstützen, weil die darin angesprochenen Themen wichtig sind. Er hat mit der Thematik der Weiterbildungsverbünde jedoch überhaupt nichts zu tun. Ich muss überhaupt fragen, wie so etwas beim Landtagsamt durchgeht.
Zum Antrag der SPD: Dieser Antrag geht genau in dieselbe Richtung, es ist derselbe Antrag, und er enthält auch eine konkrete Zahl. Diesen Antrag werden wir unterstützen.
Bitte unterstützen Sie auch unseren Antrag, den Antrag der FREIEN WÄHLER.
Kolleginnen und Kollegen, es tut mir aufgrund der fortgeschrittenen Zeit fast ein bisschen leid, aber ich muss einfach darauf antworten. Ich denke, ich wende mich an Herrn Gesundheitsminister Huber; denn den beiden älteren Herren, Herrn Zimmermann und Herrn Bertermann,
die fast so alt sind wie ich, kann ich die Idee, die hinter unserem Antrag steckt, wahrscheinlich nicht mehr nahebringen. Lieber Herr Bertermann, lieber Otto, du hast ja in allem recht. Es gibt Ärztehäuser und Frauenhäuser, und das habt ihr alles toll gemacht.
Aber wir müssen den Stellenwert der Allgemeinmedizin für unsere Studenten erhöhen.
Wo ist das am besten möglich? Das ist nun einmal am allerbesten an den Universitäten möglich. Ich gehe von meinem Beispiel aus, auch wenn es bei mir schon rund 35 Jahre her ist. Ich habe an der Uni in meiner medizinischen Ausbildung das Wort "Allgemeinmedizin" überhaupt nicht gehört. Da standen die Fachärzte im Vordergrund. Nun gibt es eine Uni in Bayern, die TU München, die das erkannt hat. Sie ist vielleicht auch weiter als die Gesundheitspolitik in Bayern.
Sie hat einen sehr engagierten Lehrstuhlinhaber, Herrn Professor Schneider. Ich habe übrigens im Gegensatz zu euch mit ihm telefoniert, und er war auch bei uns. Ich habe auch mit Herrn Professor Szecsenyi aus Heidelberg lange telefoniert. Sie sagen: Liebe Leute, ihr müsst die Betreffenden über die Universitäten erreichen; macht weiter Bildungsverbünde in der Koordination mit den Universitäten, damit schon die Studenten an das Fach herangeführt werden.
Dass das nicht der Königsweg oder der alleinige Weg ist, den wir bei der Facharztausbildung und auch bei der Ausbildung zum Allgemeinmediziner gehen, ist mir auch klar. Aber die Idee wollte ich auch Ihnen, Herr Gesundheitsminister Huber, noch einmal präsentieren. Sprechen Sie einmal mit Herrn Professor Schneider. Gehen Sie an die Universitäten. Das haben Sie wahrscheinlich ohnehin schon gemacht. Diejenigen, die im Moment Medizin studieren und mit denen ich auch spreche, sagen: Toll, wir hören sonst nichts über die Allgemeinmedizin; wenn wir mit dem Examen fertig sind, dann kümmern wir uns halt um eine Ausbildungsstelle, und die einfache Ausbildungsstelle ist in der Chirurgie, in der Inneren Medizin oder in einem bestimmten Fach und nicht in der Allgemeinmedizin, wo man die Ausbildung koordinieren muss.
Das ist die Idee, die dahintersteckt. CSU und FDP im Bayerischen Landtag haben nun wieder einmal die Chance, etwas zu tun. Aber es läuft wie gewohnt. Wenn hier in Bayern etwas konkret zu entscheiden ist, wird gesagt: Das haben wir schon; das kommt von
euch FREIEN WÄHLERN und von der SPD; wir tun wieder nichts.
Resümee des heutigen Abends ist: Die Regierungsfraktionen wenden sich ab, tun nichts Konkretes und können nicht einmal diesen einfachen Vorschlag unterstützen, 200.000 Euro oder 250.000 Euro für ein funktionierendes System an der TU München bereitzustellen. Das finde ich, gelinde gesagt, sehr schade.
Natürlich, Herr Bertermann. Ein Weiterbildungsverbund meint ja: Es wird an der Universität koordiniert.
Die Weiterbildung findet dann natürlich nicht nur an der Uni, sondern auch draußen in den Praxen und in den Krankenhäusern statt. Das ist eine Selbstverständlichkeit. So sind ja Weiterbildungsverbünde.
Ich muss wirklich sagen: Man muss sich schon mit den Fakten beschäftigen, bevor man im Bayerischen Landtag zu diesem Thema der Weiterbildungsverbünde spricht.
Das kommt davon, dass du mir wieder nicht zugehört hast. Ich habe gesagt: Wir müssen die Weiterbildung zur Allgemeinmedizin in irgendeiner Form an den Universitäten ansiedeln, weil es anders nicht möglich sein wird. Wir müssen die Weiterbildung an der Universität organisieren, aber doch nicht an der Universität durchführen.
"Weiterbildungsverbund" heißt: Sie werden zum Facharzt für Allgemeinmedizin hingeführt, zum Beispiel von Herrn Professor Schneider. Dieser organisiert dann mit niedergelassenen Ärzten die Weiterbildung. Das ist ein Weiterbildungsverbund.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Thema lautet jetzt: "Praxisgebühr" abschaffen! Da es an Aktualität gewonnen hat - ich verweise auf die politische Diskussion darüber in den letzten ein, zwei Wochen, vor allem auf Bundesebene -, haben wir diesen Dringlichkeitsantrag eingebracht.
Zur Erinnerung für uns alle: Die Praxisgebühr, wonach die gesetzlich Versicherten zehn Euro pro Quartal in der Arztpraxis bezahlen müssen, wurde 2004 eingeführt. Deutschland war schon damals Spitzenreiter bei den Arztbesuchen in Europa. Man hatte damals den Plan, diese Gebühr als Steuerungsinstrument zu nutzen. Schon damals gab es jedoch warnende Stimmen von Fachleuten, die das bezweifelten.
Ein zweiter Grund für die Einführung war wohl, dass sich auf diese Weise der Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung herunterrechnen ließ. Optisch konnte er um 0,1 oder 0,2 Prozentpunkte sinken, da man sich das Geld von den Patienten in der Arztpraxis holen konnte.
Kolleginnen und Kollegen, seit 2004, vor allem in jüngster Zeit, hat sich die Situation völlig verändert. Wir haben gelesen, dass die Krankenkassen eine Rücklage von fast 20 Milliarden Euro - 20 Milliarden! aufgebaut haben. Mittlerweile gibt es einfach andere Erkenntnisse, sodass wir als FREIE WÄHLER sagen: Die Praxisgebühr ist obsolet, sie ist nicht mehr notwendig. - Ich werde das begründen.
Die erste Erkenntnis ist: Die Steuerungsfunktion, die man damals im Auge hatte, ist nachweislich nicht erfüllt worden. Das wird schon daran deutlich, dass wir in Deutschland nach wie vor 17 bis 18 Mal pro Jahr zum Arzt gehen. Dass das ursprüngliche Ziel nicht erreicht worden ist, sagen nicht nur wir FREIEN WÄHLER; auch der Spitzenverband der GKV hat Ende 2011 festgestellt, dass Bagatellbesuche und Ärzte
hopping durch die Praxisgebühr nicht eingedämmt worden sind.
Kolleginnen und Kollegen, ich glaube sogar, dass die Praxisgebühr mitverantwortlich dafür sein könnte, dass die Menschen häufiger zum Arzt gehen. Warum? - Erstes Argument. Ich halte sie für eine Flatrate. Die Patienten, die einmal diese 10 Euro bezahlt haben, gehen öfter zum Arzt und lassen sich kurz vor Quartalsende noch die eine oder andere Überweisung geben. Ich spreche aus eigener Erfahrung als niedergelassener Arzt. Ich mache die Praxisgebühr sogar dafür verantwortlich, dass wir in Deutschland zum Teil so viele Arztbesuche haben.
Ich frage Sie ganz einfach: Wenn Sie in ein All-youcan-eat-Restaurant gehen, essen Sie dann eher mehr oder weniger, nachdem Sie die Eintrittskarte bezahlt haben? Denken Sie an eine Telefonflatrate.
- Mehr. Telefoniert man bei einer Telefonflatrate mehr oder weniger? - Genauso ist es mit der Praxisgebühr, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zweites Argument. Die Praxisgebühr ist unsozial. Sie betrifft nur die Arbeitnehmer, nur die in der GKV gesetzlich Versicherten; die privat Versicherten sind außen vor. Im Übrigen musste ich direkt lachen, als ich gestern die Schlagzeile über den gesundheitspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion in Berlin gelesen habe, Herr Spahn, der plötzlich ein Ende der ZweiKlassen-Medizin in Deutschland fordert. Genau das fordern wir FREIEN WÄHLER seit drei Jahren im Landtag immer wieder ein. Wir wollen nicht, dass die Privatversicherungen abgeschafft werden, aber wir wollen, dass man sich darüber Gedanken macht, wie das System aus gesetzlicher und privater Versicherung künftig auf eine solide Basis gestellt werden kann. Jetzt kommt die CDU daher. Ich bin gespannt, wann auch die CSU so weit ist. Wir werden sehen, ob die FDP noch mitentscheiden muss.
Drittes Argument. Die Praxisgebühr verursacht Bürokratie und Verwaltungskosten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Etwa zwei Milliarden Euro werden pro Jahr eingenommen. Wir können ganz leicht nachrechnen. Zwei Milliarden Euro geteilt durch 10 Euro ergibt 200 Millionen Kassiervorgänge in Deutschland pro Jahr. 200 Millionen - dass dies einen bürokratischen Aufwand erfordert, kann sich, glaube ich, jeder von
uns vorstellen. Die Fachleute sagen, dass die Hälfte von diesen 2 Milliarden Euro, die mit der Praxisgebühr eingenommen werden, in Bürokratie und Verwaltung versickert. Ich erwähne die Kearney-Studie. Die anwesenden Fachleute werden diese Studie kennen. Vor sechs, acht Wochen hat eine große Unternehmensberatung die sogenannte Kearney-Studie herausgebracht. Dort wurde festgestellt, dass im deutschen Gesundheitswesen fast 25 % der Gebühren in die Verwaltung fließen und versickern. Die Praxisgebühr hat daran sicher einen großen Anteil.
Die Praxisgebühr ist also ein sinnloser Kostentreiber, sonst nichts.
Viertes Argument: Kolleginnen und Kollegen, haben Sie eigentlich schon einmal an die Würde der Patienten und auch an die Würde der Mitarbeiterinnen gedacht, die von einem Menschen, der in die Praxis hineinkommt, 10 Euro nach dem Motto fordern: Wenn ihr diese 10 Euro nicht bezahlt, dann behandeln wir euch nicht? Darüber sollten wir einmal nachdenken. Ich halte die Praxisgebühr in der Form, wie sie jetzt erhoben wird, nämlich mit Barbezahlung, für nicht ganz würdevoll.
Nächstes Argument. Diejenigen, die im Gesundheitswesen beteiligt sind, die betroffen sind, nämlich unsere Patienten, auch die Ärzte und die Krankenkassen, also die Hauptakteure im Gesundheitswesen, lehnen die Praxisgebühr seit Jahren ab. Aber auch hier gilt offensichtlich das Motto: Wenn man den Sumpf trockenlegen will, darf man nicht die Frösche fragen, meine Damen und Herren. Sonst wäre die Praxisgebühr schon längst vom Tisch.
Heute gibt es also kein einziges Argument mehr pro Praxisgebühr. Die Praxisgebühr trägt meines Erachtens dazu bei, dass ein sowieso schon zu komplexes Gesundheitssystem nicht mehr beherrschbar ist. Das ist ein Baustein.
Ein Wort zu unserem Ministerpräsidenten - in der Pause war er noch da; jetzt hat er uns verlassen. Was macht und machte Herr Seehofer jetzt, gestern, vorgestern, die letzten Tage? Nachdem die FDP im Bund die sofortige Abschaffung der Praxisgebühr ins Spiel gebracht hat, sagt unser Ministerpräsident, dass er ein schnelles Ende der Debatte wünscht. Ein Ministerpräsident, der sich sonst für Schlagworte am Fließband nicht zu schade ist, laufend und immer wieder neue Schlagworte bringt, steckt zurück, wenn es komplexer wird, und möchte dann Diskussionen verbieten. Kolleginnen und Kollegen, ich meine, das kann er in
der CSU-Fraktionssitzung machen, aber nicht hier bei diesem Gesundheitsthema.
Zusammengefasst: Wir FREIEN WÄHLER meinen, dass die Praxisgebühr in dieser Form unsinnig, unsozial, bürokratisch und überflüssig wie ein Kropf ist. Sie ist eine Zumutung für die Patienten. Wir empfehlen, sie wegen Sinnlosigkeit so bald wie möglich zu streichen. Kolleginnen und Kollegen, ein Lenkungsinstrument, das nicht lenkt, hat seine Berechtigung verwirkt. So einfach kann man das sagen.
Jetzt hätten wir in Bayern einmal etwas in der Hand. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir können im Gesundheitswesen, in der Gesundheitspolitik konkret etwas anregen. Im Bund sind im Moment die FDP und große Teile der CDU dafür, die Praxisgebühr abzuschaffen. Ich weiß, dass auch CSU-Kollegen im Landtag dafür sind. Geben Sie sich bitte einen Ruck. Stimmen Sie unserem Antrag auf sofortige Abschaffung der Praxisgebühr zu.
Ich komme noch kurz zum Antrag der SPD. Er geht in dieselbe Richtung, ist uns jetzt aber zu komplex.
- Um das in der Kürze der Zeit abzuarbeiten, Frau Kollegin. Vor allem in der Begründung sprechen Sie von mittelfristig anderen Mehrheiten - im Landtag meinen sie wohl eine Mehrheit mit den FREIEN WÄHLERN.
In der Begründung steht, dass mittelfristig nur die solidarische Bürgerversicherung geeignet ist, die nachhaltige Finanzierung der GKV sicherzustellen. Es gibt andere Modelle. Wir haben die soziale Gesundheitsversicherung der FREIEN WÄHLER schon mehrfach vorgestellt. Das ist ein sehr, sehr guter Kompromiss, der das Beste aus beiden Systemen praktisch in sich vereint. Darum können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Wir bitten aber um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Kollege Dr. Bertermann, Sie haben von Populismus der FREIEN WÄHLER und von Wahrheit gesprochen. Der Antrag ist doch ganz einfach. Mit einem Plus von ungefähr 20 Milliarden in der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine andere Situation eingetreten. Wir haben ein sinnloses Instrument in Deutschland, nämlich die Praxisgebühr. Deshalb kann ich das Herumgeeiere der CSU - von Ihnen, Frau Stewens, und auch von Ihnen, Herr Bertermann - nicht verstehen. Nehmen wir das Heft einfach in die Hand und beeinflussen den Bund über Bayern, damit wir sinnvolle Lösungen finden! Wo ist denn überhaupt das Problem?
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Stewens, sind Sie noch da? - Ich habe eine Vorbemer
kung. Respekt, wie Sie uns soeben verkaufen wollten, dass es in Bayern einmalig ist, dass hier der erste große Lebensmittelskandal bei Bäckereien aufgedeckt wurde. Das war aller Ehren wert. Sie haben das ungefähr so dargestellt, als wären wir auch hier vorne dran.
- Bayern ist auch bei der Aufdeckung von Lebensmittelskandalen spitze.
Gammelfleisch, Listerien, Dioxin, gefälschte Bioware, Ehec und jetzt Kot im Brot. Die Verbraucher sind verunsichert.
Ich will heute eine differenzierte Stellungnahme versuchen. Ich möchte nicht in das Ritual verfallen, wie die Regierung nach dem Motto zu verharmlosen: Bayern kann es überall besser,
und die Opposition dramatisiert ein bisschen. Ich komme darauf noch zu sprechen. Bayern ist bezüglich der Lebensmittelkontrollen kein Entwicklungsland. Es wird aber von Skandalen gesprochen. Ich meine, man muss das Problem differenzierter betrachten.
Was ist passiert? - Ein sehr großer Betrieb mit 1.100 Mitarbeitern hatte über mehr als zweieinhalb Jahre lang massive Hygieneprobleme. Das darf nicht sein. Aber, Frau Kollegin Stewens, Sie haben gesagt, dass in den zweieinhalb Jahren keinerlei Gesundheitsgefährdung aufgetreten ist. Das bleibt festzuhalten. Man muss auch zugestehen, dass die Behörden in Bayern diese Probleme entdeckt haben.
Ich komme zur Zwangslage, die vor Ort besteht. Es ist zweifellos eine Zwangslage, wenn Hygieneprobleme eines Betriebes, von dem letztendlich 3.000 Menschen abhängen und Arbeitsplätze gefährdet sind, zu früh veröffentlicht werden. Dazu ist ein Abwägungsprozess erforderlich. Ich frage: Was ist für die Menschen, die Verbraucher schädlicher, dass ein Brot mit nicht gesundheitsgefährdenden Verunreinigungen in den Verkehr kommt - so schlimm das ist - oder wenn man sofort mit Schließung droht und damit Arbeitsplätze gefährdet? Ich meine, man muss abwägen.
Die Frage ist also, wann die Öffentlichkeit informiert werden soll. Retrospektiv sagen viele Beteiligte, dass die Öffentlichkeit im Falle Müller-Brot zu spät informiert wurde. § 40 des Lebensmittel- und Futtermittel
gesetzbuchs hätte dies schon jetzt ermöglicht. Hier ist retrospektiv betrachtet ein wenig falsch gemacht worden.
Den Reflex, die Verschärfung von Gesetzen zu fordern, halten die FREIEN WÄHLER für übertrieben. Ich glaube, wir müssen aus der verspäteten Informationspolitik lernen. Zwar weiß man im Nachhinein vieles besser, aber wir müssen bereit sein, aus den Fehlern zu lernen. Herr Staatsminister Dr. Söder, Sie sind nicht mehr für die Gesundheitspolitik zuständig. Ich hätte aber erwartet, dass Sie sich zu Wort melden. Das ist ebenso wenig passiert wie damals zum Thema "Hausärzte".
Ich komme zum Personalmangel bei der Lebensmittelkontrolle. Ich habe mit Leuten im Landratsamt telefoniert. Sie sagen, die zeitaufwendige, bürokratische Dokumentationspflicht, die 2008 verschärft wurde, ist ein Problem. Früher konnten vier bis sechs Kontrollen pro Tag durchgeführt werden, heute sind es zwei bis drei. Die Anzahl der Betriebe ist gestiegen. Die Wiederbesetzungssperre der Staatsregierung kommt hinzu. Die Ansage, dass oberstes Staatsziel die Schuldenfreiheit Bayerns bis 2030 sei, lässt darauf schließen, dass einiges auf uns zukommt. Man verknüpft George Orwell mit dem Jahr 1984. Ich hoffe nicht, dass es in Bayern einmal heißen wird, dass Ministerpräsident Seehofer und das Jahr 2030 ebenso zusammengehören. Ich bin gespannt, wie sich das entwickeln wird.
Die FREIEN WÄHLER stehen auf dem Standpunkt, dass die Skandale überwiegend in Großbetrieben auftreten. Die Mittelständler, die kleinen Bäckereien, Metzgereien und andere leiden darunter. Eine ganze Branche ist in Misskredit gebracht worden. Kolleginnen und Kollegen, wir müssen im Auge haben, dass wir politische Rahmenbedingungen schaffen müssen, die Überlebenschancen für mittelständische Betriebe, für Familienbetriebe bieten. Das muss das Ziel des Bayerischen Landtags sein.
Das Fazit: Auch für die FREIEN WÄHLER steht der Verbraucherschutz an erster Stelle. Wir wollen aber keinen Kontrollstaat. Die Relation zwischen behördlichem Aufwand, dem Vertrauen in die mittelständischen Betriebe und der staatlichen Kontrolle muss maßvoll bleiben. Das richtige Maß ist die Politik der FREIEN WÄHLER.
Beim Antrag der GRÜNEN werden wir uns der Stimme enthalten. Vieles, was darin gefordert wird, ist in
Bewegung. Ich bin der Meinung, dass mit der Mitteilungspflicht nach dem neuen Informationsgesetz vieles erfüllt wird. Den Antrag der SPD lehnen wir ab, weil wir nicht der Meinung sind, dass alle Lebensmittelkontrolleure bei der Regierung oder einer staatlichen Behörde angesiedelt werden sollten. Wir meinen, sie sollten beim Landratsamt verbleiben, zumindest für die Kontrolle von Kleinbetrieben. Man könnte sicher Ausnahmeregelungen für Großbetriebe diskutieren. Ich glaube, dass das Landratsamt vor Ort die kleinen Bäckereien und Metzgereien einfach besser kennt, dass man dort weiß, wo man auch einmal nachschauen muss, was das LGL - das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit - mit einer Task Force vor Ort gar nicht so entscheiden kann. Aus diesem Grund werden wir den SPD-Antrag ablehnen.
Kolleginnen und Kollegen, es gibt im Fall Müller-Brot kein Schwarz-Weiß, sondern erforderlich ist eine differenzierte Betrachtung. Wir sollten die Verbraucher in Bayern nicht weiter verunsichern.
Herr Bertermann, genau das wollte ich zu erklären versuchen. Das war ein Abwägungsprozess, und in einem Abwägungsprozess gibt es kein Schwarz-Weiß. Wenn man eine Information zu früh an die Öffentlichkeit gibt, gefährdet man diesen Betrieb mit 1.100 Arbeitsplätzen, an dem insgesamt 3.000 Menschen hängen. Es handelte sich um eine Information über Sachverhalte, die nicht gesundheitsgefährdend waren. Das ist ein Abwägungsprozess, und hinterher ist man immer gescheiter; das habe ich deutlich hervorgehoben. Rückblickend betrachtet kann man sagen, man hätte vielleicht früher informieren können - Landratsamt, LGL und vor allem auch die Staatsregierung.
Zu Ihrer Frage: Auch die Staatsregierung war an diesem Prozess sehr früh beteiligt. Auch sie hat nicht anders abgewogen und nicht anders entschieden. Es hätte sich überhaupt nichts geändert, wenn man diese Aufgabe den Landratsämtern weggenommen hätte.
Herr Wörner, ich habe jetzt zwar nicht so recht verstanden, was Sie mir sagen wollten, aber ich nehme es zur Kenntnis.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es nicht verlängern, aber drei oder vier Gedanken möchte ich noch in die Diskussion einbringen. Ich möchte vor allem auf einen Aspekt eingehen, und zwar auf die Situation von Frauen im Berufsleben. Ich denke, hier ist die eigentliche Wurzel für die Altersarmut von Frauen zu sehen.
Wenn während der Phase der Erwerbstätigkeit keine ausreichenden Rentenanwartschaften aufgebaut werden können, dann erhöht sich auch das Risiko der Altersarmut, von der vor allem die Frauen betroffen sind. Was müssen wir tun, was können wir tun? - Ich denke, wir benötigen ein vielfältiges Maßnahmenbündel, das von Mentoring-Programmen über gezielte Fortbildungen in Führungspositionen bis hin zu einem weiteren Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten reicht, und zwar nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht.
Jetzt folgen die zwei Bemerkungen, die ich hier noch machen wollte.
Als eher kontraproduktiv kann in diesem Zusammenhang sicher die Einführung eines Betreuungsgeldes angesehen werden.
Das wäre bestimmt eine angenehme Maßnahme, wenn Finanzmittel unbegrenzt zur Verfügung stünden. In Zeiten knapper Kassen müssen jedoch Schwerpunkte gesetzt werden. Die Mittel müssen dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden, beispielsweise zur Unterstützung Alleinerziehender.
Das Betreuungsgeld verstärkt das Risiko von Altersarmut bei Frauen, da gerade für Frauen in schlechter bezahlten Berufen ein Anreiz geschaffen werden könnte, aus der Berufstätigkeit auszusteigen.
Es ist einfach so - und das ist für mich der Knackpunkt -, dass sich das später bei den Rentenleistungen auswirken wird.
Die zweite Bemerkung: Nachdem die freiwillige Verpflichtung von Wirtschaftsunternehmen zur Steigerung des Anteils von Frauen in Führungspositionen in den letzten Jahren nicht zur gewünschten Entwicklung geführt hat, wäre aus meiner Sicht jetzt der richtige Zeitpunkt, um wieder über eine Quote nachzudenken.
Ich würde die Diskussion ungern abreißen lassen. Ich bin mir sicher, dass dieser Prozess noch nicht zu
Ende ist. Die jetzige Situation, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, können wir auf Dauer nicht hinnehmen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Glauben Sie mir, auch ich hätte den Tagesordnungspunkt gerne abgesagt. Aber dieser Tagesordnungspunkt ist mir a) wichtig, b) ist es ein Lehrbeispiel für die Abläufe im bayerischen Parlament. Nachdem es schon sehr spät ist, mache ich ein Angebot: Wer möchte, bekommt von mir bei Gelegenheit eine Halbe Bier oder ein Glas Wein. Das gilt auch für diejenigen, die 2013 nicht mit uns koalieren und die Regierung übernehmen, um auch das gleich zu sagen.
Warum ist das so wichtig? Unser Antrag, PhthalatWeichmacher in Kindereinrichtungen und Kindertagesstätten zu verbieten, geht auf eine Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz - BUND - zurück, die dieser 2010 bis 2011 erstellt hat. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat 160 Kindertagesstätten auf die sogenannten Weichmacher hin untersucht. Was sind Weichmacher und Phthalate? - Dieses sind Massenchemikalien, die zu 10 bis 15 % beispielsweise in PVC-Fußböden vorkommen. PVC ist an sich spröde. Ohne die Weichmacher könnte man diese Materialien nicht verwenden. Eine Million Tonnen Weichmacher werden in Westeuropa pro Jahr hergestellt. Weichmacher sind zum Beispiel in Turnmatten und Gymnastikbällen enthalten. Was man bei neuem Plastik riecht, sind die Phthalate. Phthalate sind flüchtige Stoffe und gasen lange Zeit aus.
Warum sind Phthalate schädlich? - Es sind hormonelle Schadstoffe, wobei vor allem bei Kleinkindern bereits geringe Vorkommen zu gravierenden Veränderungen im Hormonhaushalt führen können. Sie sind reproduktionstoxisch und können zu Hoden- und Brustkrebs führen. In den letzten Jahren haben Anzahl und Qualität von Spermien stetig abgenommen. Man weiß nicht genau, warum. Auch hierfür werden die Phthalate mit als Ursache angesehen, die ubiquitär überall vorkommen. Das weiß man allerdings nicht. Phthalate verursachen auch Asthma und Allergien.
Der BUND hat 160 Staubsaugerbeutel untersucht. Man kann davon ausgehen, dass der Staub ein Indikator für die Innenraumbelastung durch Phthalate und vor allem in den Kindertagesstätten bei Kleinkindern eine direkte Quelle ist; denn die Kinder nehmen die Hände in den Mund und lecken sie ab. So einfach ist das. Die Belastung mit Phthalaten in den Kindertagesstätten war dreimal so hoch wie in normalen Haushalten.
Auch die EU hält Phthalate für fortpflanzungsschädlich. Ein Beispiel, damit Sie verstehen, warum es wichtig ist: Wenn in chemischen Verbindungen weniger als 0,5 % Phthalate enthalten sind, muss diese Verbindung auf der Verpackung mit einem Totenkopf und der Aufschrift "Gift" gekennzeichnet werden. Bei 50 % der chemischen Verbindungen in Fußböden ist das nicht erforderlich.
Jetzt komme ich zu einem Lehrbeispiel für parlamentarische Abläufe. Wir haben unseren Antrag am 20. Mai 2011 gestellt. Peter Bauer, das war deine Idee. Am 30. Juni haben wir den Antrag im Umweltausschuss behandelt. Dazu war jemand vom Sozialministerium da, eine im Übrigen sehr nette Dame. Sie hat uns gesagt, es könne nicht nachgewiesen werden, dass die Ergebnisse der BUND-Studie valide seien. Sie hat gesagt, bisherige wissenschaftliche Untersuchungen hätten keinen Zusammenhang zwischen einer Weichmacherbelastung der Kinder und Staub ergeben, aber die Staatsregierung habe eine Studie gestartet. Die Vertreterin der CSU, Frau Stierstorfer - sie ist auch hier -, hat dann gesagt, sie habe schon vor etwa zwei Monaten einen Antrag vorgelegt, damit weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Bei der Ausschusssitzung hat sich dann aber herausgestellt, dass dieser Antrag nicht existiert. Es gab keine Drucksachennummer. Mit meiner Zustimmung haben wir dann unseren Antrag noch einmal vertagt.
Mittlerweile haben die GRÜNEN im September, ein paar Monate später, einen Antrag vorgelegt, der in dieselbe Richtung ging. Sie forderten damit Aufklärung und die Erstellung von Informationsbroschüren. Auch bei der öffentlichen Ausschreibung sollte berücksichtigt werden, ob Phthalate verwendet werden oder nicht. Am 12. Oktober, einen Tag vor der Ausschusssitzung, hat die CSU ihren Antrag vorgestellt. Diesen lese ich Ihnen ganz kurz vor, weil er ein Paradebeispiel ist.
- Ich habe ihn da.
Weichmacher in Kindertagesstätten
Der Landtag wolle beschließen:
… Die Staatsregierung wird aufgefordert,
- Sie fordern also die eigene Regierung auf.
im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit bis Mitte 2012 darüber zu berichten, …
Ihr Antrag war ein Berichtsantrag. Das ist auch in Ordnung. Dem haben wir zugestimmt. Die Begründung lautete:
Neueste Veröffentlichungen weisen darauf hin, dass in vielen Kindertageseinrichtungen die Belastung mit gefährlichen Kunststoff-Weichmachern, sogenannten Phthalaten, enorm hoch ist. …
So der Antrag der CSU.
Am 13. Oktober, vor rund sechs Wochen, fand die Ausschusssitzung statt. Bei dieser Sitzung waren zwei Damen aus zwei Ministerien anwesend. Man hatte die Wichtigkeit der Sache erkannt. Diejenigen, die dabei waren, haben es miterlebt. Die beiden Damen konnten nichts dafür, denn sie hatten eine politische Vorgabe von der FDP und von der CSU. Sie haben herumgeeiert. Von den Vertretern unserer Ministerien sind Sätze gefallen wie folgende: Eine akute Gefährdung durch die Phthalate sei nicht gegeben. Sie seien nicht akut toxisch, sondern nur reproduktionstoxisch. Ausgeführt worden ist auch, momentan könne nicht gesagt werden, dass eine gesundheitliche Gefährdung der Kinder ausgeschlossen sei. Das sagten die Vertreterinnen der Staatsministerien. Daraufhin ist unser Antrag natürlich folgerichtig abgelehnt worden. Auch der Antrag der GRÜNEN ist abgelehnt worden. Zugestimmt worden ist dem Antrag der CSU. Einen Bericht wollten wir auf jeden Fall haben.
Jetzt komme ich dazu, warum ich noch darauf bestanden habe, hier zu reden. Gestern kam aus dem Sozialministerium eine Pressemitteilung mit der Überschrift "Gefährliche Weichmacher".
Familienstaatssekretär Sackmann: "Nur ein EUweites Verbot gibt Sicherheit und schützt unsere Kinder"
Das schreibt das Sozialministerium.
Besonders Eltern sorgen sich um die Gesundheit ihrer Kinder. Diese Ängste nehme ich sehr ernst, denn gerade unsere Kleinsten und Jüngsten brauchen besonderen Schutz. Deshalb unterstütze ich nachdrücklich eine Gesetzesinitiative Dänemarks für ein europaweites Verbot gesundheitsschädlicher Weichmacher - das habe ich auch in einer klaren Stellungnahme an die EU zum Ausdruck gebracht.
So das Staatsministerium für Soziales. Weiter heißt es in der Pressemitteilung:
Denn klar ist: Gefährliche Stoffe machen an den Ländergrenzen nicht halt!
Unser Antrag hat eigentlich genauso gelautet wie diese Pressemitteilung des Staatsministeriums für Soziales. Unser Antrag hat gelautet:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich für ein Verbot des Einsatzes von Phthalat-Weichmachern in Produkten einzusetzen …
Das haben wir gefordert. Wenn heute noch jemand gegen unseren Antrag stimmt, verstehe ich dieses Verhalten überhaupt nicht. Wenn Sie einigermaßen konsequent wären, müssten Sie unseren Antrag anders als in den Ausschüssen unterstützen. Der CSUAntrag, mit dem bis Mitte 2012 eine Studie gefordert wird, hat sich mittlerweile überholt. Wenn Sie sich ein bisschen an die parlamentarischen Regeln halten würden, müssten Sie heute den CSU-Antrag konsequenterweise ablehnen.
Frau Kollegin Stierstorfer, Sie haben einen richtigen "Eiertanz" aufführen müssen.
Ich frage Sie konkret: Ist die Bayerische Staatsregierung für ein sofortiges, ein baldmöglichstes Verbot der Weichmacher insbesondere im Umfeld von Kindern, oder wollen Sie bis 2012 auf einen Bericht warten, wie es Ihrem Antrag entspricht? Wofür sind Sie eigentlich? Können Sie mir diese Frage beantworten?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Leider weiß ich immer noch nicht, ob der CSU und der FDP das Verbot von den Phthalaten so wichtig ist, dass es sofort und so bald wie möglich geschehen soll, oder ob sie lieber mit einem Berichtsantrag bis 2012 warten will. Ich möchte mein Abstimmungsverhalten erklären. Ich habe im Ausschuss noch dem CSU-Antrag zugestimmt, einfach deswegen, weil unser Antrag und auch der Antrag der GRÜNEN abgelehnt wurden. Damit überhaupt etwas passiert, hielt ich es für besser, dem CSU-Antrag zuzustimmen. Diese Grundlage hat sich mittlerweile völlig verändert. Der Antrag der CSU ist hinfällig. Deshalb habe ich meiner Fraktion empfohlen, heute gegen den CSU-Antrag zu stimmen. Das sage ich nur zur Erklärung.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer nicht jeden Tag etwas für seine Gesundheit
aufbringt, der muss eines Tages sehr viel für die Krankheit opfern.
Das hat Pfarrer Sebastian Kneipp bereits im 19. Jahrhundert gesagt. Vor diesem Hintergrund hat es uns FREIE WÄHLER sehr gefreut, dass sich die Staatsregierung für die Beantwortung unserer Interpellation zur medizinischen Versorgung in Bayern so viel Zeit genommen hat, immerhin knapp eineinhalb Jahre, und zwar vom März 2010 bis zum August 2011. Die Bedeutung des Themas wurde erkannt, Minister Söder liegt die Gesundheit der Menschen in Bayern doch am Herzen, so haben wir gedacht.
- Deswegen ist er heute nicht da. Doch dann habe ich die Antworten des Bayerischen Staatsministeriums gelesen und bin zuerst einmal erschrocken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wurden Fragen nicht beantwortet oder die Antworten passten nicht zu den Fragen, beispielsweise zur Frage, ob in Bayern eine bedarfsgerechte stationäre Versorgung erreicht ist, oder zur Frage, welche Verwaltungskosten in den letzten Jahren bei den Krankenkassen angefallen sind. Diese Fragen wurden nicht beantwortet. Da wurde gefragt, warum nach Ansicht der Bayerischen Staatsregierung die Kosten für Arzneimittel trotz gesetzgeberischer Maßnahmen in den letzten Jahren gestiegen sind. Wenn man über Gesundheit spricht, dann sind das eigentlich ganz entscheidende Fragen.
Auch Fragen nach den grundsätzlichen Vorstellungen der Staatsregierung zur Entwicklung des Gesundheitssystems wurden nicht beantwortet, ihnen wurde konsequent ausgewichen. Das gilt für die Frage, ob die Staatsregierung ein Konzept für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem entwickelt hat, für die Frage nach gezielten Maßnahmen zur zukünftigen Notfallversorgung, und für die Frage, ob Zwangsrabatte ein geeignetes Mittel zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben sind. In diesen Fragen kann man unterschiedlicher Meinung sein, man kann auch das Für und Wider begründen. Dass die Fragen einer Interpellation aber nicht beantwortet wurden, hat mir nicht gefallen.
Auch die Frage, wer nach Meinung der Staatsregierung künftig über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen entscheiden soll, blieb natürlich unbeantwortet. Es wurde lediglich - das zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Beantwortung der Interpellation - immer wieder auf die geltende Rechtslage verwiesen. Ich sage dazu nur eines: Thema verfehlt, hätte es dazu in der Schule gehei
ßen. Dem Kneippschen Grundsatz jedenfalls, sich Zeit für die Gesundheit zu nehmen, ist die Staatsregierung nicht nachgekommen.
Bei einer Schriftlichen Anfrage wäre das eigentlich schon schlimm genug gewesen, aber hier handelt es sich immerhin um eine Interpellation, um das schärfste Instrument der Informationsbeschaffung in der parlamentarischen Arbeit. Kolleginnen und Kollegen, ein solches Instrument offenkundig nicht ernst zu nehmen, ist für mich völlig unverständlich. Letzten Endes ist das für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes - das muss ich jetzt so drastisch ausdrücken - ein Schlag ins Gesicht.