Protocol of the Session on February 10, 2011

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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 67. Vollsitzung des Bayerischen Landtags.

Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Zunächst gratuliere ich Herrn Kollegen Dr. Otto Bertermann zu seinem heutigen halbrunden Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Das jugendliche Alter wird nicht verraten. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.

Außerhalb der Tagesordnung rufe ich im Einvernehmen aller Fraktionen die mit Schreiben vom 18. November 2010 beantragte Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Bayerischen Landtags auf. Eine Aussprache findet hierzu nicht statt.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz auf Drucksache 16/7184 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Ministerbefragung gem. § 73 GeschO auf Vorschlag der Fraktion der Freien Wähler "Sicherstellung der Hausarztversorgung Versagen der Staatsregierung?"

Die vorschlagsberechtigte Fraktion der Freien Wähler hat als Thema für die heutige Ministerbefragung "Sicherstellung der Hausarztversorgung - Versagen der Staatsregierung?" benannt. Zuständig für die Beantwortung ist der Staatsminister für Umwelt und Gesundheit. Der erste Fragesteller ist Kollege Dr. Vetter. Herr Kollege Dr. Vetter, Sie haben das Wort.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, guten Morgen, Herr Minister! Ich mache zwei Vorbemerkungen. Heute geht es noch einmal um die Auseinandersetzung zum Thema "Hausärzte, AOK, Kassen in Bayern im Jahr 2010". Die Auseinandersetzung gipfelte zunächst in der Kündigung der gesetzlich vorgeschriebenen Hausarztverträge durch die AOK.

Herr Minister Söder, als Gesundheitsminister sind Sie für die Rechtsaufsicht über die AOK auf der einen Seite und für die ärztliche Versorgung der Menschen in Bayern auf der anderen Seite sowie für die Hausärzte zuständig. Ich frage Sie deshalb das Folgende.

Der Bayerische Hausärzteverband hat Sie und Ihr Ministerium von Mai bis Oktober 2010, also über fünf Monate hinweg, vergeblich um einen Gesprächs- oder Vermittlungstermin gebeten. Warum haben Sie sich trotz wiederholten schriftlichen und telefonischen Ersuchens nicht aktiv in die Verhandlungen, zumindest moderierend, eingebracht?

Bitte verschanzen Sie sich jetzt nicht hinter formaljuristischen Aspekten, zum Beispiel hinter dem Argument Selbstverwaltung; ich weiß selber, dass es die Selbstverwaltung gibt. Die Fragen der Freien Wähler richten sich explizit nach Ihrer politischen Verantwortung für die Gesundheitsversorgung der Menschen in Bayern. Daher frage ich noch einmal: Warum sind Sie als zuständiger bayerischer Gesundheitsminister von Mai bis Oktober 2010 Ihrer Moderationspflicht nicht verantwortlich nachgekommen? Welche Gründe gab es dafür?

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Hausärzte dieser Staatsregierung und damit auch dem Gesundheitsminister besonders am Herzen liegen, und zwar nicht nur in Zeiträumen von drei Monaten, sondern seit ihrem Amtsantritt, können Sie an vielen Stellen erkennen.

(Beifall bei der CSU)

Im Jahr 2008 hat diese Staatsregierung auf Bundesebene dafür gesorgt, dass Hausärzte zum ersten Mal in der Geschichte eine privilegierte Stellung haben. Sie haben durch § 73 b SGB V gegenüber vielen anderen Ärzten in Deutschland und Bayern eine besondere Stellung. Seit damals habe ich keinen einzigen Anhaltspunkt dafür wahrgenommen, dass sich die Freien Wähler in irgendeiner Form für die Hausärzte eingesetzt hätten.

Das Ergebnis war, dass die Hausärzte in Bayern in den letzten zehn Jahren eine Umsatzsteigerung von durchschnittlich 22 % je Praxis erlebt haben. 3,6 Millionen Versicherte haben sich in Hausarztverträge eingeschrieben. Hausärzte haben erkannt, dass sie mit der Vertragssituation sehr zufrieden sind.

Im Jahr 2009 gab es heftige Koalitionsverhandlungen in Berlin. Dort hat der Gesundheitsminister aus Bay

ern mit den Freunden in der Koalition lange und hart gerungen. Wir haben eine Fortsetzung des § 73 b vereinbart.

Im Jahr 2010, und zwar genau in dem Zeitraum, den Sie angesprochen haben, Herr Vetter, stand § 73 b erneut zur Disposition. Denn in der Tat gab es bei den ersten Vorschlägen zum Gesundheitsfinanzierungsgesetz schwierige Fragen, die § 73 b erheblich tangierten. Sowohl der Ministerpräsident als auch der Gesundheitsminister haben in langen Verhandlungen - an der Stelle ein Dankeschön auch an den Koalitionspartner FDP hier im Land wie in Berlin - dafür gesorgt, dass § 73 b SGB V unverändert bis Mitte 2014 fortgesetzt wird.

Das heißt: In der ganzen Zeit des Jahres 2010 gab es und auch jetzt gibt es keinen Anlass, dafür zu sorgen, dass erneut Vertragsverhandlungen stattfinden.

Obwohl alle Verträge gegolten haben und weiterliefen, geschah plötzlich etwas zur Überraschung der gesamten deutschen Gesundheitsszene. Ich hätte gedacht, dass wir auch von Ihnen, Herr Vetter, ein Hosianna hören. Denn der Erfolg war wirklich evident.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW))

Aber statt des Brüllens, das Herr Aiwanger gern von sich gibt, ist etwas anderes passiert.

Übrigens hat es die persönlichen Gespräche nachhaltig gegeben, und zwar sowohl mit mir als auch mit dem Ministerpräsidenten im letzten Jahr. Dabei hat der Hausärzteverband nicht gesagt: Wir wollen einen anderen Vertrag. Vielmehr sagte die Führung des Hausärzteverbandes: Wir wollen einen radikalen Wechsel; wir wollen nicht die vertraglich-gesetzliche Basis erhalten, sondern zu einem neuen System kommen. In Pressekonferenzen hieß es sogar: Was interessiert mich das SGB V? Wir wollen einen neuen Weg gehen.

Diese Staatsregierung und, so hoffe ich, jeder hier im Landtag müssen in erster Linie dem Recht verpflichtet sein. Wir haben in den Gesprächen klargemacht, dass wir Partner der Hausärzte sind wie sonst niemand, aber auch, dass es nicht die Position der Staatsregierung ist, in Revolution und Rebellion außerhalb des Rechts zu stehen. Das wurde in Gesprächen mehrfach deutlich gemacht. Trotz unserer Warnungen und Sorgen hat man sich zu einer Diskussion über den Systemausstieg entschieden. Die Folgen sind bekannt: Es gab eine Kündigung durch die Kassen, die übrigens vom Gericht als rechtmäßig bestätigt wurde und die zu dieser Situation geführt hat. Das hat dann auch dazu geführt, dass ein Teil der Hausärzte einen Imageschaden erlitten hat, dass die Füh

rung des Hausärzteverbandes zurücktreten musste und, lieber Herr Vetter, dass durch die Kündigung natürlich finanzielle Probleme entstanden sind.

Daraufhin wollten die Beteiligten nicht mehr miteinander reden. Es ist wichtig, das so darzustellen. Vom Dezember bis Januar war die gesamte hausärztliche Versorgung infrage gestellt. Dann hat diese Staatsregierung - ehrlich gesagt auch dieser Gesundheitsminister - zusammen mit der Landtagspräsidentin, der ich an dieser Stelle ausdrücklich ein Dankeschön sagen möchte, einen neuen Weg eingeschlagen. Wir haben in einem öffentlichen Hearing - Sie waren dabei -, das 15.000 Menschen im Internet verfolgt und später weitere 5.000 Menschen gesehen haben, etwas gemacht, was es noch nie gegeben hat, nämlich den Versuch - Sie sprechen von Moderation, aber das war keine Moderation, sondern schwerste Mediation -, überhaupt eine Basis zum gemeinsamen Recht zu schaffen. Durch Vereinbarung ist es uns gelungen, gemeinsam mit allen Seiten, Kassen wie Ärzten, ein Bekenntnis zum geltenden Recht und ein Bekenntnis zu Verhandlungen abzulegen,. was im Dezember noch unmöglich war. Seit Ende Januar laufen die Verhandlungen, und zwar sehr gut.

Schauen Sie sich einmal die Zitate des Hausärzteverbandes, der dabei war, an, zum Beispiel im Rundschreiben vom 17. Januar: Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Minister Söder waren bemüht, die verhärteten Fronten aufzubrechen. Unseres Erachtens ist die Situation der bayerischen Hausärzte stabilisiert. - Im Hearing selbst sagte Herr Krombholz, der jetzige Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayerns:

Wir danken für die Einladung. Wir verbinden damit die gleiche Hoffnung wie Sie, nämlich dass wir in der Auseinandersetzung über die Zukunft der hausärztlichen Versorgung weiterkommen.

- Und:

Wir finden es deshalb sehr gut, dass dieser Termin heute stattfindet. Wir bedanken uns recht herzlich dafür, weil wir darin die Chance sehen, unsere Probleme öffentlich darzustellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich jemand um das Thema Hausärzte tatsächlich und fast rund um die Uhr gekümmert hat, dann ist es dieser Gesundheitsminister. Im Gesundheitskonzept von Professor Bauer von der Fraktion der Freien Wähler habe ich heute wirklich gesucht, ob ich etwas zum § 73 b finde. Ich muss feststellen: Sie sind eine der wenigen Parteien, in deren Gesundheitskonzept keine ausdrückliche Nennung des § 73 b enthalten ist, die keine Abschlussverpflichtung für Krankenkassen hat.

Sie haben mit diesen zum Teil von der Realität wirklich entfernten Positionen den Hausärzten in Bayern Schaden zugefügt, zumindest aber sind Sie für die Hausärzte in Bayern nicht nützlich. Das ist aber diese Staatsregierung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön, Herr Staatsminister. - Zur ersten Nachfrage hat noch einmal Herr Kollege Dr. Vetter das Wort. Bitte schön.

Herr Minister, seien Sie mir bitte nicht böse, aber das war eine glatte Themaverfehlung und entspricht aus meiner Sicht der Schulnote fünf.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Sie haben die Fragen, die ich Ihnen gestellt habe, nicht beantwortet. Noch einmal die ganz konkrete Frage: Warum haben Sie sich von Mai bis Oktober 2010 nicht in die Verhandlungen eingebracht, obwohl Sie der Bayerische Hausärzteverband zum Beispiel am 28. Mai 2010, am 10. Juni 2010, am 25. Juni 2010, am 19. Juli 2010, am 27. September 2010 und am 3. Oktober 2010 immer wieder dazu aufgefordert hat? - Die Gesprächsangebote bzw. Gesprächswünsche sind von Ihnen und vonseiten des Ministeriums unbeantwortet geblieben. Wenn Sie im Dezember 2010, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, endlich aktiv geworden sind, dann sind Sie Ihrer Verantwortung als bayerischer Gesundheitsminister einfach nicht gerecht geworden, Herr Söder.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke schön. - Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Es hat das ganze Jahr über Gesprächskontakte zwischen dem Ministerium und dem Verband gegeben.

(Zuruf von den Freien Wählern)

- Natürlich!

Wissen Sie, was unsere Hauptsorge war? - Sie scheinen die Problemlage nicht wirklich umrissen zu haben. Die Problemlage des Jahres 2010, mein lieber Herr Vetter, war nicht die Frage, ob die vorhandenen Verträge auslaufen, sondern ob die rechtliche Situation in Deutschland überhaupt so bleibt. Das war die Situation.

(Dr. Karl Vetter (FW): Das war nicht meine Frage!)

- Wissen Sie, Sie können fragen, was Sie wollen, und ich darf darauf antworten.

(Beifall bei der CSU - Lachen bei den Freien Wählern - Harald Güller (SPD): Das ist ein falsches Verständnis von Ministerbefragung! - Zuruf des Abgeordneten Bernhard Pohl (FW))