Protokoll der Sitzung vom 23.06.2009

(Alexander König (CSU): Kann man einmal feststellen, wie die Leute überhaupt reinkommen, Herr Präsident?)

Neben Bayern halten weitere sieben Bundesländer ausdrücklich an der Pflicht zur Gemeinschaftsunterkunft fest. Die anderen handhaben es auf kommunaler Ebene und sehr unterschiedlich.

Bei uns bekommen genau zwei Prozent aller Menschen, die das Recht auf Asyl in Anspruch nehmen, dieses Recht auch tatsächlich zugesprochen.

(Angelika Weikert (SPD): 28 % haben den Status!)

Alle anderen nehmen es in Anspruch. Zwei Prozent der Asylverfahren sind erfolgreich.

Ich möchte auch hervorheben, dass gerade bei uns in Bayern knapp die Hälfte der Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, bereits in privaten Wohnungen wohnen. Das heißt, dass ihnen der Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft möglich und gestattet wird, wenn es persönliche Gründe gibt, vor allem bei Krankheit, Behinderung oder anderen Einzelfallabwägungen, auch wenn sie genügend Erwerbseinkommen haben.

(Angelika Weikert (SPD): Ich habe eine Zwischenfrage!)

Bei anerkannten Asylbewerbern, also Personen, die eigentlich gar nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft leben müssten, ist die Verweildauer dennoch durchschnittlich 2,9 Jahre. Außerdem haben wir eine sogenannte Fehlbelegerquote von 11 %, das sind die, die nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen müssten, aber weiterhin dort bleiben, weil sie auf dem privaten Wohnungsmarkt - vor allem in München ist das so - eine Wohnung, die ihren Vorstellungen entspricht, nicht finden. Auch das gehört dazu.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wir warten auf die Gedanken!)

Die Zwischenfrage müsste ich eigentlich ein bisschen zurückspulen zur Rede der Frau Ministerin, aber der Herr Präsident hat mich nicht gleich beachtet.

Frau Ministerin, ich wollte Ihnen etwas zu den Zahlen sagen. Sie sagten, es würden nicht einmal zwei Prozent als Asylsuchende anerkannt. Inzwischen wird bei 28,8 % aller Anträge ein Flüchtlingsstatus gewährt und in weiteren über fünf Prozent ein Abschiebeverbot ausgesprochen. Alles zusammengeführt sind inzwischen 40 % aller Menschen, die zu uns kommen, quasi für einen längeren Zeitraum geschützt. Ich sage, nicht für immer, aber immerhin für einen sehr langen Zeitraum. Und nur noch 35 % - das darf ich Ihnen auch sagen werden offensichtlich als unbegründet abgelehnt. Das hat sich in den letzten zehn Jahren erheblich verschoben.

Frau Weikert, Entschuldigung, Sie wollten eine Zwischenfrage stellen.

Ja, ich bin schon fertig.

Frau Kollegin, ich versuche, die unterschiedlichen Zahlen zusammenzubringen, und dann werden Sie sehen, dass wir möglicherweise auch zusammenkommen.

(Zuruf von der SPD)

- Zumindest in dieser Frage, sonst habe ich auch so meine Zweifel.

Es ist ein Unterschied, ob ich anerkannt bin oder einen Duldungsstatus habe. Da haben Sie zum Teil die Zahlen vermischt. Und dann will ich noch etwas berichtigen. Die zwei Prozent Anerkennung des Asylrechts - davon sind ausgenommen die Iraker; hier haben wir eine wesentlich größere Anerkennungsquote - stimmt schon. Dass es darüber hinaus dann noch etliche gibt, denen im Laufe der Zeit eine Duldung erteilt wird, ist richtig. Für mich ist allerdings ein Gedanke besonders wichtig. Viele, die aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen könnten, ziehen nicht aus, weil sie nicht aus München weg möchten. Und ich habe noch keine Lösung für die Frage - auch die GRÜNEN haben dazu nichts gesagt -, wie es, wenn schon diejenigen, die jetzt ausziehen dürfen, keine Wohnung finden, die ihren Vorstellungen entspricht, für die anderen gehandhabt

werden könnte. Die Prämisse ist doch bei diesen Menschen immer, dass sie in München bleiben wollen.

Eine andere Frage ist dann, ob sie in der GU bleiben wollen oder nicht. Wenn diese Menschen bereit wären, weil ihnen die Wohnung wirklich so wichtig ist, außerhalb Münchens eine Wohnung zu nehmen, wäre das durchaus machbar. Denn diese Menschen sind anerkannt, und es gibt für sie keine Residenzpflicht mehr.

Für mich ist dann noch ein anderer Punkt wichtig; das ist mein letzter Satz. Wenn nur die tatsächlich geschützten Menschen, die wirklich ein Asylrecht haben, die Leistungen des deutschen Steuerzahlers in Anspruch nähmen, hätten wir überhaupt kein Problem. Aber der Großteil - und vor allem diejenigen mit der langen Aufenthaltsdauer in den Gemeinschaftsunterkünften - betreibt Asylmissbrauch auf Kosten des Steuerzahlers. Auch das muss man an dieser Stelle einmal sagen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin.

Frau Kollegin Weikert, ich habe Sie sehr wohl beachtet, aber man muss auch mal eine gewisse Rednerpause abwarten, bevor man mit der Zwischenfrage eingreift.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.

Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? - Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich habe nun noch folgenden Hinweis zu geben: Im Einvernehmen aller Fraktionen wird der Tagesordnungspunkt 21 - das ist der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote und anderer und Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, betreffend "FSJ und FÖJ umsatzsteuerfrei ermöglichen", Drucksache 16/1146, von der Tagesordnung abgesetzt.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung die

Tagesordnungspunkte 3 c und 3 d auf:

Gesetzentwurf der Abg. Franz Maget, Franz Schindler, Stefan Schuster u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Richtergesetzes (Drs. 16/1399) - Erste Lesung

und

Gesetzentwurf der Abg. Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Florian Streibl und Fraktion (FW) zur Änderung des Bayerischen Richtergesetzes (Drs. 16/1504) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion wird von Herrn Kollegen Schindler begründet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Über ein halbes Jahr lang war die Staatsregierung nicht in der Lage, einen Nachfolger für den zum 31. Januar dieses Jahres ausgeschiedenen Generalstaatsanwalt in Bamberg zu benennen. Grund hierfür war, dass sich die Koalitionspartner CSU und FDP offensichtlich nicht auf einen Nachfolger einigen konnten, sodass das Thema schon mehrfach wieder von der Tagesordnung des Kabinetts genommen werden musste.

Ausgerechnet heute - man freut sich ja - erfährt man nun, dass sich das Kabinett darauf verständigt hat, einen Generalstaatsanwalt zu ernennen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ja ehrlich?)

Ich sage hier ausdrücklich, ich gratuliere dem Herrn Lückemann, der es geworden ist.

(Harald Güller (SPD): Was die SPD doch so alles bewirkt!)

Ich bedauere, dass er sich monatelang einem Gezerre hat aussetzen müssen, verursacht von der FDP, die gemeint hat, mit der Position eines Generalstaatsanwalts politische Beute machen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Sie, meine Damen und Herren von der FDP, haben nicht nur der Person des Herrn Lückemann in seinem Ansehen, sondern auch den anderen Personen, die im Gespräch waren, Sie haben auch dem Vertrauen in die Unabhängigkeit der Gerichte und der Staatsanwaltschaften, insbesondere auch dem Vertrauen in die parteipolitische Unabhängigkeit dieser Positionen, der höchsten Spitzenpositionen in der bayerischen Justiz, geschadet.

(Beifall bei der SPD)

Das müssen Sie sich schon vorhalten lassen, meine Damen und Herren von der FDP; alles andere wäre nicht wahr.

Es ist kein Beinbruch, wenn über die Besetzung höchster Stellen in der bayerischen Justiz öffentlich in der

Presse geschrieben und spekuliert wird. Doch schadet ein Gezerre, wie wir es erlebt haben, dem Ansehen der Justiz. Auch beim Wohlmeinendsten ist nämlich der Eindruck entstanden, dass die freie Stelle nicht mit dem Besten besetzt werden soll, sondern dass mit einer wichtigen und im Übrigen hoch dotierten Stelle ein Kuhhandel zwischen den Koalitionspartnern betrieben wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 50 Jahre lang ist alles vermeintlich gut gegangen, weil es keine Notwendigkeit zu Koalitionsabsprachen gegeben hat. Über 50 Jahre lang hat die CSU-Staatsregierung alleine über die Besetzung der höchsten Stellen in der bayerischen Justiz bestimmt. Eine öffentliche Diskussion hat fast nicht stattgefunden. Es ist auch nicht sonderlich aufgefallen und problematisiert worden, dass die Richter und Staatsanwälte von den jeweiligen Fachministern und die allerhöchsten Positionen, nämlich die Präsidenten der Oberlandesgerichte, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, der Präsident des Landessozialgerichts, die Präsidenten der Landesarbeitsgerichte, der Finanzgerichte und die Generalstaatsanwälte nicht von einem der Fachminister ernannt wurden, sondern von der Staatsregierung. Meine Damen und Herren, ich sage das deshalb, weil es sich hierbei um Organe der Exekutive handelt, und damit haben wir ein veritables verfassungsrechtliches Problem.

Nun haben wir im Zusammenhang mit der Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Kenntnis nehmen müssen, dass jedenfalls die bayerische Staatskanzlei die Justiz als Teil der Verwaltung begreift und entsprechend mit ihr umspringen möchte.

Aber auch wenn wir dieses unschöne Vorkommnis einmal beiseite lassen, bleibt das grundsätzliche Problem, dass die Judikative zwar von Verfassungs wegen unabhängig ist, die Richter aber von der Exekutive ohne Beteiligung der Legislative bestellt werden. Das hat Auswirkungen auf die tatsächliche Unabhängigkeit der Richter und in gewisser Weise auch der Staatsanwälte sowie Auswirkungen auf das Selbstverständnis und das Verhalten der Mitarbeiter. Dieses grundsätzliche Problem ist solange nicht sonderlich erörtert worden, solange alles gut gegangen ist und es genügend Stellen für Richter und Staatsanwälte gegeben hat.

Seit aber bei der Justiz immer mehr der Trend zur Ökonomisierung richterlicher Dienstleistungen um sich greift, die Arbeitsbelastung aus unterschiedlichsten Gründen und die Zumutungen der Politik gegenüber der Justiz immer größer geworden sind, schwelt die Diskussion darüber, wie die Unabhängigkeit der Justiz gesichert werden kann, auch bei uns an. Vor dem Hintergrund der Diskussion in vielen anderen europäischen Ländern werden auch bei uns Modelle der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung der Justiz

diskutiert. Die Modelle sind zwar noch nicht ganz ausgegoren, gleichen sich aber in einem Kern alle, nämlich darin, dass sie die schlechte Ausstattung der Justiz und informelle Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz beklagen.