Angelika Weikert

Sitzungen

16/15 16/23 16/24 16/25 16/31 16/32 16/33 16/35 16/39 16/40 16/41 16/43 16/47 16/48 16/50 16/53 16/54 16/55 16/56 16/58 16/61 16/63 16/69 16/81 16/85 16/88 16/90 16/97 16/100 16/102 16/109 16/122 16/130

Letzte Beiträge

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Zu dieser späten Stunde und so, wie wir in den letzten zehn Minuten mit Zwischenrufen und Gelächter hier, Gelächter da mit dem Thema umgegangen sind, werden wir dem schwierigen Thema, dem wirklich auch nachhaltigen Thema Asyl und Flüchtlinge in Bayern und in Deutschland nicht gerecht, Kolleginnen und Kollegen.
Gestatten Sie mir einen kleinen Vorwurf an Sie, Herrn Fahn. Sie bringen als Tagesordnungspunkt 24 einen Antrag, der bereits sieben Monate alt ist, und erzählen Vorfälle, die alle weit zurückliegen. Dass dies eine Reaktion wie jene auf den Bänken der CSU hervorruft, ist vielleicht nicht ganz verwunderlich.
Ich sage noch einmal: Der Thematik Asylbewerber und Flüchtlinge, die Schutz und Hilfe in Bayern brauchen, werden wir so nicht gerecht, vor allen Dingen nicht angesichts der Vorkommnisse, die uns alle sehr berührt haben und die erst vor wenigen Tagen in München stattgefunden haben. Wir haben eine ganz andere Thematik, Herr Fahn, als jene, die Sie in dem Antrag etwas lapidar beschreiben. Ich gehe davon aus, dass die einzelnen Regierungen natürlich Kontakte zu den Bürgermeistern und zu den Landkreisen suchen. Das ist in gewisser Weise eine Selbstverständlichkeit.
Ohne das geht es nicht. Überall, wo Menschen agieren, funktioniert es einmal besser und einmal schlechter.
Nur eines, Kollege Fahn: Sie haben die Thematik von neuen Unterkünften auch nicht allein dadurch gelöst, indem Sie einen Bürgermeister einschalten. Da gibt es noch ganz andere notwendige Schritte zu tun. Viel wichtiger wäre zum Beispiel, die Asylsozialarbeit auszudehnen und den Wohlfahrtsverbänden mehr Geld zu geben,
damit sie in allen Gemeinden, dort, wo Asylbewerber untergebracht werden, auch eine entsprechende Sozialberatung aufbauen können.
Kolleginnen und Kollegen, dieses Thema ist ein Randthema. Wir haben es im Sozialausschuss behandelt. Wir haben damals zugestimmt. Wir werden es heute wieder tun. Ich sage aber noch einmal: Zu dieser Stunde und mit diesem Antrag werden wir dem Thema nicht gerecht.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wegen der Ankündigungen hier an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt gibt es vielleicht etwas Verwirrung. Ich will versuchen, ein paar Fakten zusammenzutragen. Fakt ist, dass bisher nur kleine Gruppen von Asylbewerbern, die in Gemeinschaftsunterkünften oder sonst wo leben, an Deutschkursen teilnehmen konnten. Ein ganz großer Teil war aufgrund der bayerischen Politik davon ausgeschlossen, weil − Frau Ackermann hat es schon gesagt − das Ziel verfolgt wurde, keine Anreize dafür zu schaffen, dass die Menschen hier länger bleiben. Die Politik wollte im Prinzip, dass die Menschen das Land relativ schnell wieder verlassen. Das ist Fakt. Das kommt aus dem Innenministerium. Es gab also diese Deutschkurse nicht.
Jetzt ist eine Ankündigung von Frau Haderthauer durch die Presse gegangen, die wir alle positiv aufgenommen haben. Das Auftreten dazu war nicht besonders glücklich. Darüber haben wir heute schon diskutiert. Jetzt gibt es folgerichtig Anträge der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER, die die Ankündigungen aufnehmen und wissen wollen, was jetzt Sache ist und ab wann es diese Deutschkurse gibt. Das ist zumindest für mich vollkommen klar. Deshalb verstehe ich den Kollegen Imhof überhaupt nicht, wenn er glaubt, dass man dafür kein Konzept braucht. Sie brauchen für diese Kurse Lehrkräfte. Sie brauchen Menschen, die die Deutschkurse abhalten. Sie brauchen finanzielle Mittel dafür. Sie brauchen auch Orte, an denen diese Sprachkurse stattfinden. In Gemeinschaftsunterkünften wie in Zirndorf oder hier in der Baierbrunner Straße werden Sie nicht einmal einen Aufenthaltsraum dafür finden. In diesen Unterkünften sind die sonstigen Unterkunftsbereiche bereits belegt. Deshalb verstehe ich nicht, warum Herr Imhof mühsam gegen den Antrag der GRÜNEN spricht und meint, die CSU sei schneller. Wenn Sie wirklich schneller sind, freuen wir uns darüber.
Das Nächste kann ich auch nicht verstehen. Kollegin Meyer, bei aller Anerkennung Ihres persönlichen Engagements, Sie geben Ihrem Antrag die Überschrift: "Bewährte Asylpolitik zeitgemäß weiterentwickeln!" Sie reden darin von einigen Errungenschaften. Sie schreiben unter anderem, dass Sie die Mittel für die Asylsozialarbeit erhöht haben. Das ist richtig. Sie wissen aber auch, dass sich in dem entscheidenden Zeitraum der Zugang an Asylbewerbern fast um die Hälfte erhöht hat. Allein schon deshalb werden mehr Mittel für die Asylsozialarbeit benötigt. Das ist genauso wie bei den Kindern. Wenn mehr Kinder geboren werden, brauchen wir mehr Geld für Kindertagesstätten. Das war nichts anderes als eine Erhöhung des Bedarfs. Zum anderen ist die Asylsozialarbeit vollkommen un
terfinanziert. Das können Ihnen alle die, die sich in Wohlfahrtsverbänden engagieren, bestätigen. Es gibt immer noch Wohlfahrtsverbände − nicht nur die Arbeiterwohlfahrt, wo ich Verantwortung trage, sondern auch die Caritas und die Diakonie -, die sich aus finanziellen Gründen aus der Beratungsarbeit zurückziehen mussten.
Dass Sie die Leitlinien geändert haben, Kolleginnen und Kollegen des Landtags, war mehr als überfällig. Ich erinnere nur an das Hearing, das wir im April 2009 durchgeführt hatten. Damals kamen unerträgliche Zustände ans Licht. Es war klar, dass in Bayern die Menschen so nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften gehalten werden können. Es ist auch noch lange nicht so weit, dass diese Leitlinien in Bayern angewendet werden. Die Asylpolitik ist also längst nicht in dem Sinne bewährt, wie wir es uns vorstellen.
Ich will noch zwei Punkte nennen. Sie weigern sich vehement, eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung in Bayern zu schaffen, obwohl alle Fachleute sagen, dass wir sie brauchen. Sie haben immer noch nicht Ihr Vier-Stufen-Konzept für Kinder, die nach Deutschland kommen, überprüft, obwohl die UN-Kinderkonvention von der Bundesrepublik vorbehaltlos anerkannt ist. In diesem Bereich gibt es noch eine Menge Aufgaben. Frau Meyer, Sie nicken. Es gibt ein bisschen an bewährter Asylpolitik, aber sie hat sich insgesamt noch lange nicht bewährt. Es gibt noch viel zu tun. Deshalb noch einmal zum Schluss: Es gibt keinen Grund für die CSU, die Anträge der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER abzulehnen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Unser Gesetzentwurf geht zurück auf einen gemeinsamen Beschluss des Landtags von CSU, SPD und GRÜNEN aus dem Jahr 2007. Die FREIEN WÄHLER und die FDP waren damals noch nicht im Landtag vertreten. Damals hat der Bayerische Landtag einen einstimmigen Beschluss gefasst, wonach bei allen öffentlichen Vergaben durch Kommunen -
- Reden jetzt Sie oder ich?
Zwischenrufe machen Sie jetzt bitte nicht. Ich führe jetzt keinen Dialog mit Ihnen, sondern ich begründe den Gesetzentwurf und bitte Sie, zuzuhören.
Mit dem Gesetzentwurf geht es uns darum, in allen Vergaberichtlinien der Kommunen für öffentliche Aufträge festzuschreiben, dass im öffentlichen Beschaffungswesen der Erwerb von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit vermieden wird. Sie alle kennen
die Hintergründe. Diese Erklärung haben wir im Landtag gemeinsam beschlossen.
Die Stadt Nürnberg hat daraufhin in ihre Friedhofssatzung einen Passus aufgenommen, wonach keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit als Grabsteine zugelassen werden. Dagegen wurde vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof geklagt. Auch die Stadt Nürnberg hat geklagt. Letztlich hat die Stadt Nürnberg eindeutig Recht bekommen: Dieser Zusatz ist in einer kommunalen Satzung auch vor dem Hintergrund unserer ethischen Maßstäbe und unserer grundgesetzlichen Bestimmungen zulässig.
Kolleginnen und Kollegen, jedes Kind auf der Welt und nicht nur in Deutschland, wo Kinderarbeit verboten ist, hat ein Recht auf eine eigene Kindheit. Diesem Grundsatz werden Sie alle zustimmen. Dennoch haben unser Gesetzentwurf und der vorhergehende Gesetzentwurf der GRÜNEN sowie alle Anträge, die wir zu diesem Thema gestellt haben, immer noch nicht die Mehrheit in diesem Hause gefunden. Leider ist es bei diesem einstimmigen Beschluss aus dem Jahr 2007 geblieben.
Das Wirtschaftsministerium, das nach meiner Ansicht gar nicht zuständig ist und eigentlich Wichtigeres zu tun hätte, hat in umfangreichen Stellungnahmen begründet, dass es nicht eindeutig feststeht, ob dieser Gesetzentwurf überhaupt in die Landeskompetenz fällt. Dieses Gesetz, das hier von uns vorgeschlagen wird, wird übrigens im Saarland schon seit vielen Jahren angewandt. Das Wirtschaftsministerium meint, dass dadurch eventuell höherrangige Gesetze beeinträchtigt werden.
Kolleginnen und Kollegen, wenn man dem Rechtsgrundsatz folgt, dass wir keine Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit auf unseren Friedhöfen haben wollen, hinter dem wir auch alle stehen, muss man doch einem Landesgesetz mit diesem Inhalt zustimmen, auch wenn nicht bis in die höchsten Ebenen der Justiz gewährleistet ist, dass es nicht angegriffen wird. Der Freistaat Bayern muss dann auch vor Gericht kämpfen und seine Positionen deutlich machen.
Kolleginnen und Kollegen, es hat eine ganze Zeit so ausgesehen, dass wir eine Mehrheit für diesen Gesetzentwurf bekommen. Die Flüstertüte auf den Gängen hat uns gesagt, die CSU würde dem sofort zustimmen, denn dieser Gesetzentwurf entspricht eindeutig ihrer Wertehaltung, aber es gebe Probleme mit dem Koalitionspartner. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, welche Probleme es geben soll. Ich bitte Sie einfach noch einmal, bei der Abstimmung in der Zweiten Lesung den menschlichen, humanitären
und ethischen Grundsätzen Vorrang zu geben und dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Durch meine beiden Vorredner Frau Ackermann und Herrn Dr. Fahn - ist schon auf die Trickkiste, die der Antrag darstellt, hingewiesen worden. Im Berichtsantrag werden Fragen zu Zahlen gestellt, die Sie alle unter der Internetadresse "www.BAMF.de" aktuell nachlesen können. Dort ist alles wunderbar in Balkendiagrammen aufgegliedert. Man muss gar nicht sehr viel lesen, sondern kann es auf den ersten Blick erkennen.
Kolleginnen und Kollegen, zu der Begründung des Antrags hat kein Sozialpolitiker geredet, sondern Dr. Florian Herrmann als Innen- und Kommunalpolitiker. Der Antrag - das sage ich jetzt einfach - zielt darauf ab, den billigen Populismus, den Innenminister Herrmann gestern in der Kabinettssitzung in Überschriften verbreitet hat, über den Umweg eines Berichtsantrages in dieses Parlament einzubringen, nachdem die Sozialpolitiker einem solchen Antrag wohl nicht zugestimmt hätten.
Ich meine, Frau Meyer entsprechend zu kennen und zu verstehen. Wahrscheinlich hätte Ihr Koalitionspartner auch nicht zugestimmt. Somit haben Sie das über den Weg eines Berichtsantrages gemacht.
Sie kennen die Zahlen. Sie wollen Gründe für den Anstieg der Zahl der Asylbewerber wissen. Ist Ihnen und den Rechtspolitikern Ihrer Fraktionen bewusst, dass es im Grundgesetz den Artikel 16 a gibt und Asyl ein individuelles Recht ist, eine individuelle Prüfung voraussetzt und es bei 40.000 Anträgen in diesem Jahr bis zum jetzigen Zeitpunkt wohl 40.000 unterschiedliche individuelle Gründe gibt, um Antrag auf Asyl in der Bundesrepublik zu stellen? Es ist ein individuelles Recht, und dieses individuelle Recht - auch das ist bereits gesagt worden - setzt eine vernünftige Prüfung voraus. Sie sehen die Problematik vor dem Hintergrund der Asylbewerberzahlen aus Serbien und Mazedonien. In einer Stellungnahme des dafür zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge diese Presseerklärung ist unter www.bamf.de abrufbar - weist das Amt ausdrücklich darauf hin, dass Ende September 2012 11.351 Asylsuchende aus den fünf Herkunftsländern Afghanistan, Irak, Pakistan, Iran und Syrien nach Deutschland gekommen sind. Das Bundesamt ist seit Monaten bei der Bundesregierung vorstellig, weil es mit der Zunahme der Anträge eine Grundlast sieht, die dazu führt, dass die Anträge nicht mehr zeitnah bearbeitet werden können. Deshalb kommt es zu langen Verfahrensdauern, die im Übrigen sowohl Kollegin Ackermann als auch alle anderen Kolleginnen und Kollegen, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, sowie die Flüchtlinge selbst bemängeln, die zurzeit zu Fuß nach Berlin unterwegs sind. Frau Tolle hat das zuletzt im Sozialausschuss herausgearbeitet. Diese Grundlast ist vorhanden, und die Anträge aus Serbien und Mazedonien sind erst in den letzten Monaten gekommen.
Ich sage ganz deutlich: Auch wir wissen, dass die Anerkennungsquote der Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien - wir sind nicht blöd; man kann das an den Balken erkennen - nahe gegen null geht. Aber sie geht nicht gegen null. Es gibt 19 anerkannte Serben und fünf Anerkannte, die aus Mazedonien kommen. Es ist also keine Quote von 0,0, sondern sie geht gegen null. Ich betone aber noch einmal: Es handelt sich um eine Einzelprüfung, und die Quote ist nicht hundertprozentig.
Wir wissen auch, dass es sich bei den Menschen, die aus Serbien und Mazedonien zu uns kommen, um eine Fluchtbewegung innerhalb Europas aus Armut handelt. Das wissen wir und wir müssen entsprechende Problemlösungen finden. Diese können wir aber
nur in Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarn finden. Wir können die Probleme nicht dadurch lösen, dass die Bundesrepublik, ohne mit den europäischen Nachbarn gesprochen zu haben, die Visumsfreiheit infrage stellt. Ich frage Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU: Wollen wir eine europäische Politik der Annäherung oder der Ausgrenzung? Diese Fragen stehen hinter dieser Problematik.
Ein Allerletztes - vielleicht bringt Sie das ein bisschen zum Nachdenken -: Die Europäische Union hat vor ein paar Tagen den Friedensnobelpreis bekommen. Sie hat ihn sicher nicht für solche Äußerungen bekommen und sicher nicht für solche Handlungen, sondern dafür, dass wir die ethischen und moralischen Grundsätze, die in unserem Grundgesetz, aber auch in der Sozialcharta der Europäischen Union verankert sind, als verantwortliche Politiker ernst nehmen. In diesem Zusammenhang fordere ich Sie auf, das Thema Asyl und Flüchtlinge als wahre Demokraten und Rechtspolitiker zu behandeln und nicht mit billigem Populismus abzutun.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die beiden von Frau Staatsministerin Haderthauer vorgestellten Gesetzentwürfe sind im ersten Fall eigentlich nur eine reine Formalie. Da wird geklärt, wer in Bayern zuständig ist.
Frau Haderthauer, Sie haben das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen als wichtigen Schritt bezeichnet. Dem schließe ich mich an. Er war schon lange überfällig. Seit 1. April gibt es dieses Gesetz.
Allerdings werden wir beobachten, was bei diesem Gesetz herauskommt. Denn es gibt noch einige Fra
gen, die wir auch für Bayern klären müssten, Frau Haderthauer. Mit diesem Gesetz wird zwar ein Rechtsanspruch auf Prüfung der bisherigen Qualifikation geschaffen. Ich hatte da schon einmal mit der IHK FOSA in Nürnberg - das ist eine zuständige Stelle eine längere Diskussion. Was daraus wird, muss sich in der Praxis erweisen. Dass das nicht ganz einfach ist, dürfte auch Ihnen klar sein. Daraus wird sich ergeben, dass die betroffenen Menschen mit Sicherheit auch einen Anspruch auf Nachqualifizierung oder Zusatzqualifizierung brauchen, um die Lücken hinsichtlich des Wissens, welches sie im Ausland erworben haben, das aber in der Bundesrepublik nicht voll anerkannt wird, durch eine Modulqualifikation aufzufüllen. Nur so können wir die tatsächlich erworbenen Qualifikationen mit unseren Qualitätsansprüchen zusammenbringen. Wir wollen nicht dahinter zurückgehen; ich glaube, darin sind wir uns einig. Es muss dann aber die Möglichkeit für die Betroffenen geben, sich zeitnah und möglichst unbürokratisch nachzuqualifizieren oder zusätzlich zu qualifizieren. Dies soll verhindern, dass sie wieder von vorne anfangen müssen. Es gibt da noch eine Menge zu tun und wir werden das eine oder andere Mal noch darauf zurückkommen, um zusätzliche Ansprüche an die Staatsregierung zu formulieren.
In einem zweiten Punkt geht es darum, die Kosten bundesweit zu verteilen. Dagegen haben wir wohl nichts. Wir werden im Fachausschuss noch darüber beraten, aber das ist sicherlich eine Sache, die als solche okay ist. Eine kleine Frage in diesem Zusammenhang, Frau Haderthauer, könnte man allerdings am Rande stellen: Hätte man das nicht schon ein bisschen früher machen können? Vielleicht sind dem Freistaat Bayern schon Ersatzansprüche entgangen. Jetzt korrigieren Sie das mit dem Gesetzentwurf. Das ist weiter keine große und spannende Sache. Wir werden uns im Ausschuss noch damit beschäftigen. Für heute ist es genug der Rede.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zu vorgerückter Stunde, kurz vor Schluss, greifen wir in einem gemeinsamen Antrag von GRÜNEN, FREIEN WÄHLERN und SPD die Situation von Asylbewerbern in Bayern auf. Was wollen wir mit dem Antrag erreichen? - In dem Antrag geht es um eine bedarfsgerechte und menschenwürdige Ausstattung von Asylaufnahmeeinrichtungen in Bayern.
Kolleginnen und Kollegen, ich will nur kurz ein paar Zahlen zum Hintergrund sagen. Die Zahl der Anträge auf Asyl entwickelt sich immer vor dem Hintergrund von Krisenherden in der Welt. Seit 2010 haben wir in Bayern wieder einen Anstieg der Zugangszahlen zu verzeichnen. Kolleginnen und Kollegen, wohlgemerkt, die Asylsuchenden kommen nicht nur nach Bayern, sondern sie kommen in die gesamte Bundesrepublik. Sie kommen vor allem nach Europa. Bayern hat aufgrund des sogenannten Königsteiner Schlüssels rund 15 %, der Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, zu versorgen. Kolleginnen und Kollegen, das ist keine freiwillige Leistung, sondern eine Verpflichtung des Freistaates Bayern aufgrund internationaler Ver
pflichtungen, aber auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland.
Im Jahr 2009 waren es noch 4.200 Erstanträge auf Asyl. Im Jahr 2011 kamen bereits circa 6.000 bis 7.000 Menschen nach Bayern. Nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wird sich die Zahl auch in den nächsten Jahren beziehungsweise im überschaubaren Zeitraum 2012 wieder auf diesem Niveau einpendeln. Es ist logisch, dass vor dem Hintergrund dieser Steigerung die Kapazität der bayerischen Einrichtungen erhöht werden muss. Das geschieht nicht in angemessener Form; deshalb unser Antrag.
Bevor die Redner von CSU und FDP darstellen, was sie alles getan haben, lassen Sie mich einfach Folgendes feststellen: Die Verantwortlichen im Freistaat haben erst nach großem öffentlichem Protest überhaupt reagiert. Wo und wie reagiert wurde, reicht aber bei Weitem nicht aus. Die Erstaufnahmeeinrichtungen in Nürnberg und München, die feste Kapazitätsgrenzen haben, waren und sind häufig überbelegt. Nur dem wirklich tollen Einsatz der vielen haupt- und ehrenamtlichen Helfer ist es zu verdanken, dass die Situation vor Ort einigermaßen gemeistert werden konnte. An dieser Stelle gilt mein herzliches Dankeschön allen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in Bayern, die sich um Flüchtlinge und um Asylbewerber kümmern.
Noch eine Bitte an die Kolleginnen und Kollegen in der ersten Reihe: Es stört, wenn es hier so viele Nebengespräche gibt. Ich bitte, das etwas einzustellen. Vielen Dank den Herren in der ersten Reihe.
Was wollen wir mit unserem Antrag erreichen? - Wir wollen drei Dinge. Der erste Punkt ist eigentlich ganz einfach. Als die Asylbewerberzahl zurückging, brauchten wir weniger Kapazität und deshalb hat der Ministerrat im Jahr 2004 eine Einschränkung des Personals in den Verwaltungen und in den Einrichtungen beschlossen. Wenn die Zahlen jetzt steigen, dann ist es bedarfsgerecht, wenn das Personal wieder aufgebaut wird, wenn dieser Ministerratsbeschluss verändert und der aktuellen Lage angepasst wird.
Im zweiten Punkt unseres Antrags geht es um die Asylsozialberatung und um die Wohlfahrtsverbände. Frau Kollegin Meyer, ich schaue Sie an und stelle fest: Hier ist etwas passiert. Das erkennen wir sehr wohl an. Aber ich bitte Sie, genauer hinzusehen. Denn gerade bei mehr dezentraler Unterkunft werden wir mehr Beratung und mehr Kapazitäten vor Ort brauchen.
Unsere dritte Forderung bezieht sich auf die beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in Nürnberg und München. Ich bitte Sie hier noch einmal eindringlich, ich habe das im Ausschuss schon mehrmals getan: Lassen Sie von den Planungen für eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung in Bayern nicht ab. Das geben die Zahlen her. Das ist aber auch gerecht gegenüber den Regionen Nürnberg und München. Es kann nicht sein, dass sich in Bayern alles, was mit Asyl und Flüchtlingen zu tun hat, auf diese beiden Regionen konzentriert. Da ist ein bisschen mehr Gerechtigkeit im Land gefragt. Bitte, geben Sie die Planungen nicht auf.
Meine Redezeit ist gleich zu Ende. Was ich immer zu dieser Diskussion sage ist Folgendes, und hier will ich Ihre Sensibilität etwas schärfen: Bitte bedenken Sie die Tatsache, dass sich 80 % aller Flüchtlingsbewegungen in der Welt sich in Entwicklungsländern abspielen. Kolleginnen und Kollegen, die Flüchtlingsströme fließen in Länder, wo die Menschen selbst nichts haben. Doch das Wenige, was sie haben, teilen sie mit den Menschen, die zu ihnen kommen. Es kann doch nicht sein, dass ein Land wie der Freistaat Bayern mit großer Wirtschaftskraft, wie immer wieder betont wird, mit der Zahl von 6.000 bis 7.000 Asylbewerbern pro Jahr nicht klar kommt. Die Zahl ist auf niedrigem Niveau gestiegen. Es muss doch möglich sein, dass wir uns um diese Menschen anständig kümmern. Ich bitte Sie deshalb, noch einmal nachzudenken und unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Dringlichkeitsantrag für heute geht es der SPD-Landtagsfraktion um die Beschäftigten bei Schlecker. Dabei geht es praktisch ausschließlich um Frauenarbeitsplätze. Betroffen sind viele Beschäftigte in Bayern. Nach einer heutigen Meldung werden in Bayern 276 Filialen geschlossen. Das ist die aktuelle Meldung, die sich aber ständig verändert.
Kolleginnen und Kollegen, was wollen wir mit unserem heutigen Dringlichkeitsantrag erreichen? - Wenn wir über das Unternehmen Schlecker reden, möchte ich zu Beginn feststellen, was sich heute abspielt. Pa
rallel zu dieser Sitzung finden den ganzen Tag über Protestveranstaltungen und Betriebsversammlungen bei Schlecker statt. Was sich in diesem Unternehmen in der Vergangenheit abgespielt hat, ist Kapitalismus pur.
Bereits in den letzten Jahren stand das Unternehmen Schlecker immer wegen seiner miserablen Arbeitsbedingungen in der öffentlichen Kritik. So gibt es in den Filialen häufig nur eine einzige Angestellte. Die Sicherheit und die Gesundheit der Frauen haben keinen Menschen interessiert. Sie wurden einfach aufs Spiel gesetzt. Die Mitarbeiter wurden unerlaubt gefilmt. Festangestellte Mitarbeiter wurden mit neuen Verträgen zu deutlich schlechteren Einkommens- und Arbeitsbedingungen gezwungen. So wurden eine konzerneigene Leiharbeitsfirma gegründet, und die Beschäftigten wurden in diese Leiharbeitsfirma verlagert. Dort wurden die Beschäftigten mit einem Stundenlohn von 6,78 € abgespeist, obwohl der Einzelhandelstarif damals schon bei 12,70 € lag.
Die öffentliche Kritik an der Familie Schlecker hat sogar dazu geführt, dass sich Arbeitsministerin von der Leyen in diese Vorgänge eingeschaltet hat. Außerdem wurde das Ehepaar Anton und Christa Schlecker zu zehn Monaten auf Bewährung und zu einer erheblichen Geldstrafe verurteilt, weil es vorgetäuscht hatte, nach dem Tarifvertrag zu bezahlen, was aber tatsächlich nicht der Fall war. Ich glaube, man muss sich viel leisten, bevor es dazu kommt.
Das Unternehmenskonzept der Firma Schlecker kann man nur als ziel- und planlos bezeichnen. Ständig wurden neue Handelsketten im In- und Ausland übernommen, ohne dass das Unternehmen die nötige Substanz für diese Zukäufe hatte. Filialen wurden eröffnet; Filialen wurden geschlossen. Die ganze Unternehmensgeschichte ist ein einziges Versagen unternehmerischen Handelns.
In diesem Umfeld ist es mutigen Frauen gelungen, einen Betriebsrat mit stabilen Strukturen auf regionaler Ebene, auf Länderebene und sogar auf Konzernebene zu gründen. Das ist bei einer Discounterkette des Einzelhandels eine hervorragende Leistung der dort beschäftigten Frauen.
Die Betriebsräte haben es gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi geschafft, Lohndrückereien, Missbrauch von Leiharbeit und Tarifflucht zu begrenzen, auch wenn diese Missstände noch nicht völlig abgeschafft sind. Zumindest sind diese Zustände durch
diesen mutigen Kampf der Frauen in den letzten Jahren einigermaßen im Rahmen gehalten worden.
Was passiert jetzt? Am 23. Januar hat das Unternehmen für die Betriebsräte und die Beschäftigten völlig überraschend Insolvenz angemeldet, obwohl sich Anton Schlecker bis November 2010 selbst unternehmerisch betätigt hat und noch im Jahr 2011 auf der Liste der reichsten Männer in Deutschland - etwa auf Platz 50 - stand. Ich habe das gerade noch einmal bei Wikipedia nachgesehen. Laut Wikipedia beläuft sich sein Vermögen auf 1,95 Milliarden Euro und laut der "Süddeutschen Zeitung" auf drei Milliarden Euro. Gut, das ist eine Differenz von über einer Milliarde Euro. Aber schon 1,95 Milliarden Euro sind eine Menge Geld. Wenn Herr Schlecker 1,5 Jahre oder ein halbes Jahr später Insolvenz anmeldet, sollte man genau schauen, wohin das Geld verschwunden ist.
Der Unternehmer Anton Schlecker hat sich in sein Reihenhaus zurückgezogen und sich gegenüber seinen Beschäftigten nicht ein einziges Mal erklärt. Ich war letzte Woche in einigen Filialen. Die Frauen sind fast in Tränen ausgebrochen. Sie haben gesagt: Wir haben für dieses Unternehmen gearbeitet. Wir haben Anton Schlecker zu einem reichen Mann gemacht. Jetzt bekommen wir den Beschluss, dass Insolvenz angemeldet worden ist. Die vorläufigen oder endgültigen Schließungslisten werden per Fax in die Filialen übermittelt, in denen eine einzige Angestellte den Betrieb am Laufen halten muss.
Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, versetzen Sie sich kurz in die Situation einer Beschäftigten bei der Firma Schlecker.
Was bedeutet es, dass in dem Unternehmen das Insolvenzverfahren eingeleitet wurde? - Der Antrag wurde am 23. Januar 2012 gestellt. Ein Insolvenzantrag läuft drei Monate. Die Beschäftigten bekommen für drei Monate Ausfallgeld. Es gilt aber immer der angefangene Monat. Dadurch, dass der Antrag am 23. Januar gestellt wurde, wurden die Kolleginnen wieder einmal betrogen, und zwar um einen Monat Ausfallgeld. Das hat auch zur Folge, dass das Insolvenzverfahren, das ohnedies unter einem enormen Zeitdruck abgewickelt wird, um 23 Tage oder fast einen Monat verkürzt wurde. Man hätte auch den 1. oder den 2. Januar oder den 1. Februar nehmen können, wenn so eine Situation eintritt.
Was soll nun in dem Insolvenzverfahren passieren? Es sind drei Dinge, die geklärt werden müssen. Erstens. Wo ist das Geld von Anton Schlecker? - Ich
glaube, da sollte man sehr genau hinsehen. Zweitens. Wie geht es mit dem Unternehmen weiter? - Insolvenzverfahren sind auch dazu da, die Zukunft eines Unternehmens - und das wird wohl auch hier so sein in abgespeckter Form und mit einem Zukunftskonzept zu sichern. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Nach der heutigen Pressemitteilung werden von den 5.400 Filialen 2.300 geschlossen. Es geht also auch um die Weiterführung von 3.100 Filialen und damit um Arbeitsplätze in diesen Filialen. Der letzte Punkt: Es geht auch darum, was mit den Kolleginnen passiert, die aus dem Unternehmen ausscheiden müssen, denen gekündigt wird. Das ist der Umfang des Insolvenzverfahrens.
Ich habe vorhin erwähnt, dass die Beschlüsse per Fax in die Filialen geschickt wurden. Als das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, haben sich die Gewerkschaft Verdi und die Betriebsräte mit einem Brief an unseren Ministerpräsidenten gewandt und diesen gebeten: Helfen Sie uns in dieser Situation, schalten Sie sich bitte in das Insolvenzverfahren ein, wir werden überrollt, wir stehen unter Zeitdruck, es gibt einen enormen Druck, der auf uns lastet; Herr Ministerpräsident Seehofer, werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, rufen Sie uns zumindest an und fragen Sie, was Sie für uns tun können. Nichts dergleichen ist passiert. Die Beschäftigten bekommen nicht nur den Schließungsbeschluss per Fax, sondern sie bekommen auch vom Ministerpräsidenten keine Antwort. Die Arbeitsministerin hat sich nicht gerührt, desgleichen die Staatskanzlei. Sie alle haben weder Verdi noch den Betriebsräten eine Antwort geschickt. Auch der Wirtschaftsminister hat sich nicht gerührt.
Ich will hier nicht naiv etwas versprechen; denn ich weiß, nicht alles kann mit Steuergeldern gerettet werden. Ich habe aber nicht zufällig die ganze Unternehmensgeschichte geschildert. Ich bitte Sie, Kolleginnen und Kollegen, unseren Antrag zu unterstützen; denn wir greifen eine Initiative auf, die der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister ergriffen hat. Er schlägt vor, einen Überbrückungskredit zu geben, der es ermöglicht, eine Transfergesellschaft zu gründen. Was ist der Hintergrund für eine Transfergesellschaft? - Die Transfergesellschaft sorgt dafür, dass ab 1. April die Betroffenen, die gekündigten Frauen nicht auf der Straße stehen, sondern dass es einen Zusammenhalt gibt. Sie können dann aus dieser Gruppe heraus qualifiziert vermittelt werden. Wenn der Arbeitsmarkt in Bayern so toll ist, wie das heute Morgen hier geschildert wurde, dann dürfte das relativ schnell gehen. Das alles würde keine hohen Kosten verursachen, wobei sich die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit sicherlich beteiligen muss. Es geht also nicht darum, dass hier Steuergelder in das Insolvenzverfahren gesteckt werden, son
dern es geht um die Zusage eines Überbrückungskredits, weil das Insolvenzverfahren unter einem enormen Zeitdruck steht.
Mit der Transfergesellschaft geht es auch darum, dass über neue Konzepte und über die Weiterführung des Unternehmens - ich habe es erwähnt, es geht um 3.100 Filialen - mit etwas mehr Zeit nachgedacht werden kann. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi sind dabei, ein zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln. Das Management hat das bisher nicht geschafft, das habe ich vorhin kurz skizziert. Was von dieser Seite kommt, das kann man vergessen. Es gibt viele Vorschläge. Ich war in einigen Schlecker-Filialen. Die Beschäftigten dort sagen: Es gibt keine Angebote für regionale Produkte, man hat sich auf die umliegende Landschaft überhaupt nicht eingestellt, was Ketten und Einzelhandel betrifft. Die Beschäftigten sprudeln wirklich vor Ideen, und sie halten zu dem Unternehmen. Sie sind bemüht, den Rest des Unternehmens weiter zu erhalten. Darum also geht es in der Transfergesellschaft. Es ist deshalb nur recht und billig, dass sich die staatlichen Vertreter einschalten und ihre Hilfe anbieten.
Zunächst muss man zusammen mit der Agentur für Arbeit, die in Nürnberg sitzt, ausloten, worum es überhaupt geht. Man kann Modelle entwickeln. Es geht darum, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den Betroffenen zur Seite zu stehen.
Der Vorstoß des baden-württembergischen Finanzund Wirtschaftsministers Nils Schmid - er ist natürlich Sozialdemokrat - ist heute in Berlin gescheitert. Das habe ich gerade erst gelesen. Man hat gesagt, man will für dieses Unternehmen keine staatlichen Gelder ausgeben. Es wurde aber überhaupt nicht genau hingesehen, worum es eigentlich geht. Ich glaube, ich habe das deutlich gemacht: Es geht um einen Überbrückungskredit, damit die Transfergesellschaft unter Zeitdruck ins Leben gerufen werden kann. Ich bin mir sicher, bei genauerem Hinsehen und bei einer Überprüfung der Vermögensverhältnisse von Anton Schlecker und unter Einbeziehung der Gelder, die von der Arbeitsagentur bezahlt werden müssen, beispielsweise für Ausfallgeld und so weiter, wird eine KostenNutzen-Rechnung nicht zulasten der Steuergelder ausfallen, zumindest wird es nicht um große Summen gehen.
Ich bitte Sie, Kolleginnen und Kollegen, ermöglichen Sie mit der Zustimmung zu unserem Dringlichkeitsantrag, dass die Gespräche über eine Transfergesellschaft, begleitet von den politisch Verantwortlichen in
Bayern und in Berlin, eingeleitet werden können. Helfen Sie mit, dass die Schlecker-Frauen eine Zukunft haben!
Herr Kollege Seidenath, ich kenne bereits die Aufklärung rein rechtlicher Art, die Sie uns gegeben haben. Es ist klar: Transfergesellschaften werden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung durch Verhandlungsführung gegründet. Ich lese Ihnen dazu aus unserem Antrag vor, den wir bewusst so formuliert haben, weil wir das wissen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich im laufenden Insolvenzverfahren der Drogeriemarktkette Schlecker bei den Verhandlungsführern für ein Fortführungskonzept einzusetzen, das gemeinsam mit den Betriebsrätinnen und Betriebsräten und den Gewerkschaften entwickelt wird. Falls es trotzdem zur Entlassung einer größeren Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommt, soll sich die Staatsregierung für die Gründung einer Transfergesellschaft einsetzen, …
Wir wollen, dass sich jemand aus der Staatsregierung, wer auch immer, ob nun Ministerpräsident, Wirtschaftsminister oder Arbeitsministerin, in die laufenden Verhandlungen einschaltet und sein oder ihr Gewicht in die Waagschale wirft, wenn es um die Versorgung des ländlichen Raums oder die Erhaltung von Arbeitsplätzen geht. Ein Mitglied der Staatsregierung soll seine Stimme erheben und sich in die Verhandlungen einschalten. Nicht mehr und nicht weniger will dieser Antrag.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nur noch ein paar wenige Bemerkungen.
Selbstverständlich, Herr Sackmann, geht es um das Fortführungskonzept. Ich habe in meinem ersten Redebeitrag deutlich gemacht, dass da eben gerade der Zeitdruck am problematischsten ist. Es gibt diese Fortführungskonzepte, zumindest ein wirklich hartes Arbeiten daran. Da besteht ein unglaublicher Zeitdruck, weil eben fast ein Monat im Insolvenzverfahren geklaut wurde,.
Noch einmal zur Information für alle Kolleginnen und Kollegen - der Herr Wirtschaftsminister hat mir das bestätigt: Bei Quelle wurde der Massekredit voll zurückgezahlt. Es ist kein Geld, auch nicht beim Steuerzahler, hängen geblieben - vielleicht Zinsen, aber letztlich ist der Kredit zurückgezahlt worden.
Es ging uns auch hier - das habe ich ebenfalls deutlich gemacht - nicht um eine staatliche Subventionierung der Firma Schlecker, sondern um einen Überbrückungskredit, um in einer Transfergesellschaft Zeit zu gewinnen, mit den Mitarbeitern dort so umzugehen und sie so zu vermitteln, dass es eben zielführend ist.
Kollege Bertermann und Kollege Rohde, wenn es so ist, wie Sie sagen, dass nämlich der Arbeitsmarkt aufnahmefähig ist, dann ist die Transfergesellschaft in vier Wochen tot, weil alle Beschäftigten vermittelt sind. Sie gehen dann nämlich kein Risiko ein. Insofern: Lassen Sie uns es doch einfach einmal tun. Die Probleme stellen sich nämlich erst in der Praxis heraus. Dann wird sich zeigen, wie aufnahmefähig der Arbeitsmarkt ist.
Gerade in der Discounterlandschaft im Einzelhandel ich bin Ihnen dankbar, Herr Sackmann, dass Sie die älteren Mitarbeiter erwähnt haben - sind junge Frauen insbesondere im Drogeriegeschäft gewollt. Aber die Discounter wollen wenig bezahlen. Von daher sind viele Frauen auf diesem Gebiet ab morgen nicht mehr ohne Weiteres in einen neuen Arbeitsplatz vermittelbar oder finden gar keinen. Ich bitte Sie, das einfach einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Dass die Familie bessergestellt wird, halte ich für eine These von Ihnen.
Darüber möchte ich ein wenig mehr Informationen.
Ein Letztes, Herr Sackmann: Heute gab es Betriebsversammlungen in ganz Bayern. Ich habe gerade im Netz gelesen, dass alle Beschäftigten von Schlecker den Herrn Ministerpräsidenten mit einer Resolution angeschrieben haben. Tausende von Briefen sind an Sie unterwegs. Ich habe nach wie vor die Information, dass Sie sich nicht positiv in die Gespräche eingeschaltet haben.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Seidenath, es wird Sie nicht verwundern, dass wir es ein wenig anders einschätzen als Sie. In den Diskussionen im Ausschuss, die Sie schon hervorgehoben haben, haben wir das bereits deutlich gemacht.
Ich stimme in einem mit Ihnen überein - das möchte ich meinen kurzen Ausführungen voranstellen -, nämlich im allgemeinen Dank an die vielen ehren- und hauptamtlichen Helfer, die es im Bereich der Gemeinschaftsunterkünfte und im gesamten Bereich der Flüchtlingsberatung gibt. Das ist eine ganz schwierige Aufgabe. Sie sind mit Menschen konfrontiert. In den Gemeinschaftsunterkünften gibt es auch immer wieder Vorfälle. Ich glaube, das können wir gar nicht genügend würdigen. Herr Seidenath, insoweit stimme ich mit Ihnen überein.
Jetzt zu dem Gesetzentwurf. Wie wir bereits im Ausschuss deutlich gemacht haben, ist uns der Grundgedanke des Gesetzentwurfs zu stark an asylpolitischen und zu wenig an sozialen und humanitären Grundsätzen ausgerichtet. Ich drücke es jetzt genau so aus. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Der große Geist dieses Gesetzentwurfs stammt
- das ist meine tiefe Überzeugung - eher aus dem Innenministerium als aus dem Sozialministerium.
Dahinter steht immer noch die Haltung, dass man den Menschen den Aufenthalt so unangenehm wie möglich macht, damit sie das Land möglichst schnell wieder verlassen. Die Erleichterungen, die Sie, Herr Seidenath, gerade hervorgehoben haben, werden in dem Gesetzentwurf durch viele bürokratische Hürden eingeschränkt. Ich bleibe bei einem einzigen Beispiel und bitte Sie, Kolleginnen und Kollegen, das nachzuvollziehen. Eine Familie, die nach Ihrem Gesetzentwurf ausziehen kann, muss erst eine konkrete Wohnung vorweisen, bevor sie tatsächlich ausziehen kann. Ich bitte Sie! Wie schafft es eine Familie aus dem Iran, aus dem Irak oder aus Afghanistan mit vielleicht drei oder vier Kindern in München, in Nürnberg, aber auch in anderen Städten, sich selbst eine Wohnung zu besorgen? Aber erst wenn sie das geschafft hat, bekommt sie die Auszugsgenehmigung.
Kolleginnen und Kollegen, die Art und Weise, wie wir mit Flüchtlingen und Asylbewerbern umgehen - ich kann sehr wohl zwischen diesen beiden Begrifflichkeiten unterscheiden -, ist nicht nur etwas, was das Land Bayern freiwillig tut, sondern das Land tut es aufgrund internationaler Verpflichtungen und aufgrund von Verpflichtungen gegenüber dem Bund. Ich sage nur: Die Verteilung erfolgt nach dem Königsberger Schlüssel. Es gibt auch eine Verpflichtung Europa gegenüber. Dies ist also Verpflichtung, keine freiwillige Leistung.
Ich darf an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass nur ein ganz geringer Teil der weltweiten Flüchtlingsbewegungen überhaupt Bayern, Deutschland und Europa erfasst. Die meisten Flüchtlinge gehen in arme Länder, wo man noch nicht einmal eine Hütte hat, die man mit den neu Angekommenen teilen kann. Deshalb muss sich Bayern, muss sich die Bundesrepublik Deutschland an der humanitären Ausgestaltung messen lassen.
Da sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU und FDP, etwas ganz Schönes. In dieser Frage hat sich der Geist nämlich schon lange geändert. Ihr Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer hallo, Herr Neumeyer - hat vor ein paar Tagen allen Kommunen eine Arbeitshilfe geschickt. Ich habe sie mir kopiert. Diese Arbeitshilfe ist im Landkreis Hersfeld-Rotenburg mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds, mit Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales entstanden und hat die klare Botschaft,
dass es sich lohnt, sowohl wenn man die Kosten anschaut als auch wenn man die Zukunft unserer Gesellschaft anschaut, positiv auf Flüchtlinge zuzugehen, sie ganz früh zu integrieren, sich ganz schnell darum zu kümmern, dass sie eine Arbeit aufnehmen.
Das sind klare Integrationsmaßnahmen. Herr Neumeyer, Sie kennen das. Es wurde ausgerechnet, dass es sogar weniger kostet, wenn wir uns frühzeitig um Integrationsmaßnahmen bemühen.
Die Broschüre gebe ich Ihnen gerne mit. Lesen Sie sie durch. Das Fazit ist wunderbar. Es ist ein eindeutiges Plädoyer. Aufgrund unserer demografischen Entwicklung und auch des Potenzials, das in Flüchtlingen steckt, lohnt es sich, sie zu integrieren, sich um sie zu kümmern.
Ein Allerletztes - meine Redezeit läuft ab -: Zum Schluss muss ich Ihnen zum Vorwurf machen, dass Sie in dem Gesetzentwurf nicht ausreichend berücksichtigen, dass eindeutig festgestellt ist, dass ein langer Aufenthalt in Gemeinschaftsunterkünften krank macht.
Das hat die Anhörung ergeben. Das wird uns von allen Medizinern bestätigt. Es ist auch im Zusammenhang mit den Vorfällen in Würzburg und den jüngsten Vorfällen in der Bayernkaserne deutlich geworden. Ich sage das, obwohl ich wirklich vorsichtig damit umgehe. Die Kollegin Stachowitz und ich waren dort und haben mit den Flüchtlingen geredet. Das geht so nicht. Auch vier Jahre sind deutlich zu lang. Wenn Sie nichts anderes finden, müssen Sie viele Begleitprogramme anbieten. Fangen Sie an, die Menschen offen aufzunehmen, sie durch Sprachkurse zu unterstützen und sie ein Stück weit zu integrieren. Das trägt zum Selbstbewusstsein der Flüchtlinge bei.
Letzter Satz: Selbst wenn sie Deutschland irgendwann wieder verlassen müssen, sind sie gute Botschafter für die Bundesrepublik und Bayern. Wir sind ein Exportland und können gute Botschafter gebrauchen. - Vielen Dank.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Läuft die Zeit, oder läuft sie nicht?
- Alles klar, ich fange noch einmal an.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Haderthauer, die positiven Worte zum Gesetzentwurf können wir vonseiten der SPD-Landtagsfraktion nicht nachvollziehen. Das werden Sie sicher verstehen. Sie haben sich bei der Regierungskoalition, der CSU und der FDP, bedankt. Bei uns konnten Sie sich nicht bedanken, weil wir in die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf nicht eingebunden waren. In
diesem Hause ist es nicht üblich, die Parteien der Opposition einzubinden. Allerdings haben wir im Sozialausschuss gerade um diesen Punkt - Frau Meyer, das wissen Sie - hart gerungen. Frau Haderthauer, Sie haben gesagt, der Beschluss, den die Regierungskoalition am 14. Juli 2010 gefasst habe, sei relativ zügig umgesetzt worden. Der Gesetzentwurf ist vom Dezember 2011. Zwischen dem Erlass des Beschlusses und dem Gesetzentwurf sind eineinhalb Jahre vergangen. Sie haben nichts anderes gemacht, als drei Abschnitte des Beschlusses in den Gesetzentwurf hineinzuschreiben. Vor diesem Hintergrund können Sie nicht von einem schnellen Verfahren reden.
Das lässt vermuten, dass die Diskussionen hinter den Kulissen heiß gelaufen sind. Wahrscheinlich haben Sie nicht nur mit den Regierungsfraktionen, sondern ebenfalls innerhalb der Staatsregierung hart um diesen ganz kleinen Kompromiss gerungen.
- Damit habe ich eigentlich kein Problem. Frauen haben die Fähigkeit, viele Informationen gleichzeitig aufzunehmen. Ich habe kein Problem damit. Ich rede einfach weiter. Frau Haderthauer, Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie im April dieses Jahres einen Erlass herausgegeben haben, der im Vorgriff auf das Gesetz schon Regelungen enthalten soll. Dazu ein kleiner Zwischenstand: Im September 2011 habe ich eine Anfrage hierzu gestellt. Sie haben den Erlass rückwirkend bis zum April herausgegeben. Ihr Ministerium hat geantwortet, dass 204 Anträge, die aufgrund Ihres Erlasses gestellt wurden, abgelehnt worden seien. Eigentlich ist nichts passiert. Im Ministerium haben Sie die Anträge mehrheitlich abgelehnt, weil die Regelungen im Gesetz und in ihrem herausgegebenen Erlass unkonkret und ungenau sind. Den eigentlichen Kern des Problems treffen Sie nicht.
Ich komme auf den Inhalt des Gesetzentwurfes und unsere Kritik zu sprechen. Frau Ministerin, Sie nehmen mir vielleicht ab, dass ich zwischen den Begriffen "Flüchtlinge" und "Asylbewerber" unterscheiden kann. Ich weiß, dass Flüchtlinge, die einen Flüchtlingsstatus erhalten, und anerkannte Asylbewerber nicht in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, sondern - das haben Sie gesagt - relativ schnell vor Ort die Möglichkeit haben, aus den Gemeinschaftsunterkünften oder den Erstaufnahmeeinrichtungen auszuziehen.
Frau Ministerin Haderthauer, Sie wissen, dass es in Ihrem Gesetzentwurf um eine ganz bestimmte Personengruppe geht. Um diese Personengruppe ging es,
als wir um eine Änderung des Aufnahmegesetzes gerungen haben. Es handelt sich um die Personengruppe, die ein Asylfolgeverfahren durchläuft, das sich hinzieht. Es geht um die Personen, die zwar geduldet werden, aber nicht abgeschoben werden können. Diese Gruppe umfasst 9.000 Personen. Genau um die geht es. Ausgehend von dem Hearing, das wir im Landtag veranstaltet haben, wollten wir uns speziell um diese Personengruppe kümmern. Viele dieser 9.000 Personen leben eine unerträglich lange Zeit mit ihren Kindern in Gemeinschaftsunterkünften.
Sie sorgen nicht dafür, dass diese Personengruppe frühzeitig aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen kann. Sie haben bereits zweimal etwas Gegenteiliges getan. Sie verhindern die Integration dieser Personen in unsere Gesellschaft, und genauso verhindern Sie eine Reintegration ins Heimatland. Das ist das Problem. Das ist die Asylpolitik der Bayerischen Staatsregierung der letzten Jahrzehnte. Die Innenministerkonferenzen haben sich über mühsame Beschlüsse zu einer Bleiberechtsregelung entschlossen. Frau Haderthauer, es geht genau um diese Gruppe. Um diese Gruppe wollten wir uns kümmern, als die Anhörung zum Aufnahmegesetz und zu den Asylbedingungen in diesem Land stattgefunden hat. Sie sehen, die Begriffe kann ich sehr wohl unterscheiden. Ich weiß, um was es geht.
Frau Haderthauer, Ihr Gesetz ist nach Einschätzung der Sozialverbände wenig wirkungsvoll. Nur ganz wenige Personen würden von dem Gesetz profitieren. Das Gesetz enthält viel zu viele bürokratische Hürden. Es würde sich ebenfalls nichts tun, wenn Sie in das Gesetz schrieben, dass diese Personen in Zukunft ausziehen könnten, wenn Sie den Regierungen, den Kommunen, den Wohnungsbaugesellschaften und den Sozialverbänden nicht gleichzeitig vor Ort die Möglichkeit einräumen, Wohnungen für die Betroffenen zu finden.
Sie haben in das Gesetz die Bedingung hineingeschrieben, dass die betroffenen Personen zunächst Wohnungen nachweisen müssen, bevor sie die Genehmigung zum Auszug bekommen. Frau Haderthauer, das ist weltfremd. Kein Vermieter in diesem Land unterzeichnet mit jemandem, der in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt und eine Familie mit drei Kindern hat, einen Mietvertrag. Wir müssen Regelungen schaffen, die eine Institution dazwischenschalten. Das geht nur mit entsprechenden Regelungen des Sozialministeriums.
- Ich komme zum Schluss. Ich habe immer noch zehn Sekunden.
Ich habe Sie gefragt. Sie haben gesagt, ich solle anfangen.
Mein letzter Satz: Die Wohlfahrtsverbände haben in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf Folgendes gefordert: Bessern Sie nach. Das alleine kann es nicht sein. Ich hoffe auf eine fruchtbare Diskussion im Ausschuss - wobei ich die Hoffnung darauf schon ein wenig aufgegeben habe.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Viele haben jetzt fluchtartig den Saal verlassen. Ich habe fünf Minuten Redezeit.
Die SPD-Fraktion legt dem Landtag heute einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, den Gemeinden zu gestatten, in Friedhofsatzungen niederzulegen, dass keine Grabsteine oder Grabeinfassungen geduldet werden, die aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen. Kolleginnen und Kollegen, man geht davon aus, dass weltweit mehr als 200 Millionen Kinder durch ausbeuterische Kinderarbeit ihrer Kindheit beraubt werden. Dies ist ein Umstand, dem wir alle - das spreche ich uns allen zu - im Bayerischen Landtag etwas entgegensetzen wollen. Kolleginnen und Kollegen, wie dieser Vorgang hier im Bayerischen Landtag behandelt wurde, ist, gelinde gesagt, ein Trauerspiel. Das richte ich jetzt vor allen Dingen an die Kollegen der CSU. Denn der Gesetzentwurf, den wir heute vorlegen, geht auf einen einstimmigen Beschluss des Bayerischen Landtags vom 18. Juli 2007 zurück. Die FDP und die FREIEN WÄHLER waren damals nicht beteiligt. Das war ein einstimmiger Beschluss, der durch die CSU, die SPD und die GRÜNEN im Landtag herbeigeführt wurde. Darin ist eindeutig festge
schrieben, dass die Staatsregierung aufgefordert wird, im gesamten Beschaffungswesen und bei allen Ausschreibungen des Geschäftsbereichs die ILO-Konvention 182 - das ist eine Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation - entsprechend zu beachten und keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zuzulassen. Im Übrigen enthält dieser Beschluss vom 18. Juli 2007 unter Punkt 6: Dem Landtag ist über die Ergebnisse zu berichten. Nichts davon, Kolleginnen und Kollegen, ist passiert; kein einziger Bericht kam unaufgefordert in den Landtag. Wir mussten durch Antragstellung nachfragen.
Kollege Zeil, ich richte mich besonders an Sie als Wirtschaftsminister. Etwas hat mich wahnsinnig geärgert. Wir Sozialdemokraten haben einen Bericht darüber gefordert, wie der weitere Verlauf dieser Dinge ist. Sie als Wirtschaftsminister haben das an sich gezogen, was ich nicht verstehen kann, da es ein eindeutig soziales Problem ist.
Sie haben uns dann einen Bericht geschrieben, der einfach nur als unverschämt zu bezeichnen ist. Sie haben geschrieben: Das geht nicht; wir dürfen das nicht machen; dafür ist die WTO zuständig;
da ist irgendjemand zuständig, nur der bayerische Wirtschaftsminister nicht. - Ich bin nun ein wenig irritiert, da fünf Minuten Redezeit vereinbart waren.
Entschuldigung. Dann brauche ich mich gar nicht so zu beeilen. Somit bleibe ich noch bei Ihnen, Herr Zeil.
Grundlage war auch, dass das die Städte München und Nürnberg schon in ihre Satzungen aufgenommen hatten, dies aber durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde. In Ihrem Bericht stand dann: Ja, das ist richtig; wir können das nicht machen, usw. Gott sei Dank hat dann der Bayerische Verfassungsgerichtshof vor einigen Wochen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aufgehoben und eindeutig festgestellt: Selbstverständlich ist diese Bedingung zulässig, Kolleginnen und Kollegen. Herr Zeil, wie kann man sich eigentlich als Vertreter des Bayerischen Landtags in der Staatsregierung - ich nenne das jetzt einmal eindeutig so - bei einem solchen Anliegen so verhalten? Selbst wenn man sich
bei einem solchen Gesetzentwurf, der im Übrigen in anderen Bundesländern, im Saarland, rechtskräftig ist und dort seit Langem, seit vielen Jahren oder Monaten Bestand hat, rechtlich unsicher wäre, könnte man doch bei diesem Anliegen einen Vorstoß unternehmen und sagen: Ja, ich als Freistaat Bayern will, dass dies zum Gesetz erhoben wird, und sollte das durch einen Gerichtshof aufgehoben werden, dann werde ich mich auch politisch mit einer solchen Entscheidung auseinandersetzen,
aber ich lasse nicht von vornherein die Finger davon, nur weil ich Angst habe, irgendjemandem auf die Füße zu treten.
Kolleginnen und Kollegen, wir können bei diesem Punkt angesichts der weltweiten Problematik eigentlich sehr, sehr wenig tun - ich habe es vorhin kurz erwähnt: mehr als 200.000 Kinder sind weltweit davon betroffen. Dabei geht es nicht nur um die Herstellung von Grabsteinen, sondern auch um Sklavenarbeit, das betrifft Prostitution und viele wirklich unangenehme, ekelhafte Dinge, die in der Welt passieren. Unser Antrag betrifft wirklich nur einen ganz kleinen winzigen Schritt. Was machen Sie als Wirtschaftsminister aber? - Anscheinend haben Sie mehr Verständnis für die Steinmetze, die irgendwo etwas in den Handel bringen, als für eine solche internationale Konvention, der man sich nun wohl anschließen kann.
Kolleginnen und Kollegen, ich will die Redezeit von zehn Minuten nicht ausschöpfen, sondern will Sie für die Beratungen in den Ausschüssen ausdrücklich auffordern, diesem Gesetzentwurf endlich zuzustimmen und einen kleinen, winzigen Schritt in der Umsetzung unseres gemeinsamen Beschlusses aus dem Jahre 2007 zu unternehmen, vor allem auch deshalb, Herr Zeil, weil dann der Freistaat Bayern auf die Kommunen ganz offensiv zugehen und sagen kann: Da gibt es eine Landesgesetzgebung; überprüft eure Satzungen, nehmt diese Bestimmungen in die Satzungen auf. Wie gesagt: Damit machen wir einen kleinen, einen ganz, ganz kleinen Schritt zu mehr Sozialverträglichkeit in der Welt.
Im Übrigen - das noch als ein letzter Hinweis - haben Sie in diesem Beschluss auch vorgesehen, dass Sie bei der Neugestaltung des Vergaberechts öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit geben werden, bei Ausschreibungen ökologische und soziale Kriterien zu berücksichtigen. Ich erinnere daran, dass wir erst vor einigen Wochen ein Vergabegesetz vorgelegt haben, das Sie ausdrücklich vom Tisch gewischt und wieder einmal abgelehnt haben. Ich erinnere auch daran, dass irgendjemand von der CSU gefragt hat, wo denn
eigentlich die Schwarzarbeit sei, wie das beim Bau üblich sei. Ich erinnere daran, dass die "Süddeutsche Zeitung" vor einigen Tagen einen sehr umfangreichen Bericht über München veröffentlicht hat; lesen Sie ihn.
Wir sind doch gar nicht immer darauf angewiesen, die Namensgeber solcher Gesetzentwürfe zu sein. Vielleicht raffen Sie sich ja dazu auf und bringen in den nächsten Wochen und Monaten einen eigenen Gesetzentwurf zur Tariftreue ein. Wir werden ihm gerne zustimmen und sehen dem mit Interesse entgegen.
Kolleginnen und Kollegen, es gibt keinen Grund, unseren Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Kolleginnen und Kollegen von CSU und FDP, die die Regierungskoalition in Bayern stel
len, reden drumherum, reden sich heraus, kommen aber nicht auf den Kern zu sprechen.
Es ist interessant - Kollege Beyer hat es schon erwähnt -, dass sich weder CSU noch FDP in den Ausschüssen oder in der Ersten und der Zweiten Lesung hier im Plenum wirklich inhaltlich mit diesen Vorschlägen auseinandergesetzt haben.
Sie behaupten, wir hätten keinen Handlungsbedarf. Ich sage Ihnen: Selbstverständlich haben wir Handlungsbedarf. Diese Gesetzesvorlage, die von uns entwickelt wurde, gibt sowohl dem Freistaat als auch den Kommunen klare Vorgaben, vor Vergabe ihrer Aufträge die Angebote anhand bestimmter Kriterien zu prüfen. Insbesondere geht es darum, ob die Standards eingehalten werden.
Kolleginnen und Kollegen, Sie können doch nicht ernsthaft jedes Jahr 4 bis 4,5 Milliarden Euro Steuergelder allein vom Freistaat Bayern investieren lassen wollen, sich aber nicht sicher sein - und auch keine gesetzliche Handhabe fordern -, ob diese Gelder tatsächlich nach sozialen und ökologischen Kriterien verwendet werden. Was ist denn das für eine Auffassung?
Sie sagen - das ist der eigentliche Kern -, dass Sie den Mindestlohn nicht wollen. Die FDP steht dazu. Wenn aber von dem Kollegen der CSU argumentiert wird, das mache nichts, weil die Menschen dann durch Transferleistungen staatlich subventioniert würden, dann frage ich Sie: Wollen Sie das bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ernsthaft zulassen? Wollen Sie zweimal subventionieren? Nachdem schon einmal Steuergelder in Umlauf gekommen sind, sagen Sie, die Menschen würden zu gering bezahlt, sodass noch staatliche Transferleistungen draufgelegt werden müssen. Wir sollten allen Steuerzahlern in Bayern deutlich vermitteln, was hinter diesem Verständnis steckt.
Den Vorwurf, wir wollten unnötige Bürokratie schaffen, kann ich gleich gar nicht hören. Dann schaffen wir doch die Gesetze ab! Was haben Sie eigentlich für ein Staatsverständnis? Selbstverständlich macht ein Gesetz Vorgaben. Wir wissen, dass nicht alle Menschen so gesetzestreu sind, dass sie jede Bestimmung von A bis Z einhalten. Also muss es Kontrollen geben. Jede Tempo-30-Regelung in Bayern wird von der Polizei kontrolliert. Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen geht es - ich betone es - um sehr viel
Geld, mit dem man sorgfältig umgehen muss. Man muss sich genau anschauen, welches Krankenhaus man subventioniert. Ebenso genau muss man den Lauf der Gelder prüfen, das heißt, bei wem sie letztlich ankommen. Zu behaupten, das sei Bürokratie, halte ich für völlig daneben. Sie müssen unbedingt Ihr Staatsverständnis überprüfen!
Ich komme nun zu dem von den FREIEN WÄHLERN thematisierten Punkt der Frauenförderung. Ihr seid ja nun auch vom Netz.
- Na, hinterm Mond. - Sie haben es vielleicht mitbekommen: Wir diskutieren inzwischen über die gesetzlichen Vorgaben für eine Frauenquote in Aufsichtsräten bei DAX-Unternehmen, und nun kommen Sie mit Frauenförderungen, die wir vorgeben und im Tariftreuegesetz relativ sanft formuliert haben. Inzwischen erwarten wir alle - Frau Haderthauer als Familienministerin an erster Stelle - von den Unternehmen, dass diese auch Frauenförderung betreiben, gerade im Hinblick auf einen zukünftigen Fachkräftemangel. Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, für ein wenig klüger hätte ich euch gehalten.
Ich habe es gemerkt, die rote Lampe ist aufgeleuchtet. Es waren neun Sekunden mehr, und ich danke für die Geduld.
Wer lesen kann, ist im Vorteil. Herr Muthmann, in unserem Gesetzentwurf steht ausdrücklich: "… gilt nicht für Betriebe, die in der Regel weniger als zehn Beschäftigte haben". Ihr Beispiel mit drei Mitarbeitern fällt schon mal nicht darunter. Wer lesen kann, ist im Vorteil.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal ein Lob an die GRÜNEN: Ich darf euch bescheinigen, dass ihr euch wirklich sehr viel Mühe beim Zusammenstellen der Interpella
tion gemacht habt. Die Interpellation war auch wirklich sehr interessant zu lesen.
Ich möchte an dieser Stelle gleich darauf hinweisen, dass auch die SPD den Diskussionsprozess im Parlament belebt hat. Wir haben das Integrationsgesetz entwickelt und hier eingebracht. Darauf möchte ich aber an anderer Stelle eingehen. Jedenfalls gibt uns die Interpellation heute Gelegenheit, das Thema Integration grundsätzlicher zu betrachten. Das will ich jetzt versuchen.
Seit sechs Jahrzehnten erleben wir Zuwanderung in unser Land. In diesem Jahr feiern wir den 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei. Wir alle mussten lernen, dass nicht nur Arbeitskräfte, sondern Menschen kamen, die zwischenzeitlich ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland und in Bayern haben und deshalb zu Mitbürgern geworden sind. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wer als Erster erkannt hat, dass die Menschen, die zu uns kommen, auch integriert werden müssen. Wir Sozialdemokraten können für uns in Anspruch nehmen, dass bereits 1979 unter Führung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der noch heute hoch geschätzt wird, der erste Ausländerbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland, Heinz Kühn von der SPD, von notwendigen Integrationsmaßnahmen gesprochen und gleichzeitig Deutschland als Einwanderungsland bezeichnet hat.
Der Streit darüber, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, dauert leider bis heute. Erst im November 2010 haben Sie, Frau Haderthauer, in Ihrer Regierungserklärung wieder einmal verkündet, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Sie schicken die entsprechende Broschüre wahrscheinlich auch noch tausendfach im Land herum. Diese Einschätzung verdeutlicht gleichzeitig eine Haltung, die darauf abzielt, Zuwanderung abzuwehren. Sie vermittelt das Bild einer geschlossenen Gesellschaft. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wenn man die Fakten zur Kenntnis nimmt, wird deutlich, dass die Einwanderung unser Land sowohl kulturell als auch wirtschaftlich bereichert hat.
Des Weiteren möchte ich Sie mit Aussagen konfrontieren, die Sie immer wieder leichtfertig machen. Ein Beispiel ist die Aussage, Multikulti sei tot. Was heißt das eigentlich? Multikulti heißt Anerkennung kultureller Unterschiede statt Gleichmachung oder Marginalisierung. Was ist daran tot? Das frage ich Sie. Gerade die kulturellen Unterschiede machen unser Zusam
menleben so lebendig und kennzeichnen eine moderne Gesellschaft.
Gerade in der globalisierten Welt, in der wir leben, ist das Wissen um die Lebenswelt aller anderen Völker eine Chance, die wir ergreifen sollten, wenn wir weiterhin beim Export die Nummer eins sein wollen. Die Große Koalition in Berlin - Schwarz-Rot - hat deshalb folgerichtig einen nationalen Integrationsplan entwickelt, der eine Abkehr vom bisherigen Integrationsverständnis in drei zentralen Punkten fordert:
Erstens: Zukünftig muss es verstärkt darum gehen, Zuwanderer in unserer Gesellschaft vorrangig an ihrem Potenzial und nicht an ihren Defiziten zu messen.
Zweitens: Integrationspolitik braucht ein Gesamtkonzept und nicht nur ein Bündel von Einzelmaßnahmen.
Drittens: Integration beginnt mit einem Zugehörigkeitsgefühl. Es geht um die Identität des Menschen. Das hat uns Herr Neumeyer auch bestätigt.
In diesem Zusammenhang geht es auch um die Aufnahmebereitschaft der Mehrheitsgesellschaft. Die Bayerische Staatsregierung - ich wundere mich, dass Herr Neumeyer das nicht zitiert hat - hat von der Universität Bamberg eine Studie erstellen lassen, die sehr interessant ist und den aktuellen Stand der Migration in Bayern abbildet. In dieser Studie wird aufgrund eines Forschungsbefunds festgestellt - ich zitiere -: "Damit lassen sich auch an dieser Stelle wiederum Hinweise auf eine mangelnde Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft und deren geringes Interesse an den Menschen mit Migrationshintergrund entnehmen, worin" - jetzt werden die Namen von zwei bekannten Migrationsforschern genannt "nach Wippermann und Flaig das eigentliche Integrationsproblem in Bayern besteht." Das bedeutet: Die Mehrheitsgesellschaft ist gefordert.
Wenn das so ist - das sagen die Migrationsforscher -, ist es besonders entscheidend, was die politisch Verantwortlichen in diesem Land zur Meinungsbildung in unserer Gesellschaft beitragen. Bei der Staatsregierung gibt es erhebliche Defizite. Frau Haderthauer, leider sind Sie alleine. Ich möchte Herrn Seehofer zitieren, der manchmal noch schärfer ist als Sie. Ich zitiere aus einen Interview des "Focus" mit Horst Seeho
fer vom Oktober 2010 - das ist noch nicht sehr lange her: "Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen."
"Mehr als zwei Drittel der Antragsteller missbrauchen unser Gastrecht." Frau Haderthauer, das Zitat stammt von Ihnen.
Ich könnte diese Zitate fortsetzen. Sie sind jedoch so schlecht, dass ich sie gar nicht häufiger vortragen möchte. Jedem müsste klar sein, vor allem den Verantwortlichen in der Politik, dass solche Vorurteile sich nicht positiv auf die Mehrheitsgesellschaft auswirken, sondern Vorurteile noch verstärken.
Insgesamt mussten wir feststellen, dass die Bayerische Staatsregierung vorwiegend die leistungsstarken Zuwanderer anerkennt und schätzt. Auf eine Frage der GRÜNEN, ob Anerkennung und Wertschätzung nicht grundlegende Haltungen seien, nicht erst Belohnung für gelungene Integration, antwortet die Staatsregierung, dass Integration in Bayern vor allem dadurch Anerkennung finde, dass Leistung sich lohne und Leistung als wichtiger gesellschaftlicher Beitrag gesehen werde. Tatsächlich müssen auch den Flüchtlingen Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht werden, die mit nichts kommen außer dem, was sie am Körper tragen. Die Fähigkeiten der Flüchtlinge sind zunächst noch nicht wirtschaftlich verwertbar. Jedoch steckt auch in den Flüchtlingen ein erhebliches Potenzial.
Als wirtschaftlich hochentwickeltes Land hat Bayern die Aufgabe, internationale Verpflichtungen zu erfüllen und den Schutzsuchenden eine menschenwürdige Behandlung angedeihen zu lassen.
Soviel zum Integrationsverständnis der Staatsregierung. Mir war es wichtig, dieses herauszuarbeiten.
Es geht auch um die Haltung, welche Grundlage Ihres Handelns ist.
Es gibt ein bayerisches Integrationskonzept. Der Hintergrund für die Interpellation der GRÜNEN ist das Integrationskonzept "Aktion Integration" der Staatsregie
rung aus dem Jahr 2008. Darin ist festgehalten, dass sich Bayern seit 2009 einen Integrationsbeauftragten leistet, den wir auch sehr schätzen. Seit Januar 2010 existiert ein Bayerischer Integrationsrat. Beide haben allerdings nur eine beratende und unterstützende Funktion. Sie können ihre Beschlüsse und Anregungen der Staatsregierung lediglich zuleiten. Mehr Rechte haben sie nicht.
Es ist eine Spezialität der Bayerischen Staatsregierung und der Mehrheitsparteien im Landtag, zahlreiche Arbeitskreise, Kommissionen, Foren und vieles mehr zu gründen. Dort wird mit Fachleuten zusammengearbeitet, die eine hohe Kompetenz vorweisen. Deren Anregungen bleiben jedoch oft ungehört im Raum. Das Bayerische Integrationskonzept müsste längst überarbeitet werden, und zwar, Frau Haderthauer, unter Beteiligung der Betroffenen, nämlich der Migrantenorganisationen, der Wohlfahrtsverbände und der vielen Ehrenamtlichen in diesem Land. Diese leisten im Integrationsprozess Erstaunliches.
Hinzu kommt, dass Sie Ihren Integrationsbeauftragten, Herrn Neumeyer, ernst nehmen müssen. Ich sehe in Ihre Reihen. Herr Neumeyer, ich fand Ihre Rede super. Es war eine gute Rede. Kolleginnen und Kollegen, wer von Ihnen hört zu?
Wir haben heute nicht die Zeit, alle Elemente dieses Aktionsplans und der Interpellation durchzugehen. Deshalb habe ich mir einfach eine Auswahl gegönnt. Ich bin froh, dass ich mir gerade diese Auswahl gegönnt habe. Ich konnte mir schon denken, was kommt. Frau Kollegin Ackermann hat viel über den Bildungsprozess gesprochen. Zu den vielen genannten Zahlen kann ich nur wenig hinzufügen. Der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen will ich mich anschließen.
Ich will mich dem Thema Sprachförderung widmen. Diese, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist für Sie immer das wichtigste Element. Die deutsche Sprache ist tatsächlich ein wesentliches Element der Integration. Die Staatsregierung verweist in diesem Zusammenhang immer auf die frühkindliche Sprachförderung und ihr Programm "Vorkurs Deutsch". Ja, es ist richtig: Kinder müssen so früh wie möglich abgeholt werden, damit die sprachlichen Fähigkeiten vertieft und entwickelt werden. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, Frau Haderthauer, dass dieses Programm erst seit neun Jahren existiert. Wir haben jedoch schon seit 60 Jahren Zuwanderung.
Erst seit dem Schuljahr 2008/2009 kann man überhaupt von einer Wirkung reden.
In der von mir bereits erwähnten Studie der Universität Bamberg wird dieser zentrale Baustein der Staatsregierung - Frau Haderthauer, das können Sie alles nachlesen - scharf kritisiert. Dort wird festgestellt, dass das Programm erhebliche Defizite hat. Bei einer Befragung der Grundschullehrer haben nur 13 % aller Grundschullehrer ausgesagt, dass sie mit der Durchführung des Programms keine Probleme hätten. Im Umkehrschluss heißt das: 87 % der Grundschullehrer haben Probleme mit der Umsetzung. Deshalb geht es nicht um ein halbvolles oder ein halbleeres Glas Wasser, sondern um deutliche Defizite.
Die Defizite bestehen vor allem in personeller und organisatorischer Hinsicht. Vor allem im ländlichen Raum kommen oft gar keine Kurse zustande. Es gibt auch grundsätzliche Kritik an diesem Programm. Das Programm separiert die Kinder. Wir brauchen ein integratives Konzept mit dem Ziel der Sprachförderung von der Krippe bis weit in die Schulzeit hinein. Die frühkindliche Bildung und der erfolgreiche Spracherwerb - Herr Neumeyer, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das Stichwort erwähnt haben - funktionieren ohne die Eltern nicht. Die Eltern müssen mitgenommen werden. Frau Haderthauer, mich ärgert das Eigenlob der Staatsregierung besonders. Bevor ich in den Landtag kam, war ich 13 Jahre Stadträtin in Nürnberg, einer großen Stadt in Bayern.
- Vielen Dank. Herr Freller, Sie können bestätigen, dass wir bereits Anfang der Neunzigerjahre über Elternbildungsprogramme und Sprachförderung für Kinder gesprochen haben. Das erste Programm hieß "Mama lernt Deutsch". Das Programm ist in einer Frankfurter Schule erfunden worden. Später kamen "HIPPY", "Opstapje" und "PAT-Parents as Teachers" hinzu. In der Interpellation wird dazu von der Staatsregierung ausgeführt, dass diese Programme begrüßt würden - wunderbar. Im nächsten Satz steht jedoch, dass Sie dieses Programm nicht mit einem Euro unterstützen könnten. Wo bleiben die vielfältigen Ankündigungen der Staatsregierung, Familien zu unterstützen und zu fördern?
Wie so oft, sind die Kommunen Vorreiter gewesen. So verschickt zum Beispiel die Stadt München bereits seit 40 Jahren Elternbriefe mit wichtigen familienpolitischen Angeboten an alle Migrantenfamilien. In der Stadt Nürnberg erhalten Eltern bei der Geburt des
Kindes vom Standesamt ein Willkommenspaket und damit eine Hilfestellung vom ersten Tag des Lebens des Neugeborenen an. Die Staatsregierung hat in der Vergangenheit stets Programme und Initiativen, die auf kommunaler Ebene ins Leben gerufen wurden, zwar begrüßt, aber nie finanziell unterstützt. Das ist leider auch heute noch so.
Die Vorkurse Deutsch müssen dringend evaluiert werden und zu integrativen Konzepten ausgebaut werden. Elternbildungsprogramme brauchen die finanzielle Unterstützung der Staatsregierung.
Die Sprachförderung in der Grundschule muss dringend ausgebaut werden, und die Kinder mit Schwierigkeiten müssen individuell gefördert werden. Am Rande sei erwähnt - das ist besonders ärgerlich -, dass bei der Einführung des Programms Vorkurse Deutsch der muttersprachliche Ergänzungsunterricht komplett gestrichen wurde. Dazu will ich Ihnen ein kleines Beispiel zeigen. Es stammt nicht von mir, sondern von einem bekannten Journalisten, der für den größten nordbayerischen Verlag arbeitet. Er ist ein sehr erfolgreicher Journalist türkischer Herkunft. Er schreibt in der Broschüre "Aufstieg durch Bildung", herausgegeben durch das türkische Konsulat in Nürnberg, einige Sätze. Er erzählt seine Lebensgeschichte, wie er nach Deutschland kommt, nur die Worte Ball, Banane und Brot kennt, dann von seinen Eltern aufs Gymnasium geschickt wird und nachmittags einen muttersprachlichen Ergänzungsunterricht besucht. Er beklagt sich in dieser Geschichte, dass er als Kind nicht eingesehen hat, dass er das tun musste. Dann schreibt er weiter, was ihm das gebracht hat: Sie, diese muttersprachlichen Ergänzungsunterrichte, haben mir ein felsenfestes muttersprachliches Fundament mit auf den Weg gegeben, ohne das mein Deutsch vermutlich nicht annähernd so gut gewesen wäre, wie es heute ist.
Ein erfolgreicher Journalist sagt also: Muttersprache ist das Fundament. Das sagen auch alle Sprachwissenschaftler. Die Staatsregierung will davon aber nichts mehr wissen. Wenn man mit dem Innenminister darüber diskutiert, wird es ganz furchtbar. Ich habe das in Erlangen ja schon einige Male getan.
Ich komme langsam zum Fazit. Nimmt man sich die Interpellation und die von der Universität Bamberg erstellte Studie im Einzelnen vor, so stellt man fest, dass es viele erfolgreiche Integrationsprojekte in Bayern gibt. Entstanden sind diese jedoch vor allem in
den großen Städten Bayerns, in denen das Thema Integration schon seit mehr als zwei Jahrzehnten auf der Tagesordnung steht. Bekanntermaßen sind die großen Städte in Bayern schon seit vielen Jahren sozialdemokratisch geführt und regiert; dort wird Integration tatsächlich gelebt.
Die Bayerische Staatsregierung hat erst vor wenigen Jahren das Thema für sich entdeckt und brüstet sich jetzt mit Erfolgen, die andere vorbereitet haben. In diesem Zusammenhang ist es einfach eine Unverschämtheit, wenn die Staatsregierung in der Beantwortung der Interpellation feststellt, dass es keinerlei finanzielle Zuwendung für die Integrationspläne der Kommunen gibt und in der Zukunft geben wird. Das ist ein wörtliches Zitat aus der Interpellation.
Wie so oft werden die Kommunen hier allein gelassen.
Die Kommunen werden aber nicht nur vom Land Bayern hängen gelassen, sondern müssen auch massive Kürzungen vonseiten der Bundesregierung verkraften. Ich nenne einige Beispiele: Die faktische Streichung des Städtebauförderprogramms "Soziale Stadt" ist besonders ärgerlich, weil damit nicht nur in Beton, sondern in konkrete Projekte investiert wird, mit denen in den Stadtteilen, dort, wo Probleme vorhanden sind, das Zusammenleben begleitet wird. Es ist nicht nachvollziehbar, warum man diese Programme kürzt.
Die Kürzungen bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen treffen natürlich insbesondere auch Migranten. Viele Wohlfahrtsverbände engagieren sich seit Jahren im Bereich der Migration. Ich nenne beispielsweise die AWO Nürnberg, die eine eigene Abteilung hierfür hat. Ich kann das sehr gut beurteilen. Herr Neumeyer, wir haben sie zusammen besucht; Sie waren begeistert.
Die Wohlfahrtsverbände haben allerdings das Problem, dass sie immer schlechter finanziert werden. Ich nenne das Thema Asylberatung. Wir haben erst einen Antrag gestellt, der von der Mehrheit leider abgelehnt wurde. Ich nenne das Thema Migrantenberatung. Es ist zu befürchten, dass sich diese Beratungsstellen mangels Refinanzierung zukünftig herausziehen werden. Im Klartext heißt das: Finanzielle Unterstützung vonseiten des Freistaates fließt spärlich. Die Bundesregierung dreht den Geldhahn ebenfalls zu. Kommu
nen, Wohlfahrtsverbände und alle, die sich um die notwendige gesellschaftliche Aufgabe der Integration bemühen, sind auf sich alleine gestellt. Deshalb, Frau Kollegin Haderthauer, erhebe ich den Vorwurf: Integration in Bayern ist nicht wegen, sondern trotz der Staatsregierung insgesamt auf einem guten Weg.
Das Bewusstsein dafür, dass wir in einer Gesellschaft leben, die sich multiethnisch zusammensetzt, Frau Haderthauer - das kann keiner bestreiten -, ist eine wesentliche Grundlage für alle Integrationsbemühungen. Schon deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, mit welcher Sprache Sie mit diesem Thema umgehen. Ich kann an Sie, Frau Haderthauer, nur appellieren: Überlegen Sie sich solche Sätze, solche Thesen; überlegen Sie sich, wie das bei den Menschen ankommt, die im Land leben und vielleicht noch zu uns stoßen wollen.
Für uns Sozialdemokraten ist Deutschland ein offenes Land, eine offene Gesellschaft. Wir wissen, dass unsere Zukunft, unser künftiger Platz in der Welt und unser Wohlstand auch davon abhängen, dass wir die Vielfalt und Offenheit unseres Landes erhalten und gestalten. Ich erinnere nochmals an unser Integrationsgesetz, in dem wir gerade die Teilhabe von Migranten ganz oben ansiedeln.
Kolleginnen und Kollegen, Integration geht uns alle an: die, die schon da sind, die, die vielleicht noch zu uns wollen, aber vor allem auch die, die schon immer hier sind.
Frau Staatssekretärin, können Sie in etwa eingrenzen, bis wann dieser Bericht vorliegen wird? Es ist jetzt genügend beteuert worden, dass wir alle an diesem Ziel arbeiten. Aber wir wollen die klare Abklärung der rechtlichen Möglichkeiten. Also bis wann?
Was heißt "ganz schnell"?
Wir werden dann natürlich beantragen, dass der Bericht auch mündlich gegeben wird. Ich bitte, gleich zur Kenntnis zu nehmen, dass man in den entsprechenden Ausschüssen mündlich berichtet, damit wir nachfragen können. Mit einem schriftlichen Bericht geben wir uns nicht zufrieden.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, einen schönen guten Morgen. In einem Punkt haben Sie recht, Kollege Seidenath, aber wirklich nur in einem Punkt: Wir brauchen zu diesem Thema eine verantwortungsbewusste gesellschaftspolitische Diskussion, die auch die Menschen in Bayern mitnimmt und die der Verantwortung gegenüber den Menschen, die in Bayern Schutz und Hilfe suchen, gerecht wird.
Dazu brauchen wir in erster Linie eine Sozialministerin, die ihre Aufgaben wahrnimmt und keinen zweiten Innenminister.
Denn der Job des Innenministers ist bereits besetzt und er macht ihn auch ganz gut, zwar nicht in unserem Sinne, aber er füllt seinen Job als Innenminister aus.
Die Aufgabe der Sozialministerin ist es, sich für die Aufnahme, die landesweite Verteilung, die Unterbringung und die soziale Versorgung der Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, einzusetzen. Dabei ist einiges nicht in Ordnung, Kollege Seidenath. Seit mehreren Monaten diskutieren wir im Sozialausschuss die zum Teil katastrophalen Zustände in den Unterkünften in Bayern. Und es ist noch nicht viel passiert seit der Anhörung im April des Jahres 2009.
Wir reden über Überbelegung, völlig beengte Zustände. Wir reden über Kakerlaken in den Unterkünften, heruntergekommene Sanitäreinrichtungen, Küchen, in denen Sie alle, wie Sie hier sitzen, nicht mal eine Tütchensuppe aufkochen würden, so schaut’s da aus.
Das sind die nackten Fakten. Fakt ist auch, dass die Unterkünfte -
Also, Herr Präsident, Sie haben gerade gesagt, die Rednerin hat das Recht, ihre Gedanken ungehindert auszusprechen.
Dann bitte ich, auch gegenüber dieser Seite diesen Vorwurf auszusprechen.
Danke.
Vielen Dank. Darf ich jetzt weiterreden?
Es fehlen Einrichtungen für Menschen, die sowohl psychisch als auch physisch krank sind. Die Wohlfahrtsverbände beklagen seit Langem, dass ihnen die notwendige Zeit für Betreuung und Beratung fehlt und vor allem die Zeit, um sich um die Entwicklung der Kinder zu kümmern.
Die realen Zustände in Bayern - das können Sie nicht leugnen - werden von Kirchen, Sozialverbänden und auch ehrenamtlichen Organisationen angeprangert. Dafür musste sich Frau Haderthauer vor mehr als einem Jahr in den "Tagesthemen" bundesweit rechtfertigen.