Protokoll der Sitzung vom 14.07.2009

Gesetzentwurf der Abg. Georg Schmid, Thomas Kreuzer, Petra Guttenberger und Fraktion (CSU), Franz Maget, Prof. Dr. Peter Paul Gantzer, Harald Güller und Fraktion (SPD), Thomas Hacker, Jörg Rohde, Tobias Thalhammer und Fraktion (FDP) zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (Drs. 16/1582) Zweite Lesung

Es findet keine Aussprache statt.

Der Abstimmung liegen der eben genannte Gesetzent wurf und die Beschlussempfehlung mit Bericht des fe derführenden Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz auf Druck sache 16/1787 zugrunde. Der federführende Aus schuss empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! Das sind jetzt BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN, eine Stimme aus der CSU-Frak tion, keine aus der SPDFraktion. Gibt es Enthaltun gen? Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ein Antrag auf Dritte Lesung wurde nicht gestellt, so dass wir sofort zur Schlussabstimmung kommen. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Gegenprobe! Das sind die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Kollege Nöth. Gibt es Enthaltungen? Keine. Dann ist das Gesetz so angenommen. Es hat den Titel "Ge

setz zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetenge setzes".

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Renate Ackermann u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (Drs. 16/1583) Zweite Lesung

Es findet ebenfalls keine Aussprache statt.

Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf der eben genannten Drucksache zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbrau cherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/1785 die Ab lehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Ge setzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht alle und die SPDFraktion und Fraktion Freie Wähler. Und Frau Pauli wie die Freien Wähler. Gegen stimmen? Das ist die CSUFraktion und FDPFraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist ein Teil von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Gesetzentwurf ist damit abgelehnt.

Ich rufe jetzt auf zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 11, 12 und 13:

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes (heimliche Computerausforschung) (Drs. 16/67) Zweite Lesung

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (Drs. 16/68) Zweite Lesung

Gesetzentwurf der Abg. Thomas Hacker, Dr. Andreas Fischer, Jörg Rohde u. a. (FDP), Georg Schmid, Thomas Kreuzer, Christian Meißner u. a. (CSU) zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes, des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes und des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Drs. 16/1271)

Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abg. Franz Schindler, Florian Ritter, Adelheid Rupp u. a. (SPD) (Drs. 16/1760)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache.

Es wurde eine Redezeit von 20 Minuten pro Fraktion vereinbart. Erste Rednerin ist die Frau Kollegin Tau sendfreund. Ich habe mich schon gewundert, Frau Kol legin, dass Sie so still sitzen geblieben sind.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in diesem Jahr sehr viele Feiern zu dem Jubiläum unseres Grund gesetzes begehen können. Dabei ist uns wieder be wusst geworden, dass das Grundgesetz sehr freiheit lich ist und mit starken Grundrechten ausgestattet worden ist. Nicht nur der wehrhafte Staat ist normiert worden; vielmehr stehen auch die Freiheitsrechte der einzelnen Menschen im Land deutlich im Vordergrund. Ich darf hier nur die Menschenwürde, das Recht auf Asyl, das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, die Unverletzlichkeit der Wohnung und der Privatsphäre, das Brief, Fernmelde und Telekommunikationsge heimnis, das Versammlungsrecht und sogar das Wi derstandsrecht nennen.

Wie sieht aber die Verfassungswirklichkeit aus? Die Freiheitsrechte wurden und werden immer wieder aus gehöhlt. Ich nenne als Stichwort das Asylrecht, von dem praktisch nichts mehr übrig geblieben ist. Die Kontroll und Überwachungsmöglichkeiten der Polizei und des Verfassungsschutzes wurden und werden über die Schmerzgrenze hinaus ausgedehnt, und sie werden zum Teil exzessiv angewandt. Gerade nach dem 11. September 2001 fand ein gnadenloser Wettlauf um die schärfsten Sicherheitsgesetze statt, der unseres Er achtens unserer Verfassung nicht würdig gewesen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Glück immer wieder die Notbremse gezogen und die Politik auf der Bundes und der Landesebene, insbesondere in Bay ern, in die Schranken gewiesen. Ich bin sehr froh, dass zwei neue Grundrechte geschaffen worden sind, ein mal das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - das war im Zusammenhang mit dem Volkszählungs urteil - und zum anderen - jetzt ganz aktuell vom letzten Jahr - das neue Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Das betrifft den E MailVerkehr, die Daten auf dem Computer und alles, was man abspeichern und wieder abrufen kann.

Was ist nach dem 11. September in Bayern gesche hen? Ich nenne einige Beispiele: Die vorsorgliche Te lekommunikationsüberwachung, die vorsorgliche aku

stische Wohnraumüberwachung, das Scannen von Autokennzeichen, was meistens auf den Autobahnen geschieht, der automatische Datenabgleich und die Onlinedurchsuchung, also die heimliche Ausforschung des Computers, sind eingeführt worden. Da die Länder nur im präventiven Bereich auf Grundlage des Polizei aufgabengesetzes zuständig sind, geschieht dies alles - das ist das Besondere - im Vorfeld von möglichen Straftaten, allein wegen einer möglichen Gefahr, dass eine Straftat begangen werden könnte, bzw. allein auf Verdacht. Das ist ein besonders sensibler Bereich; denn gerade in diesem Bereich ist die Gefahr sehr groß, grundlos in eine dieser Überwachungsmaßnahmen zu geraten, weil diese Maßnahmen eben auf Verdacht er folgen können. Sie kennen sicher den einen oder an deren Fall. Auch uns sind sehr viele Fälle bekannt, in denen Menschen grundlos in diese Überwachungsma schinerie geraten sind und dann große Schwierigkeiten hatten, den Verdacht wieder loszuwerden und rehabili tiert zu werden.

Die Eingriffsschwellen für diese vorsorglichen Maßnah men sind viel zu niedrig, weil diese Maßnahmen auf reinen Verdacht hin erfolgen können. Deshalb waren Nachbesserungen immer wieder nötig. Das Bundes verfassungsgericht hat immer wieder Korrekturen an gebracht, zum Beispiel bei dem ursprünglichen bayeri schen Gesetz über die Onlinedurchsuchung. Die CSU hat seinerzeit, als sie noch die Zweidrittelmehrheit in diesem Hause hatte, nicht das Urteil des Bundesver fassungsgerichts zu der gesetzlichen Grundlage in NordrheinWestfalen abgewartet, sondern sie hat gleich ihr Gesetz durchgezogen.

Sie musste dann nachbessern, und dieses Gesetz steht heute wieder auf dem Prüfstand. Auch beim Kennzei chenscanning musste aufgrund eines Urteils des Bun desverfassungsgerichts nachgebessert werden. Aktu ell sind die wesentlichen Bestandteile des Bayerischen Versammlungsgesetzes in einem Verfahren wegen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung außer Kraft gesetzt worden. Die Hauptsacheentschei dung dazu steht noch aus.

In Bayern ist unter der alten CSURegierung leider ein System eingeführt worden, nach dem bei den Sicher heitsgesetzen zunächst einmal die Grenzen überschrit ten wurden, um sich dann von den Verfassungsgerich ten wiederum die Leviten lesen zu lassen. Dieses Vorgehen ist eines demokratischen Rechtsstaats nicht würdig. Wir sehen unsere gesetzgeberische Verant wortung darin, dass wir uns von vornherein in einem Rahmen bewegen, der keinen Anlass für eine verfas sungsgerichtliche Auseinandersetzung gibt, und dass wir die Grundrechte beachten.

Beim Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sehen wir wieder, dass die Grenzen, die das Bundesverfassungs gericht vorgegeben hat, nicht eingehalten sind. Dieser Gesetzentwurf geht wiederum auf Konfrontation mit den bereits vom Bundesverfassungsgericht aufgestell ten Vorgaben. Darüber hinaus geht er auf Konfrontation mit den Bedenken unseres Datenschutzbeauftragten, der ein ganzes Paket an Stellungnahmen zu den Über wachungs und Eingriffsmöglichkeiten nach dem Poli zeiaufgabengesetz und nach dem Verfassungsschutz gesetz zusammengestellt hat. Dieser Gesetzentwurf ist wieder kein großer Wurf, obwohl insbesondere die Kol leginnen und Kollegen von der FDP vollmundig ange kündigt haben, dass sie sich durchsetzen und ein liberales OnlineDurchsuchungsgesetz auf den Weg bringen wollen. Von den Ankündigungen ist nicht viel übrig geblieben. Das, worüber wir heute zu verhandeln haben, ist sehr enttäuschend.

Überhaupt nicht nachvollziehen kann ich die Position der Kolleginnen und Kollegen von den Freien Wählern, die aus welchem Grund auch immer dieses Gesetz mit tragen. Für sie gilt keine Koalitionsdisziplin, die man der FDP vielleicht noch zugute halten kann. Auch die Freien Wähler hatten die Stellungnahme des Datenschutzbe auftragten zur Verfügung. Obwohl die Freien Wähler in früheren Zeiten ihre Kritik an der OnlineDurchsuchung geäußert haben, haben sie jetzt in der Vorberatung die sem Gesetzentwurf zugestimmt. Dazu werden aber die Kolleginnen und Kollegen von den Freien Wählern si cher noch Stellung nehmen.

Man muss zugeben, dass das Gesetz ein paar Verbes serungen enthält. Dies sind aber nur Marginalien. Ein wesentlicher Punkt ist der Wegfall der Begleitmaßnah men. Wohnungen dürfen nicht mehr heimlich betreten werden, um an den Computer heranzukommen. Eine heimliche Wohnungsdurchsuchung darf nicht mehr stattfinden. Auch die Bestimmungen über die Benach richtigungspflichten sind ein bisschen verbessert wor den. Die Frist für die Speicherung der Daten ist etwas verkürzt worden. Die Hürden für den Einsatz der Onli neDurchsuchung und auch der Telekommunikations überwachung sind etwas höher gesetzt worden.

An den vielen grundlegend kritisierten Punkten hat sich aber nichts geändert. Bereits jetzt ist klar, dass erneut Nachbesserungen am Polizeiaufgabengesetz und am Verfassungsschutzgesetz notwendig sein werden. Das gilt nicht nur für die OnlineDurchsuchung, sondern auch für die Wohnraumüberwachung, für die Telekom munikationsüberwachung und für das Kennzeichens canning.

Die wesentlichen Kritikpunkte bei der OnlineDurchsu chung: Wir haben eine viel zu lange Anordnungsfrist. Die Anordnung kann für bis zu drei Monate ausgespro

chen werden. Bei der Telekommunikationsüberwa chung ist die Frist deutlich kürzer. Nachdem der Eingriff der OnlineDurchsuchung deutlich erheblicher ist als die Telefonüberwachung, hätte die Frist kürzer sein müssen. Es gibt Mängel bei der Pflicht zur Benachrich tigung der Betroffenen. Das Verbot der Verwertung von Daten, wenn eigentlich ein Zeugnisverweigerungsrecht Betroffener greifen würde, ist lückenhaft. Die Berufsge heimnisträger sind nur mangelhaft geschützt. Es gibt Berufsgeheimnisträger erster Klasse, die geschützt sind. Wir haben daneben aber auch Berufsgeheimnis träger zweiter Klasse, die nicht geschützt sind. Diese Unterscheidung ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Hier muss auf alle Fälle nachgebessert werden. Sämt liche Berufsgeheimnisträger wie Seelsorger, Rechts anwälte - egal ob sie Strafverteidiger sind oder nicht oder andere Personen, die in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu den Betroffenen stehen, müs sen insgesamt vor solchen Überwachungsmaßnahmen geschützt werden.

Die Protokollierung der Eingriffe und die Kennzeich nung der gewonnenen Daten sind ebenfalls nur lücken haft geregelt. Gleiches gilt auch für die Löschungs pflichten. Ganz wesentlich ist, dass für die Betroffenen ein effektiver Rechtschutz gegen diese Maßnahmen nicht gegeben ist.

Auf ein Problem möchte ich noch eingehen, nämlich auf die parallelen Zuständigkeiten. Einerseits darf die Poli zei, andererseits darf auch der Verfassungsschutz diese Maßnahmen durchführen. Das führt zu etwas verqueren Ergebnissen. Das Bundesverfassungsge richt fordert als Voraussetzung für die OnlineDurchsu chung eine ganz konkrete Gefahr für ein überwiegend wichtiges Rechtsgut. Diese konkrete Gefahr muss vor liegen, um überhaupt eine OnlineDurchsuchung an ordnen zu können und sie durchzuführen. Bei der Abwehr einer konkreten Gefahr sind wir aber sofort bei der Zuständigkeit der Polizei. Dann ist dies nicht mehr Aufgabe des Verfassungsschutzes. Der Verfassungs schutz beobachtet. Für die reine Beobachtungstätigkeit bestimmter Aktivitäten durch den Verfassungsschutz ist dieser Eingriff aber zu gravierend.

Das Verfassungsschutzgesetz leidet außerdem unter dem Mangel, dass es rechtsstaatlichen Grundsätzen insgesamt nicht ausreichend gerecht wird. Als Stich wort erwähne ich nur die vom Bundesverfassungsge richt entwickelte Wesentlichkeitstheorie. Es gibt eine ganze Reihe von nachrichtendienstlichen Mitteln, wie den Einsatz von VLeuten, die Bildung von Legenden für Leute, die eingeschleust werden, Brieföffnungen etc. Diese nachrichtendienstlichen Mittel sind im Ver fassungsschutzgesetz nicht aufgeführt. Die Wesent lichkeitstheorie besagt aber, dass der Gesetzgeber derart wesentliche Befugnisse selbst regeln muss. Die

nachrichtendienstlichen Mittel dürfen nicht nur in einer geheimen Dienstanweisung aufgeführt werden.

Bei der Wohnraumüberwachung nach dem Polizeiauf gabengesetz haben wir keine konkretisierenden Maß stäbe für den Schutz des absoluten Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung. Dieser Kernbereich ist für sämtliche Überwachungsmaßnahmen völlig tabu. Die sen Kernbereichsschutz fordert das Bundesverfas sungsgericht schon eine ganze Weile. Dieser Konkre tisierungsforderung ist der Gesetzgeber in Bayern bisher aber noch nicht nachgekommen. Es muss klar definiert werden, was genau vom absoluten Kernbe reich der privaten Lebensgestaltung umfasst ist.

Beim Kennzeichnenscanning ist der Verhältnismäßig keitsgrundsatz verletzt, weil es keine Beschränkung auf Stichproben gibt. Der automatisierte Abgleich mit den allgemeinen polizeilichen Daten ist zu unbestimmt ge regelt. Außerdem werden beim Kennzeichensacanning weitgehend Strafverfolgungsmaßnahmen durchge führt, denn das Auto, nach dem gesucht wird, ist bereits gestohlen. Deshalb hat Bayern für das Kennzeichens canning gar keine Gesetzgebungskompetenz, weil Bayern nur für präventive Maßnahmen zuständig ist. Strafverfolgungsmaßnahmen werden in der Strafpro zessordnung geregelt. Hier sind wir auch einer Meinung mit dem ADAC. Der ADAC ist normalerweise nicht unser Kronzeuge. Es gibt aber ein sehr gutes Gutach ten von Herrn Professor Roßnagel. Er hat genau dar gestellt, warum das Kennzeichenscanning so, wie es in Bayern betrieben wird, unzulässig ist.

Unsere Gesetzentwürfe sind bestechend einfach. Wir wollen vollständig auf die OnlineDurchsuchung sowohl durch die Polizei als auch durch den Verfassungs schutz verzichten. Wir streichen einen Artikel, der in teressanterweise auch im Gesetzentwurf der Koaliti onsfraktionen gestrichen wird. Leider haben die Koalitionsfraktionen unserem Gesetzentwurf nicht zu gestimmt, obwohl er in diesem Punkt mit ihrem Entwurf identisch ist. Wir wollen jedenfalls den vollständigen Verzicht auf die OnlineDurchsuchung, weil wir darin einen zu starken Eingriff in ein hohes Rechtsgut sehen. Die Beschlagnahmung eines Computers ist eine offene Aktion, gegen die sich der Betroffene mit rechtsstaatli chen Mitteln wehren kann. Hier handelt es sich jedoch um eine heimliche Maßnahme, die dem Betroffenen gar nicht bekannt wird und gegen die er sich nicht wehren kann. Wir halten die OnlineDurchsuchung für kein ge eignetes Mittel, um Verbrechen zu bekämpfen oder im Vorfeld aufzuklären. Sie ist keine geeignete Maßnahme zum Schutz vor Gefahren für Leib, Leben und Gesund heit oder vor Terroranschlägen.

Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel. Von der CSUFrak tion wird immer wieder angeführt, ohne die heimliche

Durchforschung und Überwachung von Computern wäre die SauerlandGruppe nicht aufgeflogen. Dazu muss ich sagen: Die Ermittlungen gegen die Sauer landgruppe richteten sich bereits nach der Strafpro zessordnung; denn Vorbereitungshandlungen zu Ter roranschlägen sind bereits Straftaten. Das BKA hat die Ermittlungen geführt. Es wurde gesagt, dass ein aus ländischer Geheimdienst einen Tipp gegeben hätte. Wir wissen nicht, ob dieser Geheimdienst durch rechts staatliche oder nicht rechtsstaatliche Mittel zu dieser Information gekommen ist. Der wesentliche Teil der Er mittlungen wurde jedoch ganz normal nach den Regeln der Strafverfolgung durchgeführt.

Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass wegen der vagen Möglichkeit, einen Zufallshinweis zu erhalten, ein derart schwerwiegender Grundrechtseingriff gegenüber der Bevölkerung in Kauf genommen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Bezüglich der Tauglichkeit der OnlineDurchsuchung für die Verbrechensbekämpfung bestehen nicht nur bei uns, sondern auch in Fachkreisen erhebliche Zweifel. Spätestens nach der Festnahme der SauerlandGrup pe wird wohl kein Terrorist mehr seine Pläne im Netz oder auf dem eigenen Computer ausbreiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Dr. Manfred Weiß für die CSUFraktion das Wort.

Herr Präsident, Hohes Haus! Ich muss zunächst einmal Frau Kollegin Tau sendfreund recht geben: Die Anschläge des 11. Sep tember haben uns aufgerüttelt. Sie haben uns gezeigt, dass wir mit Anschlägen und Verbrechen in einem Aus maß rechnen müssen, das sich vorher keiner vorstellen konnte. Wir befinden uns in der Situation, dass wir uns auf Anschläge vorbereiten müssen, die wir uns gar nicht vorstellen können. Wir müssen uns etwas vorstellen, das nahezu undenkbar ist. Wir müssen dies in dem Be streben tun, die Sicherheit unserer Bürger zu gewähr leisten.

Es gab nicht nur die Anschläge vom 11. September. Die Anschläge in Madrid und London haben uns gezeigt, dass so etwas überall auf der Welt geschehen kann. Sie haben die SauerlandAttentäter angesprochen. Hier hatten wir großes Glück, dass nichts passiert ist. Wir kennen die gegenwärtige Sicherheitslage, in der die Behörden sagen, dass eine gewisse Gefahr bestünde, dass bei uns durch einen terroristischen Anschlag Ein fluss auf die Bundestagswahl genommen werden soll, wie das auch in Madrid der Fall war.

Wir haben eine brisante Sicherheitslage. Deshalb halte ich es für die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der verantwortlichen Politiker, sich Gedanken darüber zu machen, wie diesen Gefahren begegnet werden kann. Wir haben deshalb mit dem Gesetz vom 8. Juli 2008 der Polizei und den Verfassungsschutzbehörden die Mög lichkeit eröffnet, unter ganz engen Vorgaben verdeckt auf informationstechnische Systeme zuzugreifen. Wir haben damals nicht gegen Verfassungsrecht versto ßen, sondern die damals aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008 zur Grundlage gemacht. In diesem Urteil hat das Verfas sungsgericht entschieden, dass es ein Grundrecht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und die Integrität informationstechnischer Systeme gibt. Das Gericht hat aber auch deutlich gesagt, dass dieses Recht nicht schrankenlos gilt, sondern dass unter bestimmten engen Grenzen darin eingegriffen werden kann.

Wenn ein Politiker weiß, dass eine riesige Bedrohung da ist, und eine Entscheidung des Bundesverfassungs gerichts vorliegt, die ihm die Möglichkeit zum Eingreifen eröffnet, ist es die Aufgabe dieses Politikers, auszulo ten, wie weit er gehen kann. Wir haben damals die Praktiker angehört, kontrovers diskutiert und uns dann entschlossen, den Rahmen, den uns das Bundesver fassungsgericht vorgegeben hat, voll auszuschöpfen. Wir haben dies einerseits wegen der riesigen Bedro hung für unsere Bürger getan und andererseits des halb, weil wir wissen, dass diese Möglichkeiten, die wir der Polizei und dem Verfassungsschutz gewähren, an Organisationen gegeben werden, die sich an das Ge setz halten und für die der Grundsatz der Verhältnis mäßigkeit gilt.