- Noch regieren Sie in Berlin. Möglicherweise regieren Sie aber nicht mehr lange. Deswegen sage ich ganz klar: Der nächste Schritt, die Regelung des Kernbe reichs, steht auf der Agenda. Wir haben uns das vor genommen, und wir werden das umsetzen. Sie be haupten, wir nähmen eine verfassungswidrige Situation in Kauf. Die FDPFraktion hat dieses Gesetz nicht er lassen. Wir haben dieses Gesetz nicht verabschiedet, sondern haben dafür gesorgt, dass es jetzt geändert wird.
Unser Anliegen war es, die zentralen Punkte zu korri gieren. Das ist uns gelungen. Es wird einen zweiten Schritt geben, in dem weitere Punkte korrigiert werden. Wir werden dies im Einvernehmen mit unserem Koali tionspartner tun. Ich kann Ihnen versichern, dass es dabei sowohl um die Berufsgeheimnisträger als auch um den Kernbereichsschutz gehen wird. Liebe Kolle ginnen und Kollegen von der SPD, bei den Berufsge heimnisträgern spielen Sie doch dasselbe falsche
Spiel. Sie haben mit dem BKAGesetz zugelassen, dass Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Psychotherapeu ten, Journalisten und viele andere Berufsgruppen nur einen eingeschränkten Schutz genießen. Sie stellen sich hier im Landtag hin und sagen: Es gibt zwei Klas sen. Das sind dieselben zwei Klassen, die es auch im Bund gibt. Ich sage Ihnen: Wir haben das Ziel, diese Regelung für Bayern zu ändern.
Wenn Sie in Berlin der Opposition angehören werden, wird das genauso laufen, wie hier im Landtag. Wir von der FDP werden mit dem Koalitionspartner der Union dafür sorgen, dass die unliberalen Gesetze geändert werden, die andere verbockt haben.
Sie haben die doppelte Zuständigkeit für den Verfas sungsschutz und die Polizei angesprochen. Ich gebe zu, dass es sich dabei um einen Punkt handelt, zu dem man unterschiedliche Auffassungen haben kann. Je doch gibt es gute Gründe, eine strikte Trennung zwi schen Verfassungsschutz und Polizei vorzunehmen und durchzuhalten. Die Diskussion über das BKAGe setz ist noch nicht beendet, da eine Verfassungsbe schwerde eingelegt wurde. Die SPD hat im Bund kein Kompetenzproblem gesehen, ist aber im Landtag davon überzeugt, dass unsere Regelung verfassungs widrig ist. Der ganzen Debatte täte ein bisschen mehr Ehrlichkeit gut. Wir sind ehrlich und sagen, dass wir gerne mehr geändert hätten. Der Koalitionspartner hätte gerne weniger geändert. Das Ergebnis der Ver handlungen ist ein fairer Kompromiss; Ein Kompromiss zum Wohle der Bürger, ein Kompromiss, der nicht auf Sicherheit verzichtet, aber trotzdem Freiraum und Bür gerrechte ermöglicht.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir buchen Flüge und Bahnfahrkarten über das Internet, korrespondieren per EMail, nehmen an elektronischen Foren teil und geben dabei Informationen über unseren Gesundheitszu stand, über unsere Gedanken und über unser Innerstes preis. Fotos, Videos, Musikstücke werden ebenso auf dem Computer gespeichert wie wichtige Dokumente und persönliche Tagebücher. Das Leben spielt immer mehr auf der virtuellen Ebene des World Wide Web, auf der Ebene der Computer und des elektronischen Da tenaustausches statt. Dies lässt einen ganz tiefen Ein blick in die Persönlichkeitsstrukturen des Computeran wenders zu.
Allerdings ist die Welt der Computer nicht nur eine heile Welt, welche sich dem Wahren, Guten und Schönen verpflichtet fühlt, sondern auch eine Welt ohne Tabus, mit abscheulicher, ekelerregender, menschenverach tender Gewalt. Es ist auch die Welt der Kriminellen, der Verbrecher und der internationalen Terroristen.
Hier stellt sich die Frage: Ist es dem Staat erlaubt, einen Computer zu durchsuchen? Ich bin zusammen mit den Freien Wählern der Überzeugung, dass der Staat dies darf, dass er dies tun können muss. Der Staat, dass sind wir, sind wir alle. Der Staat muss sich schützen können.
Der Staat besitzt nach unserer Auffassung das Gewalt monopol und muss daher die Möglichkeit haben, in Computersysteme einzudringen, um, wie es auch das Verfassungsgericht sagt, bei einer dringenden, konkre ten Gefahr hochrangige Schutzgüter, den Staat, die Bürgerinnen und Bürger des Staates, schützen zu kön nen.
Zwar stellt der Eingriff bei einer OnlineDurchsuchung auf der einen Seite einen schweren, nahezu unerträg lichen Eingriff in persönliche Freiheiten dar; auf der anderen Seite ist er aber notwendig, damit überragend hochrangige Schutzgüter vor Gewalttaten geschützt werden können.
Immer wieder wird gesagt, Freiheit und Sicherheit seien Gegensätze, die Freiheit dürfe der Sicherheit nicht ge opfert werden. Aber bedingen die beiden sich nicht gegenseitig? Es gibt doch keine Freiheit ohne Sicher heit.
Wir können in Deutschland, in Bayern, in jeder Stadt, in jeder Gemeinde nur dann in Freiheit leben, wenn wir auch die Sicherheit haben, dass wir vor Verbrechern, Gewalttaten und Terrorismus geschützt werden.
Wo ist denn die Freiheit, wenn wir uns nicht mehr trauen können, auf die Straße zu gehen, weil wir Angst um das Leben unserer Familien und unserer Kinder haben müssen? Wenn wir diese Angst haben müssen, ist Frei heit nicht mehr möglich. Diese Freiheit müssen wir schützen. Dafür brauchen wir auch das Instrument der OnlineDurchsuchung im Rahmen der Grenzen, die durch das Verfassungsgericht gezogen sind und auch noch gezogen werden.
Wie ich informiert wurde, gibt es pro Jahr ungefähr zehn OnlineDurchsuchungen in ganz Deutschland. Wenn man das positiv sieht, bedeutet das für Bayern noch nicht einmal eine Durchsuchung.
Demgegenüber steht der Schutz letztlich auch vor Ter roranschlägen. In Deutschland konnten seit 2001 un gefähr sieben Terroranschläge vom Ausmaß der An
schläge in Madrid und London verhindert werden. Dass es weiterhin so bleibt, setzt voraus, dass unsere Si cherheitsbehörden da möchte ich unsere Schweizer Freunde zitieren gleich lange Spieße haben. Wir müs sen hier also eine Waffengleichheit haben.
Die Frage der OnlineDurchsuchung hat mich persön lich sehr lange bewegt und umgetrieben. Diese Frage ist nicht einfach zu lösen. Man gibt hier wirklich ein Stück Freiheit auf. Aber man muss fragen, wofür man das tut. Da ist eine Güterabwägung vorzunehmen.
Wir haben es vorhin schon gehört: Seit dem 11. Sep tember ist das Undenkbare denkbar geworden, ist das Unvorstellbare vorstellbar geworden. Hier müssen wir uns ganz klar vor eine Alternativfrage stellen: Was wol len wir schützen? Wollen wir einen Plastikeimer mit einer Menge von Drähten und Chips schützen, oder wollen wir uns, die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger von Bayern, schützen?
Wenn man bezüglich einer solchen Frage eine größere Klarheit gewinnen will, lohnt es sich, sich einmal am Hauptbahnhof von München aufzustellen und die Men schen anzusehen. Da kommt der Handlungsreisende und versucht, schnell noch seinen Zug zu erreichen. Da kommt der Wanderer, der, mit einem Rucksack be packt, hinaus in die Berge fahren möchte. Dann ist da die Großmutter mit der Enkelin oder die Familie, die den Vater zu einer Geschäftsreise verabschiedet.
Meine Damen und Herren, das sind die Menschen, die wir schützen wollen. Das ist jedes Kind, jede Frau, jeder Mann im Freistaat Bayern. Sie alle müssen geschützt werden.
Angesichts dieser Fragestellungen halte ich es zum Teil für beschämend, wenn wir eine Diskussion um die On lineDurchsuchung auf rechtsakademische Gespräche verkürzen. Denn nach meiner festen Überzeugung muss die Polizei und muss auch der Verfassungsschutz dieses Instrument haben, um die Freiheit in Bayern si chern und schützen zu können.
Den Freunden in der Opposition möchte ich sagen: Dazu gehört auch die Tatsache, dass nicht jedes Ge setz, das gemacht wird, vor dem Verfassungsgericht bestehen kann. Aber zur Demokratie gehört das Spiel zwischen den Gewalten, zwischen der Justiz und der Legislative. Gesetze werden entwickelt, und es wird um sie gerungen.
Bei der Opposition scheint immer auch ein gewisses Misstrauen gegen den eigenen Staat durch. Dieses Misstrauen kann ich aber nicht mittragen. Man sollte lieber darauf vertrauen, dass wir hoch qualifizierte Si
cherheitsbehörden haben, die gerade dazu verpflichtet sind, die Menschenrechte und die Menschenwürde in Deutschland und Bayern zu schützen.
Wir wollen und dürfen nicht terroristische Bombenleger schützen. Wir müssen die Freiheit in Bayern schützen. Dazu sind wir hier. Wir wollen nicht eines Tages vor der Notwendigkeit stehen, zu sagen: Hier ist ein Terroran schlag mit einer Unzahl von Opfern passiert; wir hätten den Anschlag verhindern können, wenn wir das not wendige Instrument gehabt hätten. Es möchte doch keiner den Zustand haben, dass jemand sagt: Mir war die Freiheit im Internet mehr wert als das Leben der Menschen. Da müssen wir Farbe bekennen. Wenn es auch schwer ist, müssen wir uns zu dem Vorrang der Sicherheit bekennen. Denn diese hat den überragen den Wert.
Bei diesen Überlegungen geht es ja nicht um Anschlä ge, die man zur Kleinkriminalität rechnen könnte, son dern es geht um massenhaften Mord. Diesen gilt es zu verhindern.
Wenn wir bedenken, dass es in Deutschland pro Jahr nur zehn Eingriffe gibt, dann sind die Eingriffe nach meiner Meinung verhältnismäßig.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen. Deswegen habe ich mich nochmals zu Wort gemeldet.
Herr Kollege Streibl, ich glaube, die Tauglichkeit des Mittels der OnlineDurchsuchung wird von Ihnen maß los überschätzt. Nach meiner Meinung müssen wir die Freiheit schützen. Wir dürfen sie nicht aufgeben. Es gehört zu unseren demokratischen Grundsätzen, die garantierten Grundrechte des Einzelnen nicht einfach für ein derart vages, untaugliches Mittel preiszugeben und außer Kraft zu setzen. Wir müssen uns vor Augen halten, dass die Computer inzwischen so etwas wie ein digitales Gedächtnis, ein höchstpersönliches Aufbe wahrungsmittel für Informationen geworden sind.
Herr Fischer, ich bin auf den zweiten Schritt sehr ge spannt, mit dem Sie Verbesserungen durchsetzen wol len. Ich befürchte, dass dies nicht viel sein wird.
Ein Tag der Freude für die Bürgerrechte ist der heutige Tag mit Sicherheit nicht. Die Maßnahmen, die heute durch die Änderungen geschaffen werden sollen, also die Aufhebung der Begleitmaßnahmen, hätten vor dem Verfassungsgericht sowieso keinen Bestand gehabt.
Ich meine die heimliche Wohnungsdurchsuchung und die heimliche Wohnungsbetretung. Von daher wird das Entgegenkommen der CSUFraktion wahrscheinlich gar nicht so schwer zu erreichen gewesen sein, weil sie sich dadurch eine weitere Niederlage vor dem Verfas sungsgericht gespart hat.
Vertrauen ist gut. Sicherlich, Herr Dr. Weiß, grundsätz lich vertraue ich natürlich auch unseren Sicherheitsbe hörden, aber Kontrolle ist einfach besser.
Es kommt leider immer wieder vor, dass Missbrauch mit den Daten getrieben wird. Auch in einer rechtsstaatli chen Demokratie sollten die Eingriffsbefugnisse für die Sicherheitsbehörden nicht überborden.
Wenn wir uns die Kontrollmöglichkeiten anschauen, stellen wir fest, dass es durchaus erhebliche Defizite gibt. Wenn ich mir das ParlamentarischeKontrollgre miumGesetz und die Möglichkeiten der Kontrolle des Verfassungsschutzes anschaue, wird deutlich, dass diese Möglichkeiten sehr dürftig sind.
Ansonsten hätte ich mir in der Diskussion eine ernst haftere Debatte zu der Kritik des Datenschutzbeauf tragten gewünscht. Die Kritikpunkte, die er genannt hat, sind im Ausschuss einfach vom Tisch gewischt worden. Übrigens hat er auch Kritik am KennzeichenScanning geübt, wie es jetzt ausgestaltet ist, und er bestätigt un sere Auffassung, dass die OnlineDurchsuchung beim Verfassungsschutz nichts verloren hat.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich will das nicht allzu sehr verlängern. Zunächst einmal möchte ich dem Kollegen Streibl aus drücklich beipflichten. Es ist in der Tat so, dass durch die rasante Entwicklung der IuKTechnologien und ihrer Bedeutung auch in unserem täglichen Leben die Politik natürlich nach Antworten sucht, denn diese Techniken machen es leichter, viel leichter als vorher, auch ent sprechende Maßnahmen zu ergreifen. Nicht nur die Politik sucht Lösungen. Wenn man die letzten Monate verfolgt, stellt man fest, dass sich auch die Gerichte zu nehmend mit diesen Fragen befassen.
Es drängt mich aber schon, zu sagen, bei all der hehren Diskussion und bei aller Grundsatzdebatte, die manch mal zwangsläufig abstrakt sein muss, sollten wir auch, wenn wir als Parlamentarier im Bayerischen Landtag über diese Angelegenheit reden, bei allen Diskussio nen, die wir führen, eines nicht vergessen: Es geht hier auch um das Sicherheitsbedürfnis unserer bayerischen Bevölkerung, und deswegen ist es wichtig, dass dieser Gesetzentwurf so ausgefallen ist, wie er vorliegt, weil wir damit nämlich diesem Sicherheitsbedürfnis, diesem Sicherheitsanspruch in Bayern Rechnung tragen kön nen und auch in Zukunft Rechnung tragen werden.
Kollege Arnold sagt selbst, dass das ursprünglich von uns beschlossene Gesetz so gar nicht angewendet wurde. Ich weiß nicht, ob das zutrifft. Aber Sie sehen allein daran schon, Herr Kollege Arnold, dass das na türlich die Ultima Ratio ist, dass das natürlich nicht ohne Weiteres angewendet wird und dass wir sehr vorsichtig mit diesen Dingen umgehen.