Andreas Fischer

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Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Arnold, Sie haben auf ein Ereignis verwiesen, das vorgestern auf den Tag genau vor fünf Jahren stattfand. Ich erinnere an das Jahr 2010, als die christlich-liberale Koalition in Bayern ein Versammlungsgesetz geschaffen hat, das freiheitlich und bürgerfreundlich ist. Es ist ein Versammlungsgesetz, das die Bürger von unnötigen Angaben entlastet, das nur wenige Straf- und Ordnungswidrigkeitstatbestände vorsieht und das dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Rechnung trägt.
Ich habe überhaupt nichts gegen Nachbesserungen. Aber das Wort "Nachbesserungen" impliziert, dass etwas besser gemacht werden soll. Das allerdings ist bei keinem der Vorschläge der Opposition der Fall. Im Gegenteil, die Vorschläge sind praxisfremd und unrealistisch in der Handhabung.
Lassen Sie mich im Einzelnen darauf eingehen:
Erstens. Sie verlangen nicht nur, dass Aufnahmen oder Aufzeichnungen offen erfolgen, sondern dies soll für die Betroffenen auch erkennbar sein. Nun frage ich Sie, wie man sicherstellen soll, dass die Versammlungsteilnehmer tatsächlich erkennen, dass Aufnahmen oder Aufzeichnungen angefertigt werden. Worin liegt überhaupt der Unterschied zu dem Hinweis, dass eine Aufnahme oder Aufzeichnung erfolgt? - Ich meine, dass wir das bereits im Gesetz geregelt haben.
Zum Zweiten wollen Sie die Vorschriften über den "Befriedeten Bezirk" aufheben; es wurde sogar von einer "vordemokratischen Regelung" gesprochen. Ich möchte nicht, dass durch Versammlungen vor dem Bayerischen Landtag Druck auf diesen ausgeübt und somit dessen Arbeits- und Funktionsfähigkeit infrage gestellt wird.
Da Sie das Hausrecht angesprochen haben: Dieses gilt hier im Haus, aber nicht auf der Straße davor.
Ich meine, es ist gut, dass dieses Parlament geschützt wird. Die Aufhebung des "Befriedeten Bezirks" könnte vor allem von denjenigen missbraucht werden, die dieser Demokratie und ihren Werten skeptisch gegenüberstehen.
Nächster Punkt: Zulassung von öffentlichen Versammlungen auf privatem Grund. Sie haben zitiert und behauptet, dass diese nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ohnehin schon zulässig seien. Wenn dem so ist, brauchen wir es nicht mehr in das Versammlungsgesetz zu schreiben. Das
wäre überflüssig, es hätte nur deklaratorischen Charakter.
Ich halte dem entgegen, dass es auch ein Grundrecht auf Eigentum gibt. Dieses darf nicht durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgehebelt werden. Es kann sehr wohl im Interesse eines privaten Grundrechtsträgers liegen, dass in seinem Vorgarten keine öffentlichen Versammlungen stattfinden. Da sollte es keine Grauzone geben. Wenn wir in das Gesetz schrieben, dass Versammlungen auf privatem Grund generell zulässig seien, griffen wir zu weit in das private Eigentumsrecht ein.
Ich komme zu den Arbeitskampfmaßnahmen. Die meisten Arbeitskampfmaßnahmen dürften nicht unter den Versammlungsbegriff fallen. Es besteht also kein Bedarf, insoweit etwas zu regeln. Wenn aber eine Arbeitskampfmaßnahme eine Versammlung ist, dann sehe ich keinen Grund, diese zu privilegieren oder schlechter zu behandeln, sondern sie ist so zu behandeln wie jede andere Versammlung.
Damit komme ich zum fünften und in meinen Augen kritischsten Punkt, dem Wegfall der Anzeigepflicht für Versammlungen mit weniger als 20 zu erwartenden Teilnehmern. Möchten Sie wirklich demjenigen, der verpflichtet ist, eine Versammlung anzumelden, in die Hand geben, zu sagen: Ich rechne mit 20 oder 30 oder 40 oder 50 Teilnehmern? Er weiß es doch überhaupt nicht. Im Zweifelsfall, wenn er diese Anzeigepflicht umgehen möchte, wird er die Zahl niedrig ansetzen und anschließend sagen: Ich habe ja nicht gewusst, dass es doch mehr werden.
Ich meine, das ist in der Praxis nicht sinnvoll. Dies ist aber auch inhaltlich nicht sinnvoll; denn es gibt Versammlungen, von denen eine Gefahr ausgeht. Ich sage ganz bewusst: Von den wenigsten Versammlungen geht eine Gefahr aus. Es gibt aber auch solche, von denen eine Gefahr ausgeht. Eine solche Gefahr hängt nicht von der Größe der Versammlung ab. 19 Extremisten sind gefährlicher als tausend friedlich demonstrierende Bürgerinnen und Bürger. Ich möchte nicht, dass eine Gruppe von 18 oder 19 Extremisten, seien es Islamisten, Rechtsextremisten oder wer auch immer, ohne jedes Wissen der Behörden einen Auftritt in der Öffentlichkeit hat, nach Ihrer Regelung vielleicht sogar auf privatem Grund, ohne dass es irgendeine Möglichkeit gibt, dies kritisch zu begleiten. Mir ist völlig klar, dass dies kein Verbotsgrund ist. Darum geht es auch nicht. Es geht aber darum, dass möglicherweise Straftaten im Raum stehen und dass diese von der Behörde nicht verhindert werden können. Deswe
gen sage ich: Das Versammlungsgesetz, das CSU und FDP in dieser Legislaturperiode geschaffen haben, ist freiheitsorientiert und bürgerfreundlich. Dabei sollten wir es belassen.
Frau Kollegin, ich möchte nicht auf all das eingehen, was ich schon ausgeführt habe. In aller Kürze: Zunächst einmal zeigt Ihr Beitrag, dass Sie keinerlei Ahnung von der Praxis haben, was extremistische Versammlungen betrifft. Es gibt sehr wohl extremistische Versammlungen, gerade von Rechtsextremisten, die es nicht darauf anlegen, vorher auf sich aufmerksam zu machen, sondern die überraschend auftreten wollen und gerade den Überraschungseffekt nutzen wollen. Sie zielen darauf ab, ohne Kenntnis der Behörde mit Bannern auftreten zu können, die möglicherweise einen volksverhetzenden Inhalt haben, worauf die Behörde dann erst im Nachgang reagieren kann.
Ich meine sehr wohl, dass unsere Gesellschaft nicht nur den Schutz der Versammlungsfreiheit braucht, sondern dass sie auch Sicherheit braucht.
Versammlungsrecht ist immer eine Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Unser Gesetz wahrt diese Balance; Ihr Gesetzentwurf wahrt sie nicht.
Herr Kollege Arnold, ich habe Ihren Gesetzentwurf genau gelesen. Ich lese in diesem Gesetzentwurf nicht, dass Sie den privaten Raum, der öffentlich zugänglich ist, auf solche Fälle reduzieren wollen. Ich sehe, dass Sie allgemein jeden privaten Raum, der öffentlich zugänglich ist,
ins Gesetz aufnehmen wollen. Deswegen meine ich, dass es unredlich ist, jetzt Beispiele zu finden, die einen kleinen Ausschnitt bedeuten, aber den großen Ausschnitt, für den dies dann auch gilt, nicht zu akzeptieren. Deswegen meine ich, dass Ihr Argument schlicht und einfach nicht zielführend ist.
Herr Kollege, Sie haben etwas zu den Spontanversammlungen gesagt. Ich stelle mir die Frage, ob Sie vielleicht ein kleines Nachstudium des Versammlungsrechtes betreiben sollten. Sie müssten nämlich wissen oder könnten dann lesen, dass man auch für Spontanversammlungen einen Anlass braucht. Sie muss spontan sein. Man darf eben nicht im Internet Tage oder Wochen vorher dazu aufrufen. Es geht um die Fälle, in denen man Rechtsextremisten oder andere Extremisten aus ganz Deutschland herankarren will, in denen man wochen- und monatelang vorher darauf aufmerksam macht. Das kann man eben nicht als Spontanversammlung darstellen.
Deswegen ist Ihre Argumentation auch in diesem Punkt leider nicht zielführend.
Ich kann Ihnen nur empfehlen: Studieren Sie das Versammlungsrecht. Dann würden Sie solche Beiträge nicht liefern.
Herr Präsident, sehr ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 4. Novem ber 2011 haben wir einen Wendepunkt in der deut schen Geschichte erlebt. Das Undenkbare ist Realität geworden: dass nämlich aus einer nationalsozialis tisch geprägten Ideologie über die Zwischenstufe einer aggressiven und gewaltbereiten rechtsextremen Kameradschaft eine Terrorzelle entstanden ist und diese über Jahre hinweg unentdeckt blieb. Die Morde, Bombenanschläge und Banküberfälle des Nationalso zialistischen Untergrunds gehören zweifellos zu den schwersten Verbrechen in der Geschichte der Bun desrepublik.
Inzwischen ist klar geworden: Diese Entwicklung hat sich schrittweise vollzogen, und es handelt sich nicht um eine geschlossene Gruppe, sondern um ein Netz werk. Außerdem ist klar geworden: All dies geschah, ohne dass die Sicherheitsbehörden ein rassistisches Motiv oder die Täterschaft von Nazis ernsthaft in Er wägung zogen, zumindest viel zu spät und viel zu wenig ernsthaft. Bevölkerung, Medien und auch die Politik nahmen das fassungslos zur Kenntnis. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden wurde stark er schüttert. Trotz größter Bemühungen konnten die menschenverachtenden und grausamen Straftaten nicht zeitnah aufgeklärt und aufgedeckt werden.
Mein Mitgefühl gilt natürlich den Hinterbliebenen, die durch diese Morde an ihren Angehörigen, aber auch durch die Ermittlungen großes Leid erfahren mussten. Eine Reihe von Fehleinschätzungen hat hier eine Rolle gespielt. Aber man muss auch sagen: Struktu relle Fehler im System und individuelle Fehlentschei dungen kann man nicht pauschal allen bei den Si cherheitsbehörden Tätigen anlasten. Mein ausdrücklicher Dank gilt deshalb an dieser Stelle all jenen, die sich engagiert und unter Einsatz ihrer Kräf te um die Aufklärung bemüht haben. Polizeiarbeit und Arbeit im Verfassungsschutz bedeuten eben auch, dass nicht jeder Fall aufgeklärt und erfolgreich abge schlossen werden kann.
Ein Jahr lang war es der Auftrag aller Fraktionen im Untersuchungsausschuss, herauszufinden, aus wel chen Gründen es nicht gelungen ist, die mutmaßli chen Täter zu ermitteln. Nach Sichtung von über 400 Akten, der Befragung von mehr als 50 Zeugen und von drei Sachverständigen wurden in 31 Aus schusssitzungen fast 90 Beschlüsse gefasst.
Ich meine, es ist ein gutes Signal, dass der Aus schuss mit einem gemeinsamen Bericht zu Ende ging. Nicht wie bisher üblich wurden ein Mehrheits- und ein Minderheitsbericht verfasst, sondern ein ge meinsamer Bericht beschlossen. Er enthält einen ge meinsamen Sachverhalts-, Bewertungs- und Schlussfolgerungsteil und Handlungsempfehlungen der einzelnen Mitglieder.
Ich möchte an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kol legen im Ausschuss für die konstruktive Zusammen arbeit und den Mitarbeitern des Landtagsamtes für die effektive Unterstützung danken.
Die Frage nach dem Warum hat aber auch dieser Un tersuchungsausschuss nicht abschließend klären kön nen. Es wird sich wohl auch nicht klären lassen, warum es möglich war, dass in unserem Land Täter so lange heimlich und kaltblütig Menschen ermorden konnten, die nicht in ihr Weltbild passten, warum die Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung letztlich ge scheitert sind und warum alle Ermittlungsansätze auch hier in Bayern letztlich ins Nichts geführt haben.
Die Sätze des damaligen Bayerischen Staatsministers des Innern, der nach einem ausländerfeindlichen Hin tergrund gefragt hat, sind heute mehrfach angespro chen worden. Man war nahe dran. Aber auch später war man nahe dran: Spur 195 wäre die richtige gewe sen. Der Profiler Horn hatte angeregt, nach einem männlichen Täter Mitte 20 zu fahnden, der möglicher weise einen Komplizen hat, aus Türkenhass mordet und in der rechten Szene aktiv gewesen war, sich aber daraus zurückgezogen hat. Das war eine sehr
präzise Beschreibung von Mundlos und Böhnhardt: Es geht kaum präziser. Auch Experten des FBI hatten diese Spur gegenüber dem BKA bekräftigt. Sie fertig ten eine Analyse, in der sie tief sitzende Animositäten gegenüber Türken als Motiv annahmen. Doch davon haben die befragten Zeugen, zum Teil nach eigenen Angaben im Untersuchungsausschuss, nichts erfah ren. So führte die Spur 195 nicht zu einem konkreten Fahndungserfolg, obwohl sie in die richtige Richtung wies. Zwei Männer wurden auf Fahrrädern beobach tet. Die Polizeibehörden sahen den Großraum Nürn berg als Verankerungsraum der möglichen Täter an. Sie forderten beim Landesamt für Verfassungsschutz eine Liste aller Rechtsextremen an. Nach monatelan gem Hin und Her erhielten sie eine Liste mit denen, die in zwei Postleitzahlenbereichen der Stadt Nürn berg wohnten.
Man kann nicht sagen, dass die Taten nicht mit dem nötigen Aufwand verfolgt worden wären. Allein in Nürnberg waren 60 Beamte mit dem Fall befasst, bundesweit fast 200. 32 Millionen Massendaten wur den erfasst und ausgewertet, und die Soko Bosporus ist 3.500 Spuren nachgegangen und hat 11.000 Per sonen überprüft, ohne heiße Spur.
Das lag auch daran, dass die Fahnder lange Zeit auf die organisierte Kriminalität festgelegt waren. Auf die zweite operative Fallanalyse, die so nah dran war, die den Täter aus dem rechtsextremen Umfeld beschrie ben hatte, folgte eine dritte, angefertigt vom LKA Ba den-Württemberg, die von dieser Annahme wieder weg und zu dem Schluss führte, dass es sich sowohl um organisierte Kriminalität als auch um einen Einzel täter gehandelt haben könnte.
Wir stehen heute vor der Aufgabe, zu analysieren, was wir aus diesen schlimmen Taten lernen können, was unsere Folgerungen sind, wo Reformbedarf be steht und wo Fehler passiert sind. Ich möchte die Rolle der einzelnen Behörden nacheinander beleuch ten und mit dem Landesamt für Verfassungsschutz beginnen.
Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Gefahr des Rechtsextremismus unterschätzt. Strategien wie das Werwolfkonzept oder führerloser Widerstand waren kaum bekannt, Kenntnisse, die notwendig ge wesen wären, waren nicht vorhanden, und neue Ent wicklungen hatte man nicht mitbekommen. Aber auch organisatorisch gab es Mängel: In der Arbeitsteilung gab es eine Zersplitterung der Aufgabengebiete. So waren bis 1995 die Bereiche Informationsbeschaffung und Informationsauswertung noch getrennt gewesen, was sich im Nachhinein für die Koordinierung der Tä tigkeiten als unpassend erwies. Diese Mängel wurden
mittlerweile erkannt und die Organisationsstruktur wurde angepasst.
Aber eine andere Änderung besteht fort. Im Jahr 1998 wurden die bis dahin bestehenden eigenen Abteilun gen Rechtsextremismus und Linksextremismus zu einer Abteilung Inlandsextremismus zusammengelegt. Sinnvoll erscheint hier - und darüber gibt es ein ge meinsames Votum aller Fraktionen - wieder eine Trennung, eine eigene Abteilung für den Rechtsextre mismus.
Auch bei der Auswahl der Quellen und der Quellen führung beim Landesamt für Verfassungsschutz haben sich Kritikpunkte ergeben. Ob eine Quelle maßgeblich steuernd tätig ist, wurde unterschiedlich behandelt, weil hierfür eben das konkrete und klare Abgrenzungskriterium fehlt.
Ich komme zu den Ermittlungsbehörden, Staatsan waltschaften und Polizei. Hier hat man sich aufgrund der bestehenden Anhaltspunkte frühzeitig auf die or ganisierte Kriminalität festgelegt und wenig Offenheit für Ermittlungen in andere Richtungen gezeigt. Zu spät wurde ein ausländerfeindliches Motiv der Morde für möglich gehalten, und zu schnell wurden die Er mittlungen in diese Richtung wieder aufgegeben. Ein Hauptproblem bestand allerdings in der Kommunika tion zwischen Polizei und Verfassungsschutz einer seits, aber auch zwischen den Verfassungsschutzbe hörden der verschiedenen Länder in Deutschland andererseits.
Damit komme ich zu den Reformen, die aus unserer Sicht notwendig sind. Die Bund-Länder-Kommission hat eine Reihe von Ergebnissen erbracht, die in die richtige Richtung weisen. Die Sicherheitsdefizite ab zudecken, erfordert aber mehr als dieser Bericht. Es darf kein "Weiter so" geben, sondern wir müssen eine Neuaufstellung der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern intensiv diskutieren.
38 Sicherheitsbehörden in diesem Land sind zu viel. Die derzeitigen Strukturen haben sich eben gerade nicht bewährt. Ein Bundesamt für Verfassungsschutz, 16 Landesämter, Kommissariate und Staatsschutz bei allen Landespolizeien, die Bundespolizei, das Bun deskriminalamt, der Militärische Abschirmdienst: Das alles erfordert viel zu viel Kommunikation. Besonders in kleinen Bundesländern ist es kaum möglich, dass solche Behörden effektiv arbeiten können. Auch wenn Bayern als Flächenstaat eine andere Rolle und ein anderes Verständnis hat und deswegen an seinem Landesamt für Verfassungsschutz festhalten sollte, müssen sowohl die Struktur und Arbeitsweise der Bundes- und Landesbehörden, aber auch die ein schlägigen Rechtsgrundlagen auf den Prüfstand. Eine
engere Zusammenarbeit ist das Mindeste, aber auch eine Fusion von Landesämtern für Verfassungsschutz erscheint unseres Erachtens als sinnvoll, zumal dann Personal und Ressourcen effektiver genutzt werden können. Das neu errichtete gemeinsame Extremis mus- und Terrorismusabwehrzentrum, an dem sich 39 Bundes- und Landesbehörden beteiligen, ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt zur Verbesserung der bundesweiten Zusammenarbeit von Polizei und Nach richtendiensten bei der Extremismusbekämpfung.
Nur in wenigen Punkten unterscheidet sich die Ein schätzung der Fraktionen. Wenn man etwas mehr Zeit gehabt hätte, hätte man sich außer hinsichtlich der drei oder vier Punkte, die ich im Folgenden an sprechen werde, vollständig auf einen gemeinsamen Bericht einigen können. Davon bin ich überzeugt.
Ein wesentlicher Punkt besteht in der Frage des Ein satzes von V-Leuten. SPD und GRÜNE wollen künftig auf den Einsatz von V-Leuten verzichten. Doch das Argument, dass auch durch 129 Quellen im NSU-Um feld die Mordanschläge nicht verhindert werden konn ten, kann nicht überzeugen. Denn zum einen wissen wir nicht, ob und wie viele dieser V-Leute wirklich so nah dran waren, dass sie Kenntnis von den Morden hatten, und zum anderen kann man aus dem Versa gen in einem Einzelfall keine allgemeingültigen Rück schlüsse ziehen. Niemand kommt auf die Idee, die Feuerwehr abzuschaffen, wenn ein Brand nicht ge löscht werden kann, ganz im Gegenteil. Außerdem lassen sich die V-Leute nicht leicht ersetzen. Gerade die rechtsextremistische Szene ist weit verzweigt, zu ihr gehören viele kleine Gruppen und Kameradschaf ten. Verdeckte Ermittler könnten niemals die Beschaf fung von Informationen darüber leisten, ganz abgese hen von den Kosten, die für den Staat nicht finanzierbar wären. Ihr Einsatz wäre auch mit erhebli chen Gefahren für Leib und Leben für die betroffenen Beamten verbunden. V-Leute kommen aus der Szene, verdeckte Ermittler werden von außerhalb ein geschleust. Deswegen sind V-Leute auch in Zukunft nicht verzichtbar, und sie sind auch nicht durch tech nische Überwachungsmaßnahmen ersetzbar.
Gerade als Liberaler sage ich ganz bewusst: Techni sche Überwachungsmaßnahmen sind mit massiven Grundrechtseingriffen verbunden. Wohin technische Überwachungsmaßnahmen führen können, zeigt uns der aktuelle Skandal um PRISM und die NSA sehr deutlich. Diese sind auch in der Praxis kaum geeig net, das zu erbringen, was die V-Leute an Informatio nen gewinnen können. Das heißt aber nicht, dass man mit der Rolle der V-Leute zufrieden sein kann, im Gegenteil. Was wir brauchen, sind klare Rahmenbe dingungen für den Einsatz von V-Leuten in den Ver fassungsschutzgesetzen. Was wir zudem brauchen,
sind Standards und ein verlässlicher Rechtsrahmen, und diese Standards müssen bundesweit gelten. Dop pelbeauftragungen von V-Personen in verschiedenen Ländern müssen ausgeschlossen sein. Keinesfalls darf eine Bezahlung von V-Leuten dazu führen, dass beobachtete Gruppen mittelbar über den Verfas sungsschutz finanziert werden.
Der Untersuchungsausschuss hat einmal die Frage aufgeworfen, ob es denn möglich gewesen wäre, dass ein V-Mann aus Sachsen, ein V-Mann aus Thü ringen und ein V-Mann aus Bayern zusammen eine Demonstration organisieren, wobei keiner vom ande ren gewusst hätte, dass es sich um einen V-Mann handelt. Ich habe diese Frage gestellt, und die Ant wort darauf lautete: Das hätten die schon gemerkt, aber ausgeschlossen ist es nicht. Ich glaube, das zeigt uns sehr deutlich, dass wir unser Augenmerk darauf legen müssen, V-Leute durch eine bundeswei te V-Mann-Kartei und geeignete Standards besser zu kontrollieren und zu überwachen.
Der zweite Punkt, in dem sich die Haltung der Koaliti onsfraktionen von einem Entwurf von SPD und GRÜ NEN klar unterscheidet, betrifft die Struktur des Lan desamtes für Verfassungsschutz in Bayern. Ich meine nicht, dass der richtige Weg darin besteht, ein Lan desamt speziell im Hinblick auf den Rechtsextremis mus zuzuschneiden. Die Beobachtung des Rechtsext remismus ist zwar eine wichtige Aufgabe, aber wir müssen auch islamistische Tendenzen und den Links extremismus beobachten.
Des Weiteren bin ich nicht der Meinung, dass es einem Landesamt für Verfassungsschutz verwehrt sein sollte, in den Schulen die notwendige Aufklä rungsarbeit zu leisten. Denn genauso, wie man Poli zeibeamte an die Schulen schickt, um das Thema aus erster Hand den Schülern nahezubringen, ist es sinn voll, wenn aus erster Hand vom Landesamt für Ver fassungsschutz über die Gefahren der Verfassungs feinde informiert wird.
Ich gestehe aber auch zu, dass ich persönlich durch aus Sympathie dafür aufbringe, dass nicht alle Aufga benbereiche, in denen jetzt das Landesamt für Ver fassungsschutz gemäß den Regelungen tätig ist, dort verbleiben. Bei der Bekämpfung von organisierter Kri minalität und Cyber-Kriminalität ergeben sich durch die Tätigkeit der Polizei Reibungsverluste und Dop pelzuständigkeiten. Auch das sollte meines Erachtens zumindest auf den Prüfstand gestellt werden.
Ein weiterer Unterschied zwischen den Koalitionsfrak tionen und SPD und GRÜNEN besteht in der Auffas sung von der Kontrolle des Landesamtes für Verfas sungsschutz. Ich halte es nicht für angemessen, als
Lehre aus den NSU-Morden eine Schaffung von Indi vidualrechten im Parlamentarischen Kontrollgremium vorzusehen. Das Parlamentarische Kontrollgremium hat Rechte als Gremium, und das ist gut so. Das ist vor allem deshalb gut, weil das Parlamentarische Kontrollgremium auch nicht davor gefeit ist, in einer anderen Legislaturperiode zu erleben, dass jemand, der einer extremistischen Partei angehört, in diesem Gremium sitzt. Ich möchte nicht, dass jemand, der selbst rechtsextrem ist, das Landesamt für Verfas sungsschutz beobachtet. Das halte ich für nicht ange messen. Generell sollten wir bei dem Grundsatz blei ben, dass das Recht einem Gremium zustehen soll und nicht dem einzelnen Mitglied.
Schließlich bleibt als vierter Punkt die Frage der zen trale Ermittlungsführung. Natürlich ist es nicht gesagt, dass eine Bundesbehörde besser arbeitet als eine Landesbehörde. Als überzeugter Föderalist bin ich der Meinung, dass es gut ist, wenn die Polizei und die innere Sicherheit auf Landesebene angesiedelt sind. Wenn aber eine Mordserie so viele Bundesländer be trifft – sechs Bundesländer im Falle des NSU – ist es sinnvoll, Erkenntnisse zu bündeln und unnötige Rei bungsverluste zu vermeiden. Das hat gleich drei Vor teile: Es entlastet von unnötiger Kommunikation, es vermeidet Doppelarbeit, von der der jeweils andere nichts weiß, und es schafft Synergieeffekte. Deswe gen habe ich mit Bedauern festgestellt, dass bis zur Abgabe an eine zentrale Ermittlungsführung Monate, sogar Jahre, vergangen sind und sich nichts ergeben hat. Ein Zeuge hat im Ausschuss gesagt: Zuerst woll ten die es nicht nehmen, dann wollten wir es nicht ab geben.
Deshalb sollte die Stellung des Generalbundesan walts in der Sicherheitsarchitektur gestärkt werden. Wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte eine Zuständigkeit begründen, muss gesetzlich klargestellt werden, dass diese zu Ermittlungen führen, bis sich das Gegenteil herausgestellt hat. Außerdem sollte der Generalbundesanwalt ein Verfahren immer an sich ziehen können, wenn sich eine Tat gegen die Bun desrepublik Deutschland richtet und wegen länder übergreifender Taten die zentrale Ermittlungszustän digkeit geboten ist.
Diese Unterschiede täuschen aber nicht darüber hin weg, dass in vielen Fällen Gemeinsamkeiten beste hen. Ich freue mich ausdrücklich darüber, dass alle Fraktionen dieses Hauses am Trennungsgebot fest halten und dass die Aufgabenbereiche von Polizei und Landesamt für Verfassungsschutz klar differen ziert bleiben müssen. Wir haben in unserer Geschich te Zeiten erlebt, in denen dieses Trennungsgebot nicht verwirklicht war. Das dürfen wir nicht wieder zu lassen. Wir haben festgestellt – das haben auch die
Befragungen der Zeugen ergeben –, dass nicht das rechtliche Trennungsgebot ein tatsächliches Problem war, sondern vielmehr das Trennungsgebot in den Köpfen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, Einigkeit be steht auch darüber, dass die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestärkt werden muss. Die Koordinierungsaufgabe eines Bun desamtes für Verfassungsschutz ist in einer solchen Serie, welche die Sicherheit eines ganzen Landes be trifft, stärker auszuprägen. An dieser Stelle müssen wir die notwendigen Schritte einleiten.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Morde des NSU haben gezeigt, wie anfällig unsere Demo kratie für Angriffe von Extremisten ist. Wir können diese Angriffe nicht verhindern. Wir haben die Mords erie des NSU nicht verhindern können. Wir sind je doch aufgefordert, alles dafür zu tun und alle Reform überlegungen anzugehen, damit sich solche Mordtaten auf deutschem Boden nie mehr wiederho len.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Durch die NSA-Affäre ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Privatsphäre im digitalen Raum auf einem Tiefpunkt angekommen. Betroffene Formate sind Mails, Internettelefonate, Inhalte von Chats in sozialen Netzwerken, Zugangsdaten und vieles andere. Wenn monatlich die Verbindungsdaten von bis zu 500 Millionen Telefonaten, SMS und E-Mails abgefangen worden sein sollen, dann hat das eine neue Dimension.
Ich möchte mich auf drei Aspekte beschränken.
Der erste Aspekt betrifft die internationale Ebene: Was müssen wir tun? Die Ausspähung europäischer Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen durch Nachrichtendienste aus den USA untergräbt das Vertrauen zwischen befreundeten Staaten. Unter Freunden hört man sich nicht ab, Kolleginnen und Kollegen!
Diese umfassende und anlasslose Überwachung ist inakzeptabel. Sie widerspricht fundamental unserem Verständnis von Rechtsstaat und Bürgerrechten.
Deshalb ist es richtig, dass die Bundesjustizministerin von ihrem amerikanischen und ihrem britischen Kollegen eine Erklärung gefordert hat und dass das Thema für den Rat der nächsten Konferenz der Justiz- und der Innenminister angemeldet worden ist, um die Sache zu erörtern. Ich sage aber auch deutlich: Von manch anderem hätte ich mir noch klarere Worte erhofft.
Von mir wird es an dieser Stelle keinen Kniefall vor den Vereinigten Staaten geben. Ich erwarte von den Vereinigten Staaten die klare Zusage, dass man sich auf deutschem Boden an deutsches Recht hält.
Das Nächste, was ich zur internationalen Ebene sagen möchte: Wir müssen unbedingt eine neue Verabredung zum Datenschutz treffen. Fakt ist: Im Bereich Datenspionage gibt es keine völkerrechtlich anerkannten Standards wie bei Folter, Sklaverei oder Diskriminierung. Es gibt kein Gesetz, das den Datenschutz weltumspannend regelt. Das ist Sache der Einzelstaaten, und das müssen wir ändern.
Der zweite Aspekt, den ich ansprechen möchte, ist die Forderung nach Transparenz. Das betrifft uns. Wir müssen Transparenz herstellen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen nicht von ausländischen Geheimdiensten ausgespäht werden und dass Vertrauen zurückgewonnen wird. Das erfordert Aufklärung: In welchem Umfang und von wem sind Daten erhoben worden?
Ich beziehe hier ausdrücklich den Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz ein. Ich will wissen, welche US-Unternehmen in Bayern und welche Unternehmen mit amerikanischen Konzernmüttern oder -töchtern in welchem Umfang Daten bayerischer Nutzer an die NSA weitergegeben haben. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes schuldig.
Damit komme ich zum dritten Punkt: Was müssen wir nach der umfassenden Aufklärung tun? Wie können wir den Weg zum gläsernen Bürger verhindern? Da ist leider die Haltung vieler: Wenn wir ungeheuer viele Daten haben, sind wir besser gegen terroristische Gefahren gewappnet. – Das ist ein Irrglaube. Je größer der Heuhaufen ist, desto schwieriger ist es, die Stecknadel darin zu finden.
Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Der Kampf gegen den Terrorismus rechtfertigt es eben nicht, grundlegende Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger sowie ihr Recht auf Privatheit aufzugeben, nur weil der technische Fortschritt dies heute leicht zulässt. Deswegen geht es für mich nicht nur um die Frage, ob die deutschen Geheimdienste mitgewusst oder gar mitgemacht haben; es geht auch um die Frage, was wir in unserem Land, in unserer Rechtsordnung tun, um den Weg zu immer mehr Überwachung zu verhindern.
Solange wir diesen Weg im eigenen Land nicht stoppen, bleiben alle Beteuerungen auf internationaler Ebene Lippenbekenntnisse. Deswegen freue ich mich
besonders über die Signale aus den Reihen unseres Koalitionspartners, dass man die Vorratsdatenspeicherung infrage stellt. Es ist der richtige Weg, die Speicherung von Daten auf den Prüfstand zu stellen, wie es die Verbraucherschutzministerin tut. Das ist etwas, wozu ich nur gratulieren kann.
Denn eines sollte als Prinzip stets klar sein: Sicherheit ist im demokratischen Staat kein Selbstzweck, sondern dient immer nur der Sicherung von Freiheit. – Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Versammlungsfreiheit ist Ausdruck der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit eines selbstbewussten Bürgers, und diesem Anspruch muss ein Versammlungsgesetz gerecht werden. Ein Versammlungsgesetz muss aber auch Schutz vor Versammlungen von solchen gewährleisten, die unserer Demokratie vielleicht nicht positiv gegenüberstehen. Diesen Spagat gilt es zu wagen.
Im Jahr 2010 hat die Koalition ein Versammlungsgesetz beschlossen, das das freiheitlichste und bürgerfreundlichste auf deutschem Boden ist. Wir haben die Anzeigefrist für Versammlungen auf zwei Werktage verkürzt und die telefonische Anmeldung ermöglicht. Wir haben die meldepflichtigen Angaben drastisch reduziert. Wir haben für Übergangsaufzeichnungen der Polizei strenge Voraussetzungen und kurze Löschungsfristen vorgesehen, und wir haben die Ordnungswidrigkeiten und Strafsachen entrümpelt.
Wenn Sie jetzt sagen, Sie wollen das Versammlungsrecht mit Ihrem Gesetzentwurf noch besser und noch freiheitlicher machen, dann muss das genau auf den Prüfstand. Ich meine, Ihr Entwurf wird diesem Anspruch nicht gerecht.
Wenn Sie zum einen sagen, Sie möchten im Bereich der Versammlungsfreiheit den Gewerkschaften insofern Hilfe leisten, als der Versammlungsbegriff verändert werden soll, verkennen Sie, dass der Versammlungsbegriff verfassungsrechtlich vorbestimmt ist. Entscheidend für die Abgrenzung ist schon jetzt, ob sich eine Veranstaltung überwiegend an die Öffentlichkeit wendet und Versammlungscharakter hat oder primär an den Arbeitgeber.
Weitaus schwerer wiegt für mich das Problem, dass Sie Versammlungen auf privatem Grund zulassen wollen. Natürlich ist die Grenzziehung zwischen öffentlich und privat fließend. Wenn Sie generell, unabhängig vom Einverständnis des Hausrechtsinhabers, Versammlungen auf privatem Grund zulassen wollen, ist das ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit. Auch die ist verfassungsrechtlich geschützt.
Ein dritter Punkt, der befriedete Bezirk. Wem dient der befriedete Bezirk? Er dient der Funktionsfähigkeit dieses Parlaments. Das ist keine vordemokratische Einrichtung. Wer hätte ein Interesse daran, hier Versammlungen abzuhalten, wenn nicht gerade die, die unserem Parlament und unserer Demokratie kritisch gegenüberstehen? Deswegen meine ich, dass auch in unserer Zeit der befriedete Bezirk durchaus seine Berechtigung hat. Nicht umsonst sehen die meisten Versammlungsgesetze eine solche Bannmeile nach wie vor vor.
Der größte Einwand aber betrifft tatsächlich den Bereich, der bereits angesprochen worden ist: Sie wollen eine Lockerung der Anzeigepflicht für kleinere Versammlungen vorsehen. Das erweckt den Eindruck, dass bei einer kleinen, niedlichen Versammlung nichts passieren könnte. Die Gefahr, die von einer Versammlung ausgeht, hängt aber nicht von ihrer Größe ab. Selbstverständlich ist eine Mai-Kundgebung der Gewerkschaft, an der sich Tausende Menschen beteiligen, weitaus weniger gefährlich als eine Versammlung von 15 Extremisten, Rechtsextremisten, Linksextremisten oder Islamisten, die diesen Staat angreifen wollen oder volksverhetzende Parolen verkünden. Diese müssen unter Kontrolle bleiben.
Natürlich besteht erst recht die Gefahr, dass ein Versammlungsanmelder bewusst mit einer geringeren Zahl an Anzumeldenden rechnet, auch wenn er dies in Wirklichkeit nicht tut, um diese Anzeigepflicht zu umgehen. Eine Differenzierung im Versammlungs
recht nach der Größe der Versammlung ist nicht nur unpraktikabel, sie ist auch der falsche Weg und führt zu Ergebnissen, die für dieses Land gefährlich sind. Deswegen kann ich Ihnen heute an dieser Stelle nur sagen: Bayern hat das freiheitlichste Versammlungsrecht in Deutschland.
Ihr Gesetzentwurf ist nicht geeignet, es zu verbessern. Wir werden ihm nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Der "neunte Anlauf" und nicht "Täglich grüßt das Murmeltier", sondern "Täglich grüßt die Informationsfreiheit". Das Thema ist wichtig; das ist überhaupt keine Frage. Gerade auch wir Liberalen stehen zur Informationsfreiheit.
Aber wir haben bereits bei dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, dem dieser nicht zufällig stark ähnelt, klargemacht, dass wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden. All das, was ich damals gesagt habe, gilt auch heute. Es geht nicht nur um die Informationsfreiheit und Transparenz, sondern auf der anderen Seite auch um den Datenschutz und um Bürokratiekosten.
Das ist für mich Anlass, zu sagen, dass wir diesem Gesetzentwurf aus den gleichen Gründen wie dem
Gesetzentwurf der SPD im Ausschuss nicht zustimmen werden.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 24. Januar 2012 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes, die die Anbieter von Telekommunikationsdiensten verpflichtet haben, bestimmte Bestandsdaten zu speichern, und die Regelungen zur Auskunftserteilung nicht verfassungsgemäß sind. Diese Entscheidung hat die FDP-Fraktion ausdrücklich begrüßt.
Nun muss man aber bei den Daten unterscheiden. Auf der einen Seite sind die Verkehrsdaten: Wer hat mit wem telefoniert? Wer hat mit wem Mailverkehr gehabt? Welche Internetseiten hat jemand besucht? Um diese Fragen geht es heute ausdrücklich nicht.
Auf der anderen Seite sind die Bestandsdaten: Wem gehört diese Telefonnummer? Das ist wie das Nachschlagen im Telefonbuch. Zur Bestandsdatenauskunft gehört auch die Zuordnung einer dynamischen IP, der Internetprotokolladresse. Wem war diese IP-Adresse zu einer bestimmten Zeit zugeordnet?. Es geht um die Zugangssicherungsdaten.
Für die FDP-Fraktion war immer klar, dass für diese Bestandsdatenauskunft aus sicherheitspolitischen Gründen eine neue Rechtsgrundlage zwingend erforderlich ist. Das gilt zum einen beim repressiven polizeilichen Handeln, bei der Strafverfolgung. Da ist es eine Aufgabe des Bundes. Zum anderen gilt es beim präventiven polizeilichen Handeln, bei der Gefahrenabwehr. Da sind wir gefordert.
Die Redner der SPD haben mehrere Punkte kritisiert. Ich möchte diese Kritik in aller Kürze widerlegen.
Der erste Punkt ist der zeitliche Aspekt: Es sei zu spät, der Gesetzentwurf sei mit heißer Nadel gestrickt. Dazu muss ich sagen: Wir in Bayern haben die Regelung auf Bundesebene aus guten Gründen abwarten müssen und erst jetzt handeln können.
Der zweite Punkt: Der Gesetzentwurf sei ein Verstoß gegen den Datenschutz. Wir haben uns nicht nur an den Regelungen des Bundesgesetzes orientiert, sondern alles mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz eng abgestimmt, der keine Einwände erhoben hat.
Wesentlich gravierender ist aus meiner Sicht aber der Vorwurf der SPD, der Gesetzentwurf sei in Teilen verfassungswidrig, es sei nämlich so – ich zitiere aus dem Innenausschuss –,
dass die Bestandsdatenabfrage als unverzichtbares Ermittlungsinstrument zur Erfüllung von Aufgaben der Sicherheitsbehörden bezeichnet werde, obwohl jeder Nachweis für den Umfang und den Erfolg solcher Maßnahmen fehle.
Ich muss Sie fragen: Um welche Maßnahmen geht es denn? – Es geht um die Verhinderung von Terroranschlägen, um die Verhinderung von Suiziden, um die Suche nach einem verschwundenen Kind.
Ich frage Sie: Wollen Sie, wenn Sie heute diesen Gesetzentwurf ablehnen, den Eltern eines vermissten Kindes am 2. Juli sagen, wir können nicht nachvollziehen, was passiert ist, weil wir diesen Gesetzentwurf abgelehnt und keine Rechtsgrundlage geschaffen haben? Dafür tragen dann Sie die Verantwortung.
Nein, am Schluss. - Der nächste Kritikpunkt betraf den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie vermissen diesen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Bestandsdatenauskunft. Selbstverständlich ist eine Datenabfrage nur dann rechtmäßig, wenn sie auch erforderlich und angemessen ist. Natürlich gilt dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wie überall im Polizeirecht auch in diesem Bereich.
Schließlich ist auch nicht richtig, dass das Bundesverfassungsgericht für die Abfrage von Bestandsdaten einen Richtervorbehalt verlangt habe. Das ist dem Urteil ausdrücklich nicht zu entnehmen.
Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen – das ist angesprochen worden –, das ist ein Erfolg der FDP-Fraktion: die Sicherung der Privatsphäre von Berufsgeheimnisträgern. Natürlich liegt uns das am Herzen. Es ist nicht so, dass wir gemerkt hätten, wie Sie, Herr Kollege Arnold, das formulierten, dass hier noch Nachbesserungsbedarf ist. Wir arbeiten einen Punkt aus der Koalitionsvereinbarung ab. Die Berufsgeheimnisträger genießen zu Recht einen besonderen Schutz. Für uns Liberale gibt es keine Berufsgeheimnisträger erster oder zweiter Klasse. Es ist richtig, dass die Abgeordneten einbezogen werden, und noch wichtiger, dass die Journalisten einbezogen werden, damit die Pressefreiheit in diesem Land geschützt wird. Dafür haben wir gekämpft, und das haben wir durchgesetzt.
Frau Kollegin, die Antwort ist ganz einfach: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt in allen Teilen des Polizeirechts, und er ist selbstverständlich auch bei diesen Maßnahmen zu beachten. Dieser allgemeine Grundsatz muss nicht für eine bestimmte Maßnahme spezifiziert werden. Er gilt und ist zu beachten.
Herr Kollege, die Antwort ist ganz einfach: Selbstverständlich müssen wir einen verfassungskonformen Gesetzentwurf vorlegen. Dieser Gesetzentwurf ist verfassungskonform. Daran habe ich keinen Zweifel.
Ich stimme Ihnen zu, dass eine Benachrichtigungspflicht notwendig ist. Natürlich gibt es eine Information im Nachhinein. Natürlich gibt es bei der Zuordnung dynamischer IP-Adressen eine Benachrichtigungspflicht. Bei der Abfrage von Zugangssicherungscodes, der Abfrage von PIN und PUK gibt es sogar einen Richtervorbehalt. Die Behauptung ist nicht richtig, dass es diese Benachrichtigungspflicht nicht gäbe. Diese Benachrichtigungspflichten sind vorgesehen. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf verfassungskonform.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wo eine Katastrophe ist, sind auch Schaulustige. Laut einer Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen behindern bei rund drei Viertel aller Unfälle Gaffer die Rettungs- und Aufräumarbeiten. Unter dem Eindruck der dramatischen Hochwasserereignisse bei uns in Niederbayern hat der Sprecher des Polizeipräsidiums darauf hingewiesen, dass Polizisten in Niederbayern nicht nur gegen das Hochwasser, sondern auch gegen die im Wege stehenden Schaulustigen im Einsatz waren. Ja, noch schlimmer: Laut der Arbeitsgemeinschaft der Notärzte gerät jedes sechste Unfallopfer durch Schaulustige zusätzlich in Gefahr.
Es geht aber nicht nur darum, dass mit Autos Zufahrtsstraßen blockiert werden, dass Einsatzkräfte behindert werden, dass die Sicherheit von Deichen gefährdet wird oder dass sich Menschen selbst in Gefahr bringen. Es geht nicht nur um den Schutz der Opfer oder das ungestörte Arbeiten der Einsatzkräfte. Im Zeitalter von Smartphone, YouTube und anderen Kommunikationsmitteln geht es auch darum, dass Filme gedreht werden, je schockierender desto besser, die dann ins Internet gestellt werden und die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen bedeuten.
Was kann man gegen diese Gaffer tun? Welche Möglichkeiten haben wir schon jetzt? Natürlich kann die Feuerwehr betroffene Gebiete weiträumig absperren. Natürlich gibt es polizeirechtlich den Platzverweis. Natürlich ist die Behinderung von Rettungsmaßnahmen nach dem Straßenverkehrsrecht eine Ordnungswidrigkeit. Darüber hinaus ist unterlassene Hilfeleistung nach § 323 c des Strafgesetzbuchs eine Straftat. In der Praxis sind all diese Maßnahmen aber oft stumpfe Schwerter; denn wenn die Polizei parallel zur Unfallaufnahme noch ein Observationsteam einsetzen soll, das Schaulustige verfolgt, wäre das schwierig. Das wissen auch die Polizeigewerkschaften.
Eine andere Möglichkeit hat jüngst der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands angesprochen. Er ruft dazu auf, Schaulustige zu den Arbeiten heranzuzie
hen. Bereits jetzt gibt es entsprechende Möglichkeiten. Im Katastrophenfall kann nach Artikel 9 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes von jeder Person die Erbringung von Dienst-, Sach- und Wertleistungen verlangt werden. Auch nach dem Bayerischen Feuerwehrgesetz gibt es Möglichkeiten. Nach Artikel 24 des Bayerischen Feuerwehrgesetzes kann der Einsatzleiter Personen bis zu drei Tagen zu Hilfeleistungen heranziehen, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die Allgemeinheit zwingend geboten ist. All das könnte dazu beitragen, dass die Zahl der Helfer steigt und die Zahl der Gaffer sinkt. Eine schöne Idee.
Ob sie letztlich funktionieren würde, ist die Frage. In der Praxis spielen diese Möglichkeiten jedenfalls bis jetzt keine Rolle. Diese Ausgangssituation war Anlass für unseren Berichtsantrag. Wir wollen klären, wie die Lage aussieht, ob der Handlungsrahmen ausreicht und ob es ein Gesetzesdefizit oder vielleicht ein Vollzugsdefizit gibt. Wir wollen wissen, was getan werden kann, um künftig unsere Gesellschaft, unsere Einsatzkräfte und die Unfallopfer besser vor Schaulustigen zu schützen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst freue ich mich, dass Konsens darüber besteht, dass die grauenvolle Mordserie des NSU durch die vorgeschlagene Neuregelung nicht verhindert worden wäre. Umso problematischer empfinde ich es, dass in der Problembeschreibung gerade dieser Eindruck erweckt wird, indem man mit den erschreckenden Versäumnissen, wie es formuliert ist, bei der Aufklärung die Änderung des PKG begründen will.
Interfraktionell haben vier Fraktionen in dieser Legislaturperiode ein PKG beschlossen, das funktioniert und gut arbeitet. Wenn gesagt wird, einer Minderheit sei es kaum möglich, in ausreichendem Maße Informationen über die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erlangen, dann bestreite ich das nachdrücklich. Es wird gefordert, dass das PKG umfassend und zeitnah informiert wird. Das ist bereits jetzt der Fall.
Ich sehe auch keinen Verbesserungsbedarf. Wenn Sie, Herr Kollege Schindler, formulieren, jeder Vorschlag, der dem Parlament mehr Rechte gibt, sei ein guter Vorschlag, dann klingt das plausibel. Die Frage ist aber, ob der vorliegende Vorschlag tatsächlich dem Parlament mehr Rechte gibt oder vielmehr nur einzelnen Abgeordneten. Das – ich werde später noch darauf eingehen – halte ich für sehr bedenklich.
Ich möchte nicht alle Argumente, die schon vorgetragen worden sind, wiederholen. Im Wesentlichen geht es um drei Aspekte. Der eine ist die Frage der Zweidrittelmehrheit. Das ist ein Schutzrecht für die Opposition. Ich sehe keinerlei Begründung oder Anlass, das Schutzrecht für die Opposition abzuschaffen. Ich möchte betonen: Es hat in dieser Legislaturperiode nicht einen einzigen Fall gegeben, bei der diese Frage irgendeine Auswirkung gehabt hätte. Ich kann
mir einen solchen Fall auch für keine der kommenden Legislaturperioden vorstellen. Herr Kollege Pointner hat das ausführlich begründet.
Der zweite entscheidende Punkt ist die Frage der Einbeziehung von Mitarbeitern. Man muss klar sehen: Es geht bei dieser Geheimhaltung um den Schutz von Leben und Gesundheit von V-Leuten. Sie von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN wollen die V-Leute abschaffen. Noch ist das aber nicht so. Die Mehrheit in diesem Parlament will das wohl auch nicht. Solange wir V-Leute haben, ist alles, was den Kreis derer, die über geheime Informationen verfügen, erweitert, für diese Menschen gefährlich. Die Erweiterung stellt vielleicht sogar eine Gefahr für deren Leben und Gesundheit dar. Wenn Sie Mitarbeiter einbeziehen wollen, haben Sie mit einem Schlag statt sieben Personen, die etwas wissen, die doppelte Zahl. Das erhöht die Gefahr undichter Stellen; das liegt doch deutlich auf der Hand.
Damit komme ich zum dritten und letzten Punkt, und der ist entscheidend. Individualrechte sollen an die Stelle der Rechte des Gremiums treten. Das sei ein kleiner Beitrag zur Verbesserung der Kontrolle, hat Herr Kollege Schindler ausgeführt. Ich halte das aber nicht für einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Kontrolle, sondern für einen ausgesprochen gefährlichen Vorschlag. Solche Individualrechte passen nämlich nicht nur nicht in unser System, das dem Gremium und nicht dem einzelnen Mitglied ein Recht gibt, sondern es hat auch zwei ganz realistische Gefahren. Individualrechte können dazu führen, dass einzelne Mitglieder die Arbeit des Verfassungsschutzes erheblich erschweren, indem jeder parallel für sich arbeitet und nicht das Gremium als solches geschlossen. Das würde zu Bürokratie, Arbeitsbelastung und unnötigem Aufwand führen. Viel schlimmer ist für mich aber der zweite Punkt: Niemand kann ausschließen, dass Vertreter einer extremistischen Gruppierung auch hier im Bayerischen Landtag sitzen. Es ist schließlich nicht so, dass es kein deutsches Bundesland gäbe, wo das nicht der Fall wäre. Wir haben Länder, in denen rechtsextremistische Gruppierungen in den Landtagen sitzen, und wir haben die Situation, dass die Linke in Landtagen sitzt. Ich betone ausdrücklich: Ich möchte nicht, dass Individualrechte an Vertreter einer solchen extremistischen Gruppierung gehen, die dann die Möglichkeit haben, über ihre Rechte im Landtag die Arbeit des Verfassungsschutzes auszuspionieren. Das wäre gefährlich.
Die FDP-Fraktion wird deshalb den Vorschlag, den Sie nun zum wiederholten Male vorlegten, der kaum
etwas Neues enthält und den wir mit guten Gründen abgelehnt haben, auch dieses Mal ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der IT-Beauftragte Edward Snowden, der für den US-Geheimdienst NSA gearbeitet hat, hat es öffentlich gemacht, das Weiße Haus hat es bestätigt, der amerikanische Präsident hat es verteidigt, und die Weltöffentlichkeit ist schockiert.
Seit vielen Jahren, wohl schon seit sechs oder sieben Jahren, existiert das Überwachungsprogramm PRISM. Streng geheim und von der NSA geführt werden elektronische Medien und elektronisch gespeicherte Daten überwacht und ausgewertet. Neun der größten Internetkonzerne und -dienste der USA sollen beteiligt sein: Microsoft, Google, Facebook, Yahoo, Apple, AOL und Paltalk. Da durch PRISM eine umfassende Überwachung von Personen nicht nur in, sondern auch außerhalb der Vereinigten Staaten ermöglicht wurde, zeigt der Skandal deutlich: Auch Deutschland steht im Fokus von Überwachungsprogrammen. Nach den Berichten und einer im britischen
"Guardian" veröffentlichten Karte wurden von der NSA in Deutschland ähnlich viele Kommunikationsdaten abgeschöpft wie in China, Saudi-Arabien oder im Irak. Damit ist PRISM ein Symbol geworden, ein Symbol dafür, dass jeder Internetnutzer davon ausgehen muss, überwacht zu werden.
Dieser Skandal wirft natürlich auch viele Fragen auf. Über die genaue Funktionsweise gibt es nur Spekulationen. Erhält die NSA Zugriff auf konzerneigene Suchoptionen? Kann bei Skype-Nutzern schon der Verbindungsaufbau die Überwachung aktivieren? Werden Fotodatenbanken oder Suchbegriffe bei Google überwacht? Aber auch die Frage, warum Deutschland so stark betroffen ist, bleibt offen. Natürlich stellt sich die Frage: Was passiert mit den möglicherweise illegal bezogenen Daten? Ist es möglich, dass amerikanische Dienste Millionen von Daten abfischen, ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekam? Wer war in die Spähpraktiken eingeweiht? Das sind viele Fragen.
Natürlich führen diese Fragen dazu, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und ihre Privatsphäre im digitalen Alltag immer brüchiger wird. Dieses schwer beschädigte Vertrauen gilt es wiederherzustellen.
Was können Bürger tun, wie können sie sich schützen, um nicht zum gläsernen Bürger zu werden? – Darauf gibt es mehrere Antworten. Natürlich durch Boykott. Wer diese Dienste, die ich genannt habe, nicht nutzt, wird vom System nicht erfasst. Doch in der digitalen Welt kann man sich diesen Diensten gar nicht entziehen.
Die zweite Antwort auf die Frage nach wirksamem Schutz lautet Verschlüsselung. Es ist möglich, seinen digitalen Fußabdruck zu verschleiern. Wer seine Adresse behalten möchte, kann seine Mails verschlüsseln, um zumindest den Inhalt vor unerwünschten Mitlesern zu schützen. Doch über diese Möglichkeit müssten die Bürgerinnen und Bürger ausreichend informiert werden; denn sie ist zeitaufwendig und oft eine technische Herausforderung. Auch die Verschlüsselung ist nicht die perfekte Antwort. Ich spreche von den sozialen Netzwerken, die gerade darauf angelegt sind, dass man Daten öffentlich macht. Wenn ein dort installiertes Profil keine Rückschlüsse auf die Identität zulassen würde, so wäre es nutzlos.
In dieser Situation halten wir es für wichtig, dass die Staatsregierung über die Erkenntnisse und Auswirkungen des Programms PRISM berichtet, damit ein Schritt in Richtung Aufklärung getan werden kann. Das gesamte Ausmaß der Internetüberwachung
durch die NSA muss geklärt werden. Alle Fakten müssen auf den Tisch gelegt werden, beispielsweise auch die Frage, ob es unterschiedliche Datenschutzstandards für US-Bürger und Ausländer gibt. So etwas wäre für uns nicht akzeptabel.
Die Stärke des liberalen Rechtsstaats liegt im Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb geht es nicht darum, die Gesetzeslage zu verschärfen, sondern es geht um eine effiziente Durchsetzung der existierenden Vorschriften. Die Grundsätze des Datenschutzes müssen im öffentlichen und im privaten Bereich konsequent beachtet und umgesetzt werden.
Einen Trend zu immer weiteren und immer tieferen Einschnitten in die Freiheit und in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger nehmen wir nicht hin; denn Sicherheit ist im demokratischen Rechtsstaat kein Selbstzweck, sondern Sicherheit dient der Sicherung der Freiheit.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben erschütternde Bilder im Fernsehen, und viele von uns erleben sie auch live in der Realität. Sehr viele Menschen in Bayern erleben derzeit das schlimmste Hochwasser in der Geschichte ihrer Orte. Naturkatastrophen lassen sich nicht verhindern, sie lassen sich auch nur bis zu einer bestimmten Dimension und nicht genau voraussagen. Deswegen sind wir ihnen hilflos ausgeliefert, deshalb sind sie aber auch eine Bewährungsprobe für uns alle und für die Menschen in Bayern.
Zunächst gilt mein Dank allen Einsatzkräften, die sich engagieren. Die meisten tun dies ehrenamtlich. Ich will nicht alle Organisationen erneut aufzählen, aber ohne die Feuerwehren, das Technische Hilfswerk, den Rettungsdienst und viele, viele andere würde Bayern noch viel tiefer in den Fluten versinken. Ich denke auch an die Vertreter der Behörden, die nicht nur ihre Pflicht tun, sondern viele, viele Überstunden leisten, schnell und unbürokratisch. Als weitere Gruppe, die noch nicht genannt worden ist, möchte ich hier auch ausdrücklich die Mitmenschen, die Nachbarn ansprechen. Mein Eindruck ist nicht der, dass sich die Menschen in erster Linie um Sandsäcke geprügelt haben. Mein Eindruck ist vielmehr der, dass Bayern derzeit eine ungeheuere Solidarität erlebt. Bayern erlebt viele freiwillige Helfer. Viele Menschen bieten sich an, anderen zu helfen. Auf diese Solidarität bin ich stolz, liebe Kolleginnen und Kollegen.
In einer solchen Situation gilt unser Mitgefühl zunächst denjenigen, die Hab und Gut verloren haben, die vielleicht vor den Trümmern ihrer Existenz stehen.
Aufgabe der Politik ist es, ihnen in erster Linie schnell und wirkungsvoll zu helfen. Dass das geschieht, dafür danke ich ausdrücklich unserem Ministerpräsidenten Horst Seehofer und seinem Stellvertreter, unserem Wirtschaftsminister Martin Zeil, die sich nicht nur sofort ein Bild von der Lage gemacht haben, sondern die auch sofort geholfen haben. Das war richtig.
Was kann die Politik außerdem noch tun? – Regen, Wetterlage und steigende Wasserstände lassen sich nicht verhindern. Auch mit dem besten Klimaschutz, auch mit den besten naturnahen Ausgleichsmaßnahmen, die zweifellos notwendig sind, lässt sich nicht alles verhindern. Bauliche Schutzmaßnahmen sind wichtig, und bauliche Schutzmaßnahmen müssen wir fortsetzen. Aber auch das ist nicht überall möglich; denn nicht jedes besiedelte Gebiet lässt sich mit Deichen sichern. Deshalb komme ich zu dem Punkt, der mir als Innenpolitiker besonders am Herzen liegt: Wir müssen unsere Einsatzkräfte, unsere Freiwilligen und unsere Ehrenamtlichen und auch unsere berufsmäßigen Helfer mit den notwendigen Mitteln ausstatten, damit auch in Zukunft bei solchen Hochwassern der bestmögliche Schutz geleistet werden kann. Dazu gehört die sachliche Ausstattung, dazu gehören aber auch die notwendigen Übungsstunden, und dazu gehört auch die Unterstützung für die Firmen, die ihre freiwilligen Helfer für solche Ereignisse und auch für die Übungen vorher freistellen.
Ich habe am Anfang gesagt, Naturkatastrophen sind eine Bewährungsprobe für die Menschen. Sie sind aber auch eine Bewährungsprobe für das Parlament, das in einer solchen Stunde nicht Parteipolitik in den Vordergrund stellen sollte, sondern den Zusammenhalt. Ich freue mich, dass das bisher alle Redner getan haben, und ich hoffe, dass das auch in den kommenden Debatten der Fall sein wird.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat uns mit seiner Entscheidung vom 4. Mai 2011 eine schwierige Aufgabe gestellt; denn wir bewegen uns in einem Spannungsfeld. Einerseits geht es um den hochgefährlichen Täter, vor dem die Bevölkerung wirksam geschützt werden muss. Andererseits ist die Sicherungsverwahrung eine Maßnahme, die Täter betrifft, die ihre der Schuld angemessene Strafe verbüßt haben. Gerade weil es sich nicht um eine Strafe handelt, ist sie ein besonders schwerwiegender Eingriff. Die Aufgabe war deshalb, ein Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz zu schaffen, das einen therapiegerichteten und freiheitsorientierten Vollzug regelt und das Abstandsgebot sichert. Dieser Aufgabe wird der vorliegende Gesetzentwurf gerecht. Ich möchte mich zunächst bei der Bayerischen Staatsministerin der Justiz Dr. Beate Merk und allen Mitarbeitern ihres Hauses für die Vorbereitung und die gute Zusammenarbeit bedanken.
Auch wenn es bei manchen Rednern nicht immer ganz durchgeklungen ist, möchte ich festhalten, dass doch auch vonseiten der Oppositionsfraktionen anerkannt worden ist, dass der Gesetzentwurf an einigen Stellen, wie zugegeben wird, - ich meine: an den meisten Stellen - wirklich gut ist. Ich freue mich über eine Reihe von Erfolgen, die den Betroffenen zugute kommen und den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden, und das, ohne im Geringsten die Sicherheit der Bevölkerung zu gefährden; denn das ist der Maßstab, dem wir gerecht werden müssen.
Das Wichtigste ist mir die Mindestbesuchszeit von zwölf Stunden pro Monat. Wer hier sagt: Das ist eine Regelung, die so ähnlich wie im Strafvollzug ist, der verkennt die Situation im Strafvollzug völlig. Hier haben wir eine völlig andere Zahl, eine völlig andere Situation. Schon hier sieht man einen deutlichen Unterschied. Das Gleiche betrifft auch die deutlich angehobene Arbeitsvergütung. Auch hier verbietet sich jede Parallele zum Strafvollzug. Schließlich geht es auch um den Raum zum Wohnen und Schlafen. Kollege Arnold, Sie haben gesagt, man müsse Bedingungen sozusagen wie im normalen Leben schaffen, nur eben mit der zusätzlichen Sicherung. Wie soll ich aber einen Sicherungsverwahrten unterbringen, der vielleicht im normalen Leben eine große Villa bewohnt hat? – Das geht nicht; das ist von der Vollzugspraktikabilität her nicht möglich. Ich muss eine räumliche
Grenze festsetzen, und ich meine, dass das Maß von 15 Quadratmetern für sich allein eine Grenze ist, die sich zum einen vom Strafvollzug unterscheidet, zum anderen aber auch mehr ist, als manche Menschen in Studentenwohnheimen oder in Altenheimen zur Verfügung haben.
Wir Liberale haben großen Wert darauf gelegt, dass die Suizidprävention in den Gesetzestext aufgenommen worden ist, weil wir die Sondersituation sehen, in der sich Menschen befinden, die über so lange Zeit vom öffentlichen Leben ferngehalten werden.
Zwei Themen möchte ich noch besonders ansprechen, zum einen die Arbeitspflicht. Gerade als Liberaler sehe ich das nicht als unproblematisch an. Es gibt aber gute Argumente dafür; denn die Arbeitspflicht dient therapeutischen Zwecken. Nur aus behandlerischen Gründen kann man sie rechtfertigen. Ein Therapieerfolg entspricht nicht nur den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, sondern liegt auch im Interesse der Allgemeinheit. Noch wichtiger ist der zweite Punkt. Durch den Änderungsantrag der Fraktionen der CSU und der FDP wird klargestellt, dass an die Verweigerung der Arbeit keine disziplinarische Sanktion geknüpft wird. Einen ähnlichen Änderungsantrag haben wir auch vonseiten der FREIEN WÄHLER. Beiden wird Rechnung getragen.
Ein schwieriges Thema sind die mehrstündigen unüberwachten Langzeitbesuche. Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen von einer Personengruppe, die zwar ihre Strafe verbüßt hat, die aber gleichwohl hochgefährlich ist. Ich betone es ausdrücklich: Der Staat hat auch eine Verantwortung, ja eine Schutzpflicht gegenüber Besuchern, und zwar selbst dann, wenn sich diese freiwillig in Gefahr begeben. Nun kann man sagen: Das Beispiel mit dem Mord fand im Strafvollzug statt. Die Gefahrensituation für den Besucher ist aber exakt die gleiche; sie hängt doch nicht davon ab, ob sich jemand in einer Besucherzelle mit einem Strafgefangenen oder mit einem Sicherungsverwahrten trifft. Hier gibt es doch hinsichtlich der Gefährdung – ich spreche nur von der Gefährdung – keinerlei Unterschied. Auch ein Notknopf hilft nur dann, wenn man ihn noch erreichen kann. Wenn das nicht mehr möglich ist, besteht Lebensgefahr. Ich glaube, dass wir deswegen gut beraten sind, vorsichtig zu sein und nicht Freiheiten einzuräumen, die allzu leicht die Freiheit und sogar das Leben oder die Gesundheit anderer Menschen gefährden können.
Fazit ist: Wir sprechen über einen Gesetzentwurf, der sich vom Strafvollzug deutlich unterscheidet. Wir sprechen über einen Gesetzentwurf, der Freiheit gibt, wo immer das möglich ist, und nur dort Grenzen setzt, wo die Sicherheit der Allgemeinheit dies erfordert.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer kennt nicht das Problem des wegen einer Unzahl von Werbesendungen überquellenden Briefkastens? Nach geltender Rechtslage ist ein Adresshandel nahezu uneingeschränkt zulässig. Adresshändlern wird eine blühende Spielwiese geschaffen. Bürger werden unnötig belästigt, und der Datenschutz spielt eine untergeordnete Rolle. Dies alles war Thema im Deutschen Bundestag. Der 28. Juni 2012 war im Deutschen Bundestag ein denkwürdiges Datum, nicht zuletzt wegen der Übertragung eines Fußballspiels, die zu einem sehr merkwürdigen Gesetzesergebnis geführt hat. Eine öffentliche Debatte hat über dieses Ergebnis stattgefunden, und diese war sinnvoll. Am 21. September 2012 hat der Deutsche Bundestag einstimmig eine neue Regelung getroffen, nämlich eine Änderung der Lösung, und das war richtig.
Warum muss sich jetzt der Bayerische Landtag noch mit dieser Thematik beschäftigen? Auf Bundesebene tritt diese Regelung erst 2014 in Kraft. Erst dann wird aus der Widerspruchslösung, nach der man einer Weitergabe von Daten zum Zweck des Adresshandels widersprechen muss, eine Zustimmungslösung. Das, Kolleginnen und Kollegen, ist zu spät. Diese Wartezeit bis 2014 wollen wir nicht hinnehmen. Wir wollen, dass der Freistaat Bayern, der bis zur Regelung der Materie durch den Bund die Gesetzgebungszuständigkeit hat, vorher handelt. Deswegen sieht der Gesetzentwurf, den wir vorlegen, vor, dass die Erteilung einer Auskunft nur noch dann zulässig ist, wenn die Einwilligung des Betroffenen für den jeweiligen Zweck erfolgt. Damit fordern wir die Einwilligungslö
sung, sodass die Weitergabe von Daten zu Werbezwecken nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme wird.
Eines ist in diesem Zusammenhang klar: Datenschutz muss eindeutig Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen haben.
Nun gibt es einen Änderungsantrag der GRÜNEN, der weiter geht, und er ist auf den ersten Blick auch charmant. Ich betone aber: nur auf den ersten Blick. Der Änderungsantrag der GRÜNEN setzt nämlich voraus, dass in den Ämtern eine technische Umrüstung erfolgt. Wenn man jetzt schon gegenüber allen Meldebehörden erklären müsste, dass man mit der Weitergabe seiner Daten einverstanden ist, würde man entweder die Meldebehörde, gegenüber der man diese Erklärung abgibt, verpflichten, sämtliche Meldebehörden im Bundesgebiet zu informieren, was einen immensen bürokratischen Mehraufwand zur Folge hätte. Anderenfalls müsste eine neue Software geschaffen werden, die einen Datenaustausch zwischen den Meldebehörden ermöglicht. Ein solcher Datenaustausch ist derzeit aber gerade nicht möglich. Folglich würde der Änderungsantrag der GRÜNEN dazu führen, dass man zwar eine absolut saubere Lösung hat, die aber zu spät wirksam würde. Sie könnte erst 2014 wirksam werden, wenn ohnehin die Regelung auf Bundesebene in Kraft tritt. Deswegen schließen wir uns diesem Änderungsantrag nicht an und bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Fall Mollath ist ein schwieriger Fall und ein Fall mit vielen Facetten. Kaum ein Justizthema hat in den letzten Jahren Medien und Öffentlichkeit so sehr berührt, um nicht zu sagen aufgewühlt, wie dieser Fall. Obwohl das Thema seit Monaten diskutiert wird, sind die Fragen nicht weniger geworden, im Gegenteil: Immer wieder tauchen neue Aspekte auf. Im Raum stehen Vorwürfe, die geeignet sind, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erschüttern. Das muss uns zu denken geben. Das fordert Transparenz und Aufklärung.
Nun könnte man es sich leicht machen und auf die richterliche Unabhängigkeit verweisen. Zumindest in Teilbereichen wäre das nicht falsch; denn zum Fall Mollath gehört auch, dass nicht nur bayerische Gerichte, sondern auch der Bundesgerichtshof die Unterbringung geprüft haben und dass einmal im Jahr eine gerichtliche Überprüfung stattfindet. Zur Wahrheit gehört auch, dass Gerichte und Sachverständige in freier richterlicher Beweiswürdigung entscheiden.
Man könnte auch darauf verweisen, dass alle Möglichkeiten einer Überprüfung ausgeschöpft werden. Was die Unterbringung und das Urteil gegen Herrn Mollath betrifft, wäre auch das nicht falsch; denn die Staatsanwaltschaft Regensburg und Herr Mollath selbst haben inzwischen die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Dieser Wiederaufnahme-Antrag wird überprüft.
Ein Verfahren findet also statt. Unabhängig von diesem Verfahren prüft die Vollstreckungskammer auch jetzt wieder, ob die weitere Unterbringung im Bezirksklinikum Bayreuth noch gerechtfertigt ist. All das ist aber nur die eine Seite des Falles, und nur diese Seite betrifft die richterliche Unabhängigkeit; denn zum Fall Mollath gehört natürlich auch das Verhalten der Exekutive, der Behörden, der Regierung und aller, die in der Exekutive im Bereich Finanzen tätig waren. Hier gilt die richterliche Unabhängigkeit nicht. Hier findet auch keine Aufarbeitung statt; denn die entsprechenden Handlungen sind verjährt. Diese Verjährung verhindert eine neue Aufarbeitung.
Deswegen ist es richtig und wichtig, dass eine Aufarbeitung in den parlamentarischen Gremien und im Bayerischen Landtag stattfindet. Deswegen stimmt die FDP-Fraktion dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu; denn der Fall Mollath ist zu einer Bewährungsprobe für den Rechtsstaat geworden. Die Grenze zwischen tatsächlichen Merkwürdigkeiten und Verschwörungstheorien ist eine fließende. Es ist aber auch zu beachten, dass die Aufgabe, vor der der Untersuchungsausschuss steht, nicht
leicht sein wird, nicht nur deshalb, weil es einen schmalen Grat im Spannungsverhältnis zwischen richterlicher Unabhängigkeit und Wahrheitsfindung gibt, und nicht nur, weil der Untersuchungsausschuss unter einem erheblichen Zeitdruck arbeitet, sondern auch deshalb, weil die Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit enorm hoch ist. Der Untersuchungsausschuss kann dieser Erwartungshaltung vielfach gar nicht gerecht werden, weil er nur Teilaspekte überprüfen kann. Mehr ist nicht möglich.
Was müssen wir also tun? Wir müssen einerseits umfassend und lückenlos aufklären. Ich warne sehr davor, Ergebnisse vorwegzunehmen, wie ich auch davor warne, irgendetwas unter den Tisch zu kehren. Noch mehr warne ich aber davor, diesen ernsten und schwierigen Fall politisch zu instrumentalisieren. All das wird die FDP-Fraktion nicht mitmachen. Wir stehen für eine sachliche, umfassende und lückenlose Aufklärung. Daran wollen wir engagiert und konzentriert mitarbeiten.
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Bayerischen Landtag grüßt nicht täglich das Murmeltier, sondern die Informationsfreiheit. Wie oft haben wir in diesem Hohen Haus schon über Informationsfreiheit gesprochen? Das ist bereits der achte Gesetzentwurf, das alles in Erster Lesung, in Zweiter Lesung und immer wieder. Ich sage es ganz deutlich: Sie kennen meine klare Haltung. Informationsfreiheit ist eine Frage des Verhältnisses von Staat und Bürger. Wir Liberale sehen die Bürger als gleichberechtigte Partner und den Staat und seine Behörden als Dienstleister. Wir Liberale stehen zum mündigen Bürger. In einer Zeit, in der Verwaltungsentscheidungen nicht nur bei Großprojekten immer öfter infrage gestellt und nicht mehr akzeptiert werden, sind wir gefordert, uns Gedanken zu machen, wie wir das verbessern können. Genauso deutlich sage ich: Die geltende Rechtslage halte ich im Gegensatz zu unserem Koalitionspartner nicht für befriedigend.
Der Verweis auf das Verwaltungsverfahrensgesetz, auf die Ansprüche der Beteiligten in einem Verwaltungsverfahren, reicht mir nicht aus. Insofern könnte ich es mir heute leicht machen und sagen: Ja, ich würde gerne zustimmen, aber die Koalitionsdisziplin
zwingt mich dazu. Das werde ich aber nicht tun. Ich könnte auch so handeln, wie ich es schon einmal bei einem Gesetzentwurf zur Informationsfreiheit getan habe. Ich könnte dem Gesetzentwurf einer Oppositionsfraktion zustimmen. Das kann man tun. Das werde ich heute jedoch nicht tun. Ich kann Ihnen beides sehr gut begründen. Der Gesetzentwurf wirft zwei Kernfragen auf, die nicht ausreichend gelöst sind.
- Hören Sie lieber zu, Sie können noch etwas lernen.
Das eine ist die Frage des Datenschutzes. Wenn der Landesbeauftragte für den Datenschutz eine Reihe von Kritikpunkten geäußert hat, ist das sicherlich interessant. Wenn die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit aufgehoben wird, ist es fraglich, ob dies mit dem Beamtenstatusgesetz in Einklang steht. Das haben Sie aufgegriffen. Außerdem haben Sie aufgegriffen, dass Flurstücknummern nach ständiger Rechtsprechung personenbezogene Daten sind. Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie das aufgegriffen haben, zeigt zweierlei: Einerseits sind Sie lernwillig und lernfähig. Das begrüße ich. Andererseits zeigt es, dass dieser Gesetzentwurf mit sehr heißer Nadel gestrickt ist und schon jetzt im Verfahren von Ihnen wieder korrigiert werden muss.
Das ist nicht die einzige Stelle, die in diesem Gesetzentwurf mit heißer Nadel gestrickt worden ist. Belange des Datenschutzes werden nicht ausdrücklich berücksichtigt. Das ist aber nur einer der beiden Punkte.
Der zweite Punkt ist für mich wesentlich ausschlaggebender. In Ihren gesamten Beiträgen vermischen Sie die Informationsfreiheit auf der einen Seite und die proaktive Transparenz auf der anderen Seite. In Ihrer Begründung haben Sie aufgeführt, der Gesetzentwurf gehe darüber hinaus. Deswegen ist es nicht richtig, zu sagen, dass elf Bundesländer ein solches Gesetz haben. Hamburg hat ein solches Gesetz, und Bremen hat ein solches Gesetz. Die anderen Bundesländer haben Informationsfreiheitsgesetze. Sie gehen über diese Informationsfreiheit hinaus. Sie gehen den Schritt weiter zur Transparenz. Ich darf noch einmal den Landesbeauftragten für den Datenschutz zitieren. Er hat gesagt, Transparenz sei qualitativ etwas anderes. Mit der Informationsfreiheit wird ein Anspruch auf Information eröffnet. Mit dem Transparenzgesetz wird die Behörde verpflichtet, von sich aus Informationen zu liefern. Das ist ein deutliches Mehr. Es ist nicht nur ein Mehrwert, sondern hat auch mehr Nachteile. Denn natürlich ist der Preis für Transparenz in diesem Fall hoch, weil sie sehr viel mehr Bürokratie erfordert. Das zeigen allein die 15 veröffentlichungspflichtigen Tat
bestände, die Artikel 5 vorsieht, von denen nicht alle schon jetzt automatisch veröffentlichungspflichtig sind.
Das Fazit: Das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz einerseits und Informationsfreiheit und Transparenz andererseits ist noch nicht ausreichend aufgelöst. Der bürokratische Aufwand, den Ihr Gesetzentwurf mit sich bringt, bedeutet für mich ein klares Nein.
(Vom Redner nicht auto- risiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon einmal über Transparenz gesprochen. Ich glaube, es gibt wenige Bereiche, wo diese Transparenz von den
Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes so sehr erwartet wird wie bei den Geldern, die wir als Politiker beziehen. Das gilt für die Erstattung von Aufwendungen, seien es Sachaufwendungen oder Personalkosten, ganz genauso wie für Diäten. Diese Erwartungshaltung ist nicht nur verständlich, sie ist auch berechtigt. Wir haben einen öffentlichen Auftrag. Dieser öffentliche Auftrag ist mit einer Verpflichtung verbunden. Diese Verpflichtung müssen wir ernst nehmen.
Die aktuelle Diskussion zeigt sehr deutlich den Handlungsbedarf. Es geht um nicht weniger als um die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt. Es ist zu betonen: Ja, was passiert ist, mag legal gewesen sein; aber nicht alles, was legal ist, ist auch richtig; und nicht alles, was legal ist, ist auch moralisch vertretbar.
Manches ist zumindest fragwürdig. Ich möchte aber auch eines sehr deutlich klarstellen: Ich könnte es mir sehr einfach machen und sagen, wir als FDP sind von dem Problem nicht betroffen. Ich meine aber, das wäre eine völlig falsche Selbstgerechtigkeit. So werde ich hier nicht auftreten. Es hat mich gestört, dass jedenfalls in einem Redebeitrag das Ganze so dargestellt worden ist, als sei es das Problem einer Partei, als sei das ein System.
Ich glaube, das greift entschieden zu kurz. Warten wir ab, was die weiteren Untersuchungen noch ans Tageslicht bringen. Ich will hier keine Spekulationen beginnen. Mehr Besonnenheit wäre hier angemessen.
Es geht hier nicht darum, über irgendjemand den Stab zu brechen. Es geht auch nicht um die Frage, ob tatsächlich Missbrauch betrieben wurde. Das ist so ähnlich wie bei der Befangenheit vor Gericht. Dort geht es auch nicht um die Frage, ob jemand befangen ist, sondern alleine um die Frage, ob die Besorgnis der Befangenheit besteht. Hier geht es nicht darum, ob tatsächlich ein Missbrauch stattgefunden hat, sondern darum, ob die Möglichkeit des Missbrauchs bestanden hat.
Wir müssen schnell und entschlossen handeln und dafür sorgen, dass solche Fälle nicht mehr vorkommen.
Diese Intention haben beide Gesetzentwürfe, die heute vorgelegt werden. Ich möchte hier in der Ersten Lesung mehr die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede betonen. Beide Gesetzentwürfe, sowohl der, den wir als FDP-Fraktion mitinitiiert haben und auf den wir gedrängt haben, als auch der vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sorgen dafür, dass dieses Problem nicht mehr auftreten kann. Ich meine, das ist nicht nur richtig, sondern das ist auch dringend.
Wenn es Altfallregelungen gibt, brauchen wir uns nicht zu beschweren, dass es vielleicht Fälle gibt, in denen sie jemand ausnutzt. Aber genauso klar ist auch: Nach 13 Jahren ist es Zeit, diese Altfallregelungen abzuschaffen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei manchen Wortbeiträgen hätte man heute beinahe denken können, das Internet sei ein Werk des Teufels. Ich halte dagegen: Das Internet ist eine der größten Erfindungen in der Geschichte der Menschheit.
Das Internet ist heute Kaufhaus, Stammtisch, Marktplatz und Info-Börse. Im Internet werden Geschäfte und Politik gemacht, Freundschaften und Verträge geschlossen. Für die Mehrzahl der Menschen ist das Internet inzwischen ein fester Bestandteil ihres Lebens. 71 % aller Deutschen über 14 Jahre haben einen Internet-Anschluss. Im Schnitt verbringt jeder von ihnen täglich 100 Minuten im Netz.
Man muss aber auch sagen: Durch die Komplexität und seinen Umfang spielt das Internet auch bei der Begehung von Straftaten eine immer größere Rolle. Im Internet ist es möglich, schnell, anonym und grenzüberschreitend zu handeln. Das birgt natürlich ein erhebliches Gefährdungspotenzial. Straftaten im Internet sind neben Terrorismus und organisierter Kriminalität wohl die größte Bedrohung unserer Gesellschaft. Allein im vergangenen Jahr wurde laut der aktuellen Kriminalstatistik eine Steigerung von Straftaten im Internet um 6,6 % auf 21.963 registriert.
Man braucht nicht abscheuliche Dinge wie das Verbreiten pornografischer Schriften zu bemühen; auch Computer-Sabotage, Software-Piraterie und Erpressungsdelikte beschäftigen die bayerischen Ermittlungsbehörden. Zu Recht hat der Präsident des Landeskriminalamts, Peter Dathe, gesagt, dass es mittlerweile kaum mehr ein Verbrechen gebe, das keine Komponente im Internet habe. Besonders auffällig ist die hohe Steigerung bei den Erpressungsdelikten von 130 auf 170 oder bei der Computer-Sabotage, wenn Internetnutzer mit einer E-Mail mit Schadsoftware zur Überweisung eines Geldbetrags aufgefordert werden, den sie angeblich schuldig sind.
Ja, die Dunkelziffer ist hoch. Das liegt aber nicht daran, dass die Menschen kein Vertrauen in die Aufklärung hätten, sondern daran, dass viele Opfer gar nicht merken, dass sie angegriffen werden, und die Tat deshalb nicht zur Anzeige bringen. Es liegt auch daran, dass es vielen Unternehmen peinlich ist, Opfer
einer solchen Straftat geworden zu sein. All das macht ein intensives polizeiliches Tätigwerden erforderlich.
Ich kann nur sagen: Bayern hat reagiert. Herr Kollege Schneider, Sie haben gesagt, endlich werde das Internet richtig wahrgenommen. Ich frage mich schon: Wo leben Sie? Wo haben Sie die letzten Jahre verbracht? Offensichtlich nicht in Bayern; denn Bayern ist das erste Bundesland gewesen, das gegen diese Entwicklung mit der Einrichtung eigener Schwerpunktkommissariate und spezieller Netzwerkfahnder vorgegangen ist. Beim Landeskriminalamt wurde bereits im Jahre 1995 ein Sachgebiet "Netzwerkfahndung" eingerichtet, in dem dreizehn Polizeibeamte das Internet anlassunabhängig durchforsten.
In den Ballungsräumen München und Nürnberg gibt es Schwerpunktkommissariate. Bayern hat als erstes Bundesland auf Cyber-Cops gesetzt. Man kann natürlich über die Ausgestaltung reden. Das muss man auch tun. Wir haben eine Sonderlaufbahn für Computerspezialisten geschaffen. Wir haben Spezialisten, denen die mehrjährige polizeiliche Ausbildung erspart bleibt und die in einem Intensivkurs zum Polizeibeamten ausgebildet werden.
Diese Beamten können sich sofort der Bekämpfung dieser Straftaten widmen. Wir können natürlich auch über die Zahlen reden. Das ist aber in gewisser Weise Erbsenzählerei. Wir haben 25 zum Polizisten ausgebildete Informatiker. Natürlich könnte man auch 35, 45 oder 55 einstellen. Ich halte jedoch etwas anderes für entscheidend, nämlich die Nachhaltigkeit. Wir müssen diesen eingeschlagenen Weg, Fachleute zu Polizeibeamten zu machen, fortsetzen. Dieser Weg hat sich bewährt.
Bayern hat eine hervorragende Sicherheitsbilanz, auch was die Sicherheit im virtuellen Raum angeht, vorzuweisen. Hier belegt Bayern immer noch eine Spitzenposition. Dies verdanken wir der hervorragenden Arbeit unserer Polizei. Ich möchte all den Beamten, die in diesem Bereich tätig sind, meinen herzlichen Dank aussprechen. Dank ihnen ist Bayern im Kampf gegen Cyber-Crime gut ausgerüstet. Sie verfügen über das notwendige Know-how.
Deswegen freut es mich besonders, dass wir diese Arbeit intensivieren und im Doppelhaushalt 2013/2014
100 weitere Planstellen für den Kampf gegen die Cyber-Kriminalität vorsehen.
Um den Kampf gegen Internet-Kriminelle erfolgreich aufnehmen zu können, müssen wir die Polizeibeamten auch mit der notwendigen rechtlichen Ausstattung versorgen. Neue technische Ermittlungsmethoden dürfen nicht dazu führen, dass sich Fahnder bei anlassunabhängigen Recherchen im Internet im rechtsfreien Raum bewegen. Die Frage des Datenschutzes der Nutzer darf kein Tabu und keine Grauzone sein.
Herr Kollege Schneider, Sie haben die Vorratsdatenspeicherung angesprochen. Nein, ich halte sie nicht für ein Allheilmittel. Sie haben ein Beispiel bemüht; niemand würde auf die Idee kommen, Autos ohne Kennzeichen fahren zu lassen. Ich halte Ihnen entgegen: Niemand kommt auf die Idee, dass alle Bürger nur noch mit Namensschild in die Öffentlichkeit gehen.
Viel wichtiger ist, moderne Ermittlungsmethoden zu ergänzen und sich mit neuen Dingen zu befassen. Deswegen hat die FDP-Fraktion vor Kurzem im Rahmen einer Schriftlichen Anfrage die technische und rechtliche Möglichkeit einer polizeilichen Fahndung in sozialen Netzwerken abgefragt. Derzeit legen die RiStBV, die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren, fest, dass private Internet-Anbieter für staatliche Fahndungsaufrufe grundsätzlich nicht eingeschaltet werden sollen. Aber eine solche neue Fahndungsmethode hätte durchaus auch Vorteile. Man kann nämlich innerhalb kürzester Zeit eine große Anzahl von Menschen erreichen. Millionen Nutzer von sozialen Netzwerken könnten den staatlichen Behörden bei der Ermittlung durch sachdienliche Hinweise oder schnelle Weiterverbreitung von Informationen helfen.
Auch eine Arbeitsgruppe der bayerischen Polizei hat die Nutzung sozialer Netzwerke zur Fahndung unter Berücksichtigung fachlicher, rechtlicher, organisatorischer, technischer und finanzieller Aspekte untersucht und Interesse bekundet. Natürlich gibt es auch Vorbehalte beim Landesbeauftragten für den Datenschutz, und diese müssen wir auch ernst nehmen; denn durch die weltweit recherchierbare Veröffentlichung von Fahndungsdaten wird ganz massiv in Grundrechte eingegriffen. Aber all das ist abzuwägen, und es ist wichtig, dass wir uns mit diesen modernen Möglichkeiten auseinandersetzen.
Prävention ist demgegenüber aber viel wichtiger. Internet ist nämlich vor allem dann gefährlich, wenn man seine Risiken nicht kennt.
Hinter Begriffen wie "Trojaner", "Spyware", "Scareware" oder "Phishing" stecken konkrete Gefahren für Geld, Daten, ja sogar für die körperliche Integrität der Bürgerinnen und Bürger. Sicherheit im Internet ist nicht nur für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger von besonderer Bedeutung; sie ist vielmehr auch wesentliche Voraussetzung dafür, dass Online-Angebote überhaupt erst genutzt werden. 63 % der Internetnutzer haben noch immer Informationsbedarf beim Umgang mit den neuen Medien. Um sich wirksam schützen zu können, muss man wissen, wo Gefahren lauern. Deswegen unterstützt die bayerische Polizei die Bürgerinnen und Bürger mit wertvollen Tipps, zum Beispiel unter www.polizei-beratung.de. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik klärt detailliert über Risiken auf und gibt wichtige Hinweise, wie man Fehler im Umgang mit dem Internet vermeiden kann.
Besonders wichtig ist der Schutz der jungen Menschen. Das Cyber-Grooming ist zu Recht angesprochen worden. Tatsache ist, dass gerade viele Jugendliche leichtfertig Bilder oder Informationen ins Netz stellen, ohne an die Folgen zu denken. Kriminellen Machenschaften wie Cyber-Grooming kann man am besten den Boden entziehen, indem man auf die Medienbildung junger Menschen setzt. Das haben wir Liberale immer mit Nachdruck betrieben. Die Fähigkeit der Bürger, Informationen richtig einzuordnen und zu bewerten, ist eine Voraussetzung für die Demokratiefähigkeit einer Gesellschaft. Medien ermöglichen den Bürgern, mündig in der Informationsgesellschaft zu leben, aktiv an ihr teilzuhaben und sie mitzugestalten. Wir setzen uns dafür ein, Bayerns Bürger auf die digitale Gegenwart und Zukunft vorzubereiten.
Medienbildung erfolgt am besten mit Medien. Deshalb hat sich die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag erfolgreich dafür eingesetzt, dass digitales Lernen im Rahmen des bayerischen Schulunterrichts in einem schlüssigen Gesamtkonzept aus Didaktik, Technik und Infrastruktur umgesetzt wird. Seit 2011 fordern wir, dass Schüler und Lehrer an allen bayerischen Schulen über ein Schulnetz auf zertifizierte, pädagogisch fundierte Lernprogramme zugreifen können.
Im Sinne der Inklusion ist auch wichtig, dass wir das barrierefrei tun, dass es eine barrierefreie Ausgestaltung des Bildungsnetzes und eine altersgerechte Einbindung in den Unterricht gibt. Da das computerge
stützte Lernen nicht nur technische Fertigkeiten voraussetzt, sondern auch eine hohe Methodenkompetenz der Lehrenden, setzen wir Liberale uns dafür ein, dass alle drei Phasen der Lehrerausbildung auf ein zeitgemäßes Mediennutzungsverhalten ausgerichtet werden.
Ebenso wie der sichere, flexible Umgang mit den neuen Medien gehören für uns Liberale die Sensibilisierung für Persönlichkeits- und Urheberrechte sowie der Schutz der Privatsphäre zum Bildungsziel Medienkompetenz.
Zur Prävention gehört nicht nur die Bildung, sondern auch die technische Weiterentwicklung. Ich bin Herrn Staatsminister Herrmann außerordentlich dankbar dafür, dass er darauf hingewiesen hat, wie gut Innenministerium und Wirtschaftsministerium hier Hand in Hand arbeiten. Er hat das Projekt der Fraunhofer-Einrichtung für Angewandte und Integrierte Sicherheit angesprochen, das vom Wirtschaftsministerium gefördert wird. Ich darf ein konkretes Beispiel dessen geben, was da entwickelt wird: Im März wurde bekannt gegeben, dass es eine neue Sicherheitslösung für mobile Endgeräte gibt, die eine sichere Nutzung von mobilen Geräten in Firmennetzen ermöglicht. Sie sorgt dafür, dass vertrauliche Unternehmensdaten vor dem Zugriff Dritter geschützt bleiben. Einen Monat später gibt es die Meldung, dass es erstmals gelungen ist, eine Schutzfolie zu entwickeln, mit der sich elektronische Steuerungskomponenten gegen Angriffe von außen schützen lassen. Eine solche elektronische Membran bietet aufgrund ihrer Eigenschaften größtmöglichen Schutz für eingebettete Systeme gegen Produktpiraterie und Manipulationen jeder Art. Diese technischen Entwicklungen brauchen wir, um mit dem Schritt halten zu können, was Cyber-Kriminelle tun.
Die Cyber-Kriminalität ist ein Milliardengeschäft. Hinter diesen Machenschaften stecken keine unbedarften Amateure, sondern Organisationen, die äußerst raffiniert vorgehen. Sie stellen die Ermittlungsbehörden vor große Herausforderungen. Die Täter sind flexibel, und ihre Vorgehensweise passt sich permanent neu entwickelten Sicherheitsstandards an. Deswegen müssen die Ermittlungsbehörden gut aufgestellt sein. Da das Internet keine Grenzen kennt, muss man grenzüberschreitend arbeiten. Kollege Hanisch hat darauf hingewiesen, dass das notwendig ist. Aber all das geschieht schon längst, und ich möchte unserem Innenminister ausdrücklich dafür danken. Er hat bei einem dreitägigen Besuch zusammen mit den US-Si
cherheitsbehörden beschlossen, die gegenseitige Zusammenarbeit über Strukturen und Arbeitsweisen in der Internet-Kriminalität zu verbessern und bestehende Kontakte zu intensivieren. Diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist der richtige Weg, Kolleginnen und Kollegen.
Ziel muss aber auch sein, unsere Bürgerinnen und Bürger noch besser vor Gefährdungen zu schützen, die durch die kriminelle Nutzung des Internets durch immer professionellere und zunehmend international agierende Täter entstehen. Das Internet eröffnet Möglichkeiten zur freien Entfaltung. Damit geht jedoch auch die Preisgabe persönlicher Daten einher. Teilweise sind unbewusst auch andere Menschen betroffen; denn wer in sozialen Netzwerken private Fotos teilt, sollte immer vor Augen haben, dass diese nicht leicht gelöscht werden können. Mit nur wenigen Klicks können private Details in Hände geraten, für die sie nicht bestimmt sind. Deshalb ist es wichtig, dass die Nutzer in sozialen Netzwerken ihre Privatsphäreneinstellungen gezielt vornehmen.