Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 84. Vollsitzung des Bayerischen Landtags.

Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich zwei Glückwünsche aussprechen. Am 28. September feierte Frau Staatsministerin Emilia Müller einen runden Geburtstag und am 6. Oktober feierte Herr Kollege Dr. Otmar Bernhard einen halbrunden Geburtstag. Ich wünsche beiden im Namen des Hohen Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg bei den parlamentarischen und politischen Aufgaben.

(Allgemeiner Beifall)

Ich hoffe, dass die Anwesenden den beiden Abwesenden dies gehörig mitteilen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Volkmar Halbleib u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Kinderbildungsund -betreuungsgesetzes - Einführung eines kostenfreien letzten Kindergartenjahres (Drs. 16/9739) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird seitens der Antragsteller begründet. Erster Redner ist Herr Kollege Pfaffmann. Auf meinem Monitor stand dies noch nicht. Deshalb habe ich mich gerade etwas suchend umgesehen. Aber jetzt hat Herr Kollege Pfaffmann das Wort.

Vielleicht, Herr Präsident, lag das am Trojaner.

(Unruhe)

Das war jetzt aber nicht nötig. - Herr Kollege Pfaffmann, jetzt warten wir, bis es ruhig ist. Die Unruhe haben Sie allerdings selber verursacht, indem Sie da eine Sache schief eingeführt haben.

Ich weiß, dass ich ein Unruhestifter bin. Aber das bin ich gern in diesem Hohen Haus.

Jetzt haben Sie also das Wort. Die Ruhe ist hergestellt, vor allem in Ihren eigenen Reihen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bringen heute einen Gesetzentwurf ein, der hier sicher keine neue Diskussion auslöst, weil er in diesem Hause seit vielen Jahren diskutiert wird. Es geht um die Einführung eines kostenfreien letzten Kindergartenjahres.

Wir wollen erstens erreichen, dass Familien durch Gebührenfreiheit entlastet werden. Jedermann weiß, dass die Kindergartengebühren für viele Familien gar nicht mehr bezahlbar sind; sie liegen schwer auf der Tasche.

Zweitens wollen wir erreichen, dass in den Kindergärten eine Qualitätsverbesserung generiert wird. Dies gilt vor allem für das letzte Kindergartenjahr. Denn der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule ist natürlich ein bedeutender pädagogischer Schritt. Eine Kostenfreiheit und damit eine Attraktivität des letzten Kindergartenjahres kann diese Verknüpfung qualitativ verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Für uns ist das kostenfreie letzte Kindergartenjahr das will ich hier gleich sagen - nicht das Ende der familienentlastenden Maßnahmen, sondern der Einstieg in eine Kostenfreiheit für alle Kindergartenjahre bis zum Schuleintritt. Nach unserer Meinung sind die Kindergartenjahre vor der Schule Bildungszeiten. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Bildungszeit vor der Schule mit Gebühren belegt wird, während die Schule nichts kostet.

(Beifall bei der SPD)

In dieser Einschätzung sind sich viele in diesem Hause fraktionsübergreifend einig. Deswegen wundert mich schon die eine oder andere Pressemitteilung, die auf unseren Gesetzentwurf Bezug nimmt. Hierauf will ich jetzt eingehen.

Die CSU, lieber Herr Unterländer, hat festgestellt, dass das Anliegen in der Politik keine Priorität habe. Das haben Sie gestern erklären lassen. Sie sollten sich in Ihrer Fraktion vielleicht einmal einigen. Ich zitiere eine Äußerung Ihres Kollegen Herrn Kobler nachzulesen in der "Passauer Neuen Presse" - bei einer Veranstaltung:

MdL Konrad Kobler bezog bei dem Gespräch noch einmal deutlich Position für ein kostenloses letztes Kindergartenjahr als Einstiegslösung in eine gänzliche Kostenfreiheit der Eltern.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, ich empfehle der CSUFraktion, zu dieser Frage eine fraktionsinterne Klärung herbeizuführen.

Die FDP hat zu diesem Gesetzentwurf erklärt, sie wolle erst die Steuerschätzung abwarten. Lieber Herr Hacker, vielleicht halten Sie die Menschen für blöd. Jedenfalls können Sie uns nicht für dumm verkaufen.

(Thomas Hacker (FDP): Sie uns auch nicht!)

Ich darf Sie an den Antrag auf Drucksache 16/7313 erinnern. Darin hat die SPD-Fraktion Haushaltsansätze für ein kostenfreies Kindergartenjahr gefordert. Die FDP hat dies jedoch abgelehnt. Lieber Herr Hacker, Sie haben mit dieser Ablehnung bereits vor eineinhalb Jahren gegen Ihren eigenen Koalitionsvertrag gestimmt.

(Beifall bei der SPD)

Das halte ich hier fest. Im Koalitionsvertrag steht, dass Sie mittelfristig ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr einführen wollen. Lieber Herr Hacker, ich würde mich da an Ihrer Stelle ein bisschen beeilen;

(Thomas Hacker (FDP): Wir nehmen uns da ein Beispiel an der SPD!)

denn "mittelfristig" ist für Sie 2013 zu Ende. Sie haben also nur noch zwei Jahre Zeit, die Versprechungen, die Sie den Menschen in diesem Land gemacht haben, vor der Wahl einzulösen. Sie sollten sich ein bisschen beeilen. Wir geben Ihnen jetzt die Gelegenheit dazu, Ihre Versprechungen umzusetzen, indem Sie in den Ausschussberatungen dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen, Herr Hacker, brauchen wir zu diesem Thema von Ihnen keinerlei Belehrung. Als 1992 auf Initiative der SPD-Fraktion erstmals in diesem Hause über ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr gesprochen wurde, waren Sie 25 Jahre alt, und Ihr Kollege Thalhammer war 12 Jahre alt.

(Thomas Hacker (FDP): Da sehen Sie mal, wie lange Sie ergebnislos versucht haben, was zu tun. Wir haben jetzt die Möglichkeit, ohne Ihr Zutun etwas zu erreichen, ohne Ihre oberlehrerhaften Vorhaltungen, Herr Pfaffmann! Alter schützt vor Torheit nicht!)

Wenn Sie heute den Eindruck erwecken wollen, Sie hätten diese Initiative erfunden, dann sollten Sie die Protokolle des Bayerischen Landtags nachlesen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch zwei grundsätzliche Sätze zur familienpolitischen Aufstellung dieser Koalition sagen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Therapeutisch oder? Thomas Hacker (FDP): Was der alles kann und wofür er als Experte gilt!)

In der CSU ist man sich uneinig, ob man machen soll, was man den Wählern versprochen hat. In der FDP stimmt man gegen den eigenen Koalitionsvertrag. Die FDP ist dagegen, beim Betreuungsgeld steht sie übrigens auf dem gleichen Standpunkt. Die CSU ist dafür, die CDU ist dagegen, und auch die FDP ist dagegen. Ich kann Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen dieser Koalition, Sie haben keinerlei familienpolitisches Konzept, und Sie haben keinen familienpolitischen Plan. Was Sie hier machen, ist Chaospolitik.

(Beifall bei der SPD)

Nun zum Gesetzentwurf selbst. In diesem Haus gibt es eine strukturelle Mehrheit für den Gesetzentwurf. Die Frage ist nicht, wer das erfunden hat, die Frage ist auch nicht, ob man innerhalb der Fraktion Gegner oder Befürworter hat, die Frage ist vielmehr, lieber Herr Hacker, ob Sie, der Sie an der Regierung beteiligt sind, bereit sind, Ihren eigenen Koalitionsvertrag umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir das machen, treten Sie nicht mehr im Landtag an. Dann gibt es hier andere Mehrheiten. Dann machen wir das schon. Insofern glaube ich, dass wir zur Sachpolitik zurückkehren müssen.

Das kostenfreie letzte Kindergartenjahr ist ein Beitrag zur Verbesserung der Qualität bei der Betreuung von Kindern vor allem im Hinblick auf die Schule. Es ist ein Beitrag zur Entlastung der Familien von hohen Kindergartengebühren. Es ist außerdem der Einstieg in die Kostenfreiheit der Bildung.

Wenn Sie, lieber Herr Unterländer, sagen, das habe für Sie keine Priorität, dann sagen Sie das bitte den Eltern. Sagen Sie ihnen: Es hat keine Priorität, dass Familien entlastet werden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄHLERN - Zurufe von der CSU)

Die Fraktion der SPD hat noch knapp zwei Minuten Redezeit.

Jetzt hat Herr Kollege Unterländer das Wort. Bitte schön.

Lieber Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um von vornherein eines klarzustellen: Die Regierungskoalition von CSU und FDP hat zur Kinderbetreuung ein klares Konzept, das im Koalitionsvertrag eine Verbesserung der Rahmenbedingungen durch eine entsprechende Senkung des Anstellungsschlüssels enthält, und darüber hinaus die Prüfung eines gebührenfreien letzten Kindergartenjahres. Wir werden nach Vorliegen der Steuerschätzung eine Entscheidung treffen, und hier darf ich mich ausdrücklich auf die Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid und Thomas Hacker beziehen.

(Harald Güller (SPD): Ach!)

Dazu brauchen wir Ihren Gesetzentwurf wirklich nicht, der nur nachgeschoben ist, weil wir diese Diskussion führen.