Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

Dazu brauchen wir Ihren Gesetzentwurf wirklich nicht, der nur nachgeschoben ist, weil wir diese Diskussion führen.

(Lachen bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist finanzpolitisch unseriös.

(Zuruf von der SPD: Ach was! - Lachen bei der SPD)

Offensichtlich haben Sie keine Kenntnis darüber, wie die Betriebskosten der Kindertagesstätten im Freistaat Bayern finanziert werden: Wir haben hier eine anteilige Finanzierung von jeweils 40 % durch den Staat und die Kommune. Wenn die Kommune den Bedarf festgestellt hat, wird der Rest durch Beiträge oder die Träger finanziert. Wenn Sie nun in dem Gesetzentwurf davon sprechen, dass das Ganze 90 Millionen Euro kostet, dann beachten Sie nicht das in unserer Verfassung verankerte Konnexitätsprinzip. Nach allen Aussagen, die in den vergangenen Jahren von den Kommunen und von den kommunalen Spitzenverbänden gekommen sind, ist es doch völlig klar, dass sich diese auf das Konnexitätsprinzip berufen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist doch logisch! - Harald Güller (SPD): Darum steht es bei uns auch im Gesetzentwurf!)

Die Kommunen werden auch die Übernahme ihres Anteils verlangen. In der Konsequenz bedeutet das, dass die Kostenschätzung von 90 Millionen Euro wesentlich zu tief gegriffen ist. Wir müssen vielmehr von einer Größenordnung in Höhe von 300 bis 500 Millionen Euro ausgehen, je nachdem, wie das ausgestaltet wird.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das sieht die FDP anders!)

Wenn Sie von 90 Millionen Euro sprechen, ist das unseriös!

(Beifall bei der CSU)

Es ist auch sozialpolitisch fragwürdig, was Sie hier vorhaben, weil Sie in dem vorgegebenen finanzpolitischen Rahmen die Prioritäten so setzen, dass die Qualität der Kinderbetreuung nicht im Vordergrund steht.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wer sagt das?)

- Hier wird gesagt, dass die Entlastung der Eltern ausschließlich durch die Gebührenbefreiung erfolgt. Meine Damen und Herren, in den Kommunen erhalten bereits jetzt zwischen 30 und 50 % der Eltern über die wirtschaftliche Jugendhilfe Unterstützung, weshalb sie keine Beiträge zahlen müssen. Das heißt in der Konsequenz, dass die sozial Schwächeren bereits heute entlastet werden. Das Gesetz, das Sie sich vorstellen, greift hier also nicht. Wir haben die Maßnahmen bereits, deshalb ist es sozialpolitisch nicht zielführend.

Herr Kollege Unterländer, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Aiwanger zu?

Das machen wir bitte im Anschluss als Zwischenintervention.

Gut, dann als Zwischenintervention. Danke. Sie haben das Wort.

Es ist auch handwerklich unsauber, wenn Sie als positives Beispiel für das kostenfreie letzte Kindergartenjahr Bundesländer nennen, die, aus welchen Gründen auch immer, inzwischen von der Gebührenbefreiung der Eltern Abstand genommen haben und wieder Gebühren verlangen. Bitte informieren Sie sich besser.

Sie haben, um jetzt auf die Inhalte des Gesetzentwurfs einzugehen, vom Kindergarten gesprochen. Wir haben aber ein wesentlich breiteres Spektrum, was die Gebühren anbelangt. Das betrifft die Kindertagespflege, Eltern-Kind-Gruppen und Ähnliches.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die kommen auch noch dran!)

Ich freue mich deshalb auf die Diskussion, die wir in diesem Zusammenhang führen werden. Ich sage aber noch einmal ganz ausdrücklich: Wir müssen klarle

gen, was für uns das Entscheidende ist. Auf vielen Veranstaltungen, wie sie jeder von uns vor Ort durchführt, ist feststellbar, dass Eltern, Erzieherinnen und Träger besonderen Wert auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen legen und damit auf die Verbesserung des Anstellungsschlüssels und des Basiswertes. Für uns ist deshalb völlig klar, dass diese Maßnahmen Priorität haben. Das werden wir bei der weiteren Gesetzesberatung deutlich machen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Jetzt haben Sie das Wort, Herr Kollege Aiwanger.

Herr Kollege Unterländer, Sie haben vorhin ganz erstaunt geklungen, als Sie sagten, die Forderung nach einem kostenfreien Kindergartenjahr würde die Konnexität betreffen, und damit wäre wohl der Freistaat in der Haftung. Sind Sie denn von etwas anderem ausgegangen? Gehen Sie davon aus, dass im Koalitionsvertrag das Stichwort "kostenfreies Kindergartenjahr" fallen gelassen wird? Sollen die Kommunen dieses Thema dann ihrerseits aufschnappen und die Kosten übernehmen? - Das eröffnet ganz neue Abgründe.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Deshalb noch einmal klar meine Frage: Wenn wir von einem kostenfreien Kindergartenjahr reden, denken Sie dann an jemand anderen als den Freistaat, der das bezahlen soll?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Nein, deshalb habe ich das auch angesprochen, Herr Kollege Aiwanger. Ich habe dargestellt, dass alle Berechnungen, die in dem Gesetzentwurf enthalten sind, im Hinblick auf die Kosten, die der Freistaat übernehmen müsste, unseriös sind, weil diese die Konnexität nicht einbeziehen.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächste hat Frau Kollegin Tanja Schweiger das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir nun einmal zu Beginn einer Plenarsitzung dieses Thema als Nummer 1 auf der Tagesordnung haben, da es sonst erst spät in der Nacht diskutiert würde. Von der CSU-Fraktion haben wir ge

rade gehört: Wir werden uns weiter um einen kostenfreien Kindergarten bemühen und dies in den Mittelpunkt stellen. Über diese hoffnungsvollen Anzeichen freue ich mich schon ein bisschen. Vor einigen Jahren stand Familienpolitik noch nicht im Fokus der Politik. Gott sei Dank ist dies seit einiger Zeit anders. Heute sprechen wir darüber. Es geht um das kostenfreie Kindergartenjahr.

Lange vor ihrem Landtagseinzug haben die FREIEN WÄHLER bereits ein kostenfreies Kindergartenjahr gefordert. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf selbstverständlich unterstützen. Wem die Familienförderung ernst ist, der muss die 120 Millionen Euro, die nach unseren Berechnungen den Elternbeiträgen entsprechen, in die Hand nehmen und sagen: Ja, liebe Eltern, uns sind die Familien wichtig. Wir übernehmen diesen Beitrag. Die Forderung nach einem kostenfreien Kindergartenjahr ist unbürokratisch. Die Förderung, die direkt dort ankommt, wo wir sie brauchen, ist ebenfalls unbürokratisch, da keine kostspieligen Verfahren notwendig sind. Es handelt sich um eine Forderung und eine Förderung, die direkt ankommt.

Langfristiges Ziel ist es - ich freue mich, dies ebenfalls von der SPD gehört zu haben -, den Bürgerinnen und Bürgern die komplette frühkindliche Bildung kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Wir FREIEN WÄHLER fordern ebenfalls eine sukzessive Einführung der Gebührenfreiheit für den Kindergartenbesuch mit dem Ziel, letztendlich die gesamte Kindergartenzeit kostenfrei zu gestalten, um vor allem Kinder aus bildungsfernen und sozial benachteiligten Schichten sowie Kinder mit Migrationshintergrund von Anfang an in den Bildungsprozess einzubeziehen. Dies ist im Sozialbericht bereits enthalten und schon zum Ausdruck gekommen.

Der kostenfreie und möglichst frühzeitige Kindergartenbesuch ist Garant für frühestmögliche Chancengleichheit. Lassen Sie mich noch einen Vergleich anstellen, da es nachher um das Thema Studiengebühren geht. Es gab eine Zeit, als die CSUgeführte Staatsregierung der Meinung gewesen ist, man brauche keine Studiengebühren. Wir haben gehört, dass Herr Seehofer darüber nachdenkt, die Studiengebühren wieder abzuschaffen. 500 Euro Studiengebühren im Semester entsprechen den Kindergartenbeiträgen. Wir sollten kritisch darüber nachdenken, ob wir nicht bei den Kleinsten anfangen sollen nach dem Motto: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der CSU)

Über den Beifall von der rechten Seite freue ich mich besonders. Wir sollten im Vorfeld beginnen, die Kleinsten zu unterstützen und zu fördern.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Frau Gote, wir sind sowohl für die Abschaffung von Studiengebühren als auch für die Kostenfreiheit des Kindergartens.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Zuruf von der CSU)

- Wem es ernst ist, der muss Geld in die Hand nehmen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Keine weiteren Zwischenrufe mehr!

(Widerspruch bei der SPD)

Ich bitte Sie, Zwischenrufe zu unterlassen, weil ich Frau Kollegin Schweiger fragen will, ob sie eine Zwischenfrage zulässt. Das kann ich nur tun, wenn ich nicht ständig durch Zwischenrufe gestört werde. Deswegen habe ich das angemahnt. Frau Kollegin Schweiger, Sie haben das Wort. Lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Gote zu?

(Ulrike Gote (GRÜNE): Zwischenbemerkung!)

Lassen Sie eine Zwischenbemerkung zu?

Gerne, am Ende.

Erlauben Sie mir noch zwei Anmerkungen: Vielleicht können wir im Rahmen der Beratungen im Ausschuss noch darüber diskutieren. Im Moment sind 97 % der Fünf- bzw. Sechsjährigen, die im letzten Kindergartenjahr sind und um die es geht, bereits in Betreuung. Im ersten Kindergartenjahr werden lediglich 83 % der Kinder betreut. Wir sind der Meinung, dass das erste Kindergartenjahr kostenfrei angeboten werden sollte, um den Anreiz zu erhöhen. Kinder aus bildungsfernen Schichten müssen frühzeitig in eine Bildungseinrichtung aufgenommen werden. Ich hoffe auf einen konstruktiven Dialog und konstruktive Beratungen, damit wir dieses Problem sachlich orientiert noch einmal angehen.

Außerdem möchte ich anmerken, dass es wichtig ist, ein ganzheitliches Bildungskonzept aus einer Hand vorzuweisen. Die Verteilung der Zuständigkeit auf zwei Ministerien ist nicht immer von Vorteil. Oft weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)