Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Manchmal will die linke Hand auch gar nicht wissen, was die rechte tut. Oft befindet sich viel Sand im Getriebe. Wir sollten kritisch überlegen, wo die Bildung besser aufgehoben wäre. Vielleicht sind wir dann einen Schritt weiter. Es geht um frühkindliche Bildung. Bildung ist Aufgabe des Staates.

Frau Kollegin Schweiger -

Zwei Sätze noch. Bildung sollte vom Freistaat übernommen werden. Deswegen unterstützen die FREIEN WÄHLER diesen Gesetzentwurf. Schade, dass Herr Seehofer und Herr Schmid heute nicht da sind. Vor einem halben Jahr hat der Fraktionsvorsitzende der FREIEN WÄHLER an den Koalitionsvertrag erinnert. Schön, dass dieser heute nicht mehr infrage gestellt wurde. Stattdessen hat man nachgelesen und sagt: Wir wissen, was drinsteht.

Wir unterstützen das Ganze. Wir wollen jedoch, dass langfristig die frühkindliche Bildung völlig kostenfrei ist. Den FREIEN WÄHLERN als Vertreter der Kommunen ist es wichtig, dass dabei das Konnexitätsprinzip beachtet wird und die Kommunen geschont werden. Die Finanzierung ist Aufgabe des Freistaats.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Frau Kollegin Schweiger, bitte bleiben Sie am Redepult. Frau Kollegin Gote hat das Wort für eine Zwischenbemerkung.

Frau Kollegin Schweiger, ich bin verwirrt und muss feststellen, dass es bei den FREIEN WÄHLERN ganz genauso zu sein scheint, dass nämlich die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut. Sie erklären, man müsse darüber nachdenken, ob man beim Thema kostenfreie Bildung die Priorität auf den Kindergarten setzen solle und nicht immer auf die Studiengebühren. Deshalb wundere ich mich, dass Sie einen Dringlichkeitsantrag mit dem Titel "Abschaffung der Studienbeiträge in Bayern Grundrecht auf Bildung ernst nehmen" gestellt haben. Passt das zusammen? Das will ich nur geklärt wissen. Ich bin ebenfalls für die Abschaffung der Studiengebühren. Mit Ihrer Argumentation gehen Sie jedoch der CSU völlig auf den Leim, indem Sie Bildungskosten gegen Bildungskosten ausspielen. Sie sind ein bisschen auf der falschen Fährte.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Keine Sorge!)

Besteht ein ernstzunehmender Konflikt bei den FREIEN WÄHLERN? Finden wir Sie jetzt nicht mehr an unserer Seite?

Wenn Sie mich reden lassen, kann ich es Ihnen erklären.

Ich darf aber noch ein bisschen reden.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Fahn ist jetzt da, vielleicht kann er das gleich richtigstellen. Bleibt es jetzt dabei? Sind wir jetzt gegen Studiengebühren oder nicht?

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Schweiger.

Liebe Frau Kollegin Gote, Ihr Zwischenruf vor Ihrer Zwischenbemerkung war so laut, dass ich ihn hören konnte. In meiner Rede habe ich bereits darauf reagiert. Während meiner Rede habe ich gesagt, dass wir selbstverständlich sowohl an unserer langjährigen Forderung "Abschaffung der Studiengebühren" als auch an unserer langjährigen Forderung "Kostenfreies Kindergartenjahr" festhalten werden. Keine andere Kollegin und kein anderer Kollege von mir wird jemals eine Aussage machen, die in eine andere Richtung geht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich finde es unpassend, dass Sie das Haar in der Suppe suchen und einen vermeintlichen Konflikt bei den FREIEN WÄHLERN herbeireden, den es überhaupt nicht gibt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Als Nächste hat Frau Kollegin Ackermann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte den Blick wieder vorwiegend auf den Kindergarten lenken. Auch wir finden den Weg, ein kostenfreies Kindergartenjahr einzuführen, selbstverständlich richtig, weil die Erziehung im Kindergarten Bildung ist, und Bildung ist eigentlich kostenfrei, so auch im Kindergarten. Es ist sehr, sehr schade, dass das bisher noch nicht der Fall ist. Aber das Ziel, auch in den Kindergärten allmählich Kostenfreiheit einzuführen, ist natürlich gut.

Allerdings überlegen wir GRÜNEN, ob der Anreiz für das dritte Kindergartenjahr groß genug ist, wenn es kostenfrei ist. Wir haben schon immer die Meinung vertreten, dass es besser wäre, früher Anreize zu setzen und möglichst viele Kinder in die Einrichtungen zu

bringen. Das bedeutet natürlich, dass man das erste Kindergartenjahr kostenfrei stellen müsste;

(Beifall bei den GRÜNEN)

denn im dritten Kindergartenjahr besuchen, wie eben ausgeführt, ohnehin 96 bis 97 % der Kinder, jedenfalls fast alle Kinder, die Kindertagesstätte. Insofern ist da kein großer zusätzlicher Anreiz mehr möglich. Dieses kostenfreie erste Kindergartenjahr wäre aus unserer Sicht der richtige Schritt.

Am liebsten würden wir die gesamte Kindergartenzeit kostenfrei gestalten, wenn es da in Bayern nicht noch einige Defizite gäbe, die so gravierend sind, dass es nach unserer Meinung erst einmal wichtig ist, diese Defizite auszugleichen. Das kommt daher, dass in Bayern die frühkindliche Bildung jahrzehntelang verschlafen wurde. Daher ist man jetzt natürlich in einer Aufholjagd begriffen.

Wer für frühkindliche Bildung etwas tun will, muss zunächst einmal die Qualität verbessern.

(Beifall eines Abgeordneten der CSU)

Das bedeutet: Wir brauchen mehr Erzieherinnen, eine bessere Ausbildung der Erzieherinnen, kleinere Gruppen und ein flächendeckendes Angebot an Kinderkrippen. Von all dem sind wir noch meilenweit entfernt. Wir glauben aber, dass wir dort anfangen müssen; denn es nützt den Kindern nichts, wenn ihre Eltern zwar für die Einrichtung nichts bezahlen müssen, aber die Gruppen übergroß sind und die Kindergärtnerinnen nicht ausreichen, weil wir im Moment nicht genug ausgebildete Erzieherinnen haben. Das sind alles Dinge, die zuerst erledigt werden müssen. Wenn wir diese Hausaufgaben gemacht haben, werden wir feststellen - wir haben vorhin von Kosten gesprochen -: Das wird extrem teuer. Das kostet zwar, aber wir müssen wissen, was wir wollen.

Wenn wir die frühkindliche Bildung für wichtig halten, müssen wir die Weichen richtig stellen, und dazu gehört Qualität bei der Bildung und bei den Kindertageseinrichtungen. Wir müssen dann aber auch bereit sein, dafür die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Um es nochmals klar zu sagen: Wenn wir einen Wunschzettel abgeben dürften, würden wir schreiben: Selbstverständlich Kostenfreiheit für die gesamte Kindergartenzeit, mehr Qualität und mehr Erzieherinnen, kleinere Gruppen, flächendeckendes Angebot an Kinderkrippen und dort, wo keine Kinderkrippen vorhanden sind, an Tagesmüttern. Das wäre unsere Politik.

Wir wissen aber auch, dass diese Politik wahrscheinlich leider nur Schritt für Schritt machbar ist. Deshalb

müssen wir Prioritäten setzen, und diese setzen wir bei der Qualität, bei der Ausbildung, bei flächendeckenden Krippen und, darauf aufbauend, bei einem ersten kostenfreien Kindergartenjahr, bis die ganze Kindergartenzeit kostenfrei ist.

Wir werden uns deshalb beim Gesetzentwurf der SPD der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Jetzt kenne ich mich nicht mehr aus. Da weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut!)

Als nächste Rednerin hat nun Frau Kollegin Brigitte Meyer das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Man nehme einen Punkt aus dem Koalitionsvertrag, der noch nicht realisiert wurde, weil wir erst Halbzeit haben, versuche, diesen schnell in einen Gesetzentwurf zu gießen, mache darum einen mordsmäßigen öffentlichen Wirbel und stelle sich dann als die große, innovative Fortschrittspartei hin.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das, was bei diesem Rezept herausgekommen ist, ist für mich vordergründig populistisch, entbehrt jeglichen Gesamtzusammenhangs und hilft nicht weiter.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Hubert Aiwan- ger (FREIE WÄHLER): Dann ist der Koalitionsvertrag auch populistisch!)

Sie begründen den Gesetzentwurf damit, dass es sich viele Eltern nicht leisten können, den Kindergartenanspruch ihrer Kinder zu finanzieren. Sie begründen es mit Defiziten bei der notwendigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, also mit familien- und sozialpolitischen Argumenten. Das ist ehrenwert. Sie führen diese Argumente ins Feld und verwenden dabei Zahlen, die längst nicht mehr der Realität entsprechen. Auch wenn Sie es vielleicht nicht bemerkt haben oder nicht wahrhaben wollen: Hier in Bayern hat sich in den letzten Jahren einiges getan und verändert.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

In Bayern liegt die Betreuungsquote bei Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren, bezogen auf

Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege, heute tatsächlich bei 92,7 %, und wenn man die Förderung in den schulvorbereitenden Einrichtungen dazunimmt, bei 95 %. Wenn man gar die Kinder dazurechnet, die noch in den Kindergarten gehen, also wirklich im Vorschuljahr sind und eigentlich in die Schule gehen könnten, liegen wir sogar bei 99 %. Das sind die Zahlen vom 1. März 2010.

(Markus Rinderspacher (SPD): Frau Meyer, sprechen Sie sich dafür oder dagegen aus?)

- Das werde ich Ihnen gleich sagen.

Entgegen Ihrer Behauptung bleibt auch bei Kindern mit Migrationshintergrund die Betreuungsquote im letzten Kindergartenjahr nicht wesentlich unter dem Wert von Kindern ohne Migrationshintergrund. Sie sehen also, eine großartige Steigerung der Erfassungsquote wird mit einem kostenfreien letzten Kindergartenjahr nicht mehr zu erreichen sein.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Aber die finanzielle Entlastung der Eltern!)

- Was Sie aber erreichen, ist eine finanzielle Entlastung der Eltern, und zwar derjenigen, die bis dahin vielleicht selber gut zahlen können. Dass es bereits heute einkommensschwache Eltern gibt, die von den Beiträgen völlig oder zumindest teilweise befreit sind, haben Sie nie und nirgendwo erwähnt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)