Protokoll der Sitzung vom 15.07.2009

Für uns, meine Damen und Herren, ist der Mittelstand dabei keine betriebswirtschaftliche Recheneinheit. Mittelstand ist eine Geisteshaltung. Pioniersinn und Heimatverbundenheit, Mut und Verantwortungsgefühl diese mittelständischen Tugenden sind gerade auch in den Zeiten der Krise gefragt, um unser Land durch die Krise zu bringen.

So danke ich Martin Zeil sehr für seinen unermüdlichen Einsatz und seine große Initiative für den Erhalt der Unternehmen in Bayern. Der Mittelstandspakt wurde schon genannt. Der intensive Dialog, der hier zwischen Wirtschaft und Politik geführt wird, ist wichtig, und nur er kann uns auch mit nach vorn bringen.

Wir Liberalen, meine Damen und Herren, fühlen uns dem Mittelstand verpflichtet, weil wir wissen, was er leistet. Bundesweit stellen die kleinen und mittleren Unternehmer 70 % aller Arbeitsplätze und bilden 80 % aller Lehrlinge aus. Wer den Mittelstand nicht durch die Krise führt, bringt Deutschland auch nicht aus der Krise.

Was der Mittelstand in der Wirtschaft ist, das ist die Mittelschicht in unserer Gesellschaft. Die Mitte unserer Gesellschaft, das sind - auch wenn die Nachmittagsprogramme des Fernsehens gelegentlich anderes zei

gen - diejenigen, die morgens aufstehen, ihre Kinder versorgen, zur Arbeit gehen und Steuern zahlen, diejenigen, die Leistung bringen, eine gute Ausbildung erreichen und sich ihr privates Glück auf gesichertem wirtschaftlichen Fundament selbst erarbeiten wollen. Jeder Arbeitnehmer und jeder Unternehmer, der mit seiner täglichen Arbeit den Unterhalt für sich, seine Familie und über die Steuern und Abgaben auch den Unterhalt für sozial Benachteiligte sichert, schafft Wohlstand und Sicherheit für alle.

Diese gesellschaftliche Mitte bildet das Rückgrat der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. 94 % der Steuereinnahmen des Staates werden von 50 % der Bürger bezahlt. Ihr verfügbares Einkommen ist in den vergangenen Jahren niedriger geworden. Diese 50 % in der Mitte der Gesellschaft haben zu Recht den Anspruch darauf, dass von ihrem selbstverdienten Geld auch genügend bei ihnen bleibt.

Die Steuerpolitik der FDP ist darauf ausgerichtet, die Mitte der Gesellschaft zu entlasten. Sie erwartet von der Politik zu Recht, dass sie nicht immer weiter zusätzliche Lasten aufgebürdet bekommt. Dazu ist eine Steuerstrukturreform notwendig. Sie ist auch zugleich das beste Konjunkturprogramm jenseits aller ausgabenfinanzierter Strohfeuerprogramme; denn nur sie fördert das Wachstum und stabilisiert den Arbeitsmarkt. Ein einfaches Steuersystem ist auch ein gerechtes Steuersystem.

Ein Konzept für eine gerechte Steuer muss auch mit der Konsolidierung der Staatsfinanzen verbunden sein. Eine Steuerstrukturreform und die Konsolidierung der Staatsfinanzen sind gleichwertige politische Ziele. Sie stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern sie sind die zwei Seiten einer Medaille. Es ist die zentrale Frage der Generationengerechtigkeit, dass jede Generation ihre Aufgaben aus eigener Kraft bewältigt.

Es ist spannend, gerade jetzt in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl zu hören, wie für die Zeit nach der Bundestagswahl Steuererhöhungen ausgeschlossen werden und Steuersenkungen auf den Sankt Nimmerleinstag hinausgeschoben werden. Uns reicht das nicht aus. Was die Bürgerinnen und Bürger brauchen, sind deutliche Entlastungen, kein Status quo. Die FDP ist die Partei, die von Anfang an steuerpolitisch Kurs gehalten hat und auch weiter hält. Unser Steuerkonzept ist seriös. Wir bauen Subventionen ab.

(Zuruf von den GRÜNEN: Wo?)

Wir bekämpfen Steuermissbrauch und machen die Arbeits- und Finanzverwaltung effizienter. Allein dadurch, dass es uns gelänge, zehn Prozent der Schattenwirtschaft in die reale offizielle Wirtschaft rüberzuholen,

könnten wir Steuern senken und eine Steuerstrukturreform hinkriegen.

Die Bundestagsfraktion der FDP hat mehrfach offengelegt und im Steuersparbuch veröffentlicht, dass mit diesen Maßnahmen rund 32 Milliarden Euro auf den Weg gebracht werden könnten, dass mehr als 32 Milliarden Euro für Steuerentlastungen zur Verfügung stehen könnten.

Meine Damen und Herren, uns geht es hier nicht um einen Wettbewerb nach dem Motto: Deutschland sucht den größten Steuersenker. Wir wollen eine tatsächliche Entlastung des Mittelstandes, der Mittelschicht, der Bürgerinnen und Bürger, die die Leistung erbringen; denn Leistung muss sich auch in Deutschland wieder lohnen. Das muss das Ziel einer neuen Bundesregierung sein, die wir als FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag gern tatkräftig unterstützen werden.

(Beifall bei der FDP)

Wir Liberale schauen über den Tag hinaus in die Zukunft. Wir haben Pläne jenseits der Krise. Marktwirtschaftliches Denken und Unternehmertum sind auf dem Rückzug. Das gefährdet Arbeitsplätze heute, aber vor allen Dingen auch in den nächsten Jahren. Wir brauchen eine Kultur, die es erleichtert, einen Betrieb zu gründen oder weiterzuführen. Da ist die Diskussion um die Erbschaftssteuer sehr wichtig.

Wichtig ist für uns, das wirtschaftliche Denken junger Menschen zu fördern, zu mehr Eigenverantwortung und Risikobereitschaft zu animieren und Lust auf unternehmerisches Handeln und Leistungsbereitschaft zu machen.

Ziel unserer Fraktion ist es, die Zahl der Selbstständigen in Bayern zu steigern; denn sie sind der Garant, dass auch in Zukunft neue Arbeitsplätze in Bayern entstehen.

(Beifall bei der FDP)

Dabei dürfen wir niemanden zurücklassen: Mehr Frauen in Führungspositionen, Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, das sind die Themen, die in der Zukunft vorangetrieben werden müssen. Jede Frau muss die Möglichkeit haben, beruflich tätig zu sein. Jede Frau, aber auch jeder Mann muss die Freiheit haben, sich zu Hause für die Familie zu engagieren. Wir schreiben niemandem sein Familienmodell vor.

(Zuruf von den GRÜNEN: Wir auch nicht! - Zuruf von der SPD: Wer macht das denn?)

Die Krise zu bekämpfen heißt aber auch, neue Wachstumskräfte freizusetzen. Das wollen wir tun, auch mit einem neuen modernen Ladenschlussgesetz. Da werden wir sicherlich noch Überzeugungsarbeit leisten müssen, aber wir glauben, dass auch das ein Weg in die richtige Richtung ist.

(Beifall bei der FDP - Widerspruch bei den GRÜ- NEN)

Wachstumskräfte lassen sich auch anderenorts entfesseln, wie beispielsweise in der Hotellerie und der Gastronomie. Die FDP will faire Wettbewerbsbedingungen für die bayerischen Hotels und Gaststätten; die gibt es im Augenblick nicht. Während der Finanzminister aus Berlin in Brüssel den reduzierten Satz unterstützt, verwehrt er ihn im eigenen Lande. Die Einführung der reduzierten Mehrwertsteuer in der Gastronomie ist nicht nur in den Grenzlandbetrieben gerechtfertigt und muss unbedingt umgesetzt werden.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Und wie ist es mit der Gegenfinanzierung?)

- Das Thema Gegenfinanzierung habe ich gerade kurz angerissen. Wir können Ihnen listenweise vorlegen, wo wir im Landeshaushalt wie auch im Bundeshaushalt Möglichkeit haben, Einsparungen zu tätigen und Subventionen zu senken. Damit haben wir dann auch die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen zu treffen und voranzutreiben.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Politik für mehr Wachstum, eine Politik, die auf Steuergerechtigkeit setzt und auf Bürokratieabbau. Mittlerweile sind Stimmungsaufheller, ist ein kleiner Silberstreifen am Horizont des Konjunkturhimmels zu sehen. Wir haben positive Signale der deutschen Wirtschaft. Die Auftragseingänge in der Industrie steigen. Der ifo-Geschäftsklimaindex wird besser, und auch die Bremsspuren bei den großen Autobauern sind kürzer.

Das alles sollte uns nicht übermütig werden lassen. Wir müssen weiterhin hart daran arbeiten, die Bedingungen für die Unternehmen am Standort Bayern, in Deutschland kontinuierlich zu verbessern, damit wir gestärkt aus der Krise gehen und das noch schwache Licht am Ende des Tunnels zu einem hellen Leuchten bringen.

Die Wirtschaft ist nach wie vor von einem viel zu dichten Regelwerk überzogen. Viele Regeln geben vor, die Menschen zu schützen. In Wirklichkeit schaden sie ihnen; denn viele dieser Regelungen hemmen das Engagement von Arbeitnehmern und Unternehmern. Das kostet auch in Bayern Arbeitsplätze.

Wir treten an, um Verkrustungen und Erstarrungen des Arbeitsmarktes im Dienste der betroffenen Menschen abzubauen. Die FDP tritt uneingeschränkt dafür ein, geleistete Arbeit angemessen zu vergüten. Ein gesetzlicher Mindestlohn, wie auch in diesem Hohen Hause mehrfach gefordert, gehört sicherlich nicht dazu, die Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP) - Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜ- NE))

- Liebe Kollegin, ja, Hauptsache ist das Tun!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, eine Wirtschaftspolitik nach liberalen Grundsätzen setzt den Rahmen für mehr Wachstum. Das ist, offen gesagt, alles, was die Politik gegen die Krise tun kann. Wir sollten nicht so vermessen sein zu glauben, die Politik könnte diese Krise beenden. Das kann sie nicht. Wer das den Menschen erzählt, wird sie zwangsläufig enttäuschen. Er muss sich vorwerfen lassen, die aktuell vorhandene Skepsis gegenüber unserer Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung weiter zu vergrößern. Wenn Kritik an der sozialen Marktwirtschaft in Mode ist, bin ich in diesem Punkt gerne altmodisch.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP) - Zurufe von den GRÜNEN: Aha!)

Die soziale Marktwirtschaft hat uns aus der größten wirtschaftlichen Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg geführt. Die soziale Marktwirtschaft wird uns auch aus dieser Krise führen, wenn wir hier eine Politik für die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft machen.

(Harald Güller (SPD): Es ist eine Krise, in die die FDP uns mit ihrer Politik geführt hat! - Karsten Klein (FDP): Sie haben doch gerade die Eckpunkte elf Jahre lang gesetzt! - Weitere Zurufe und Unruhe)

Auch die SPD-Politiker können die Krise nicht beenden. Aber man kann den Rahmen schaffen, dass es in unserem Land wieder aufwärts geht. Im Übrigen liegt die Verantwortung für die letzten elf Jahre Wirtschaftspolitik eindeutig nicht bei der FDP, sondern bei der SPD. Die Politik kann den Rahmen schaffen, dass die Menschen in unserem Land in einer gemeinsamen Anstrengung die aktuelle Wirtschaftskrise überwinden. Dieses Vertrauen in die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit unserer Bürger sollten alle in diesem Hohen Hause haben und nicht nur wir. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Hacker, noch einen Moment bitte. Herr Dr. Beyer hat sich für eine Zwischenbemerkung gemeldet.

Herr Kollege Hacker, angesichts dessen, was in diesem Lande los ist, und angesichts der Tatsache, dass im Lande drei von zehn Familien sich darum sorgen, ob sie im Winter noch Einkommen haben, ist das, was Sie hier abziehen, etwas sehr akademisch.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Ausführungen waren für ein Oberseminar geeignet, aber nicht für eine reale Politik. Ich sage das jetzt einmal aus der Sicht meines Wahlkreises, eines Speckgürtellandkreises mit besten Arbeitsmarktdaten. Dort ist jeder vierte Sozialversicherungspflichtige zurzeit in Kurzarbeit, oder es wurde für ihn Kurzarbeit angemeldet. Realisiert sich das, dann bedeutet das eine Arbeitslosenquote von 25 %. Und ich wiederhole, es handelt sich hier um einen wirtschaftlich besser gestellten Landkreis Bayerns. Das ist die Realität. Ich frage mich, wann Sie und auch Herr Zeil endlich aufwachen und sich auch temperamentsmäßig etwas mehr mit dieser Problematik beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Ganz kurz: Mir ist die Wirtschaftsgeschichte wahrscheinlich besser bekannt, als Sie es sich vorstellen können. Aber eines müssen wir ganz ehrlich sagen: Neoliberalismus wird in der heutigen politischen Diskussion als Schlagwort - und dem muss sich eine echte politische Diskussion stellen - nicht mit Freiburg und Ordoliberalismus verbunden, sondern wird eher verknüpft mit einer Bedrohung des Einkommens und Vermögens breiter Schichten. Sie ist mehr mit den Namen Merz und Westerwelle verknüpft als mit manchen Großen, auch aus der FDP-Geschichte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

War das jetzt die Frage?

Nein, die zwei Minuten sind noch nicht um.

Sie berufen sich immer auf Ludwig Erhard. Er war weder in der CDU noch in der CSU und schon gar nicht in der FDP. Ludwig Erhard wäre heute wahrscheinlich eher in der SPD als in der FDP. Aber Sie sollten vielleicht einmal sein Buch lesen: "Wohlstand für alle", und zwar unter zwei Aspekten. Erstens: Ludwig Erhard wusste, nur ein System, das allen die Gelegenheit gibt nachzufragen, schafft Massen