Protokoll der Sitzung vom 15.07.2009

Verabschieden Sie sich endlich von derart verblendendem Unfug.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Zeil, Sie haben zwar gesagt, Sie bräuchten keine Belehrungen aus Berlin. Aber vielleicht hören Sie sich von uns etwas an und lernen Sie etwas. Sie haben bisher nicht die Rezepte von gestern, sondern die Rezepte von vorgestern.

Die Energiepolitik haben wir aufgeführt. Sie stützen die Dinosaurier und verhindern die Innovationen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Verkehrsinfrastruktur und Maßnahmen, wohin Sie überall Mittel vergeuden wollen, statt sinnvolle Maßnahmen durchzusetzen, sind genannt worden. Auch das Breitband ist angesprochen worden. Ewig ist gar nichts passiert. Jetzt passiert viel zu wenig. Sie wollen sich eben auch nicht festlegen; wir haben es schon mehrmals eingefordert. Was heißt für Sie "Grundversorgung"? Was heißt für Sie "leistungsfähiges Internet", im Upstream und im Downstream? Bisher haben Sie darauf keine Antwort gegeben.

Auf dem Gebiet der Bildungspolitik ist viel zu lange blockiert worden und nichts Gescheites vorangegangen.

Die Regelungen bei der Integration und Zuwanderung sind nicht nur menschenfeindlich, sondern auch wirtschaftsfeindlich. Auch da müssen sich die Staatsregierung und die sie tragenden Fraktionen endlich einmal bewegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, Sie haben mit dem Satz "Besinnen wir uns auf die große Kraft unseres wunderbaren Landes" pathetisch geschlossen. "Besinnen" genügt jedoch nicht. Es heißt eigentlich auch, wir müssen diese Kraft

zielgerichtet einsetzen. Das heißt wiederum, wir dürfen zum Beispiel die Kraft nicht dort einsperren, wo sie eigentlich sinnvollerweise wirklich mobilisiert werden könnte, was Sie aber viel zu oft tun.

Herr Minister, handeln Sie also in unserem Sinne, so, wie wir das eben vorgeschlagen haben. Dann werden wir Sie auch wieder einmal loben.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW))

Als nächsten Redner darf ich Herrn Kollegen Thomas Hacker, den Vorsitzenden der FDP-Fraktion, an das Mikrofon bitten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Lage in diesem Jahr ist uns allen bekannt; das wurde heute mehrmals betont. Wir erwarten für das Jahr ein Negativwachstum von minus 7 %. Bayern trifft die Lage besonders hart, weil wir als besonders exportorientiertes Land in der Vergangenheit sehr stark von den Weltmärkten profitiert haben, jetzt aber spüren, dass die Probleme der anderen auch unsere Probleme sind. Dementsprechend sind die Ausfuhren rückläufig; der Handelsbilanzüberschuss sinkt. Die Lage trifft auch die Wirtschaftszweige, die eher inlandsorientiert sind, wenn man auch sehen und dafür dankbar sein muss, dass der Einzelhandel oder das Gastgewerbe relativ stabil sind.

In dieser gesamtwirtschaftlichen Situation suchen viele in den rettenden Armen des Staates Schutz. Wir haben in den Wortbeiträgen einige dieser Schutzbemühungen deutlich hören können. Der Staat soll es richten. Dabei hat er - der Staat - uns dahin gebracht, wo wir heute sind; denn am Anfang der Krise - auch das sei nochmals wiederholt - stand das Versagen des Staates. Eine verfehlte Wohnungsbaupolitik in den Vereinigten Staaten und eine mangelnde Kontrolle der Finanzmärkte beiderseits des Atlantiks haben die Krise verursacht und die Krise in die Realwirtschaft rüberschwappen lassen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Der Staat hat die Verbriefungen in Amerika vorgenommen!)

Herr Dr. Beyer, jeder, der diese Zeit nutzen will, um die Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft einzufordern, ist auf dem Holzweg. Die richtige Konsequenz aus dieser Krise ist nicht die Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft, sondern die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, die wir uns gemeinsam mit der CSU - auch von Bayern ausgehend - auf die Fahnen geschrieben haben. Wir werden alles daran setzen, dass wir diese Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft ab September auch von Berlin aus gemeinsam gestalten können;

denn was soziale Marktwirtschaft ist - das wurde auch heute deutlich -, darüber haben wir unterschiedliche Ansichten. Staatsquoten, die an die 50 % herangehen, sind nicht die soziale Marktwirtschaft, die Ludwig Erhard vor Augen hatte.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wenn Herr Dr. Runge einen starken Staat will, der Dienstleistungen anbietet und als Staat Unternehmer wird, dann ist das nicht der starke Staat, den wir sehen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜ- NE))

Wir wollen den Staat, der die Rahmen setzt, der aber auch innerhalb dieser Rahmen das wirtschaftliche Wachstum befördert.

(Beifall bei der FDP)

Ein kleiner Hinweis, vielleicht auch für die Vertreter der SPD und der GRÜNEN: Alle Regularien und Gesetze, die Zweckgesellschaften und Offshore-Gesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland möglich gemacht haben, wurden von der rot-grünen Bundesregierung geschaffen. Die SPD ist, was die Bundesrepublik Deutschland angeht, seit elf Jahren in der gemeinsamen Verantwortung mit den GRÜNEN oder mit der Union. Alles das, was in den letzten elf Jahren an Regularien geschaffen wurde, haben auch Sie mit zu vertreten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Herr Kollege Hacker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Runge?

Herr Kollege Hacker, vielen Dank. Das, was Sie gesagt haben, habe ich ja auch bestätigt.

Aber jetzt die Zwischenfrage, weil Sie gesagt haben, der Staat solle kein Anbieter von Dienstleistungen sein: Wollen Sie damit sagen, dass sich der Staat aus der Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der Müllentsorgung, dem öffentlichen Verkehr zurückziehen und dies der Privatwirtschaft und dem Wettbewerb überlassen sollte?

Herr Dr. Runge, Sie kennen die Koalitionsvereinbarung, die wir mit der CSU für die gemeinsame Regierungsarbeit hier in Bayern beschlossen haben. Dort haben wir uns darauf geeinigt, dass wir eine Daseinsvorsorge des Staates bejahen und dass wir auch dazu stehen.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Sie wissen nicht, was Sie sagen! - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

- Natürlich weiß ich, was ich sage, meine Damen und Herren. Die Zweckgesellschaften und die Offshore-Gesellschaften, deren Grundlagen Sie gelegt haben, waren die Ursachen, warum die IKB zusammenbrach, das waren die Ursachen, warum die Sachsen LB zusammenbrach. Das sind die Unternehmen, die am Anfang zusammenbrachen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜ- NE))

Für einen liberalen Protestanten ist es eher ungewöhnlich, den Papst zu zitieren. Auch das haben wir heute schon gehört. Der Papst spricht in seiner jüngsten Enzyklika "Caritas in veritate" davon, dass seine Vision des Staates und auch des Marktes auf Verantwortung, auf Wettbewerb, auf Prinzipien wie Transparenz, Ehrlichkeit und Eigenverantwortung beruhen. Wörtlich sagt er:

Die Kirche vertritt seit jeher, dass die Wirtschaftstätigkeit nicht als antisozial angesehen werden darf. Der Markt ist an sich nicht ein Ort der Unterdrückung des Armen durch den Reichen und darf daher auch nicht dazu werden. Die Gesellschaft muss sich nicht vor dem Markt schützen, als ob seine Entwicklung ipso facto zur Zerstörung wahrhaft menschlicher Beziehungen führen würde.

Das Modell der sozialen Marktwirtschaft, das die Bundesrepublik Deutschland stark und groß gemacht, zu Wohlstand und in der Folge auch zu einem inneren sozialen Frieden geführt hat, wie wir ihn vorher nicht gekannt haben, kann auch als Modell für andere Länder gelten, und darauf weist der Papst aus Deutschland hin.

Wir halten an den ordnungspolitischen Grundsätzen fest. Das machen wir ganz selbstbewusst auch angesichts der Maßnahmen, die in den vergangenen Wochen erforderlich wurden. Martin Zeil, Karsten Klein und ich, wir weisen immer wieder darauf hin: Der Neoliberalismus ist keine Frage des Zeitgeistes der Neunzigerjahre. Der Neoliberalismus ist die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

- Das werden Sie solange hören, solange Ihre Kollegen es immer, immer, immer wieder betonen.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Es wurde ja schon weniger, Herr Dr. Beyer. Unsere Redebeiträge scheinen zu fruchten.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, hat jedes Unternehmen das Recht, Anträge auf Bürgschaften und Staatshilfe zu stellen, die natürlich auch ordentlich geprüft werden müssen. Der Staat kann und darf Brücken bauen, aber die Pfeiler der Brücken müssen klar definiert sein. Ohne eine tragfähige und nachhaltige Zukunft für das Unternehmen kann kein Geld fließen. Vor jeglicher Unterstützung des Staates in Form von Bürgschaften, von Krediten sind primär die Unternehmer, die Eigentümer, die Banken und die Tarifvertragsparteien gefordert.

Auch wenn heute wieder versucht wurde, einen anderen Eindruck zu erwecken, so wissen wir doch: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Jede Unterstützung des Staates erfolgt aus Steuermitteln, Steuern, die alle Bürger zahlen. Deswegen ist es die Aufgabe eines starken Staates, genau darauf zu achten, was mit dem treuhänderisch übergebenen Geld der Bürger passiert.

Auch beim Fall Quelle haben wir darauf geachtet, dass mit den Mitteln des Staates vorsichtig umgegangen wird. Der Massekredit hat Vorteile gegenüber einer Bürgschaft, weil er vorrangig gesichert ist. Wir haben immer darauf geachtet, dass die Gelder des Staates auch wieder zurückfließen können. Andere in diesem Hause haben ja gefordert, das Land Bayern möge allein alles zahlen und die gesamte Unterstützung allein aufbringen.

Wir glauben, dass auch eine Insolvenz ein Neustart, ein Neubeginn sein kann, dass man diesen Neubeginn unterstützen kann und dass man Zeit gewinnen muss. Aber jeder Fall muss einzeln geprüft und einzeln bewertet werden.

Wir als FDP schauen der Realität ins Auge und sind ehrlich zu den Bürgern. Die Frühjahrsbelebung ist in diesem Jahr ausgefallen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Auswirkungen der Krise auch den Arbeitsmarkt deutlicher belasten. Deshalb ist es richtig, jetzt Konjunkturimpulse zu setzen und den Menschen Wege aus der Krise aufzuzeigen.

Mit Verantwortungsbewusstsein die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen - darin sehen wir unsere Aufgabe. Die Menschen in den Betrieben in Bayern und in Deutschland brauchen Luft zum Atmen. Gefordert ist deshalb eine Wirtschaftspolitik, die den Unternehmen Freiräume schafft und es ihnen ermöglicht, vorn mit dabei zu sein, wenn der nächste Aufschwung kommt. Und das ist so sicher wie alles in der Wirtschaft: Nach der Krise kommt auch der nächste Aufschwung.

Als Liberaler habe ich dabei das Vertrauen in die Kraft unserer Bürger. Auch das gehört zu unseren Grundüberzeugungen. Nicht zuletzt durch ihr besonnenes Handeln in der Krise als Konsumenten, als Arbeitnehmer und als Unternehmer haben sie einmal mehr bewiesen, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. Durch ihren Konsum waren sie Stabilisator der Wirtschaft, und durch umsichtiges Vorgehen der Unternehmer, auch durch den Einsatz der Kurzarbeit, kam es bisher nicht zu Massenentlassungen.

Gerade jetzt müssen wir die Menschen animieren und motivieren, ihre Potenziale zu heben und zu nutzen. Unternehmergeist, Eigenverantwortung und private Initiative müssen gestärkt, überbordende Staatstätigkeit - Richtung 50 % - muss auf breiter Front zurückgedrängt werden; denn nur Markt und Wettbewerb schaffen Wachstum. Nur bei ausreichender Stärkung der Wachstumskräfte wird es den guten Weg aus der Krise geben.

Arbeitsplätze entstehen nur dort, meine Damen und Herren, wo Unternehmen sind. Wir setzen auf die Unternehmer im Mittelstand, im Handwerk, in den Dienstleistungen, auf die freien Berufe und auf die Existenzgründer. Sie sind risikobereit, haben neue Geschäftsideen und fühlen sich verantwortlich für ihre Mitarbeiter. Auch das ist gelebter Teil der sozialen Marktwirtschaft. Diese Menschen machen Bayern stark - in Ballungsräumen, aber gerade auch im ländlichen Raum.

Für uns, meine Damen und Herren, ist der Mittelstand dabei keine betriebswirtschaftliche Recheneinheit. Mittelstand ist eine Geisteshaltung. Pioniersinn und Heimatverbundenheit, Mut und Verantwortungsgefühl diese mittelständischen Tugenden sind gerade auch in den Zeiten der Krise gefragt, um unser Land durch die Krise zu bringen.