Protokoll der Sitzung vom 15.07.2009

nung von 1,4 Milliarden Euro geworden. In einer solchen Situation können sie nicht tagelang philosophieren, sondern es steht im Gesetz, dass dann, wenn sie erkennen, dass sie den Betrieb nicht mehr fortführen können, sie die rechtliche Verpflichtung haben, Insolvenz anzumelden, sie haften und sind möglicherweise strafrechtlich verantwortlich, wenn sie den Insolvenzantrag nicht stellen. Deshalb war in dieser Situation angesichts dieser neuen Informationen die Insolvenz des Konzerns Arcandor nicht mehr abzuwenden. Da gibt es nicht den geringsten Dissens zwischen dem Wirtschaftsminister und mir.

Wir haben gesagt: Bevor wir die Firma Quelle in Gefahr bringen, besteht der erste Lösungsschritt in der Bürgschaft. Das wurde in einer Sondersitzung des Kabinetts beschlossen. Nachdem der Insolvenzverwalter Einblick in die Bücher bekommen hatte, stellte er fest, dass noch Masse da war. Man muss nicht Volkswirtschaft oder Betriebswirtschaft studiert haben, um zu begreifen, dass ein Massekredit, der durch das Vermögen des insolventen Unernehmens gedeckt ist, für alle Beteiligten sicherer ist als eine Bürgschaft. Wir als bayerisches Kabinett hätten unsere Pflicht verletzt, wenn wir an der ursprünglichen Überlegung einer Bürgschaft festgehalten hätten, um schnell zu helfen, wenn uns der Insolvenzverwalter darüber informiert, dass Vermögen vorhanden ist, das als Sicherheit für einen Kredit dienen kann. Das war eine richtige Entscheidung. Wir haben uns schnell entschieden. Wir als Freistaat haben den Beschluss des Bayerischen Landtags vollzogen und gesagt, dass wir auf jeden Fall die Hälfte der Unterstützung für die Firma Quelle tragen werden und gegenüber dem Freistaat Sachsen, in dem die Firma Quelle eine Dependance hat, unseren Teil geltend machen. Dann fand ein - das sage ich auch heute - jämmerliches Verfahren in Berlin statt. Ich muss es schon einmal sagen: Eine Bundesregierung, die die deutschen Banken pausenlos auffordert, die Unternehmen schnell aus der Kreditklemme zu befreien, geht nicht mit gutem Beispiel voran, wenn ich sehe, wie lange dieses jämmerliche Quelle-Verfahren gedauert hat und wie bürokratisch es abgelaufen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Wer ist denn der Wirtschafts- minister?)

Ich kann deshalb heute vor dem Bayerischen Landtag sagen: Sie haben den Beschluss gefasst. Ich habe mich damals darüber gefreut, dass wir parteiübergreifend das Schicksal der 6.000 Leute in Fürth gesehen haben. Wir haben übrigens auch die Entwicklung in der Region gesehen. Wir dürfen nicht übersehen, dass wir nicht mehr in Oberfranken, sondern mittlerweile in Mittelfranken die höchste Arbeitslosenquote in Bayern haben. In Fürth und in Nürnberg liegt die Arbeitslosenquote um

die acht bis neun Prozent. Wenn die Arbeitsplätze bei Quelle wegfallen würden, wären wir im zweistelligen Bereich. Deshalb war ich froh über diesen parteiübergreifenden Beschluss des Landtags, mit dem die Staatsregierung aufgefordert wurde, auf eine Lösung hinzuwirken. Das hat nichts mit Staatswirtschaft zu tun. Das ist aktive Wirtschaftspolitik. Ich sage heute, ohne das entschiedene Handeln der Bayerischen Staatsregierung hätte es eine Rettung der Firma Quelle nicht gegeben. Das kann ich wirklich aus aller Überzeugung sagen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Runge, das ist entscheidend, und nicht die feinsinnige Frage, ob Herr Zeil am Montag dieses und am Dienstag jenes und der Ministerpräsident am Montagabend vielleicht noch etwas anderes gesagt hat. Entscheidend ist, dass am Ende die Operation gelungen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Diese Aktion war keine Holzmann-Schau. Ich habe vor den Arbeitnehmern gesagt: Ihr habt eine Chance verdient. Ihr müsst eine Restrukturierung durchführen. Es ist ohnehin der Auftrag des Insolvenzgesetzes, einen Insolvenzplan aufzulegen. Ich habe nirgendwo eine Garantie dafür abgegeben, dass damit das Unternehmen mittel- oder langfristig gerettet wäre. Die Rettung ist jetzt der Auftrag des Unternehmens und der Insolvenzverwalter. Die Firma Quelle hat aber eine Chance verdient; denn sie ist nicht nur ein traditionsreiches, sondern auch ein leistungsstarkes Unternehmen. Diese Chance haben wir dem Unternehmen und den Arbeitnehmern verschafft. Das ist die richtige Vorgehensweise.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bei der Firma Rosenthal sind wir noch ein Stückchen näher aneinandergerückt, lieber Herr Wirtschaftsminister. Vielleicht werden wir Anfang der nächsten Woche die traditionsreiche Firma Rosenthal auch endgültig retten können. Darüber wird nicht jeden Tag in der Öffentlichkeit gesprochen. Es wird gemacht. Deswegen möchte ich Herrn Wengert und Herrn Muthmann Folgendes sagen: Sie haben die Zahlen vielleicht als zu allgemein gegriffen empfunden, aber hinter diesen Zahlen steht ganz konkretes Handeln an jedem Tag und zu jeder Stunde. Für eine Regierung ist es keine Beleidigung, wenn man dem Wirtschaftsminister und dem Ministerpräsidenten bescheinigt, dass sie Wirtschaftspolitik betreiben. Das betrachte ich nicht als Beleidigung. Wir haben es übrigens alle getan.

Ich sage es noch einmal. Wir haben 1,7 Milliarden innerhalb eines Jahres für Mittelbetriebe und kleine Be

triebe ausgegeben. Wir haben 900 Unternehmen unter dem Mittelstandsschirm. Ich betrachte auch den hier verabschiedeten Doppelhaushalt 2009/2010 mit einem Investitionsvolumen von fünf Milliarden als ein großes Konjunkturprogramm. Ich kenne kein anderes westdeutsches Land, in dem die Investitionsquote so hoch ist wie im Freistaat Bayern. Ich bin darüber froh, dass wir trotz der schwindenden Steuereinnahmen an unseren Zielen für die Bildung und für die Forschung, an den 38.000 Studienplätzen, an den 3.000 Stellen für die Universitäten und Fachhochschulen und an den Kinderbetreuungseinrichtungen festhalten. Das alles sind Investitionen in die Zukunft. Wir müssen uns mehr damit anfreunden, dass die Zukunft nicht nur durch Investitionen in Beton, sondern auch durch Investitionen in die Köpfe gesichert wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Auch das ist Wirtschaftspolitik. Das ist auch ausdrücklich genannt worden.

Die Koalition setzt sich hier zwar anders zusammen als in Berlin. Dennoch nehme ich für mich in Anspruch, dass wir das Konjunkturprogramm in Berlin unterstützt und sogar verbessert haben. Wo immer es möglich war, haben wir es auch geprägt. Ich lasse mich von den Medien gerne als Krawallmacher und Querulant bezeichnen. Das ist mir völlig egal. In Berlin haben wir unsere Vorstellungen durchgesetzt. Das Konjunkturprogramm ist von Bayern geprägt worden. Wir haben es unterstützt.

(Widerspruch bei der SPD)

- Herr Maget, ich habe den Vorteil, dass ich als Parteivorsitzender der CSU Bayerns im Kanzleramt dabei sein kann, wenn Ihr Parteivorsitzender dort ist. Ich kann dabeisitzen.

(Beifall bei der CSU - Franz Maget (SPD): Das hat aber nicht viel geholfen!)

Ich weiß, wie Steinmeier und Steinbrück dort argumentieren. Fordern Sie mich nicht heraus. Ich weiß auch, wie ich argumentiere.

(Franz Maget (SPD): Bitte sagen Sie es!)

Ich weiß, dass wir viele bayerische Interessen, die übrigens Interessen des ganzen Hauses sind, in Berlin durchgesetzt haben. Seien wir doch über die beiden Konjunkturprogramme froh! Sie sind wirksam, schnell und haben schon viele Ziele erreicht. Die Stütze der deutschen Konjunktur ist im Moment die Binnenkonjunktur und nicht der Export.

(Franz Maget (SPD): So ist es!)

Deshalb bescheinige ich ausdrücklich, dass diese Konjunkturprogramme richtig sind.

(Franz Maget (SPD): Und wessen Handschrift tragen sie?)

- Die Steuersenkung und die Abgabensenkung tragen die Handschrift der Bayerischen Staatsregierung und nicht der Sozialdemokraten, lieber Herr Maget.

(Beifall bei der CSU - Franz Maget (SPD): Im Konjunkturprogramm? Das ist ja lächerlich!)

Ich weiß, was mir der Bundesfinanzminister als Erstes entgegnet hat, als ich nach Berlin kam und diese Einkommensteuersenkung eingefordert habe. Es ging mit "Njet" los. Das wurde wochenlang unterstrichen. Wir sind aber bei unserer Linie geblieben und haben gesagt: Wir stimmen den anderen Maßnahmen nicht zu, wenn es keine Steuerentlastung gibt. Wir haben die Steuerentlastung in Höhe von 25 Milliarden erwirkt.

(Franz Maget (SPD): Von wem kommt alles andere?)

Verbessern müssen wir noch - und dazu könnten Sie in Berlin mehr beitragen als hier mit Ihren Zwischenrufen die Maßnahmen zur Beseitigung der Kreditklemme im Bankenwesen.

(Franz Maget (SPD): Das machen wir schon!)

Es nützt nichts, wenn der Bundesfinanzminister die Banken pausenlos auffordert, die Kredite schneller zu gewähren, aber nichts Wirksames dafür tut. Das ist die noch offene Flanke in der Bundesrepublik Deutschland. Die Banken müssen wieder schneller Kredite vor allem an mittelständische Betriebe und an Handwerksbetriebe zu verantwortbaren Konditionen ausreichen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die aktive Wirtschaftspolitik war die erste Antwort in den neun Monaten. Die war wirksam, und dies ist mit Zahlen belegbar.

Bei einem weiteren Punkt müssen wir ansetzen: Ich bin ein großer Anhänger Europas. Ich wiederhole es: Die europäische Einigung ist das genialste Werk, das in der Nachkriegsgeschichte in Szene gesetzt wurde. Wenn aber die Entscheidung Deutschlands über einen Massekredit in Höhe von 25 Millionen in Europa notifiziert oder genehmigt werden muss, stelle ich mir die Frage, ob das mit Flexibilität, Dezentralität und schnellem Handeln vereinbar ist.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Runge, ich nehme euren Dringlichkeitsantrag von heute ernst. Wir müssen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu benutzen, um zu überlegen, ob es eine schleichende Ausweitung der Zuständigkeiten für Brüssel gegeben hat, die gegen unsere gemeinsame Überzeugung, mehr Regionalität und weniger Zentralität zu schaffen, verstößt und die uns in der Praxis, zum Beispiel bei der Überwindung der Wirtschaftskrise, eher behindert als befördert. Mein erstes Erlebnis habe ich schon mit der Landesbank gehabt. Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Wer spricht da alles mit? Welcher Ausschuss ist hier und in Brüssel zuständig? Bei solchen Maßnahmen sind Sie in eine bürokratische Falle eingemauert, so dass Sie am Ende sagen: Machen wir es doch lieber gleich selber. Das haben wir auch getan, bevor wir diesen bürokratischen Weg weitergegangen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Es hat doch nichts mit Europafeindlichkeit zu tun, wenn wir sagen, in Brüssel ist etwas entstanden, was zu bürokratisch und zu schwerfällig ist. Herr Runge, Sie haben von der kommunalen Daseinsvorsorge gesprochen. Da bin ich Ihrer Meinung. Wir als Parlament müssen jetzt aber in den nächsten Tagen insgesamt dafür sorgen, dass wir in Deutschland den Zustimmungsvorbehalt des Bayerischen Landtags und des Deutschen Bundestags bekommen, damit nicht durch tatsächliche Verhandlungen immer mehr Zuständigkeiten in der kommunalen Daseinsvorsorge nach Brüssel abwandern. Die Frage, wer Träger der kommunalen Sparkassen und Träger der kommunalen Daseinsvorsorge wie zum Beispiel der Wasserversorgung ist, muss in Deutschland und nicht in Brüssel entschieden werden. Darin müssen wir doch alle übereinstimmen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das müssen Sie alle hier auch sagen, damit wir das in der Praxis durchsetzen können.

Der nächste Punkt ist kein Pathos oder Wortgeklingel: Ich habe vor Kurzem in Würzburg die Ausstellung "Wirtschaftswunder Wiederaufbau" eröffnet. Eine solche Ausstellung ist ein Anlass, sich wieder zu vergewissern, aus welchem Grund die damalige Gesellschaft, die Gründergeneration, angesichts des größten Trümmerfeldes aller Zeiten nicht resigniert hat, sondern sich mit den eigenen Händen buchstäblich herausgearbeitet hat. Einer der entscheidenden Gründe dafür war neben der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft der Gemeinschaftsgeist der damaligen Zeit. Die Menschen haben damals nicht in den Kategorien des Klassenkampfes gedacht, sondern im Sinne eines partnerschaftlichen Denkens gesagt: Wir greifen und packen miteinander an.

Deshalb fragt die Staatsregierung nicht, ob jemand groß oder klein, laut oder leise ist. Wir fragen auch nicht, ob jemand von der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerseite kommt. Mich hat heute gefreut, dass ein FDPSpitzenpolitiker ausdrücklich die positive Rolle der bayerischen Gewerkschaften gewürdigt hat. Das ist aus dem Munde eines FDP-Spitzenpolitikers nicht jeden Tag zu hören. Wir stehen im Dialog mit den Arbeitnehmervertretungen und mit den Arbeitnehmern der Firma Quelle. Wir stehen im Dialog mit manchen Einzelgewerkschaften. Im Zusammenhang mit Quelle waren wir auch im Dialog mit dem bayerischen DGBVorsitzenden Fritz Schösser, weil wir zutiefst davon überzeugt sind, dass wir diese schwerste Wirtschaftskrise der Menschheitsgeschichte ohne den Partnerschaftsgedanken in Bayern nicht überwinden werden. Diese Partnerschaftlichkeit ist der richtige Ansatz.

(Beifall bei der CSU)

Ich empfehle allen Kolleginnen und Kollegen, das Gutachten zur Zukunft der sozialen Marktwirtschaft, das wir gestern von dieser elfköpfigen Kommission bekommen haben, zu inhalieren. Dieses Gutachten ist exzellent. Wenn wir die vielen Fragen richtig beantworten, können wir wieder mehr Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft herstellen. Ich möchte vor diesem Parlament den elf Mitgliedern dieser Kommission herzlich danken, vor allem dem Vorsitzenden, Herrn Dr. Stefan Götzl.

Herr Kollege Dr. Wengert, ich möchte etwas zu der Steuersenkung sagen. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass eine globale und nachhaltige Entlastung der Leistungsträger in unserer Gesellschaft - Arbeitnehmer, Mittelstand und Handwerk - die beste Wirkung für Konsum und Investitionen haben wird. Deshalb haben wir diesen Schritt bereits im Konjunkturprogramm durchgesetzt. Die Bayerische Staatsregierung tritt deshalb dafür ein, dass dieser Weg so schnell wie möglich fortgesetzt wird. Wir denken an die Zeit ab dem Jahr 2011.

Nun zur Finanzierung: Erwin Huber hat bereits gesagt, dass eine Steuerentlastung von insgesamt 15 Milliarden Euro den Freistaat Bayern zwei Jahre lang mit je 300 Millionen Euro belasten würde. Zusammen mit den Steuerentlastungen der Jahre 2009 und 2010 würden die Bürger dadurch um über 30 Milliarden Euro entlastet. Herr Kollege Muthmann, wenn eine Regierung und ein Parlament mit einem Haushalt von über 40 Milliarden Euro nicht in der Lage sind, für die Leistungsträger der Gesellschaft zwei Jahre lang 300 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, wäre das schade.

Wenn wir die Leistungsträger nicht entlasteten, würden ihnen real die Steuern erhöht. Das wird in der Öffentlichkeit von all den gescheiten Leuten, die dies zu bewerten haben, immer verschwiegen. Wenn wir nicht

handeln, erhöhen wir die Steuern. Steuererhöhungen wollen wir aber nicht. Herr Kollege Muthmann, davon brauchen Sie uns nicht zu überzeugen. Ein steigendes Bruttoeinkommen in Deutschland führt im Regelfall durch die kalte Progression zu höheren Steuersätzen. Immer mehr Menschen erleben, dass sie von einem Euro, den sie zusätzlich verdienen, weniger als 50 Cent bekommen. Wir gehen lautlos darüber hinweg, dass die Leute, die in Arbeit stehen - Unternehmer und Arbeitnehmer - bis zum gestrigen Tage nur für den Staat gearbeitet haben.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Das ist doch unredlich, so zu argumentieren!)