Protokoll der Sitzung vom 15.07.2009

Nehmen Sie das Beispiel Arcandor: Vor der Insolvenz wäre es vor den Steuerzahlern nicht zu verantworten gewesen, bei völlig ungewissem Ausgang hier mit öffentlichen Mitteln zu spielen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Anders nach der Insolvenz bei Quelle, meine Damen und Herren. Der Massekredit versetzt Quelle erst in die Lage, die Chancen einer Insolvenz zu nutzen. Damit gewinnt der Insolvenzverwalter Zeit, zu prüfen, wo Marktchancen bestehen und was sinnvoll weitergeführt werden kann. Das Risiko für den Steuerzahler ist gering. Der Massekredit ist vorrangig abgesichert. Die Unternehmensmasse ist ausreichend.

So konnten wir entsprechend dem einstimmigen Beschluss des Hohen Hauses unserer Verantwortung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Metropolregion Nürnberg gerecht werden. Wir wecken keine voreiligen Erwartungen, aber wir schreiben auch niemanden voreilig ab, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang allen danken, die hier in höchst professioneller Weise gearbeitet haben: Ihnen, Herr Ministerpräsident, dem Kollegen Fahrenschon, der Kollegin Hessel und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanz- und des Wirt

schaftsministeriums, die hier zum Teil rund um die Uhr im Einsatz waren.

Weil hier auch der Kontrast deutlich wird, will ich sehr klar sagen: Es gab auch einige, die den professionellen und angemessenen Umgang mit diesem schwierigen Thema haben vermissen lassen. Dazu gehörten phasenweise die politische Leitung der beiden zuständigen Ministerien in Berlin, in der Endphase auch Teile der Banken und der Lieferanten. Es ist schwer erträglich, meine Damen und Herren, wenn aus offenkundigem politischem Kalkül täglich Selbstverständlichkeiten, zum Beispiel dass es für die Firma sehr schwer werden wird, öffentlich mitgeteilt werden oder wenn angesichts von Kreditverhandlungen Lieferprobleme und juristische Spitzfindigkeiten breitgetreten werden.

Wer sich so verhält, meine Damen und Herren, handelt verantwortungslos. Ich finde, solche Ränkespiele auf dem Rücken eines Unternehmens und der vielen Tausenden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind schlicht und einfach unerträglich.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wir bleiben, meine Damen und Herren, weiterhin bei unserer ordnungspolitisch klaren Linie für Unternehmenshilfen, wie sie zum Beispiel bei Knaus Tabbert angewendet worden ist. Bürgschaften dürfen nur ausnahmsweise und nach genauer Prüfung gewährt werden. Nicht marktfähige Strukturen dürfen nicht auf Staatskosten konserviert werden. Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Das Schicksal ganzer Regionen, der betroffenen Arbeitnehmer und ihrer Familien haben wir ganz genau im Blick, aber wir dürfen auch nicht auf Kosten der Zukunft aller handeln.

Im Fokus unserer landespolitischen Anstrengungen stehen vorrangig kleine und mittlere Unternehmen. Dabei hat sich unser "Bayerischer Mittelstandsschirm" bestens bewährt: Seit Januar hat die LfA Förderbank Bayern fast 78,9 Millionen Euro an Bürgschaften und 72,1 Millionen Euro für Haftungsfreistellungen zugesagt. Sie hat Kredite in Höhe von 210 Millionen Euro für über 900 Unternehmen ermöglicht. Das Bürgschaftsvolumen hat sich gegenüber 2008 verdreifacht, die Zahl der Haftungsfreistellungen stieg um 22 %.

Das zeigt, meine Damen und Herren: Wir nutzen alle landespolitischen Möglichkeiten, um einer Kreditklemme im Mittelstand entgegenzusteuern.

Aber ich sage hier auch ganz klar an die Adresse der Banken: Wir erwarten gerade auch von denen, denen mit dem Bankenschirm Hilfe und Unterstützung zuteil geworden ist, dass sie jetzt ihren Beitrag leisten, um in dieser Krise die Kreditversorgung wirklich sicherzustellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich darf festhalten: Bei uns in Bayern kommt die Politik nicht nur zu den Großen; hier hat sie vor allen Dingen die kleinen und mittleren Unternehmen im Blick.

Zu den Maßnahmen der Staatsregierung zur Stabilisierung der Konjunktur an dieser Stelle nur ganz kurz: Das Investitionsprogramm von Bund und Land haben wir Anfang Mai endgültig umgesetzt. Die Mittel sind bewilligt. Die Aufträge können jetzt - genau jetzt in dieser Phase - erteilt werden. Ich appelliere auch an alle Kommunen, ihren Teil zur raschen Umsetzung beizutragen.

Ich bin ganz sicher, dass von unserem Beschleunigungsprogramm, dass von unseren Programmen, die wir durch raschestmögliche Verabschiedung des Haushaltes sichergestellt haben, in den nächsten Wochen und Monaten wichtige Impulse für Konjunktur und Beschäftigung in ganz Bayern ausgehen.

Ganz wichtig - lassen Sie mich das an dieser Stelle aus innerer Überzeugung sagen - ist mir in dieser Phase auch die enge Abstimmung mit den Gewerkschaften. Es besteht hier ein laufender Austausch. Ich verweise aber auch auf die vom Verband der Bayerischen Wirtschaft und von der IG Metall initiierte gemeinsame Beschäftigungsbrücke Bayern für Jungingenieure und Jungfacharbeiter, die wir unterstützen und die in der Bundesrepublik Deutschland einmalig ist. Ich möchte mich hier ausdrücklich beim DGB-Vorsitzenden Schösser, beim Chef der IG Metall Neugebauer und bei ihren Kolleginnen und Kollegen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken, die genauso wie die Zusammenarbeit mit den Verbänden der Wirtschaft in dieser schwierigen Situation ganz entscheidend ist.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns auf eine veränderte Situation nach der Krise einstellen. Die Wirtschaftsstrukturen werden teilweise anders aussehen. Wir müssen heute schon damit anfangen, neue Wachstums- und Beschäftigungsfelder zu erschließen. Dabei muss jeder seine Hausaufgaben machen. Dazu bedarf es auch entsprechender Rahmensetzungen auf Bundesebene. Mit der neuen Bundesregierung wird Gelegenheit sein, wichtige Rahmenbedingungen gerade auch für den Mittelstand bei der Erbschaftssteuer und bei der Korrektur der Unternehmenssteuerreform zu setzen; denn wir wissen: Nur mehr Zukunftsinvestitionen und positive Leistungsanreize auch durch weniger Steuer- und Abgabenlasten für Bürger und Wirtschaft führen aus der Krise.

Für die Bayerische Staatsregierung hat Zukunftssicherung oberste Priorität. Wir setzen erstens auf den Mittelstand. Auf meine Initiative hin haben sich Spitzen

vertreter der Banken und der Wirtschaft kürzlich auf Leitlinien für eine verlässliche Mittelstandsfinanzierung verständigt. Wir - auch ich persönlich - bleiben hier am Ball, damit diese Allianz nicht nur als Wort bestehen bleibt, sondern dass sie auch wirklich gelebt wird. Wir werden jedem einzelnen Fall nachgehen. Darauf können Sie sich verlassen.

Wenn Banken sich zu historisch niedrigen Zinsen refinanzieren können, dann dürfen wir erwarten, dass wir dies auch bei den Kreditkonditionen für die Betriebe sehen.

Am 22. Juni 2009 ist der von mir initiierte Mittelstandspakt mit 44 Partnern aus der Wirtschaft von Herrn Ministerpräsidenten und mir unterzeichnet worden.

Ich habe zu Beginn des Jahres das neue Maßnahmenpaket Außenwirtschaft für kleine und mittlere Betriebe auf den Auslandsmärkten vorgestellt. Es ist gerade auch jetzt wichtig, dass wir die Chancen für unsere Produkte auf den Weltmärkten sichern. Dies bleibt Ziel unserer Politik. Wer uns jetzt rät, die Exportorientierung aufzugeben, meine Damen und Herren, nährt die gefährliche Illusion, man könne aus einer globalisierten Wirtschaft einfach aussteigen.

Wir setzen zweitens auf eine verlässliche, umweltverträgliche und bezahlbare Energieversorgung. Wir investieren in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Umwelttechnik. Als konkrete Beispiele verweise ich auf die Zukunftsoffensive Elektromobilität oder das neue landeseigene Förderprogramm für TiefengeothermieWärmenetze. Wir halten - das haben wir heute Morgen schon deutlich gemacht - fest an einer sicheren Kernenergie als wichtigem Bestandteil eines breiten Energiemixes. Wir dürfen aus den Vorgängen um einen Reaktor keine voreiligen Schlüsse ziehen. Deutschland hat bei der Kernenergie die höchsten Sicherheitsstandards.

Diese müssen allerdings auch mit aller Konsequenz durchgesetzt werden. Ohne Kernenergie werden auch die ehrgeizigen klimapolitischen Ziele nicht zu erreichen sein. Das gehört zur Wahrheit in einer Diskussion über die Energiepolitik der Zukunft mit dazu.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir brauchen drittens eine moderne leistungsfähige Infrastruktur und kämpfen deshalb in Berlin für eine deutliche Anhebung der Mittel für Investitionen in den Erhalt, Neu- und Ausbau von Verkehrswegen. Ich warne davor, bei knappen öffentlichen Kassen bei den Investitionen in die Infrastruktur zuerst zu sparen. Sparen an der Zukunft können wir uns nicht leisten. Deswegen ist es unverzichtbar, dass in Berlin endlich unser Vorschlag für ein Budget für Vorsorgeplanungen gerade für

die Schiene endlich durchgesetzt und umgesetzt wird. Das ist überfällig, damit wir hier endlich weiterkommen.

(Beifall bei der CSU)

Wir sorgen viertens für Wachstum und Arbeitsplätze im ganzen Land. Letzte Woche haben wir beschlossen, die Regionalförderung auf hohem Niveau fortzuführen. Die Haushaltssperren in Höhe von 8 Millionen Euro wurden aufgehoben. Der Landtag hat die Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung um 4,6 Millionen Euro erhöht. Dafür darf ich dem Hohen Hause nochmals herzlich danken.

Wir werden natürlich beim Aufbau schneller Internetverbindungen im ländlichen Raum und bei der Umsetzung des Breitbandförderprogramms am Ball bleiben.

Ich hatte heute gerade ein Gespräch mit dem Präsidium des Bayerischen Gemeindetages, bei dem wir weitere ganz konkrete Vereinbarungen getroffen haben, um hier weiterzukommen.

(Hubert Aiwanger (FW): Ziel 2011!)

Ich nutze alle Möglichkeiten, Herr Kollege Aiwanger, um einen Rückzug der Telekom aus dem Ausbau des Breitbandnetzes zu verhindern. Ich kann hier dem Hohen Hause sagen, dass die Telekom mittlerweile zugesagt hat, den Breitbandausbau weiterzuführen.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FW): 2011 ist das Ziel!)

Im Übrigen war ich immer dafür, bei diesem Thema alle Technologien - das haben wir heute in dem Gespräch auch noch einmal dargelegt - und alle Anbieter einzubeziehen; denn es kann eben nicht sein, dass wir selbst auch noch dazu beitragen, Monopolstrukturen zu fördern.

Auch hier gilt: Der Wettbewerb um die beste Lösung führt am Schnellsten und am Effizientesten zum Ziel.

Wir werden neben dem Aktionsprogramm "Bayerns ländlicher Raum" natürlich auch unsere Regionalmanagementinitiativen fortführen und wir werden auch das Landesentwicklungsprogramm weiterentwickeln und modernisieren. Wir streben an, Ihnen nächstes Jahr die Entwürfe zur Beratung vorzulegen. Diese Staatsregierung hält am Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse im ganzen Land mit Nachdruck fest.

(Beifall bei der CSU)

Und wir bekennen uns nicht zuletzt zu den modernen Technologien als einem der Schlüssel für nachhaltiges Wachstum. Wir wollen alles tun, um die Vorrangstellung Bayerns in der Kommunikations-, IT-, Umwelt-, Bio-,

Energie-, Elektro- und Medizintechnologie sowie in der Luft- und Raumfahrt zu erhalten, auszubauen und da, wo wir ehrlicherweise sagen müssen, dass wir zurückgefallen sind, zurückzugewinnen. Das ist ein Schlüssel für die Zukunft. Bayerns Entwicklung zu einem der innovativsten Forschungsstandorte der Welt hat entscheidend zu der guten wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen. Berechtigte gesellschaftliche Diskussionen um die Gefahren einzelner Technologien dürfen nicht zu einem falschen Bild führen. Deswegen halte ich noch einmal fest: Diese Staatsregierung will und wird den Forschungsstandort Bayern weiter stärken.

In diesem Sinne machen wir eine aktive Wirtschaftspolitik, die die Zukunftschancen gezielt fördert.

Meine Damen und Herren, Bayern hat mehr als andere Länder das Potenzial durchzustarten und sich an die Spitze eines neuen Aufschwungs zu setzen. Ich verweise auf den produktiven Mix aus starken Global Playern und tausenden leistungsfähiger kleiner und mittelständischer Betriebe, von denen manche jetzt sogar aufbauen und einstellen. Auch das gibt es täglich in unserem Land.

Unsere Wirtschaft ist auf den weltweiten Märkten der Zukunft bestens positioniert. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Bayerns sind hervorragend qualifiziert und wir werden gemeinsam mit den Tarifpartnern alles tun, um gerade auch die Phase der Kurzarbeit für weitere Bildungs- und Fortbildungsmaßnahmen zu nutzen.

Die universitäre und außeruniversitäre Forschungslandschaft Bayerns besitzt Weltrang. Es gibt kaum Bereiche der Hochtechnologie oder der modernen Dienstleistungen, in denen wir nicht präsent wären.

Meine Damen und Herren, ich konnte bei meinen Auslandsbesuchen, zuletzt in Moskau, feststellen: Bayern ist eine Marke in der Welt. Ich konnte auch feststellen, welches große Vertrauen unser Land und seine Unternehmen überall im Ausland genießen. Darauf können und müssen wir gerade jetzt aufbauen. Wir müssen jetzt alle Kräfte mobilisieren und auf die eigene Kraft vertrauen, so wie übrigens vor 60 Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik die Menschen ganz andere Herausforderungen gemeistert und unser Land aus einem völligen Zusammenbruch aufgebaut haben.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Besinnen wir uns selbstbewusst auf die große Kraft unseres wunderbaren Landes und seiner Menschen. Dann werden und dann können wir die Krise meistern. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)