Protokoll der Sitzung vom 22.10.2009

Frau Staatsministerin Haderthauer, ich habe noch eine andere Frage, die hier sehr wichtig ist. Wie geht es mit den Beschäftigten weiter? Sie haben erklärt, dass die Vorbereitung für die Transfergesellschaft gestanden habe. Sie haben sich bereits im Sommer für einen eigenen bayerischen Weg stark gemacht. Sie haben auch das Opfer betont, das die Beschäftigten bei Quelle gebracht haben. 1700 Kündigungen wurden bereits vollzogen, nur um die Braut zu schmücken und einen neuen Investor für das Unternehmen zu finden. Diesen Menschen wurde zugesagt, dass sie mindestens für ein halbes Jahr in der Transfergesellschaft qualifiziert und weiterbeschäftigt würden. Was ist mit dieser Zusage?

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Weikert, Sie haben die Vorgänge durch Ihre Präsenz in der Region sehr genau verfolgen können. Die Grundlage war das Fortführungskonzept. Die Grundlage war, dass das, was uns der Insolvenzverwalter vorgestellt hat, auch umgesetzt wird. Ich brauchte die Entscheidung des Insolvenzverwalters, eine Transfergesellschaft einzurichten. Diese Entscheidung hat er uns zugesagt. Daneben brauchte ich eine Entscheidung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum 1. Januar gekündigt werden sollten, dass sie in diese Transfergesellschaft wechseln wollten. Diese Grundlage hat uns der Insolvenzverwalter entzogen. Ich kann nichts bezuschussen, was der Insolvenzverwalter gekillt hat.

Ich bedaure das sehr. Die Gelder für die OverheadKosten dieser Transfergesellschaft wären bereit gestanden. Ich darf diese Gelder leider nur dafür und für nichts anderes verwenden, weil es sich um Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds handelt. Sie wissen, dass dort die Mittelverwendung festgeschrieben ist. Der Insolvenzverwalter hat uns am Montag die Grundlage entzogen.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Für die drei eben diskutierten Anträge liegt mir jeweils der Antrag auf eine namentliche Abstimmung vor. Ich werde deshalb die Anträge wieder trennen.

Das Präsidium schlägt vor, für den ersten Antrag eine Abstimmungszeit von 5 Minuten und für die zwei weiteren Dringlichkeitsanträge jeweils eine Abstimmungszeit von 3 Minuten vorzusehen. Die Ihnen bekannten Urnen werden hierfür an den Ihnen bekannten Plätzen aufgestellt. Zuerst wird abgestimmt über den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Karl Freller, Renate Dodell und anderer und Fraktion der CSU sowie Thomas Hacker, Dr. Franz Xaver Kirschner, Prof. Dr. Georg Barfuß und anderer und Fraktion der FDP: "Strukturmaßnahmen für die Region Nürnberg nach dem Aus für Quelle voranbringen". - Diesen Antrag finden Sie auf der Drucksache 16/2370. Ich sehe allerdings noch keine Urnen.

(Georg Schmid (CSU): Die stehen am Boden!)

- Danke schön. Es muss alles seine Ordnung haben. Irgendjemand muss die Stimmkarten auch bitte entgegennehmen. So, jetzt kann mit der Abstimmung begonnen werden.

(Namentliche Abstimmung von 15.10 bis 15.15 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Abstimmungsvorgang neigt sich dem Ende zu. Ich bitte Sie, sich wieder zu konzentrieren.

(Anhaltende Unruhe)

Ich möchte in der Tagesordnung gerne fortfahren.

(Anhaltende Unruhe - Franz Maget (SPD): Die CSU zeigt sich hiervon völlig unbeeindruckt!)

Meine Damen und Herren, Sie möchten doch sicher nicht, dass ich Ihnen auf der CSU-Seite sage, Sie sollten sich ein Beispiel an der Fraktion der GRÜNEN nehmen?

(Zurufe von der CSU)

Ich bitte Sie, zuzuhören. Wir treten jetzt in den zweiten Abstimmungsvorgang ein, das betrifft den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Angelika Weikert, Dr. Thomas Beyer und anderer und Fraktion der SPD: "Das Aus für Quelle: Ein Fiasko für die bayerische Wirtschaftspolitik". - Der Antrag steht auf Drucksache 16/2371. Hierfür sind 3 Minuten Abstimmungszeit vorgesehen. Ich bitte, die Abstimmung zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung von 15.16 bis 15.19 Uhr)

Meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich bitte Sie, alle Stimmkarten, die noch nicht abgegeben sind, abzugeben. Sie haben noch 5 Sekunden Zeit. Im Übrigen ist die Abstimmungszeit beendet. Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, auch wenn es schwerfällt. Wir möchten in der Tagesordnung gerne fortfahren.

(Anhaltende Unruhe)

Ich enthalte mich hier jeglicher Wertung dieser Unruhe. Wir kommen jetzt zum dritten Dringlichkeitsantrag, über den noch abgestimmt werden muss. - Bevor Sie Ihre Kärtchen in die Höhe halten, würde ich erst einmal abwarten, welchen Antrag ich aufrufe. Das ist der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Alexander Muthmann und anderer und Fraktion der Freien Wähler: "Quelle - Konzepte vorlegen". - Der Dringlichkeitsantrag steht auf Drucksache 16/2372. Wir eröffnen jetzt den Abstimmungsvorgang.

(Namentliche Abstimmung von 15.20 bis 15.23 Uhr)

Der Abstimmungsvorgang ist geschlossen.

An der verbliebenen Redezeit der Fraktionen können Sie erkennen, dass jeder Fraktion noch circa 20 Minuten zustehen. Das bedeutet, dass wir vermutlich bis 17.00 Uhr mit den Dringlichkeitsanträgen nicht fertig werden. Das hatten wir noch nicht; es ist ein Novum. Die Dringlichkeitsanträge, die wir bis 17.00 Uhr nicht behandeln können, werden den Ausschüssen überwiesen.

Wir fahren jetzt in der Tagesordnung fort.

Zur gemeinsamen Behandlung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Atomkraftnutzung nicht verlängern - Atomstrom bis 2025 ist mehr als genug (Drs. 16/2373)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Ludwig Wörner, Kathrin Sonnenholzner u. a. und Fraktion (SPD) Bayern braucht Sonne statt Radioaktivität: Atomkraft entsprechend Konsens beenden Erneuerbare Energien stärken (Drs. 16/2386)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FW) Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien garantieren und Atomausstiegsdebatte sofort beenden (Drs. 16/2387)

(Unruhe)

- Bevor ich die gemeinsame Aussprache eröffne, bitte ich Sie dringendst, Ihre Gespräche nach draußen zu verlagern. Gespräche sind legitim. Aber wer zuhören möchte, sollte daran nicht gehindert werden.

Das Wort hat Herr Hartmann.

Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die neue Bundesregierung hat sich entschlossen, den mühsam gefundenen Atomkonsens aus dem Jahr 2000 aufzukündigen. Mit der Aufkündigung des Atomkonsenses werden die Planungssicherheit und die Investitionssicherheit aufgegeben, die man in diesem Konsens gefunden hatte und die aus einer jahrelangen Debatte zum Thema Atomausstieg hervorgegangen sind.

Die Planungssicherheit, die in dem Konsens im Jahr 2000 vereinbart worden ist, hat auch dazu geführt, dass die Reaktoren Reststrommengen zugeordnet bekommen haben. Deshalb wird die aktuelle Debatte darüber, dass Laufzeiten bis 2020 zu kurz seien, falsch dargestellt. Die aktuelle Entwicklung zeigt uns, dass wir schon jetzt bei dem gültigen Atomausstiegsgesetz noch Laufzeiten der AKW von gut 16 Jahren haben.

Das hat einmal damit zu tun, dass ein Großteil der AKW - zurzeit in der Anzahl sechs - nicht am Netz ist. In den letzten Jahren ist einer Anzahl von AKW infolge von Unfällen, Baumängeln und Reparaturarbeiten der Betrieb teilweise entzogen oder ausgesetzt worden. Die Namen Biblis, Brunsbüttel und Krümmel haben dadurch traurige Berühmtheit erlangt. Herr Kollege Thalhammer, das sind deutsche AKW mit angeblich deutschen Sicherheitsstandards.

Hinzu kommt, dass, wie vorhin schon einmal erwähnt wurde, am Wochenende, aber auch nachts von Mitternacht bis 7.00 Uhr in der Frühe zum Beispiel das AKW Neckarwestheim regelmäßig vom Netz genommen wird, da die Strommenge nicht benötigt wird.

Diese nicht genutzten Strommengen muss man sozusagen an die unter dem Atomkonsens vereinbarten Reststrommengen anhängen. Das verlängert die Laufzeit unter dem gültigen Atomrecht ohne Weiteres um zusätzliche 16 Jahre. Das ist durchaus genug. Erstaunlich ist aber, dass das den Atomkonzernen, der Staatsregierung und der neuen Bundesregierung nicht genug zu sein scheint. Sie haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, an dem Ausstieg zu rütteln und die Laufzeiten verlängern zu wollen.

Aber wie so oft nach Wahlen kommt es dicker als angekündigt. In den Wahlkampfreden hieß es immer wieder, die Brückentechnologie müsse um acht bis zehn Jahre verlängert werden. Wer das geglaubt hat, wird in diesen Tagen eines Besseren belehrt. An dem aktuellen Stand der Koalitionsverhandlungen kann man deutlich feststellen, dass für die Atomindustrie quasi eine Ewigkeitsgarantie vorgesehen ist. In dem Text heißt es nämlich, die Atomenergie sei so lange unverzichtbar, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann.

Gleichzeitig will man aber auch die erneuerbaren Energien überall dort weniger fördern, wo sie in die Richtung einer Grundlastverdrängung kommen. Aber das kann nicht funktionieren. Auf der einen Seite redet man davon, man brauche ein Marktanreizprogramm, wonach Strom aus erneuerbaren Energien in Spitzenzeiten anders vergütet wird als zu anderen Zeiten. Aber so gelangt man nie ans Ziel. Es kann ja nicht dahin kommen, dass die erneuerbaren Energien der Atomkraft die Grundlastbedienung wegnehmen können. In dieser Hinsicht ist man hinters Licht geführt worden.

Ein anderer Punkt ist die Sicherheitsfrage. Da haben sich vor allem die Kollegen der FDP teilweise lautstark aus dem Fenster gelehnt. In Schleswig-Holstein hat man gehört, Brunsbüttel und Krümmel sollten vorzeitig stillgelegt werden. So hieß es immer wieder in den Medien.

Aber in dem Entwurf der Koalitionsvereinbarungen nach dem heutigen Stand steht kein Wort darüber, dass die AKW frühzeitig vom Netz gehen sollten.

In Nordrhein-Westfalen hat der Wirtschaftsminister Pinkwart deutlich geäußert, im nächsten Jahr müssten fünf AKW stillgelegt werden. Davon ist nichts zu lesen. Davon wurde nur gesprochen. Es war ein Wunschdenken. In dem aktuellen Stand der Koalitionsvereinbarung

ist davon nichts zu lesen, dass ältere AKW früher vom Netz gehen sollen.

Man weiß nicht, wer sich bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin durchsetzt. Ist es die CSU, die FDP oder die CDU? Man weiß es nicht. Aber ein Bereich hat sich durchgesetzt: die Atomlobby; das muss man ganz ehrlich sagen. Sie hat eigentlich schon erreicht, was sie erreichen wollte. Die Chefvertreter der Atomlobby waren, überspitzt gesagt, mit Günther Oettinger, Roland Koch, Karl-Theodor zu Guttenberg, Guido Westerwelle am Koalitionsverhandlungstisch in Berlin. Die haben dort die Lobbyarbeit der Betreiber gemacht.

Was eigentlich erstaunlich ist: Die Debatte ist nach der Bundestagswahl um einiges sachlicher geworden, wenn ich ganz ehrlich bin - jetzt nicht von den Parteien, aber von vielen kritischen Gruppierungen. Zum Beispiel hat das Katholische Büro in Berlin vor wenigen Tagen erklärt, die schwarz-rote Regierung habe den Beschluss zum Atomausstieg aus gutem Grunde nicht angetastet. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken meldet am 5. Oktober: "Der Einsatz für den nationalen und internationalen Klimaschutz muss intensiviert werden. Dazu gehört die Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes."

Für das Festhalten am Atomausstieg hat sich auch eine ganze Reihe von Umweltgruppen ausgesprochen; das brauche ich hier wohl nicht näher zu erklären. Was mich aber in den letzten Wochen erstaunt hat, ist, dass sich auch eine ganze Reihe von staatlichen Stellen dazu geäußert und eigentlich gegen eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen hat.

Das Umweltbundesamt hat sich unter seinem früheren Leiter, dem ehemaligen CDU-Mitglied Andreas Troge, damals gegen eine Laufzeitverkürzung ausgesprochen, aber auch bei seinem Nachfolger kommt immer wieder heraus, dass die Laufzeitverlängerung im Gegensatz zur Energiewirtschaft und zum Klimaschutz in Deutschland steht und eigentlich nicht sein kann.