Protokoll der Sitzung vom 15.12.2009

Damit ist eine Neuorientierung und Weiterentwicklung der Lehrerausbildung erforderlich, ohne die sich die primären Bildungsziele nicht erreichen lassen.

Weiter heißt es:

Bildungsziele, Lehrpläne und universitäre Studienpläne bzw. Studieninhalte stehen nicht im Einklang.

Deutlicher kann man es wohl nicht auf den Punkt bringen. Zum Schluss dieser Kritik möchte ich noch den Münchner Gymnasiallehrer Hans-Ulrich Hesse zitieren,

der in der "Süddeutschen Zeitung" auf die Frage, ob sich die Lehrerausbildung verändern soll, antwortete:

Die sollte nicht, die muss verändert werden. Mit Zwischendurchpraktika während des Studiums gewinnt man keinen Einblick in den Schulalltag. Erst wenn man das Lehrersein wirklich gelebt hat, weiß man es. Dasselbe gilt für die fachliche Ausbildung. Ich habe Dinge studiert, die ich in meiner Praxis nie gebraucht habe. … Andererseits hätte ich Vieles gebraucht, das mir kein Professor beigebracht hat.

Auf die Frage der "SZ", ob die Lehrerausbildung noch auf der Höhe der Zeit sei oder ob sie am Ziel vorbeigehe, sagte Hesse:

Aus meiner Sicht total.

Zusammengefasst lässt sich die Kritik hauptsächlich an folgenden Punkten manifestieren:

Erstens. Es gibt kein Auswahlverfahren für Lehramtsbewerber. Viele werden mehr oder weniger aus Verlegenheit Lehrer.

Zweitens. Die Verzahnung zwischen dem Studium und der Lehrertätigkeit ist mangelhaft.

Drittens. Im Studium stehen die Fachwissenschaften im Mittelpunkt. Das muss so sein. Aber Pädagogik, Lernpsychologie sowie die Fachdidaktiken werden vernachlässigt.

Viertens. Die praktischen Übungen zur Vorbereitung auf Unterrichtsstunden sind unzureichend.

Fünftens. Die Lehrerausbildung ist nicht auf die neuesten Herausforderungen der Gesellschaft ausgerichtet. Das bedeutet, der Umgang mit schwierigen Schülern oder mit Klassen mit einem hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund sowie mit Schülern mit Behinderungen - Stichwort Inklusion - müsste im Studium vorbereitet werden.

Deshalb hat die SPD einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem diese Defizite beseitigt und mit dem die angehenden Pädagogen besser auf ihren Beruf vorbereitet werden sollen. Über die Schwerpunkte dieses Gesetzentwurfs werden wir in den Ausschüssen diskutieren. Ich hoffe, dass bei dieser Diskussion die fachlichen und sachlichen Argumente und nicht die Parteipolitik den Ausschlag geben werden. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir für die künftige Ausbildung der Lehrer in Bayern ein Fundament schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Rüth.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Lehrerbildung ist auch für die CSU-Fraktion ein wichtiges Thema. Unsere gemeinsame Anhörung hat bestätigt, dass es vonseiten der Wissenschaft viele neue Erkenntnisse gibt. Deshalb sollten wir uns für diese Thematik Zeit nehmen und über alle Ergebnisse dieser Anhörung intensiv diskutieren. Wir müssen uns die Einzelergebnisse genau ansehen.

Meine Damen und Herren, diese Anhörung hat ein Ergebnis gebracht, das von vielen Wissenschaftlern bestätigt wurde: Wir sollten an der schulartbezogenen Lehrerbildung festhalten. Nichtsdestotrotz gibt es zwischen den einzelnen Schularten im Hinblick auf die Lehrerbildung eine Reihe von Schnittmengen. Wir müssen uns diese Schnittmengen ansehen und die entsprechenden Schlüsse ziehen.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, die Lehrerausbildung in drei unterschiedliche Lehrämter aufzugliedern, nämlich für Lehrerinnen und Lehrer der Klassen 1 bis 10, für Lehrer der Klassen 5 bis 12 mit den Schwerpunkten gymnasiale und berufliche Bildung sowie für Sonderpädagogen. Die Erste Staatsprüfung soll in allen Lehrämtern durch die universitären Abschlüsse Bachelor und Master abgelöst werden.

Auch das Studium soll verändert werden. Auf ein viersemestriges Basisstudium soll ein sechssemestriges Aufbaustudium folgen. Dies widerspricht bereits der aktuellen Situation: Derzeit gibt es ein sechssemestriges Bachelor-Studium. Die jüngsten Demonstrationen haben gezeigt, dass sich die Studenten ein längeres Grundstudium wünschen. In diesem Gesetzentwurf spiegelt sich dieser Wunsch nicht wider. Das Staatsexamen soll abgeschafft werden. Alle Lehramtsstudiengänge sollen mit einem Bachelor oder Master abschließen.

Meine Damen und Herren, ein wichtiges Thema, das in diesem Gesetzentwurf genannt wird, ist die Verlängerung der Mindeststudienzeit für alle Lehramtsstudiengänge auf zehn Semester bzw. auf fünf Jahre. Das Referendariat soll auf zwölf Monate verkürzt werden. Derzeit liegen die Regelstudienzeiten für die Lehrämter an den Grund- und Hauptschulen sowie an den Realschulen bei sieben Semestern. Für das Lehramt an Gymnasien, an beruflichen Schulen und für die Sonderpädagogik sind neun Semester erforderlich. Deshalb entspricht eine Ausweitung auf zehn Semester bzw. fünf Jahre nicht unseren Vorstellungen für eine neue Lehrerbildung.

Meine Damen und Herren, in dem Gesetzentwurf ist auch eine Verlängerung der Grundschulzeit auf sechs Jahre vorgesehen. Das ist nicht in unserem Sinne, weil wir die Grundschulzeit nicht verlängern wollen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir über dieses Thema sehr intensiv und ausführlich diskutieren müssen. Wir müssen dabei die Erkenntnisse der Anhörung einfließen lassen. Dies gilt auch für die Erfordernisse durch die UN-Konvention, die ebenfalls einen großen Einfluss auf die Lehrerbildung haben wird. Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Prof. Dr. Piazolo.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz vor Weihnachten möchte ich mich ausdrücklich dem Lob des Herrn Kollegen Dr. Rabenstein anschließen. Die Lehrerinnen und Lehrer in Bayern leisten Hervorragendes. Wir haben in Bayern gute Lehrer.

(Alexander König (CSU): Das stimmt!)

Wir sind uns über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg sicherlich einig darin, dass wir an der Lehrerausbildung das eine oder andere verbessern können. Sicher liegt hier einiges im Argen. Deshalb haben die Freien Wähler als erste Fraktion ein Konzept zur Umstellung der Lehrerbildung vorgelegt.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das stimmt nicht!)

- Selbstverständlich. Wir haben in dieser Legislaturperiode als Erste ein Konzept zur Lehrerbildung vorgelegt. Ich glaube, dass dieses Konzept in vielen Punkten richtungweisend ist. Wir freuen uns, dass die SPD nun mit einem Gesetzentwurf nachzieht, in dem wir manches wiederfinden, der sich von unserem Gesetzentwurf aber auch in einigen Punkten unterscheidet. Wir begrüßen aber viele Vorschläge.

Auch die Regierungsfraktionen kennen die Probleme und wissen, was möglicherweise zu tun ist - wir hatten in der Angelegenheit ein längeres Hearing -, aber im Moment hört man noch nichts. Es heißt, wir lassen uns Zeit, wir brauchen Ruhe. Bei der vorhergehenden Debatte hat man allerdings gemerkt, dass Ruhe auch schaden kann. Wenn man Dinge zu lang liegen lässt, gerät man in Verzug. Insofern stehen wir dahinter, dass jetzt gehandelt werden muss und dass möglichst bald ein Gesetz verabschiedet werden muss.

Ich möchte ein paar Vor- und Nachteile des Gesetzentwurfs aus unserer Sicht schildern. Ich bedaure es, dass Herr Rabenstein noch nicht alles begründet hat, sondern seinen Redebeitrag teilt.

Vorteil des Gesetzentwurfs ist erstens das Bild des Lehrers. Ich glaube, dass da in der Vergangenheit einiges schiefgelaufen ist, dass viele junge Leute nicht mehr von der Attraktivität dieses Berufs überzeugt sind. Hier müssen wir ansetzen. Wir müssen deutlich machen, dass es Spaß macht, Lehrer zu sein, dass man etwas vermitteln kann und mit jungen Leuten zusammenarbeitet. Das findet sich in dem Gesetzentwurf wieder, wenn es heißt: Der Lehrer ist nicht nur Vermittler von Faktenwissen, sondern er ist Coach von Kindern und Jugendlichen. - Dahinter stehen wir.

Zweitens begrüßen auch wir die Verstärkung der Praxiselemente, die Orientierung, die schon während des Studiums gegeben werden soll. Die Lehramtsstudenten sollen möglichst früh in die Schule. Das bringt auch etwas für den Schulunterricht. Die Studierenden lernen den Unterricht kennen, aber auch die Schüler haben etwas davon, nämlich einen zweiten Ansprechpartner, was wir schon seit Längerem fordern.

Drittens begrüßen wir die größere Flexibilität beim Einsatz der Lehrer, aber an dieser Stelle beginnen schon die Probleme des Gesetzentwurfs. Denn der Gesetzentwurf ist immer noch schulartbezogen. Es wird nicht deutlich - insofern ist er etwas inkonsistent -, ob die SPD die sechsjährige gemeinsame Schulzeit möchte. Davon gehe ich aus, nachdem ich hier häufig gehört habe, dass sie das will. Aber deutlich wird es in ihrem Konzept zur Lehrerbildung nicht, weil sowohl die sechsjährige Schulzeit als auch das achtjährige Gymnasium möglich sind. Ich wünsche mir hier mehr Klarheit. Wir sind aber erst in der Ersten Lesung und haben noch Gelegenheit zur Diskussion.

Weiter ist die Struktur zu kritisieren, die nicht dem Bayerischen Lehrerbildungsgesetz entspricht. Sie ist ein bisschen zu detailverliebt, aber auch hier sind es eher Kleinigkeiten, die es auf dem Weg zu einem neuen Gesetz zu monieren gilt.

Der dritte Kritikpunkt, der wirklich ernsthaft zu bedenken ist, besteht darin, dass der Gesetzentwurf allen Grundsätzen der Hochschulreform und auch Artikel 57 des Hochschulgesetzes widerspricht und damit nicht umsetzbar ist. Es wurde schon angesprochen: In vier Semestern einen Bachelor zu machen, der zwar berufsqualifizierend sein soll, man weiß aber nicht, für welchen Beruf, und dann in sechs Semestern den Master draufzusetzen, das ist genau das Gegenteil von dem, was man ursprünglich mit der Reform wollte. Es ist auch nicht das, was sich die Studierenden wün

schen. Ich glaube, in diesem Punkt muss nachgebessert werden.

Ich hoffe auf fruchtbare Diskussionen im Ausschuss. Wir jedenfalls stehen grundsätzlich zu einem neuen Lehrerbildungsgesetz und werben für unser Konzept, das alles, was ich aufgeführt habe, enthält und das nach unserer Ansicht ein gutes Konzept ist.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Piazolo, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Gehring.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Debatte noch nicht allzu leidenschaftlich geführt wird, ist das Thema Lehrerbildung ein Schlüsselthema der Bildungspolitik; denn gute Schulen brauchen bestausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Die Lehrerbildung in Bayern, aber nicht nur in Bayern, ist in der Kritik. Sie wird kritisiert von Experten, sie wird auch deutlich kritisiert vom Wissenschaftlich-Technischen Beirat der Staatsregierung. Wir haben den Bericht in den Ausschuss gebracht, er wird dort demnächst Thema sein. Die Lehrerbildung wird aber auch von den Studierenden kritisiert - mein Vorredner hat schon darauf hingewiesen -, und sie wird vor allem von jungen Lehrerinnen und Lehrern kritisiert, die in die Schule kommen und dort oft den sogenannten Praxisschock Schule erleben und feststellen, dass das Studium die Lehrerinnen und Lehrer nicht oder nur ungenügend auf die Tätigkeiten in der Schule vorbereitet.

Wir sind dankbar, dass die SPD den vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht hat, um das Thema der Lehrerbildung auf die Tagesordnung zu bringen. Wir haben kürzlich in den beiden Ausschüssen, die sich mit der Bildung beschäftigen, eine, wie ich finde, sehr interessante Anhörung zur Lehrerbildung gehabt, bei der wir wichtige Dinge erfahren haben, die wir in die weitere Debatte einfließen lassen sollten.

Ein wichtiges Thema der Lehrerbildung ist die richtige Gewichtung der Fachwissenschaften, Bildungswissenschaften und Schulpraxis. Der fachwissenschaftliche Anteil gerade der gymnasialen Lehrerbildung wird oft gelobt und hochgehalten. Tatsächlich ist es wichtig, dass die Lehrkräfte eine gute fachwissenschaftliche Ausbildung haben. Jemand, der anderen Wissen vermitteln muss, muss selbst viel wissen. Wir brauchen zwar kluge Köpfe unter den Lehrerinnen und Lehrern, aber auch das fachwissenschaftliche Studium muss an den Tätigkeiten in der Schule orientiert sein und darf nicht den Fachegoismen der Universitäten unterliegen. Das Studium muss so organisiert sein, dass die Lehrerinnen und Lehrer das Rüstzeug für den Unterricht in der Schule bekommen.

Die Didaktik fristet an vielen Hochschulen in Bayern ein Schattendasein. Die pädagogische Psychologie und die Schulpsychologie sind in manchen Lehrerstudien kaum präsent - etwa bei den Gymnasiallehrern - und zum Teil an den Hochschulen nicht vertreten. Wir haben es in der Anhörung gehört: An der LMU gibt es, glaube ich, für 8.000 Studierende einen einzigen Schulpsychologen. Wie dort gute Lehre funktionieren soll und wie die jungen Leute auf ihren Beruf vorbereitet werden sollen, ist mir schleierhaft.

Wir brauchen in der Lehrerbildung schulartübergreifende Anteile in Schulpsychologie, Lernpsychologie, Sonderpädagogik - das ist Grundwissen - und Entwicklungspsychologie. Vor allem muss die Diagnosefähigkeit der Lehrerinnen und Lehrer gestärkt werden. Sie müssen diagnostizieren können, welche Lernbedürfnisse und welche Lernprobleme bei einem Kind bestehen, und sie müssen wissen, welche Strategien sie entwickeln müssen, um das Kind zu fördern.

Lassen Sie mich etwas zur Verknüpfung von Theorie und Schulpraxis sagen. Im Gesetzentwurf ist angedeutet, dass Praktika stattfinden müssen. Es ist auch wichtig, diese Praktika mit dem Studium zu verknüpfen, weil ein Praktikum, bei dem man als ehemaliger Schüler im ersten Semester zusieht, wie der Lehrer, der einen früher unterrichtet hat, jetzt unterrichtet, nicht unbedingt die Qualität des Unterrichts verbessert und einen auch nicht weiterbringt darin, wie man selbst unterrichtet. Deswegen müssen Schulpraktika so organisiert werden, dass man dort Schüler individuell fördert, in Kleingruppen arbeitet und lernt, anders zu unterrichten.

Wir halten es auch für notwendig, dass Lehrerinnen und Lehrer im Laufe ihres Studiums Erfahrungen außerhalb der Schule sammeln. Sie sollen Praktika in Betrieben, in Einrichtungen der Jugendhilfe oder der Behindertenarbeit machen, damit sie in ihrer Ausbildung noch etwas anderes gelernt haben, als Schule zu machen. Wichtig ist auch die Verknüpfung der Hochschule mit der Praxis, damit im Sinne von Hochschul-Schulen die Schulen an die Hochschule geknüpft sind. Die Hochschullehrer sollen in die Schule kommen und sehen, wie es in den Schulen aussieht.

Ein Wort zu den Bachelor- und Master-Abschlüssen, die im Gesetzentwurf angesprochen werden. Ich glaube, wir kommen nicht drumherum, Bachelor und Master auch für das Lehramtsstudium zu fordern. Eine Staatsregierung ist unglaubwürdig, wenn sie fordert, für alle Studiengänge Bachelor und Master einzurichten, außer in den Studiengängen, bei denen der Staat entscheidet, nämlich bei den Staatsexamen. Dort gibt es keine Bachelor- und Master-Abschlüsse. Das ist nicht zu akzeptieren und auch nicht zu vertreten. Wir erleben gerade eine Modularisierung des Lehrerstudiums. Wir stellen

fest, dass das mit der Struktur des Staatsexamens nicht funktioniert, dass sich das beißt. Wir müssen deshalb auf das Staatsexamen verzichten, um eine neue Lehrerbildung zu machen.