Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

(Beifall bei der SPD)

Seien Sie etwas ehrlicher. Sie haben in Ihrer Presseerklärung unmittelbar nach dem Kabinettsbeschluss behauptet, dass es eine weitere Steigerung der Zukunftsinvestition in Bildung gebe. Jedoch ist das Gegenteil der Fall. Der Entwurf der Staatsregierung zum Nachtragshaushalt 2010 sieht gegenüber dem Stammhaushalt im Einzelplan "Unterricht und Kultus" keine Steigerung, sondern eine Senkung vor. So werden die Personalausgaben im Bildungsbereich gekürzt. 300 Lehrerstellen sind weiterhin gesperrt und nicht freigegeben. Im Bereich der Wissenschaft gibt es ebenfalls keine Steigerung, sondern eine Reduzierung. Was Sie behaupten, ist eindeutig falsch. Sie reden von einer Steigerung der Investitionsquote auf Rekordniveau. Dazu müssen Sie ehrlicherweise hinzufügen, wodurch dieses Rekordniveau zustande kommt. Das Redkordniveau beruht auf dem Zukunftsinvestitionsprogramm des Bundes, das auf Bundesebene von der Sozialdemokratie durchgesetzt worden ist.

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Durch den Finanzausgleich! - Beifall bei der SPD)

Ich räume ein, dass Wahrheiten nie angenehm sind. Uns geht es genauso. Heute sind Sie jedoch an der Reihe.

Wir stehen zu dem Strukturprogramm "Region FürthNürnberg". Wir erkennen es an und halten es für wichtig. Sie müssen jedoch dazu sagen, wie Sie es finanzieren wollen. Sie finanzieren das Programm nicht mit zusätzlichen Mitteln, sondern mit den Mitteln der Wirtschaftsförderung. Die Wirtschaftsförderung war für die Bayern FIT GmbH vorgesehen. Seit 2008 ist dieses Projekt zum Kernprojekt der Regierung Beckstein erklärt worden. Diese Mittel stecken Sie nun in das Programm "Region Nürnberg-Fürth". Obwohl das Projekt sehr wichtig ist, gibt es viele andere Regionen in Bayern, die auf Wirtschafts- und Regionalförderung angewiesen sind. Sie sollten Ihre Großzügigkeit nicht auf Kosten anderer Regionen darstellen. Tatsache ist, dass Sie keine zusätzlichen Mittel für dieses Sonderprogramm bereitgestellt haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Nachtragshaushalt 2010 kann nur durch eine Kombination von fünf Methoden ausgeglichen werden. Die erste Methode habe ich bereits genannt. Dabei handelt es sich um die Plünderung sämtlicher Rücklagen. Bis auf das letzte Konto sind alle Rücklagen ausgeplündert worden. Im Jahre 2010 werden alle Rücklagen aufgebraucht werden, die in den Vorjahren mühsam erspart worden sind. Das ist die Wahrheit für den Haushalt 2010.

(Beifall bei der SPD)

Selbst das reicht aber noch nicht aus. Zwar kürzen Sie nicht so spektakulär wie unter Stoiber, jedoch kürzen Sie in einigen Bereichen genauso einschneidend. Aus Ihrer Sicht ist der Kürzungshaushalt 2010 geplant. Gegenüber dem Stammhaushalt werden die Einzelpläne gekürzt. Die Kürzungen betragen 115 Millionen Euro für den kommunalen Finanzausgleich, 20,6 Millionen Euro für Unterricht und Kultus, 11,3 Millionen für die Wissenschaft, 2,2 Millionen Euro für Umwelt und Gesundheit, 3,5 Millionen Euro für die Innere Verwaltung, 15 Millionen Euro für die Justiz und 14 Millionen Euro für das Finanzressort. Sie kürzen die Personalausgaben um insgesamt 537 Millionen Euro. Sie legen haushaltsgesetzliche Sperren in Höhe von 280 Millionen Euro auf. Auf sächliche Verwaltungsausgaben, Zuweisungen und Zuschüsse, sonstige Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen kommen Haushaltssperren.

Zu Haushaltssperren sei eines gesagt: Die Sperren können alle Verbände, Organisationen, Kommunen und andere Gebietskörperschaften treffen. Sie können letztlich alle Bürgerinnen und Bürger treffen. Sie wirken manchmal noch schlimmer als Kürzungen. Denn auf Kürzungen kann man sich einstellen, während das für Sperren nur sehr eingeschränkt gilt. Entgegen Ihrer Ankündigung treffen die Sperren zweitens auch dringend notwendige Investitionen, mit denen wirtschaftliche Impulse gesetzt werden sollen. Sie treffen entgegen Ihrer Ankündigung drittens auch die Bereiche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Umwelt. Sperren gibt es also auch für die Zukunftsaufgaben.

Darüber hinaus nehmen Sie doppelte Kürzungen vor. Das geht folgendermaßen: Beim Doppelhaushalt 2009/10 haben Sie eine haushaltsneutrale Senkung der haushaltsgesetzlichen Sperre beschlossen. Das heißt: Von 100 Euro wurden nur 80 Euro ausgezahlt. Im Stammhaushalt standen plötzlich nur 80 Euro. Dann kommt eine zusätzliche Sperre. Plötzlich werden aus 100 Euro nicht 80, sondern 64 Euro. Diesen Sparkurs machen Sie. Das geschieht alles sehr verdeckt, aber es ist genauso einschneidend.

Ich will einmal deutlich machen, wie pervers dieses System der Sperren ist. Bei der Landeszentrale für politische Bildung hat der Finanzminister in seinen Entwurf zusätzlich 150.000 Euro hineingeschrieben. Das ist gut, weil politische Bildung wichtig ist. Der Ansatz von 700.000 wurde also auf 850.000 Euro erhöht. Das ist ein Titel, auf den die Sperre von 20 % wirkt. Das Ergebnis sind 680.000 Euro. Statt einer Erhöhung, wie sie im Haushaltsplan steht, kommt es tatsächlich zu einer Reduzierung des Titels für das Haushaltsjahr 2010.

Das ist Ihr System der Sperren. Das ist Tricksen, Tarnen, Täuschen. Ohne dies kann der Haushalt nicht ausgeglichen werden.

(Beifall bei der SPD)

Sodann verschieben Sie finanzielle Lasten entgegen Ihrem eigenen Ansatz, der durchaus aller Ehren wert ist, in die Zukunft. Das ist nicht nur politisch inakzeptabel, weil es Ihrem Konzept widerspricht, sondern auch haushaltspolitisch brandgefährlich. Sie zweckentfremden den staatlichen Grundstock, der verfassungsrechtlich geschützt ist. Sie veranschlagen nämlich selber eine rückzahlbare Ablieferung des Grundstocks in Höhe einer knappen halben Milliarde Euro und belasten damit die Zukunft des Haushalts für die Jahre, in denen diese Belastung zurückgezahlt werden muss.

Sie verzichten auf die Zuführung an den Versorgungsfonds, der gerade dazu da ist, die finanziellen Lasten nicht zu verschieben. Sie machen eine Verschiebung in die Zukunft in Höhe von 35 Millionen Euro.

Sie verschieben die Rückführung der Arbeitszeit bei den Anwärtern. Sie haben nur den Polizeibereich und ein paar kleine Bereiche genannt. Wenn Sie das Prinzip ernsthaft durchführen, müssen Sie es jetzt schon beim Stammhaushalt berücksichtigen. Die Zahl der Anwärter muss gegenüber dem, was jetzt im Haushaltsentwurf steht, deutlich erhöht werden. Auch hier verschieben Sie das auf den nächsten Doppelhaushalt. Dabei sehe ich von den Stellenhebungen und einer latenten Staatsverschuldung, die Sie permanent produzieren, einmal ab. Sie stecken zu wenig in den Substanzerhalt. All das sind Verschiebungen in die Zukunft.

Die vierte Methode Fahrenschon ist tatsächlich ein Spezialkapitel: "Tricksen, Tarnen, Täuschen". Da geht es um die Verzinsung der stillen Einlage bei der Landesbank in Höhe von 231 Millionen Euro, die im Stammhaushalt steht. Der Finanzminister sagt zu dieser Einlage: Die Einlage von 231 Millionen Euro kommt von der Landesbank zurück.

Am 10. November sagte derselbe Finanzminister zu der Einlage von 231 Millionen Euro und ihrer Verzinsung: Sie kommt nicht. Gut, sie kommt nicht. Die Ankündigung hieß dann: Es wird voraussichtlich eine Neuverschuldung gebraucht.

Einen Tag später, nach 22 Stunden und 31 Minuten, hieß es - offensichtlich aufgrund eines Anrufs des Ministerpräsidenten -: Die Verzinsung der stillen Einlage von 231 Millionen Euro kommt doch. Das war also die neue Aussage des Finanzministers.

Dann gab es einen wunderbaren Disput im Haushaltsausschuss zwischen Ihnen und Herrn Kemmer, zwischen Pat und Patachon. Wir haben uns wirklich amüsiert. Der Kollege Kirschner hat nur noch die Stirn gerunzelt, weil er sich darauf keinen Reim machen konnte. Dann gab es noch die Aussage: Sie kommt doch.

Und jetzt heißt es im Entwurf: Sie kommt doch nicht. Herr Fahrenschon, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Das ist Finanzpolitik nach der Gänseblümchenmethode: Geld kommt, Geld kommt nicht, Geld kommt, Geld kommt nicht. Dafür gibt es einen einzigen Grund: Sie waren in verzweifelter Suche nach den Millionen, die diesen nicht ausgeglichenen Haushalt, zumindest vom Zahlenwerk her, auf dem Papier ausgleichen können. Das ist die Wahrheit, die hinter diesem Haushaltsentwurf steckt.

(Beifall bei der SPD)

In Ihrer Verzweiflung kommen Sie jetzt auf einen anderen Trick, den Sie sich überlegt haben. Dabei geht es um die zu leistende mutmaßliche höhere Garantiegebühr für das ABS-Portfolio oder um die Teilrückführung

der stillen Einlage. Das ist der nächste Trick. Ich bin mir sicher: Auch da werden wir einen Gänseblümchen-Finanzminister erleben: Kommt, kommt nicht, kommt, kommt nicht. Jedenfalls ist das - gestatten Sie mir diese Bemerkung, Herr Fahrenschon - keine solide Haushaltspolitik, jedenfalls definitiv nicht in diesem Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Ein paar Bemerkungen zu dem, was wir in den Beratungen zu diesem Nachtragshaushalt einbringen wollen. Wir Sozialdemokraten bekennen uns ganz klar zu Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Statt in Steuersenkungen auf Pump zu investieren, wollen wir in die öffentliche Infrastruktur investieren, auch in diesem Nachtragshaushalt.

(Beifall bei der SPD)

Hierzu bekennen wir uns aus guten und plausiblen Gründen.

Wir sind der Auffassung, dass in diesem Nachtragshaushalt noch zu wenig Investitionen in die staatliche Infrastruktur enthalten sind und zu viele Effekte aus verpuffenden Steuersenkungen vorhanden sind. Wir haben bei Investitionen keinen verpuffenden Effekt wie bei Steuersenkungen, sondern ersparte Ausgaben in den Folgejahren. Wir können zukünftig Mehrbelastungen vermeiden. Dazu leisten wir in vielfältiger Hinsicht einen Beitrag zum Klimaschutz.

Wichtig sind also Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Wir wollen in den Haushaltsberatungen darlegen, dass das, was Sie nur behaupten und in Ihrer Rede erneut behauptet haben, tatsächlich kommt, nämlich ein "chancenreiches Bayern", mit Chancen für alle Menschen in Bayern.

Sie haben im Bildungsetat gekürzt. Wir wollen aber, dass mehr Mittel für die Schulsanierung bereitstehen. Wir wollen, dass endlich das Prinzip "25 Schüler pro Klasse" umgesetzt wird. Dazu brauchen wir eine vernünftige Lehrerausstattung. Für diese werden wir im Nachtragshaushalt kämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden auch für die Universitäten kämpfen. Statt Kürzungen bei den Studentenwerken und unzureichender Mittelausstattung wollen wir eine Ausstattung der Studentenwerke erreichen, wie sie sinnvoll ist. Wir wollen, dass zusätzliche Assistenten und wissenschaftliche Mitarbeiter eingesetzt werden. Wir wollen endlich, dass die Universitäten auch für uns Landtagsabgeordnete keinen Anlass bieten, uns schämen zu müssen, wenn wir die Gebäude ansehen, sondern es muss

dahin kommen, dass wir uns hier über Zukunftsinvestitionen freuen können.

(Beifall bei der SPD)

Auch der Ausbau der Kinderbetreuung, der von Ihnen verbal auf den Lippen geführt wird, muss hier genannt werden. Herr Staatsminister, ich freue mich immer wieder, wenn ich Sie unsere Konzepte loben höre. Bedauerlich ist, dass sie in Bayern zehn Jahre zu spät umgesetzt werden. Aber immerhin freuen wir uns, dass Sie bereit sind, unsere Ziele zu loben, wenn es um Kinderbetreuung und Ganztagsschulen geht.

Wir wollen auch das Thema Inklusion nicht nur verbal im Mund führen, sondern die Teilhabe der behinderten Menschen umsetzen und dafür auch Geldmittel bereitstellen. Alles andere ist nämlich Schall und Rauch.

Wir brauchen auch Geldmittel im Nachtragshaushalt 2010 unter dem Gesichtspunkt "Neue Perspektiven für Bayern". Wir werden die 35 Millionen Euro, die Sie als Kürzungen für den Staatsstraßenbau vorsehen, aufgreifen und rückgängig machen. Wir wollen die Ansätze für ländliche Räume, neue Mobilität und die Energieund Klimaschutzprogramme, endlich so ausstatten, dass sie sinnvollerweise umgesetzt werden können.

Darüber hinaus wollen wir den sozialen Zusammenhalt stärken.

Ich komme zum Schluss. Unsere Forderung ist, dass Sie sich, Herr Staatsminister, von vielen haushaltspolitischen Lügen der Vergangenheit verabschieden. Den Doppelhaushalt haben Sie unter die Überschrift "zukunftsgerichtet, konjunkturgerecht, solide" gestellt. Das leisten alle drei Etiketten aber nicht: Sie verschieben Lasten in die Zukunft. Sie senken Steuern, statt Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Alles kann man über diesen Haushalt sagen, aber solide ist er nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wir machen einen Vorschlag. Damit Sie Ihren Ruf als Finanzminister nicht weiter ruinieren, können wir Ihnen nur raten: Ziehen Sie den Entwurf für den Nachtragshaushalt 2010 zurück. Legen Sie dem Landtag in der nächsten Woche einen neuen Entwurf vor, ohne Finanztricks, ohne Luftbuchungen, ohne Verschiebungen von Lasten in die Zukunft. Das wäre für Sie persönlich gut. Das ist wirklich freundschaftlich gemeint. Es wäre gut für die Glaubwürdigkeit Ihrer Politik. Vor allem wäre es gut für unser Bayern und die Bürgerinnen und Bürger.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Das war eine Minute über die vorgesehene Redezeit, sodass wir bei Bedarf entsprechend großzügig sein können.

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Görlitz.

Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einer solchen Schimpf- und Mäkelkanonade ist es sehr schwierig, hier wieder einen sachlichen Ton hineinzubringen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich hatte gehofft, dass Sie in dieser einen Minute mehr Redezeit noch konkrete Vorschläge bringen, die man umsetzen und in die Arbeit einfließen lassen könnte.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))