Zu dem Thema "strukturschwach-strukturstark" habe ich heute nichts gehört. Ich meine, das Thema müsste man wesentlich entschiedener angehen, als das im Finanzausgleichsentwurf angezeigt worden ist.
Sie blenden in Ihrer "wunderbaren" Betrachtung, die im Jahr 2008 endet, aus, dass die Kommunen laut Steuerschätzung 2009 bereits im Jahr 2009 10 % der Einnahmen verlieren werden und im Jahr 2010 noch zusätzlich 4 % also überproportional mehr als Land und Bund. Hinzu kommt - das wurde mehrfach angesprochen - die Folgewirkung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, das bei den bayerischen Kommunen ebenfalls überproportional zur Einnahmeminderung führen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass das alles gegen den ausdrücklichen Willen der Kommunen und die ausdrücklichen Aussagen der kommunalen Spitzenverbände vom Bund und vom Land durchgesetzt worden ist. Sie haben gesagt, Herr Schäuble wolle mit den Kommunen reden. Ich sage, Herr Schäuble und vor allem Sie hätten vorher mit den Kommunen reden und sich erkundigen müssen. Sie hätten die Entscheidungen, wie Sie sie wollen, nicht zulasten der Kommunen durchdrücken dürfen.
Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz führt zu Einnahmeminderungen bei den bayerischen Kommunen im dreistelligen Millionenbereich. Zudem haben die Einkommens- und Gewerbesteueränderungen in den Konjunkturpaketen I und II sowie das Bürgerentlastungsgesetz ebenfalls zu Mindereinnahmen bei den bayerischen Kommunen in dreistelliger Millionenhöhe geführt. Irgendwann ist die Schmerzgrenze überschritten.
Sie versuchen die Einnahmeminderungen ausschließlich als Folge des Konjunktureinbruchs darzustellen und zu verkaufen. Das ist nur zum Teil richtig. Mindestens ein Drittel ist Folge der Steuerrechtsänderungen, die Sie beschlossen haben.
Herr Klein, Sie haben das Wachstumsbeschleunigungsgesetz damit gerechtfertigt, dass Sie die Familien entlasten wollen. Ich finde diese Behauptung unerträglich. Insbesondere die Familien, die Geld am dringendsten bräuchten, bekommen keine zusätzliche Kindergelderhöhung. Das sind nicht wenige Familien. Man muss nicht meinen, dass das eine Randgruppe wäre.
In vielen Städten sind es 10 bis 20 % der Haushalte mit Kindern, die nichts bekommen. Auch in dem Landkreis, aus dem Herr Winter kommt, sind es 7 % der Familien mit Kindern, die nicht vom Wachstumsbeschleunigungsgesetz profitieren. Diese Familien schieben Sie zur Seite und behaupten, Sie hätten die Familien entlastet, erwähnen aber nicht, dass diejenigen, die es am dringendsten bräuchten, ausgeklammert werden.
Für die Kommunen kommt erschwerend hinzu, dass die Milliardenverluste der Landesbank auf die Sparkassen durchschlagen werden. Sie müssen gemäß ihrem Anteil am Eigenkapital der Landesbank 200 Millionen Euro abschreiben. Daneben droht die Abschreibung der stillen Einlagen, die sie noch weit härter treffen würde. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Fahrenschon zitieren. Herr Fahrenschon, Sie haben gesagt: Der Staat kann die Kommunen nicht von den Folgen der Wirtschaftskrise freistellen. Wir aber sagen: Der Staat sollte den Kommunen in dieser schwierigen Situation auch nicht zusätzlich Knüppel zwischen die Beine werfen.
Landauf, landab erreichen nicht nur uns, sondern auch Sie Resolutionen von Gemeinderäten, Stadträten, Landkreistagen und Bezirkstagen, in denen beklagt wird, dass die Schulen nicht ausreichend saniert werden können, dass die Fördermittel zu schleppend bezahlt werden, dass der Zustand der Gemeindestraßen weit miserabler ist als der der Staatsstraßen und dass vor allem viele Aufgaben nicht erfüllt werden können, dass Sport- und Kultureinrichtungen reduziert werden, dass der ÖPNV und die Kindergärten teurer werden.
Ich denke, Letzteres ist ein Vergleich mit Kärnten wert. Bei uns werden die Kindergärten teurer, während sie dort umsonst sind.
Bei uns werden die Gebühren erhöht. Oft wird auch die Erhöhung der Hebesätze von Gewerbe- und Grundsteuer neu diskutiert.
Trotzdem reicht dies alles oft nicht, die Haushalte auszugleichen. Viele kommunale Haushalte stehen derzeit zur Genehmigung an. Viele haben erhebliche Schwierigkeiten. Offenbar sind die Regierungen derzeit geneigt, bei der Genehmigung der Haushalte alle Hühneraugen zuzudrücken, nicht genau hinzusehen und ziemlich abenteuerliche Haushaltsentwürfe - ich habe davon einige gesehen - mit höchst unrealistischen Einnahmeschätzungen und erheblichen Schuldenaufnahmen durchzuwinken, um in der derzeitigen Situation nur ja nicht zu viel Staub aufzuwirbeln. Wie die grandiosen Defizite, die im Jahr 2010 eintreten werden, später ausgeglichen werden sollen, ist Ihnen heute egal. Ich finde so eine Politik unverantwortlich.
Wir fordern: Sichern Sie das verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht. Ziehen Sie den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3081 zurück. Sichern Sie den bayerischen Kommunen über den Bundesrat auch eine angemessene Beteiligung des Bundes an den Wohngeldkosten. Und schaffen Sie die Grundlagen für einen ausreichenden Kindertagess
tättenausbau. Es ist notwendig, für die bayerischen Kommunen Handlungsspielräume zu erhalten. Es dürfen nicht Probleme schöngeredet werden, um sich von ihnen wegzustehlen.
Gemäß § 148 der Geschäftsordnung werden die Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen als federführendem Ausschuss überwiesen.
Abstimmung über Verfassungsstreitigkeiten und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage)
Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.
Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe? - Enthaltungen? - Damit sind die Voten einstimmig übernommen. Der Landtag übernimmt diese Voten.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf: Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge Unser Plenum ist bis 19 Uhr vorgesehen. Ich richte einen Appell an alle Redner, sich kurz zu fassen. Dann schaffen wir vielleicht sogar alle Anträge. Ich rufe als ersten den
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Brigitte Meyer, Renate Will u. a. und Fraktion (FDP) Residenzpflicht lockern und Sachleistungsprinzip überprüfen (Drs. 16/3250)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Angelika Weikert, Christa Steiger u. a. und Fraktion (SPD)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Brigitte Meyer für die FDP-Fraktion.
Verehrter Herr Präsident, verehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht werden Sie sich denken: Schon wieder ein Antrag zur Asylpolitik. Davon gab es in der Vergangenheit schon mehrere, ohne dass sich wirklich etwas erkennbar bewegt hat. Ich habe Verständnis, wenn Sie so denken, auch Verständnis für eine Ungeduld bei den Betroffenen und den Wohlfahrtsverbänden.
Wir haben dieses Thema heute aufgegriffen, weil es sich dabei um etwas handelt, was unserer Fraktion sehr am Herzen liegt. Wir sehen darin ein sehr zentrales Thema. Ich verspreche Ihnen: Auch wenn es in langsamen Schritten vorangeht, werden wir in diesem Bereich erst dann locker lassen, wenn wir grundlegende Verbesserungen für die Flüchtlinge in Bayern erreicht haben.
Heute geht es um die Residenzpflicht und das Sachleistungsprinzip. Diese Residenzpflicht ist in der Europäischen Union einmalig. Sie existiert nur in Deutschland. Ich sage Ihnen ganz direkt: Ich halte sie in der jetzigen Form nicht für menschenwürdig. Deshalb muss sie aus unserer Sicht gelockert werden. Der Besuch bei Verwandten, zum Beispiel anlässlich des Auswärtsspiels einer Fußballmannschaft, oder möglicherweise der Besuch eines Gottesdienstes in einer Nachbargemeinde, dies alles sind für uns Selbstverständlichkeiten. Für Asylsuchende sind sie ein Wunsch, für dessen Erfüllung sie unter Umständen auch noch teuer bezahlen müssen. Wir machen diese Menschen, die als Bittsteller auftreten müssen, um für einen Nachmittag zum Beispiel von Dachau nach München fahren zu können, zu Menschen zweiter Klasse. Das ist mit dem Menschenbild der FDP nicht vereinbar.
Deshalb muss etwas geschehen. Aus unserer Sicht gibt es keinen einzigen vernünftigen Grund, diese Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit derart zu beschränken. Als Gegenargument wird immer wieder vorgebracht, die Flüchtlinge müssten erreichbar sein. Ich frage mich aber, wodurch diese Erreichbarkeit gefährdet sein soll, wenn ein Flüchtling aus Dachau nach München fährt, um dort seine Verwandten zu besuchen.
Kurzum, die Residenzpflicht muss gelockert werden. Wir werden dafür kämpfen und nicht locker lassen.
Auch das Sachleistungsprinzip entspricht nicht unseren Vorstellungen. Die ausschließliche Sachleistungsgewährung schränkt in unseren Augen den individuellen Spielraum für die Lebensgestaltung von Asylbewerbern in erheblichem Maße ein.
Seit Langem liegen Zahlen vor, die besagen - das drücke ich an dieser Stelle ganz bewusst sehr vorsichtig aus -, dass die ausschließliche Gewährung von Sachleistungen nicht in jedem Fall die kostengünstigste Form der Grundleistungsgewährung und der Hilfen zum Lebensunterhalt ist. Wenn in manchem vielleicht nachfolgenden Redebeitrag das Gegenteil angesprochen werden sollte, bitte ich bereits jetzt darum, die Behauptung, dass es teurer sei, mit aussagekräftigen Zahlen zu belegen. Ich sage Ihnen auch - das ist für uns ganz wichtig -: Für uns ist diese Frage primär keine Kostenfrage, sondern eine Frage des Menschenbildes. Denn die Wirklichkeit der individuellen Lebensgestaltung ist für uns ein Ausdruck von Menschlichkeit.
In dieser Debatte sollte man auch nicht vergessen, dass die Vergabe von Wertgutscheinen und Geldleistungen einen ganz wichtigen Beitrag für die gesellschaftlichkulturelle Integration der Flüchtlinge darstellen kann. Dies wollen wir schließlich alle. Integration - das hören wir zur Genüge - möchten wir wirklich alle.
Abschließend ein paar Bemerkungen zu dem nachgezogenen Antrag der SPD, der natürlich viel weiter geht als unserer. Wir sind Realisten. Wir halten es schon für einen ganz großen Erfolg, wenn wir es schaffen, dass sich Asylsuchende demnächst in ganz Bayern frei bewegen können. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Wie ich bereits eingangs sagte, wird die FDP-Fraktion mit dem Thema Asylpolitik wieder kommen. Ich muss aber zugeben, dass ich mich heute wirklich sehr gefreut habe, dass unser Koalitionspartner gestern Abend noch mit einer Presseerklärung zum Thema Gemeinschaftsunterkünfte an die Öffentlichkeit gegangen ist. Es gibt nunmehr ein Positionspapier, mit dem beide Fraktionen arbeiten können, um eine gemeinsame Position für die Diskussionen zu schaffen, die wir jetzt führen wollen.
Ich bin zuversichtlich, dass die Entwicklung der letzten zwei Tagen der Trend in eine andere Richtung der Asyl
politik in unserem Bayernland ist. Ich verspreche Ihnen, wir werden auch in den nächsten Jahren für eine Asylpolitik in Bayern stehen, die den Bürgerinnen und Bürgern in Bayern nichts wegnimmt, aber den Flüchtlingen in unserem Land sehr viele Verbesserungen bringen soll.