Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die SPD in Bayern und die sozialdemokratische Landtagsfraktion sind sich dessen vollkommen bewusst, dass die Gesetzgebung, die in dieser Woche zur Stabilisierung der Euro-Zone in Berlin auf den Weg gebracht wird, für die Zukunft unserer Währung und unseres Landes von grundlegender, ja von maßgeblicher Bedeutung ist. Dieses Gesetz muss jedoch einhergehen mit einer Prämisse, dass nämlich demokratisch legitimierte Politik wieder Vorrang hat vor den wirtschaftlichen Interessen der Finanz- und Kapitalmärkte.
Mit großer Sorge betrachten wir den Verfall des Euro. Noch vor einem knappen halben Jahr stand er bei 1,50 Dollar, heute ist er knapp 30 amerikanische Cent weniger wert. Es muss uns alle beunruhigen, dass in den vergangenen Wochen und Monaten legale Wetten auf den Verfall und Ruin von ganzen Volkswirtschaften systematisch organisiert wurden. Die Leidtragenden werden auch jene sein, die an der Stabilität unserer Währung ein besonderes Interesse haben müssen, und diejenigen, die jetzt mittelbar oder unmittelbar zur Kasse gebeten werden, auch über die zu erwartende Inflation, nämlich die deutschen Steuerzahler, mittelständische Unternehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Familien und Rentner.
Der Verzicht auf eine wirksame Regulierung der Finanz- und Kapitalmärkte hat dazu geführt, dass wirtschaftliche Einzelinteressen und Spekulationen das Gemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union gefährden. Das Vertrauen in die vermeintlichen wirtschaftlichen und politischen Eliten in Deutschland und in Europa wird seit Monaten tief bis ins Mark erschüttert. Die Menschen können und wollen nicht nachvollziehen, dass Teile der Finanzmärkte immer mehr einem Spielcasino gleichen; die RouletteKugel rollt noch immer und die Regierungen schauen dem Spiel zu. Wir betrachten es mit großer Sorge, aber auch mit einer gehörigen Portion Wut und Unver
ständnis, dass sich die Akteure auf den internationalen Finanzmärkten mit unheilvollen Spekulationen eine goldene Nase damit verdienen, dass sie mit ihren schädlichen Produkten ganze Gesellschaften in den Ruin zu treiben versuchen.
Und es macht uns auch zornig, dass die Bundesregierung dem ruinösen Treiben hilflos, ratlos und tatenlos zugesehen hat, anstatt kraftvoll zu handeln und sich dem Wettbüro von verantwortungslosen Investmentbankern mit wirksamen Maßnahmen entgegenzustemmen.
Da werden aggressive Attacken gegen den Euro geritten, und was dabei kaputt geht, ist nicht nur das Vertrauen in die Akteure auf den Finanzmärkten, sondern auch das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates.
Ihre Regierungserklärung heute, Herr Minister, hat zwei vorrangige Ziele, die augenscheinlich sind: Erstens, Sie wollten Tatkraft simulieren und das heillose Durcheinander der schwarz-gelben Position in Fragen der Finanzmarktregulierung zur Strategie erklären. Zweitens wird so getan, als habe die CSU hier stets eine klare Position vertreten.
Die CSU-Mittelstandsunion, gewiss kein geringer Faktor innerhalb der CSU, und ihr Vorsitzender, Hans Michelbach, haben monatelang gegen die Finanztransaktionssteuer massiv Front gemacht. Hans Michelbach ist immerhin auch CDU/CSU-Obmann im Finanzausschuss des Bundestags. Er hat noch vor drei Tagen, am vergangenen Sonntag, erklärt, er und seine Organisation lehnten eine Finanztransaktionssteuer kategorisch ab:
Sie sei kein wirksames Mittel zur Bekämpfung schädlicher Spekulationen. - In Wahrheit, meine Damen und Herren, wackelt die CSU in dieser Frage wie ein Kuhschwanz. Wenn Sie so tun, Herr Fahrenschon, als knüpfe die CSU ihre Zustimmung zu dem Rettungspaket quasi an sozialdemokratische Bedingungen - im Abkupfern waren Sie schon immer besonders gut -, dann ist das fadenscheinig und scheinheilig, meine Damen und Herren.
Im Übrigen darf ich Sie daran erinnern: Sie sind gar nicht in der Position, Bedingungen zu stellen; denn Sie stellen in Berlin die Regierung, meine Damen und Herren.
Dann gab es heute noch ein zweites Ziel. Ich sage ganz ausdrücklich: Wir begrüßen die Regierungserklärung. Wir hätten aber schon erwartet, Herr Minister, dass Sie wenigstens ein paar Worte über die angespannte Haushaltssituation in Bayern verlieren. Das gehört unmittelbar zur aktuellen Debatte.
Die zwölf Millionen Menschen in Bayern erwarten von uns im Bayerischen Landtag, dass wir vorrangig die Dinge tun, die in unserer ureigenen Verantwortung und insbesondere in unserem Gestaltungsrahmen liegen. Stattdessen üben Sie sich im Kulissenschieben. Man staunt nicht schlecht darüber, dass der bayerische Finanzminister zwar zur Haushaltssituation in Griechenland Stellung bezieht, aber kein Wort, wirklich kein einziges Wort über die stetig wachsenden Haushaltslöcher in Bayern verliert. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass Sie im Kabinett beschlossen haben, mit dieser Regierungserklärung von den eigenen massiven Problemen abzulenken, indem Sie andere, zugegebenermaßen auch wichtige Themen nach vorne schieben.
Ich kann das nachvollziehen. An Ihrer Stelle würde ich auch lieber über Griechenland reden als über das Landesbankdesaster, das Ihr vollkommenes Versagen in der bayerischen Finanzpolitik deutlich gemacht hat.
An Ihrer Stelle würde ich auch lieber über Portugal und Spanien reden als über die fatalen Konsequenzen Ihrer unverantwortlichen Steuergeschenke für Klientelgruppen, die Milliardenlöcher in die bayerischen Kassen gerissen haben.
Da sind kraftvolle Appelle an die Griechen zu vernehmen, aber man verschweigt, dass Bayern im letzten Jahr selbst Schuldenkönig war. Acht Milliarden Euro neue Schulden musste der Freistaat aufnehmen. Meine Damen und Herren, das ist ein Drittel aller neuen Schulden der deutschen Bundesländer - ein Negativrekord!
Die Kritik der obersten Rechnungsprüfer des Freistaates ist bei Ihnen offensichtlich ohne Wirkung geblieben, Herr Finanzminister; denn es wurde Ihnen doch mitgeteilt, was die Rechnungsprüfer im Besonderen vermissen, nämlich eine angemessene Vorsorge. Für die milliardenschweren Steuerausfälle der nächsten Jahre hat die Staatsregierung auch nach Einschätzung des Obersten Rechnungshofs keinerlei Vorbereitungen getroffen. Wir hören keinen einzigen Hinweis darauf, wie Sie den bayerischen Staatshaushalt in den Griff bekommen wollen.
Nun haben Sie sich auf Ihre Rolle als Lehrmeister Europas konzentriert. Da ist es uns natürlich wichtig, deutlich zu machen, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung die Krise nicht etwa entschärft hat, sondern massiv dazu beigetragen hat, dass sich die Krise zunehmend verschärft hat. Die schwarz-gelbe Chronologie zeigt das deutlich.
Am 24. Oktober haben Sie Ihren Koalitionsvertrag verabschiedet und veröffentlicht. Mit keinem einzigen Wort ist dort die Finanztransaktionssteuer erwähnt, noch nicht einmal in Halbsätzen. Sie haben sich nicht einmal darum bemüht, in diese Richtung zu denken. Der FDP-Entwicklungshilfe-Minister hat am 6. Dezember noch in einer Pressemitteilung verlautbart: "Ich spreche mich ausdrücklich gegen eine Finanztransaktionssteuer aus." Das ist die altbekannte Position der FDP. Dann gab es am 17. Dezember auf Antrag der SPD eine Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag. Der Redner der Union äußerte sich distanziert zur Transaktionssteuer: Es bestehe die Gefahr, dass die Steuer an den einzelnen Anleger und Sparer durchgereicht werde. Frank Schäffler von der FDP warf der SPD vor, dem gemeinen Populismus hinterherzurennen.
Meine Damen und Herren, was mangelnde Handlungsfähigkeit bedeutet, zeigte auch der CSU-Politiker und Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk. Er gab am 17. Dezember zu Protokoll: "Ich halte es für fraglich, ob der Finanzsektor heute bereits in der Lage ist, neue Belastungen zu schultern."
Damit erteilte er der Finanztransaktionssteuer eine eindeutige Absage. Meine Damen und Herren, das ist es, was in der CSU immer wieder erkennbar ist, auch und insbesondere unter Führung von Horst Seehofer: eine Schaufensterpolitik ohne jede Substanz.
In den Bierzelten wird über die Gier der Banker und der Spekulanten geschimpft, man müsse diese an die Kette nehmen. In den Parlamenten zeigen sich die CSU-Mandatsträger dann plötzlich überaus zögerlich, und in der Regierung verweigern sie konkrete Taten. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.
Wie sehr Sie die volkswirtschaftliche Situation unterschätzt haben, zeigt auch, dass die deutsche Finanzaufsicht am 1. Februar 2010 - das liegt erst wenige Wochen zurück - Leerverkäufe wieder zugelassen hat. Sie sagen heute, man müsse sie verbieten. Es war doch die deutsche Finanzaufsicht, die diese am 1. Februar wieder zugelassen hat, nachdem die Leerverkäufe bei elf deutschen Aktienwerten ausgelaufen waren. Am 1. Februar - so lange ist das noch gar nicht her - hieß es noch, die Lage an den Finanzmärkten sei hinreichend stabil. Sofort begann wieder das Spiel mit den Leerverkäufen: Ich gebe dir was, was ich selbst überhaupt nicht habe.
Gestern nun musste sich die deutsche Finanzaufsicht korrigieren. Die Regierungsbehörde hat nun spekulative Wetten auf fallende Kurse von Staatsanleihen der Eurozone sowie von Finanzwerten verboten. Meine Damen und Herren, eines ist sicher: Ein gutes Krisenmanagement sieht anders aus.
Wie das krisenhafte Krisenmanagement der Regierung Merkel, Westerwelle und Seehofer aussieht, lässt sich an drei Phasen dokumentieren.
Die erste Phase ist folgendermaßen zu charakterisieren: Probleme nicht erkennen, Probleme nicht anerkennen, Probleme leugnen.
Zweite Phase: langsam checken, was los ist, dann mit dem Tricksen, dem Tarnen und Täuschen beginnen.
In der dritten Phase müssen plötzlich panikartige Entscheidungen getroffen werden, weil gar nichts anderes mehr möglich ist.
Kommen wir zur Chronologie. Am Anfang stand die konsequente Leugnung der Notwendigkeiten. Das geschah in den Monaten Dezember bis Ende Februar. Da war der Euro bereits von 1,50 USD auf 1,30 USD abgerutscht. Die Probleme der hellenischen Republik waren bereits im Dezember durch Herabstufungen ihrer Kreditwürdigkeit dramatisch erkennbar geworden. In Bezug auf Griechenland sagte Finanzminister Schäuble noch am 30. Dezember der Agentur Reuters:
greifen würden. Wer es haushaltspolitisch so weit hat kommen lassen, muss schwere Konsequenzen tragen.
Mit einem solchen Statement zum Jahresende wäre die Krise sozusagen bewältigt. Es hat aber keine fünfzig Tage gedauert, Äußerungen wie die von Finanzminister Schäuble haben eben die Finanzhaie Blut lecken lassen, und die Hatz auf Griechenland war eröffnet. Es hat keine fünfzig Tage gedauert, da musste die Kanzlerin am 11. Februar mit anderen Staatschefs der Europäischen Union ihre Hilfe zusagen.
Ab dem 11. Februar begann die zweite Phase. Die Notwendigkeit zu handeln ist zwar erkannt, aber das Handeln soll bis nach der Landtagswahl in NordrheinWestfalen verschoben werden. Entscheidungen werden verschleppt, Sachverhalte verschleiert. Die Politik spielt auf Zeit. Westerwelle sagt im Deutschlandfunk: "Ich spekuliere nicht über irgendetwas, das jetzt in Zukunft noch zu diskutieren sein kann." So spricht tatsächlich jemand, der auf Zeit spielt, anstatt zu handeln.
Meine Damen und Herren, in der Plenardebatte am 24. Februar ergreift abermals der CSU-Politiker und Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Koschyk das Wort:
Griechenland erbittet keine finanzielle Unterstützung. Die Frage von finanziellen Hilfen stellt sich damit nicht.
Bereits zwanzig Tage zuvor hatte der Vorsitzende der Eurogruppe Jean-Claude Juncker erklärt, die Probleme Griechenlands beträfen die Währungsgemeinschaft als Ganzes. Der Direktor des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn warnte bereits drei Wochen vor Koschyks Äußerung, die Passivität einiger EU-Partner sei gefährlich.
Am 25. März schließlich blamiert sich der CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich mit seinem Plenarbeitrag im Deutschen Bundestag. Dort sagt er: "Ich glaube, dass es richtig war, von Anfang an klar und deutlich zu machen: Es gibt keine Gemeinschaftshilfen." - Es gibt keine Gemeinschaftshilfen - so am 25. März Hans-Peter Friedrich.
Bereits acht Tage später schießen die Kreditausfallversicherungen - CDS - auf griechische Anleihen auf 460 Basispunkte in die Höhe. Die Märkte beruhigen sich in der Folge nicht. Keine vierzig Tage später wird der Landesgruppenchef Friedrich korrigiert. Da erklärt nämlich die Kanzlerin: Für diese Kredite bürgt der Bund und damit in letzter Konsequenz der Steuerzahler.