Bereits acht Tage später schießen die Kreditausfallversicherungen - CDS - auf griechische Anleihen auf 460 Basispunkte in die Höhe. Die Märkte beruhigen sich in der Folge nicht. Keine vierzig Tage später wird der Landesgruppenchef Friedrich korrigiert. Da erklärt nämlich die Kanzlerin: Für diese Kredite bürgt der Bund und damit in letzter Konsequenz der Steuerzahler.
Herr Minister Fahrenschon, wie bewerten Sie eigentlich solche Statements von Parteifreunden in politischer Verantwortung, die erst wenige Wochen zurückliegen, im Lichte Ihrer heutigen Regierungserklärung? Ich hätte mir dazu schon ein paar Worte gewünscht.
Das eigentliche Versagen kommt in der dritten Phase im April und im Mai. "Alarmstufe Rot" heißt diese Phase. Das Faktische zwingt zum Handeln. Der 7. Mai - zwei Tage vor der Nordrhein-Westfalen-Wahl - war der vorläufige Höhepunkt der Krise. Der Machtverlust steht unmittelbar bevor, und es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Otto Fricke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag, sagte, es bleibe bei den 22,4 Milliarden Euro, die der Bundestag mit dem Gesetzentwurf zur Hilfe Griechenlands beschließen würde. Es werde kein einziger Cent mehr. Was bei Otto Fricke am 7. Mai kein einziger Cent mehr war, das waren bereits eineinhalb Tage später 750 Milliarden Euro für den Rettungsschirm. Meine Damen und Herren, was ist das für ein Durcheinander? Wie gehen Sie mit dem Geld der Menschen um?
Besonders schlimm ist es, dass es überhaupt zur dritten Phase gekommen ist. Schwarz-Gelb hat vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen dem persönlichen Machterhalt den Vorrang vor dem Interesse des Allgemeinwohls gegeben. Der Vorwurf steht im Raum, dass Schwarz-Gelb aus schnöden innenpolitischen Gründen einen riesigen Schaden in Kauf genommen hat. Entweder haben Sie es nicht besser gewusst, oder Sie haben es besser gewusst und nicht gehandelt. Beides gereicht Ihnen nicht zu Ruhm und Ehre, meine Damen und Herren, sondern ist Ausdruck eines unverantwortlichen Regierungshandelns.
Dass das Taktieren unverantwortlich gewesen sei, sagen ebenfalls alle Sachverständigen und Experten. Erst vor drei Tagen erklärte der IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn - ich zitiere -: "Ich bin sicher, wenn wir das Problem im Februar gelöst hätten, die Kosten wären geringer gewesen."
Lieber Herr Minister Fahrenschon, es ist ebenfalls bezeichnend, dass Sie jetzt in der dritten Phase - Alarmstufe Rot - eine Regierungserklärung abgeben, in der es überhaupt keine Alternativen mehr gibt. Diese drei Phasen kennen wir jedoch bereits aus Bayern von der Landesbank. Zuerst wird die Lage falsch eingeschätzt und nicht erkannt. Nachdem die Situation begriffen worden ist, wird sie bis zur Landtagswahl vertuscht.
Schließlich werden in der dritten Phase panikartig eine Kärntner Bank verschenkt und über 800 Millionen Euro obendrauf gelegt. Das, meine Damen und Herren, ist Politik der Marke CSU: unseriös und unsolide.
Die Drei-Phasen-Politiker unseres Landes, die zuerst ignorieren, dann täuschen und schließlich in Panik Entscheidungen treffen müssen, heißen Merkel, Schäuble, Westerwelle und Seehofer im Bund. In Bayern heißen sie Stoiber, Faltlhauser, Huber, Beckstein, Schmid und am Ende - das kann ich Ihnen nicht ersparen - Georg Fahrenschon, Herr Minister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von Schwarz-Gelb, Sie haben am Sonntag die Quittung für Ihre schlechte Politik erhalten. Die Rechnung ist nicht aufgegangen. Die schwarz-gelbe Mehrheit in Nordrhein-Westfalen ist verloren, nachdem die Union bereits zuvor in 14 von 16 Landtagswahlen an Stimmen verloren hat.
Die Wähler haben Sie durchschaut. Im Bundesrat ist Ihre Mehrheit für schuldenfinanzierte Steuersenkungen, für die Kopfpauschale und den Ausstieg aus dem Atomausstieg verloren gegangen.
Die Menschen in allen Teilen Deutschlands spüren, dass das Krisenmanagement, das in den letzten Wochen und Monaten notwendig gewesen wäre, bei Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück sicher besser aufgehoben gewesen wäre als bei dieser Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, da Sie sich gerade so schön mit Zwischenrufen warmlaufen, sage ich Ihnen, dass wir uns gerade in Bayern in einem Drei-PhasenModell befinden. Zuerst wurde konsequent ignoriert, dass mit Steuersenkungen nicht gleichzeitig eine Haushaltskonsolidierung einhergehen kann. Seit der Bundestagswahl befinden wir uns im Freistaat in der Phase zwei. Wir wissen, dass wir für die Jahre 2011 und 2012 eine Differenz von mindestens sechs Milliarden Euro bei Einnahmen und Ausgaben in Bayern schultern müssen. Georg Schmid hat uns als zweiter CSU-Politiker gestern wissen lassen, dass es ohne neue Schulden wohl nicht gehen werde, eisern gespart werden müsse und verschiedene Sparmaßnahmen denkbar seien. So seien Wiederbesetzungssper
ren im öffentlichen Dienst denkbar. Selbst pauschale Kürzungen nach der Rasenmähermethode seien nicht ausgeschlossen. Herr Minister Fahrenschon, hierzu hätten wir heute von Ihnen gerne eine klare Ansage gehört. Wohin geht denn die Reise?
In welche Richtung fahren Ihre Züge denn ab? Welche Bevölkerungsgruppen werden am Ende die Leittragenden sein? - Die Familien? Die Studierenden? Unsere Kinder und Jugendlichen? Die Polizisten und unsere Beamten? Wer zahlt die Zeche für Ihre Steuergeschenke? Wer muss den Kopf für das Versagen von CSU-Politikern bei der Aufsicht über die Bayerische Landesbank hinhalten? Dies hätten Sie uns heute verraten sollen. Gestern war zu lesen, in der Kabinettsitzung am 15. Juni sollten konkrete Sparvorschläge besprochen und beschlossen sowie über eine Neuverschuldung beraten werden.
- Vielleicht sollten Sie mehr Zeitung lesen. Ich habe dies in der Zeitung gelesen. Diese Information stammt nicht von mir. Beraten Sie am 15. Juni darüber oder nicht?
Herr Ministerpräsident, wie auch immer. Sie müssen zeitnah das nachholen, was Ihr Minister heute im Plenum versäumt hat. Das Parlament und die bayerische Öffentlichkeit haben einen Anspruch auf Klarheit und Wahrheit. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in unmittelbarer zeitlicher Folge eine Regierungserklärung hier im Hohen Hause zur Haushaltssituation im Freistaat Bayern abgeben.
Meine Damen und Herren, ich habe bereits gesagt, dass Georg Schmid gestern der zweite CSU-Politiker gewesen sei, der den Auftakt dazu gegeben habe, scheibchenweise mit der Wahrheit herauszurücken. Der Erste war am Montag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Kultusminister Spaenle. Seine Ankündigung, die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen 1.000 Lehrerplanstellen zur Verkleinerung der
Klassen doch nicht zu schaffen, trifft auf Entsetzen und Empörung in ganz Bayern. Ich sage: mit Recht.
Einen Tag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine solche Katastrophennachricht für Schüler, Eltern und Lehrer zu kommunizieren, ist wirklich dreist und schamlos, meine Damen und Herren.
Nun wird der bayerischen Bevölkerung bewusst, wer die Steuergeschenke zu bezahlen hat. Schwarz-Gelb hat zu Beginn des Jahres ein Steuergeschenk für die Hoteliers durchgesetzt. 50 Millionen Euro macht das Steuergeschenk in Bayern für die Hoteliers aus. Genau diese 50 Millionen Euro würden für die Stellen der Lehrer benötigt. Meine Damen und Herren, das Geschenk für die Hoteliers sollen nun unsere Kinder und Jugendlichen bezahlen. Mit diesem Bildungsräubertum der Staatsregierung soll die jüngere Generation um einen Teil ihrer Zukunftschancen gebracht werden. Das werden wir nicht zulassen.
Ich verstehe Ihre Proteste überhaupt nicht. Der Minister hat doch wörtlich - jeden Tag wird dies im Bayerischen Rundfunk rauf und runter gejubelt - gesagt, wir müssten im Moment davon ausgehen, dass es einen solchen Planstellenzuwachs nicht geben werde. Das Ziel von 1.000 Lehrerstellen werde nicht mehr anvisiert. Nun spricht Herr Minister Spaenle von einem Missverständnis.
- Das gehört zum Thema. Die Haushaltslage in Bayern ist heute unser Thema. Mittlerweile spricht er von einem Missverständnis. Das Dementi ist ebenso halbherzig wie die geleistete Hilfestellung seines Ministerkollegen Schneider. Dieser sprang ihm zur Seite und sagte, Entscheidungen und Vorfestlegungen über die Haushaltsgestaltung gebe es noch in keinem Politikbereich.
Meine Damen und Herren, Ihre Regierungspolitik in Bayern hat keinerlei Konsistenz und sie lässt unter der Regierung Seehofer jegliche Zuverlässigkeit und Kontinuität vermissen.
In der europäischen Frage ist dies heute wieder deutlich geworden. Im Beschluss der schwarz-gelben Koalition haben Sie sich nicht festgelegt - das wurde
heute wieder deutlich -, ob Sie eine Finanztransaktionssteuer oder eine Finanzaktivitätssteuer unterstützen wollen. Das ist ein erheblicher Unterschied. Die Finanzaktivitätssteuer versteht sich als eine Abgabe auf Boni und Bankengewinne. Dies haben wir aber gewissermaßen schon. Boni und Bankengewinne werden bereits versteuert. Uns geht es um eine gerechte Lastenverteilung. Deshalb benötigen wir die Steuer auf die Finanztransaktionen. Diese würde im Übrigen einen zweistelligen Milliardenbetrag einbringen.
Ihnen fehlt es an dem politischen Willen - das ist heute deutlich geworden -, umfassende Maßnahmen durchzusetzen.
Es fehlt Ihnen am politischen Willen, umfassende Maßnahmen durchzusetzen. Deshalb sind wir aufgefordert, der Bevölkerung zu ihrem Recht zu verhelfen. Gemeinsam mit anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa plant die SPD eine europäische Bürgerinitiative für die Besteuerung von Finanztransaktionen. Da die konservative Mehrheit der EU-Staats- und -Regierungschefs schärfere Regeln für die Finanzmärkte wohl verhindern wird, sagen wir, dass Ende des Jahres eine entsprechende Abstimmung eingeleitet werden soll. Deshalb sollen bis zum Herbst das Europäische Parlament und der Europäische Rat das Instrument umsetzen, damit 500 Millionen Europäerinnen und Europäer über die Besteuerung von Finanzmarktspekulationen entscheiden können. Wir werden das gemeinsam mit den europäischen Gewerkschaften und den Nichtregierungsorganisationen angehen. Sie können davon ausgehen, meine Damen und Herren: So wie wir bayerischen Sozialdemokraten in diesen Tagen auf bayerischen Plätzen und Straßen Unterschriften gegen die Kopfpauschale und gegen die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke sammeln, werden wir auch hier unsere Kräfte außerparlamentarisch für die europäische Bürgerinitiative bündeln.