Protokoll der Sitzung vom 14.07.2010

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das war damals aber auch schon nicht gut!)

Das ist nun schon eine ganze Weile her. Auch die letzte Volkszählung in Deutschland liegt, wie wir jetzt mehrfach gehört haben, schon eine ganze Zeit zurück. Nun ist es 2011 wieder so weit. Das Volk soll gezählt werden, und zwar sogar europaweit. Heute haben wir es leichter als damals Maria und Josef. Wir müssen nicht nach Bethlehem. Wir haben es auch leichter als im Jahr 1987; denn wir können für die meisten für staatliche Zwecke notwendigen Daten auf Verwaltungsregister zurückgreifen. Mit dem geplanten Ansatz des registergestützten Zensus können Daten, die für staatliches Handeln unerlässliche Grundlage sind, datenschutzfreundlicher ohne Beteiligung der Bürger erhoben werden, und - das ist der nächste Unterschied - wir haben hierfür eine gesetzliche Grundlage, die das ganz genau im Einzelnen regelt.

Ich mache noch einmal die Eckdaten klar. Die EU hat das Grundsätzliche vorgegeben. Der Bund hat das Zensus-Gesetz beschlossen. Alles, was uns zu tun bleibt, ist die Regelung des Verfahrens. Hier bedaure ich wie manche meiner Vorredner, dass wir in 16 deutschen Bundesländern kein einheitliches Verfahren haben. Das sind Versäumnisse aus einer früheren Bundesregierung, die wir jetzt nicht mehr ändern können. Ich bestreite aber mit großem Nachdruck, dass es Sinn macht, sich jetzt über die Detailfragen zu unterhalten, ob jetzt 8 % oder 10 % befragt werden, Frau Kollegin Kamm, ob wir jetzt die einzelne Frage etwas detaillierter oder weniger detailliert stellen. All das ist bereits entschieden, und bei all dem hat der Freistaat Bayern auch keine Handhabe. Deswegen sage ich: Grundsätzlich ist der Zensus nach 30 Jahren notwendig. Er ist notwendig für Planungsvorhaben, er ist notwendig hinsichtlich der Finanzierung der Länder, und er ist hinsichtlich der Förderung notwendig. Das Ob ist geregelt. Das Wie ist durch den Bund ebenfalls größtenteils geregelt. Alles, worum es jetzt geht, ist die Umsetzung. Uns in Bayern bleibt überhaupt keine andere Alternative als zuzustimmen.

Kollegin Kamm, Sie sprechen die Kosten an und nennen 115 Millionen Euro. Nach meinen Unterlagen sind es 53 Millionen Euro. Natürlich kann man sich überlegen, ob man mit dem Geld etwas anderes machen kann. Ich frage Sie aber: Was würden Sie dann als Alternative vorschlagen?

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Ich bin sowieso gleich am Ende; dann können Sie eine Zwischenbemerkung machen. Es geht um 53 Millionen Euro. Wir müssen das Geld in die Hand nehmen, weil wir keine Alternative haben. Deswegen bitte ich für die FDP-Fraktion um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz.

(Beifall bei der FDP)

Die angekündigte Zwischenbemerkung folgt jetzt. Frau Kollegin Kamm hat das Wort.

Herr Kollege, Bayern hat sich über den Bundesrat für eine Aufblähung des Zensus eingesetzt. Bayern könnte sich auch über den Bundesrat dafür einsetzen, dass der Zensus wieder gesenkt wird.

Bitte, Herr Kollege.

Frau Kollegin Kamm, stellen Sie einen entsprechenden Antrag, über den wir dann diskutieren können. Im Rahmen der Debatte über das Ausführungsgesetz ist diese Diskussion jedoch fehl am Platz.

(Beifall bei der FDP)

Ich gebe noch kurz das Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 16/4707, das ist der Tagesordnungspunkt 13, bekannt: Mit Ja haben 94 Abgeordnete, mit Nein haben 63 Abgeordnete gestimmt. Es gab keine Stimmenthaltungen. Das Gesetz ist damit so angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes und weiterer Vorschriften".

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Wir fahren in der Aussprache fort. Ich erteile Herrn Staatssekretär Eck das Schlusswort in dieser Debatte.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Ich möchte versuchen, es kurz zu machen. Liebe Frau Kollegin Kamm, Sie haben mich motiviert, einige Sätze zu diesem Thema zu sagen. Sie unterstützen das völlig überflüssige Informationsfreiheitsgesetz der Freien Wähler. Dann sagen Sie mehr oder weniger im gleichen Atemzug, dass wir keine Datenerfassung bräuchten. Das passt nicht zusammen. Liebe Frau Kollegin Kamm, man kann nicht mit dem Handy telefonieren und gegen Sendemasten sein. Man kann nicht mit dem Auto fahren und keine Straßen wollen. Sie fordern Daten und wollen sie nicht erheben. So kann man mit der Bevölkerung nicht umgehen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Eine moderne Gesellschaft braucht Datenmaterial. Sie fordern diese Daten immer und überall. Wir brauchen diese Daten, um vernünftige Entscheidungen zu treffen. Teilweise ist das Datenmaterial über 30 Jahre alt und damit total veraltet. Wir brauchen neue Daten, um uns den neuen Herausforderungen stellen zu können. Sie verweigern die Erhebung dieser Daten. Zäumen Sie das Pferd bitte einmal von der richtigen Seite auf. Sie sprechen immer davon, dass 10 % der Bürgerinnen und Bürger befragt würden. Sagen Sie einmal, dass bei der Haushaltsbefragung 90 % und beim Zensus insgesamt fast 70 % der Bürger nicht befragt werden. Damit würden Sie dieses Vorhaben in ein besseres Licht rücken.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, diese Debatte ist im Übrigen an dieser Stelle völlig überflüssig. Ich weiß nicht, ob es an Ihnen vorbeigezogen ist: Das Zensusgesetz wurde vom Bund bereits am 8. Juli 2009 beschlossen. Daran ist nicht mehr zu rütteln. Wir diskutieren heute über Ausführungsbestimmungen. Eines möchte ich noch feststellen: Hier handelt es sich nicht um eine "Volkszählung", sondern um eine Befragung, die notwendig und viel günstiger als eine klassische Volkszählung ist.

Last but not least: Ein Datenabgleich mit den Melderegistern wird nicht erfolgen. Die Daten werden rein als Grundlage für politische Entscheidungen verwendet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb darf ich Sie alle ganz herzlich bitten, diesem Gesetz zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatssekretär, Frau Kollegin Kamm hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, als Staatssekretär wissen Sie, dass Gesetze auch wieder geändert werden können. Sie könnten eine Novelle einbringen, was sicherlich sinnvoll wäre. Sie sollten das jetzt tun. Ab April wird die Debatte massiv aufflammen, sobald die Bürgerinnen und Bürger merken, was auf sie zukommt.

Die Daten sollten im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel erfasst werden. In dem Fragebogen, der mir vorliegt, kann ich dieses Ziel nicht erkennen.

Herr Staatssekretär, Sie haben eine Gemengelage dieser Diskussion mit der Diskussion über das Informationsfreiheitsgesetz konstruiert, mit dem die Bürger und Bürgerinnen die Möglichkeit erhalten sollen, bestimmte Daten zu erhalten, die die jeweilige Gemeinde für Planungsentscheidungen erhoben hat, um zum Beispiel festzustellen, ob eine bestimmte Straße wirklich benötigt wird. Dies zu vermischen, ist einfach unzulässig.

Diese Bemerkung nehme ich zur Kenntnis. Sie haben der Bevölkerung jedoch gesagt, dass es sich hier um eine umfangreiche Befragung handle. Sie haben außerdem einen umfangreichen Stoß Papier hochgehalten. Es kommt immer darauf an, wie viel auf jeder Seite steht. Wenn auf jeder Seite ein Wort steht, erhält man einen ganzen Katalog.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Für wie dumm halten Sie denn die Bürgerinnen und Bürger?)

Ein vernünftiger Fragebogen umfasst meines Wissens acht bis neun Seiten. Zu diesem Umfang kann man ohne Weiteres stehen.

(Beifall bei der CSU - Christine Kamm (GRÜNE): Das ist der Ausdruck des letzten Fragebogens!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/4810 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit auf Drucksache 16/5418 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt die Zustimmung mit der Maßgabe von Änderungen. Der Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz stimmt bei seiner Endberatung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu. Ergänzend schlägt er vor, in § 2 als Datum des Inkrafttretens den "01. August 2010" einzufügen. Im Einzelnen verweise ich auf Drucksache 16/5418.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der Freien Wähler und der SPD sowie Frau Kollegin Dr. Pauli. Gegenstimmen? - Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. Widerspruch erhebt sich nicht.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte ich, ebenso anzuzeigen. - Danke schön. Gibt es diesmal Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Mit dem gleichen Votum wie in der Zweiten Lesung wurde der Gesetzentwurf auch in der Dritten Lesung beschlossen.

Das Gesetz ist damit angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Statistikgesetzes".

Wie erwartet, treten wir jetzt in die Mittagspause ein. Es ist jetzt 12.45 Uhr. Ich unterbreche für eine halbe Stunde. Um 13.15 Uhr setzen wir die Beratungen fort. Die Minuten, die wir einsparen, können wir vielleicht heute Abend früher gehen. Guten Appetit.

(Unterbrechung von 12.47 bis 13.16 Uhr)

Ich eröffne die Sitzung wieder und rufe die Tagesordnungspunkte 15, 16, 17 und 28 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum (Flüchtlingsaufnahmegesetz - FlAufnG) (Drs. 16/1238) - Zweite Lesung

und

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FW) über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum und ihre Integration (Flüchtlingsaufnahme- und Integrationsgesetz - FlAufnIntG) (Drs. 16/1601)

- Zweite Lesung

und

Gesetzentwurf der Abgeordneten Franz Maget, Isabell Zacharias, Christa Steiger u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Aufnahmegesetzes (Drs. 16/2275) - Zweite Lesung

und

Antrag der Abgeordneten Georg Schmid, Barbara Stamm., Joachim Unterländer u. a. (CSU), Thomas Hacker, Brigitte Meyer, Dr. Otto Bertermann u. a. (FDP) Bayerische Asyl- und Asylsozialpolitik zukunftsorientiert und familiengerecht weiterentwickeln (Drs. 16/4774)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 15 Minuten pro Fraktion vereinbart. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Ackermann von den GRÜNEN. Ich darf Sie darum bitten, die Debatte zu eröffnen.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Absolute Stille!)

Das hat auch seinen Vorteil. - Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei den wenigen Abgeordneten, die jetzt da sind, werde ich nicht allzu viel Widerspruch ernten.

(Zwischenruf des Abgeordneten Bernhard Sei- denath (CSU))

- Ach ja, Sie sind da.