Protokoll der Sitzung vom 14.07.2010

werden. Das wird für diejenigen, die da etwas verbessern wollen, alles andere einfach.

Ich habe noch 18 Sekunden Zeit. Am Schluss möchte ich mich bei den Wohlfahrtsverbänden in unserem Land bedanken, weil die Menschen, die für die Wohlfahrtsverbände in den Einrichtungen arbeiten, mit dem Thema "Flucht und Asyl" täglich konfrontiert sind, eine unbeschreiblich schwierige, aufopferungsvolle und emotional belastende Arbeit leisten.

(Beifall bei der SPD, den Freien Wählern und der FDP)

Die Wohlfahrtsverbände sind immer mit Menschen konfrontiert. Aber in diesem speziellen Fall ist es wirklich ganz, ganz schwierig; denn sie müssen sich gegen Gesetze wehren, sie sehen die Menschen, die Augen der Kinder, die Familien und deren Verzweiflung. Hierfür wirklich noch einmal mein ganz herzlicher Dank, aber auch mein Appell - auch an das Sozialministerium -, die entsprechenden Haushaltspositionen für die Wohlfahrtsverbände aufzustocken; denn die brauchen sicher mehr Geld, um da ihre Arbeit sinnvoll ausführen können.

(Beifall bei der SPD)

Für die CSUFraktion darf ich nun Herrn Kollegen Bernhard Seidenath ans Rednerpult bitten. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist für die Flüchtlinge, die in unserem Land leben, ein besonderer Tag. Wir erleben heute den Abschluss, den Höhepunkt einer Diskussion, die wir in diesem Hohen Haus, im sozialpolitischen Ausschuss, aber auch hier im Plenum, nun mehrere Monate lang geführt haben. Wir haben das mit großem Ernst, mit hoher Sachlichkeit und sehr intensiv getan. Das ist gut so, denn die Unterbringung von Asylbewerbern ist ein sensibles Thema, das polarisieren kann. Es ist ein Thema, bei dem wir unter den Bürgerinnen und Bürgern einen Konsens brauchen; denn von einem Streit hierüber hätte niemand etwas - im Gegenteil. Dieser Streit würde zwangsläufig auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen, die in einer elementaren Notlage zu uns kommen und bei uns Schutz und Obdach suchen.

Der Wunsch, für die Flüchtlinge humanitäre Verbesserungen zu erreichen, war quer durch alle Fraktionen spürbar. Es hat angefangen bei dem Besuch der Erstaufnahmeeinrichtung in der Baierbrunner Straße am 21. April 2009. Dann kamen die Anhörung am 23. April 2009, die schon angesprochen worden ist, die Exkursion nach Leverkusen sowie die vielen Beratungen

hier im Plenum und im sozialpolitischen Ausschuss des Landtags. In diesem Geist gehen wir heute in die Beschlussfassung.

Wir gehen heute einen bedeutenden Schritt mit deutlichen humanitären Verbesserungen und einem ganzen Paket von Gesetzesvorschlägen zur Asylpolitik und Asylsozialpolitik, die heute vorliegen und mit denen wir uns heute befassen. Jede Fraktion hat Ihre Vorschläge vorgelegt, wir als Koalitionsfraktionen haben einen entsprechenden Antrag eingereicht.

Sie auf Seiten der Opposition müssen ehrlich sagen: Es hat sich in den letzten Monaten viel Positives getan. Wir haben bereits einige Änderungen vorliegen, über die wir heute abstimmen werden und die viel Positives bringen. Das eine, wo sich schon etwas getan hat, ist die Lockerung der Residenzpflicht. Das zweite ist die Ausstattung der Gemeinschaftsunterkünfte gemäß der neuen Leitlinie des Sozialministeriums zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften sowie vor allem - das haben wir heute in unserem Kompromisspapier stehen und das ist mein dritter Punkt - die Begrenzung der Aufenthaltsdauer in Gemeinschaftsunterkünften gerade für Familien. Wir werden erstmals - das ist ein epochaler Schritt - für die Aufenthaltsdauer in Gemeinschaftsunterkünften eine Obergrenze haben.

Schade ist nur - auch das möchte ich anmerken -: Je mehr Verbesserungen sich in den letzten Monaten abgezeichnet haben, desto schärfer wurde die Kritik von mancher Seite, zum Beispiel des Bayerischen Flüchtlingsrats, von dem ich bisher noch kein Wort der Anerkennung gehört habe. Das hat sogar in der Aussage einer Pressemitteilung vom 5. Mai gegipfelt. Darin hat es geheißen: "Flüchtlingslager-Kompromiss ist empörend." Hier wird also etwas als "empörend" bezeichnet, was humanitäre Verbesserungen bringt. Da kann man sich durchaus fragen, ob es einigen Personen mit den humanitären Verbesserungen wirklich ernst ist oder ob es nur um die Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen auf dem Rücken der Flüchtlinge geht, aber nicht um die Belange der Flüchtlinge. Das muss man hier nochmals feststellen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Goppel (CSU))

Im Einzelnen ist der Leitgedanke unseres Antrags, dass insbesondere Familien und Alleinerziehende mit Kindern aufgrund des besonderen Bedarfs von Kindern von den Verbesserungen profitieren sollen. Da möchte ich jetzt zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen kommen. Deshalb endet für diesen Personenkreis, für Familien, die Gemeinschaftsunterkunftspflichtigkeit bereits nach Abschluss des behördlichen

Erstaufnahmeverfahrens, sofern kein rechtliches oder tatsächliches Ausweisungs- oder Abschiebehindernis besteht. Wenn man weiß, dass die durchschnittliche Dauer des Erstaufnahmeverfahrens 7,1 Monate beträgt - sie kann bis zu zwei Jahre dauern, wenn Identitätspapiere verschleiert und nicht nachgereicht werden -, dann ist das ein guter Wert. Nach dieser Zeit kann eine Familie aus einer Gemeinschaftsunterkunft ausziehen.

Die Belange Schwangerer - das ist heute schon ein paar Mal angesprochen worden - werden in einer Einzelfallprüfung berücksichtigt. Es ist ein Unterschied, ob die Schwangerschaft am Anfang oder am Ende ist, kurz vor der Geburt. Jede Schwangerschaft verläuft anders. Außerdem gibt es hier durchaus eine Missbrauchsgefahr.

(Margarete Bause (GRÜNE): Schwangerschaftsmissbrauch? So was!)

Der zweite Punkt. Die Bundesregierung hat die ausländerrechtliche Vorbehaltserklärung gegen die UNKinderrechtskonvention zurückgenommen. Deshalb das steht auch in dem Antrag - müssen wir prüfen, welche Auswirkungen das auf die bisherige Rechtslage, auf unser bisheriges Vierstufenkonzept hat, das wir für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge anwenden.

Ein dritter Punkt ist - und das ist der Durchbruch, von dem ich vorhin gesprochen habe - eine Obergrenze für den Verbleib in Gemeinschaftsunterkünften: Längstens nach vier Jahren nach Abschluss des behördlichen Erstverfahrens ist künftig eine private Wohnsitznahme zu gestatten.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): So lange?)

Das ist ein Durchbruch, denn ich habe im Ausschuss und auch im Plenum immer wieder auf das Beispiel der Familie Erdogan aus Dachau, meiner Heimatgemeinde, hingewiesen, die inzwischen seit 19 Jahren in der Gemeinschaftsunterkunft in Dachau lebt. Das wird nach der neuen Regelung, die wir Ihnen heute vorschlagen, nicht mehr möglich sein. Das ist also ein Durchbruch.

Klar ist auch, dass die genannten Verbesserungen keine Anwendung auf Straftäter finden können oder auf Personen, die über ihre Identität getäuscht haben. Das ist schon deswegen wichtig, weil wir, wie ich vorhin gesagt habe, den Konsens mit der Bevölkerung brauchen, den wir nicht hätten, wenn wir in diesem Fall auch Straftäter entsprechend behandeln würden.

Das waren also die Neuerungen. Unabhängig davon bleibt es natürlich dabei, dass auch eine Ausnahme

von der Gemeinschaftsunterkunftspflichtigkeit bei den Gruppen gewährt wird, die schon bisher nicht in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen. Das sind beispielsweise Personen, die nach einer Einzelfallprüfung dringende humanitäre Gründe vorweisen können: schwere Erkrankungen, Altersgebrechlichkeit oder schwere Behinderungen; bei denen ein posttraumatisches Belastungssyndrom festgestellt wurde; die selber über so viel Vermögen verfügen, dass sie sich eine eigene Wohnung nehmen können, oder auch die Mischfälle, wo Ehepartner, Verwandte schon außerhalb Wohnsitz nehmen dürfen. Auch diese dürfen wie bisher aus einer Gemeinschaftsunterkunft ausziehen.

Wenn man das sieht - das ist fast die Hälfte aller Flüchtlinge, die zu uns kommen - und dazu noch die sogenannten Fehlbeleger nimmt, die also noch in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, obwohl sie ausziehen dürften, so können wir konstatieren, dass mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge, die zu uns kommen, schon jetzt berechtigt waren, aus einer Gemeinschaftsunterkunft auszuziehen. Dieser Prozentsatz wird sich durch die Neuregelung weiter erhöhen. Ich sage deswegen noch einmal: Es ist ein bedeutender Schritt für die Flüchtlinge in unserem Land. Das sind spürbare humanitäre Verbesserungen auch deswegen, weil die Leitlinien zu Art, Größe und Ausstattung der Gemeinschaftsunterkünfte seit 1. April 2010 in Kraft sind, über deren Umsetzung dem sozialpolitischen Ausschuss im ersten Quartal 2011 ein Bericht vorgelegt werden muss. Nicht zu vergessen ist die Lockerung der Residenzpflicht. Das war ja ein großes Petitum in der Anhörung, das war der große Wunsch, die Freiheit zu haben, sich nicht nur im eigenen Landkreis bewegen zu dürfen, sondern im gesamten Regierungsbezirk und im angrenzenden Landkreis eines Nachbarregierungsbezirks. Das ist jetzt der Fall, das alles ist in diesem Paket enthalten.

Damit, meine Damen und Herren, komme ich zur Einzelkritik der einzelnen Gesetzentwürfe der GRÜNEN, der Freien Wähler und der SPD. Ich möchte zuerst vier Punkte nennen, die für uns alle wesentlich sind, die für uns Grundsätze sind, auf denen wir die Eckpunkte unseres Antrags, die ich Ihnen gerade genannt habe, aufgebaut haben.

Das ist zum einen die Evaluierung des Sachleistungsprinzips. Aber solange es im Gesetz steht, § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes, ist es gültig und muss eingehalten werden.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Aber andere Bundesländer machen es nicht!)

- Herr Dr. Fahn weist wieder auf die anderen Bundesländer hin. Diese handeln rechtswidrig. Da müssen

Sie, Herr Dr. Fahn, bitte schön die anderen Bundesländer fragen, wie sie das machen. Es ist ein klarer Verstoß gegen § 3 Absatz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes und ist deswegen auch nicht in die Tat umzusetzen.

Ein zweiter Punkt, der uns wichtig ist: Wir werden weiterhin an Gemeinschaftsunterkünften festhalten müssen.

Drittens ist für uns die Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus wichtig. Denn anerkannte Asylberechtigte müssen anders behandelt werden als abgelehnte Asylbewerber, für die ein Abschiebehindernis besteht.

Viertens kann es Integrationsleistungen erst ab einem gesicherten Aufenthaltsstatus geben. Frau Weikert hat darauf hingewiesen, dass es diesen gesicherten Aufenthaltsstatus inzwischen für einen großen Teil der Flüchtlinge, die zu uns kommen, gibt. Aber auch das muss in einem rechtsstaatlichen Verfahren erst festgestellt werden.

Deswegen: Das Sachleistungsprinzip wird evaluiert. Wir haben in allen Gemeinschaftsunterkünften in Bayern inzwischen ein individuelles Bestellsystem eingeführt, wo Essenspakete nach ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten zusammengestellt werden. Das ist eine Errungenschaft, die wir in den letzten Jahren eingeführt haben, die auch entscheidend wichtig ist.

Sie haben auf die anderen Länder hingewiesen. Sie fordern bei der Ausgabe von Kindergeld oder Elterngeld, dass wir Gutscheine ausgeben.

(Margarete Bause (GRÜNE): Überhaupt nicht! Das fordern wir nicht! Wir wollen keine Gutscheine!)

Bei asylberechtigten Asylbewerbern wollen Sie auf einmal Geld zahlen. Das ist für mich ein Wertungswiderspruch, den ich nicht verstehen kann.

(Beifall bei der CSU)

Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist sehr wichtig. Da knüpfe ich an das an, was Frau Weikert gesagt hat. Die Zahl der Asylbewerber ist zwar zurückgegangen, aber richtig ist auch, dass sie seit zwei Jahren wieder ansteigt. Frau Weikert hat zu Recht die UNHCR zitiert, die sagt: 43 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Und wenn eine europäische Regelung kommt, die wir ablehnen werden, die aber möglicherweise wieder einen höheren Zuzug zur Folge haben wird, dann brauchen wir auch bei uns Gemeinschaftsunterkünfte, um diese Leute unterzubringen. Ich habe schon darauf hingewiesen: Wir

haben nun einmal 13 % Fehlbeleger, die vielleicht gerne ausziehen würden, die aber auf dem freien Wohnungsmarkt gerade in den urbanen Räumen in Bayern keine private Wohnung finden.

(Margarete Bause (GRÜNE): Das betrifft nur München!)

Das ist auch der Unterschied, meine Damen und Herren, zum Leverkusener Modell. In Nordrhein-Westfalen haben Sie die Probleme und die Wohnungsnot nicht, die wir in München haben. Deswegen können wir dieses Modell auch nicht 1 : 1 auf Bayern anwenden, schon deswegen nicht, weil in Bayern für die Unterbringung der Staat zuständig ist, und in NordrheinWestfalen sind es die Kommunen.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Aber einen Modellversuch können Sie machen!)

Deswegen auch hier: Wir werden künftig nicht auf Gemeinschaftsunterkünfte verzichten können, um allen Menschen, die zu uns kommen, in der Tat das, was wir wollen und was unsere humanitäre Verpflichtung ist, Schutz und Obdach gewähren zu können.

Die Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus und die Voraussetzung für Integrationsleistungen habe ich schon angesprochen. Man darf nicht alle in einen Topf werfen. Das tun Sie aber als Oppositionsfraktionen mit Ihren jeweiligen Gesetzentwürfen.

Deswegen im Einzelnen: Beim Gesetzentwurf der GRÜNEN ist die Abkehr vom Sachleistungsprinzip der entscheidende Punkt für uns, um es abzulehnen. Das widerspricht einfach dem Bundesrecht.

Die Freien Wähler sehen in ihrem Gesetzentwurf ein Gutscheinsystem vor. Das kommt aber im Ergebnis einer Geldleistung gleich. Das ist eine subsidiäre Leistung, die auch handelbar ist. Deswegen ist dieser von Ihnen vorgeschlagene Weg nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer Geldleistung. Da können wir nicht mitgehen. Desgleichen ist die generelle Aufhebung der Gemeinschaftsunterkunftspflicht für uns ein Weg, den wir nicht mittragen können.

Der dritte Punkt: Die SPD, die das Regel-AusnahmeVerhältnis umkehren möchte, widerspricht damit im Moment - ich muss es so sagen - dem Artikel 31 des Grundgesetzes, wo steht, dass Bundesrecht Landesrecht bricht. Wir können das halt einfach nicht machen.

Deswegen werden wir die drei Gesetzentwürfe ablehnen. Wir werden unserem Antrag, den ich vorhin geschildert habe, selbstredend zustimmen. Ich werbe aber auch um Ihre Zustimmung und betone noch ein

mal das, was ich am Anfang schon gesagt habe: Wir gehen heute einen bedeutenden Schritt für die Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, mit deutlichen humanitären Verbesserungen. Es ist nun an der Staatsregierung, meine Damen und Herren, diese Neuerungen auch rasch in die Tat umzusetzen.

(Beifall bei der CSU)