Protokoll der Sitzung vom 14.10.2010

nisteriums gerückt werde: Ich wünsche dem Nachfolger des zuständigen Sachbearbeiters bei diesem Aufgabengebiet wirklich von Herzen alles Gute für die neue Aufgabe. Es ist nicht einfach und es wird viel Koordinations- und Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Notwendig ist auch eine Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden. Es wird nicht einfach und ich wünsche dem Nachfolger für diese Aufgabe eine glückliche Hand. Ich hoffe für uns und die Flüchtlinge in Bayern, dass sich die Situation durch die personelle Umbesetzung dauerhaft verbessert.

(Beifall bei der SPD)

Frau Staatsministerin Haderthauer, wenn wir von einem Konzept für die zukünftige Flüchtlingsarbeit in Bayern reden, dann müssen Sie noch einige Dinge in Ihr Konzept einbeziehen. Das Eine ist: Sie haben heute in Ihrem Bericht von den erhöhten Zugangszahlen gesprochen. Das ist ein Trend, der sich seit 2008 ablesen lässt. Wenn wir das Ganze ein bisschen zurückverfolgen, dann erinnern wir uns an Kapazitäten, die in Bayern schon einmal vorhanden waren. Ich denke an die Zugangszahlen von Anfang der Neunzigerjahre. In der Folge hat sich der Zugang von Flüchtlingen auf 20 bis 25 % reduziert. Sie haben von den bayerischen Zahlen gesprochen. Es sind ungefähr 5.000 Zugänge für Bayern bei rund 35.000 in ganz Deutschland. Anfang der Neunzigerjahre waren es fast 200.000.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kamm?

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Ja, selbstverständlich.

Frau Kollegin Weikert, Sie haben die Hoffnung geäußert, dass sich die Situation durch die personelle Neubesetzung verbessert. Glauben Sie wirklich, dass sich die Situation verbessern kann, wenn nach wie vor an verschiedenen Rahmenbedingungen der Staatsregierung festgehalten wird wie beispielsweise daran, dass Flüchtlinge jahrelang in diesen Unterkünften leben müssen und nicht in Wohnungen umziehen können, selbst wenn sie vier oder fünf Jahre hier gewesen sind, und auch als Familien jahrelang gezwungen sind, sich mit Essenspaketen versorgen zu lassen, und auch am Prinzip der Massenunterkünfte festgehalten wird?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kamm, ich war gerade dabei, einige Punkte aufzuzeigen, wie ein Konzept aussehen könnte. Ich habe eingangs lediglich auf diese personelle Veränderung hingewiesen und den mit diesen Aufgaben Betrauten eine glückliche Hand

gewünscht. Mehr war das nicht. Vielleicht können Sie mir weiter zuhören; ich möchte nämlich die Bedingungen für ein Konzept der zukünftigen Flüchtlingsarbeit kurz darlegen.

Ich habe gerade die erhöhten Zugangszahlen angesprochen. Frau Staatsministerin, durch die Verminderung Ihrer Kapazitäten haben Sie natürlich Kosten eingespart. Sie haben in den letzten drei Jahren diesen kontinuierlichen Zugang, den es auch nach Bayern gibt, im Grund nicht dadurch aufgefangen, dass Sie die Bezirksregierungen, wie Sie es vorhin in dem Bericht gesagt haben, angewiesen hätten, die Kapazitäten sukzessive zu erhöhen. Sie haben sich vielmehr zunächst einmal auf die sogenannten freien Kapazitäten berufen, wie auch immer diese ausgesehen haben. Ich denke, das müssen Sie zugeben, wenn Sie ehrlich sind. Über die Zustände in den Flüchtlingsunterkünften wurde im Hearing sehr viel gesagt. Aber Sie haben zunächst einmal versucht, diese sogenannten freien Kapazitäten, die für mich keine sind, aufzufüllen und dadurch zunächst keinen größeren Handlungsbedarf gesehen.

Sie haben, wenn Sie über die Kapazitäten in Bayern reden, noch andere Baustellen. Mein Vorredner Dr. Fahn hat darauf hingewiesen. Sie, Frau Ministerin, haben am 1. April 2010 neue Leitlinien erlassen, in denen von sieben Quadratmetern pro Person die Rede ist. Ich habe dazu eine kleine Abfrage bei den Bezirksregierungen gestartet, welche Konsequenzen das für die Situation in den Gemeinschaftsunterkünften hätte. Leider haben mir nicht alle Regierungen so geantwortet, wie man es als Abgeordnete erwartet. Das haben wir allerdings des Öfteren erlebt. Eine Bezirksregierung hat mir jedoch konkret geantwortet. Von ihr wurde gesagt, dass sie die Kapazitäten in den jetzt vorhandenen Gemeinschaftsunterkünften von 100 % auf 58 % reduzieren müsse, wenn sie die Leitlinien anwendet. Das heißt, es fehlen allein durch die Anwendung dieser neuen Leitlinien in einem Regierungsbezirk fast 50 % der bisherigen Kapazität, unabhängig von den erhöhten Zugangszahlen, die Sie genannt haben, Frau Staatsministerin.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Das ist der Kernpunkt!)

Es geht natürlich nicht nur um diese sieben Quadratmeter; auch die Sanitärräume sind ein Problem. Sie werden eine ganze Menge zu tun haben, um den Finanzbedarf der Bezirksregierungen zu decken, damit in den vorhandenen Unterkünften der Standard hergestellt werden kann, dass man von Sanitäreinrichtungen reden kann. - Das zur reinen Kapazitätsfrage!

Des Weiteren hat der Bayerische Landtag einen gemeinsamen Antrag von CSU und FDP zum Beschluss erhoben, in dem auch inhaltliche Ansprüche an die neue Flüchtlingsarbeit gestellt wurden. Es ging nicht um unsere Forderungen, also nicht um die der SPD und auch nicht der anderen Oppositionsparteien, aber es sind Dinge festgehalten worden, die Sie in nächster Zeit tatsächlich umsetzen müssen. Und dazu kündige ich Ihnen schon heute einen Antrag an. Wir möchten in nächster Zeit von Ihnen, Frau Staatsministerin, einen umfangreichen Bericht dazu hören, wie Sie die Vorgaben umsetzen wollen. Haben Sie sich bereits entschieden, die bisher ungeklärten Fragen nach dem Beschluss inhaltlich auszufüllen?

Wie schaffen Sie es, Frau Haderthauer, die sogenannten Fehlbeleger, wie Sie sie nennen, aus den Gemeinschaftsunterkünften herauszubekommen? Das würde immerhin zunächst zu einer größeren Entspannung in den Gemeinschaftsunterkünften führen. Sie selbst reden immer von einer relativ hohen Zahl von Fehlbelegern. Wenn man sich mit den Wohlfahrtsverbänden und auch den betreuenden Organisationen in den Gemeinschaftsunterkünften unterhält, bekommt man sehr schnell zu hören, dass sich eine Lösung der Problematik nicht von selbst ergeben wird. Wir brauchen hier zusätzliche Personalkapazitäten bei den Wohlfahrtsverbänden bzw. koordinierende Gespräche mit den aufnehmenden Gemeinden, damit diese sogenannten Fehlbeleger - ich finde diesen Ausdruck nicht besonders schön; ich rede also von den Flüchtlingen, die die Gemeinschaftsunterkünfte verlassen können - diesen Umzug möglichst schnell ermöglicht bekommen.

Dazu brauchen Sie die Absprache sowohl mit den Bezirksregierungen als auch mit den aufnehmenden Gemeinden als auch mit den vor Ort befindlichen Wohlfahrtsverbänden, die Ihnen möglicherweise eine direkte Hilfestellung leisten könnten.

Ich will nun noch ein paar Sätze zum Thema Baierbrunner Straße sagen. Bei diesem Stichwort kann man schon beinahe sagen: zum Siebten, zum Achten, zum Neunten! Wir hatten das Thema im Petitionsausschuss und wir haben auch im sozialpolitischen Ausschuss mehrmals darüber geredet.

(Unruhe)

- Ich weiß nicht, es ist hier eine fürchterliche Unruhe im Saal, wenn ich das einfach einmal von hier vorne aus feststellen darf.

(Beifall der Abgeordneten Brigitte Meyer (FDP))

Danke, Frau Kollegin Meyer. Vielleicht wird es jetzt tatsächlich ein klein bisschen ruhiger.

Ich komme zum Thema Baierbrunner Straße zurück. Es ist festgestellt und durch Berichte belegt worden, dass die Unterkunft in der Baierbrunner Straße - ich beobachte das schon seit zwei Jahren oder vielleicht auch schon etwas länger - dauerhaft überbelegt ist. Das ist ein Faktum.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- Danke, Frau Präsidentin.

(Zurufe und Heiterkeit)

Oh, Herr Präsident! Das habe ich jetzt nicht gesehen. Ich habe hinten keine Augen. Ich dachte immer noch, Frau Stamm hätte den Vorsitz inne. Herr Rohde, Herr Präsident, vielen Dank!

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Es bleibt in Franken! - Heiterkeit)

Fakt ist, dass die Unterkunft in der Baierbrunner Straße seit ganz, ganz langer Zeit permanent überbelegt ist. Fakt ist auch - das ist nicht erst durch das Verwaltungsgerichtsurteil vor wenigen Wochen bekannt geworden -, dass sich der Standort, an dem diese Erstaufnahmeeinrichtung steht, schwer mit der Nachbarschaft verträgt. Das ist jetzt durch das Gericht festgestellt worden. Die Regierung von Oberbayern, das Ministerium, wir alle haben praktisch täglich Mails von den Anwohnern bekommen, die sich zu Recht über die Situation vor Ort und den Zustand im Inneren beklagten. Dazu, was die Flüchtlinge dort aushalten mussten, ist schon viel gesagt worden. Ich will das jetzt nicht wiederholen. Im Übrigen sammle ich inzwischen alle Berichte über die Baierbrunner Straße; sie stapeln sich bereits bei mir. Ein ganzer Aktenordner ist schon gefüllt. Sie haben in einem Bericht mit Datum vom 16.09. darauf verwiesen, dass Ihr Ministerium bereits am 30. Juni 2010 mit der Immobilien Freistaat Bayern IMBY einen vierstufigen Ablaufplan besprochen habe, wie Sie zu einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung kommen können.

In dem Bericht steht, dass Sie in Stufe eins klären wollen, ob Sie die neue Standortsuche durch eine erneute Anmietung oder durch den Ankauf einer Immobilie in Angriff nehmen wollen. Damit endet der Bericht auch schon.

Was ich damit ausdrücken will, ist Folgendes. Es gibt die permanente Zusage durch Ihr Ministerium für die Baierbrunner Straße, dass Sie spätestens nach dem Jahre 2014 einen alternativen Standort in Betrieb gehen lassen wollen. Es kann also nicht darum gehen, ihn erst nach dem Jahre 2014 zu suchen, sondern das muss Ende 2013, Anfang 2014 tatsächlich passieren.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

- Frau Ackermann, melden Sie sich halt zu Wort! Dazu müssen im Vorfeld einige Dinge geklärt werden. Das Ministerium muss in Gang kommen. Dann müssen die zuständigen Ministerien auch die entsprechenden Beschlüsse fassen und die entsprechenden Anweisungen geben.

Frau Haderthauer und die zuständigen Mitarbeiter im Ministerium haben viel zu tun. Sie müssen sich auf die neuen Bedingungen, die der Landtag beschlossen hat, einstellen. Wir hätten sie gerne noch verbessert. Sie müssen sich auf eine Zunahme der Flüchtlinge einstellen. Sie müssen davon ausgehen, dass 40 % der Flüchtlinge, die nach Deutschland und nach Bayern kommen, einen Anspruch auf einen längeren Aufenthalt in Deutschland haben. Der Herr Innenminister hat dies immer noch nicht zur Kenntnis genommen. Heute bei der Integrationsdebatte hat er es wieder falsch gesagt: Es handelt sich nicht um Asyl, sondern um einen Flüchtlingsstatus. Es gibt Abschiebungshindernisse und subsidiären Schutz. Neben der Flüchtlingspolitik, den Erstaufnahmeeinrichtungen, den Gemeinschaftsunterkünften und den dezentralen Unterbringungen spielt das Thema Integration auf diesem Gebiet eine große Rolle. Ich bitte Sie als Sozialministerin, die eine oder andere Diskussion mit dem Innenminister zu suchen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zunächst versuchen, ein wenig Ruhe in den Saal zu bringen, weil wir im Präsidium festgestellt haben, dass verschiedentlich Gespräche geführt werden. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie bereits den ganzen Tag für Gespräche nutzen konnten und Gelegenheit hatten, sich über die letzte Woche auszutauschen. Weitere Gespräche dürfen Sie gerne draußen führen. Dasselbe gilt auch für Telefonate. Diese sollten besser draußen geführt werden, um den Rednern die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.

Geschäftsleitend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie die Redezeit ausschöpfen können, aber nicht müssen. Das hat die Präsidentin bereits gesagt. Wir werden schon mit dem letzten Tagesordnungspunkt ein Problem haben. Ich bitte die Geschäftsführung darum, mir ein Signal zu geben, ob wir ihn aufrufen sollen. Ich bin gerne bereit, die Sitzung bis 20.00 Uhr zu leiten. Sie wissen, dass wir am Ende nicht abstimmen können. Wir können den Tagesordnungspunkt aber auch verschieben.

Als nächsten Redner darf ich nun für die CSU-Fraktion Kollegen Seidenath zur Fortsetzung der Debatte bitten.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht nur ein sensibles Thema, sondern auch ein Thema, das uns hier in diesem Hohen Hause fast dauernd beschäftigt. Es vergeht kaum eine Plenarsitzung, in der dieses Thema nicht aufgerufen wird.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Warum wohl?)

Es vergeht keine Sitzung im Sozialausschuss, in der dieses Thema nicht aufgegriffen wird. Es ist ja nicht so, dass nichts passieren würde.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Zu wenig! - Renate Ackermann (GRÜNE): Das war nur Ihre subjektive Empfindung!)

- Frau Ackermann, Sie haben gerade eine halbe Stunde lang Ihre Argumente vorgebracht. Nun möchte ich meine Sicht der Dinge ungestört am Stück darstellen. Hören Sie mir bitte zu.

Es hat sich viel getan. So ist in Bezug auf den Rechtsrahmen in den letzten Wochen und Monaten viel passiert. Ich möchte Sie an den Antrag auf Drucksache 16/4774 erinnern, mit dem wir erstmals eine zeitliche Obergrenze für den Aufenthalt von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften festgelegt haben. Ich möchte Sie ferner an die Leitlinien des Sozialministeriums zur Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften erinnern. Ein weiteres Beispiel ist die Lockerung der Residenzpflicht.

Herr Kollege, Frau Kollegin Kamm möchte eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie dies zulassen.

Ich würde meine Ausführungen gerne am Stück darstellen und danach die Frage beantworten, wenn Sie erlauben. Sie konnten Ihre Sicht bereits darlegen. Nun stelle ich die Sicht der CSU-Fraktion dar.

Meine Damen und Herren, in Bezug auf den Rechtsrahmen hat sich also einiges getan. Frau Ackermann, wenn Sie sagen, das Vorgehen der Staatsregierung sei konzeptionslos, haben Sie wahrscheinlich nicht richtig zugehört oder wollen es nicht wahrhaben. Sehr viele Einzelbestimmungen sind geändert worden.

De facto hat sich ebenfalls eine neue Entwicklung ergeben. Heute ist bereits dargestellt worden, dass wir eine deutlich höhere Zahl an Flüchtlingen haben, die

Schutz und Obdach suchen. Das ist eine neue Situation, mit der wir zurechtkommen wollen und müssen.

Die Frau Ministerin hat einen Bericht über ihr Konzept zur Erstaufnahme von Flüchtlingen und zur Erstaufnahme der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gegeben. Sie hat angedeutet, dass sie dies regelmäßig machen werde. Im Ausschuss werden weitere Berichte folgen. Sie haben außerdem gehört, dass es einen runden Tisch zu diesem Thema geben soll und geben wird. Das Ziel - da sind wir uns doch alle einig ist die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen, die zu uns kommen.

(Christine Kamm (GRÜNE): Was tun Sie dafür?)

Das Konzept ist die menschenwürdige Unterbringung. Die Frage ist: Wie kommen wir diesem Konzept nach? Wie können wir dieses Ziel erreichen? Welche Schritte können wir einleiten, um eine menschenwürdige Erstaufnahme sicherzustellen? Frau Ministerin Haderthauer hat ihre aktuellen Schritte genannt. Über diese werden wir uns weiter austauschen müssen. Die weiteren Maßnahmen sind beispielsweise abhängig von der Größe des Flüchtlingszuganges. Das ist eine Gleichung mit Unbekannten. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben einen Jugendhilfebedarf? Vieles ist nicht in Stein gemeißelt und bedarf einer ständigen Nachjustierung.