Protokoll der Sitzung vom 19.10.2010

Deswegen fragen wir Sie: Warum verstecken Sie sich hinter dem, was die Regierung 2001 verhandelt hat? Ist das ein bisschen die Bundessolidarität mit den Genossen, die Empfängerländer sind? Wollen Sie da Stress mit den Kollegen in anderen Ländern bekommen?

(Zuruf von der SPD: Wir wollen doch nur konkre- te Vorschläge hören! - Weiterer Zuruf von der SPD: Schleswig-Holstein!)

- Also, Sie wollen jetzt dem Wowereit nicht noch vor der Wahl auf die Füße treten. Das ist nachvollziehbar, und das kann man auch verstehen.

Aber jetzt zum Ausgangspunkt zurück: Die Verhandlungen von 2001 haben zunächst einmal dazu geführt, dass wir in der Tat die Situation beim Länderfinanzausgleich in der Größenordnung von 200 bis 300 Millionen Euro zugunsten Bayerns pro Jahr verbessern konnten. Insofern ist es gut, wenn Sie sagen, Stoiber habe verhandelt, er habe etwas erreicht, und Sie stehen zu ihm. Das war ein Urteil, ein schmaler Spielraum, denn Urteile grenzen die Dinge ein, wie wir alle wissen. Mit Urteilen kann man selten Großes bewegen. Gott sei Dank sind immer noch die Verhandlung, die Einigung, das politische Geschäft das Maßgeblichere.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))

Wir sagen, die Welt hat sich weiterentwickelt, wie wir sehen. Wir müssen sie uns nur anschauen. Und jetzt kommen wir zu einem ganz sachlichen Punkt, wobei ich der FDP danke. Herr Prof. Dr. Kube sagt in seinem Gutachten zu Recht,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

es sei das Zusammentreffen mehrerer Säulen, es seien mehrere Auswirkungen, die zu dieser Kumulation führen, dass es einseitig und ungerecht wird, sodass eine Veränderung notwendig ist. Es stehen drei Säulen nebeneinander, wobei sich jede für sich entwickelt: Einerseits hat der Bund schon aufgrund der Verhandlungen im Jahr 2005 seine Bundesergänzungszuweisung auf 13,5 Milliarden Euro erhöht. Andererseits haben wir den Umsatzsteuerausgleich. Das heißt, je höher die Steuern werden, desto größer ist der Abzug. Der dritte Aspekt bezieht sich auf die Veränderungen Bayerns. Wir sind ein starkes Land. Wir sind im Vergleich zu den anderen immer noch stärker geworden, die anderen schwächer. Das steht aber auch ein bisschen im Gegensatz zu dem, was Sie hier im Plenum sehr häufig erzählen, wenn wir über Bayern reden.

Diese drei Säulen zusammen haben sich so verändert, dass das heraus kommt, was Herr Kollege Schmid heute vorgetragen hat, nämlich aktiv 3,4 Milliarden Euro einbezahlt plus aber 1,6 Milliarden Euro nicht bekommen, weil der Bund sie vorab bei der Verteilung der Umsatzsteuer abzieht. Das sind die 5 Milliarden Euro, die uns jährlich fehlen. Da sind noch Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 13,5 Milliarden Euro. Gemessen an den Einwohnerzahlen müssten wir hier 2 Milliarden Euro bekommen. Zusammen sind das die 7 Milliarden Euro. Da sagen

wir, das ist einseitig. Das ist nicht mehr in Ordnung. Das muss verändert werden. Der erste Weg ist, dass man das durch die Gutachten, wenn sie eine ausreichende Begründung liefern, mittels Klage zu erreichen versucht. Das ist sicherlich sehr schwierig, weil wir alle wissen, wenn es Verträge gibt, kann man die nur dann kündigen, wenn wirklich wesentliche Veränderungen vorliegen. Da müssen wir jetzt warten, was das Gutachten der drei Länder Hessen, Baden-Württemberg und Bayern - neben dem Gutachten, das die FDP hat - ergeben wird, nämlich ob damit soviel Grundlage gegeben ist, dass man mittels Klage schon vor 2019 Veränderungen erreichen kann. Das ist das Eine. Aber das ist, wie gesagt, ein ganz schwieriger Weg.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

- Wenn ich heute die SPD höre, dann muss ich sagen: Es war notwendig und sinnvoll, jetzt schon über dieses Thema zu reden, zu diskutieren und zu verhandeln. Ich hätte es mir einfacher vorgestellt.

(Zurufe von der SPD)

Das ist ja das Schöne: Die Opposition in Bayern besteht doch noch aus drei Meinungen, zumindest beim Thema Länderfinanzausgleich. Kollege Pointner hat gesagt, ja wenn’s die Gutachten hergeben, dann sind wir mit dabei, dann muss man klagen. Es geht um bayerische Interessen.

Herr Kollege, auch Ihre Redezeit ist überschritten.

Und Herr Kollege Mütze hat zu Recht aus dem gelernt, was wir in Kanada gehört und gesehen haben. Kanada hat nämlich ausschließlich den vertikalen Finanzausgleich wie die Bundesergänzungszuweisung, womit der Bund die Schwachen stützt und es keinen Ausgleichsmechanismus zwischen den Ländern gibt.

Herr Kollege, sorry, Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.

Herr Präsident, danke schön, ich habe sie schon gelegentlich unterschritten.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich kann nur sagen: Den Hinweis der GRÜNEN greifen wir gerne auf, nämlich auf den Ausgleich innerhalb der Länder zu verzichten, wie Kollege Mütze angedeutet hat.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Kollegin Görlitz, Sie können das jetzt wieder hereinholen, bitte sehr.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Sehr gerne ergreife ich jetzt die Gelegenheit, das, was Herr Winter aufgrund der mangelnden Zeit nimmer sagen konnte, zu ergänzen.

Ja, wenn Sie das wissen, was er sagen wollte, ist das wunderbar.

(Georg Schmid (CSU): Ja, genau!)

Wir sind uns soweit einig, dass ich mir das durchaus vorstellen kann.

Bitte schön, Frau Kollegin.

Heute ist durchaus eine gute Zeit, um das zu diskutieren. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass gerade die Belastungen, die Bayern durch den Finanzausgleich und aber auch durch den Umsatzsteuerausgleich erlebt, sehr wohl ein Thema sind, das die Bürgerinnen und Bürger interessiert. Bedenken Sie nur, dass wir je Bürger 403 Euro in 2009 bezahlt haben - jeder Einzelne hier muss das aufbringen - und dass ungefähr die Hälfte davon Berlin bekommen hat. Das ist sehr wohl das ein Thema, das die Bürger interessiert und das auch wir hier diskutieren müssen. Wir müssen es deshalb diskutieren, weil diese Schieflage, die hier entstanden ist, nicht tragbar ist. Es kann nicht sein, dass sich andere Länder für ihre Bürgerinnen und Bürger Dinge genehmigen, die wir unseren Leuten nicht genehmigen können. Das ist nicht in Ordnung. Deshalb muss man es immer wieder ansprechen. Deswegen muss man alles versuchen, es zu ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Heute wurden drei Vorschläge gemacht; es wurde gesagt, wo es hakt. Zum einen muss es sich für die Länder lohnen zu schauen, dass sie sich von diesem Geschäftsgebaren erholen und mehr Einnahmen generieren. Es muss ein Anreizsystem sein, das die Anstrengungen der Bürger belohnt. Es muss aber auch möglich sein zu sagen, für welche Leistungen das Geld nicht verwendet werden kann. Wir wollen nicht sagen, was damit im Einzelnen gemacht werden darf. Aber eines muss klar sein: Mittel, die unsere Bürgerinnen und Bürger aufbringen müssen, dürfen in anderen Ländern nicht als Geschenke verteilt werden.

Neu überlegt werden muss auch der Grundsatz, ob der Großstadtfaktor von 1,35 noch zeitgemäß ist. Wenn ich in unsere ländlichen Gebiete schaue, stelle

ich fest, wie schwierig es ist, im ländlichen Bereich ordentliche und gleiche Lebensbedingungen zu schaffen. Auch das muss man einmal ansprechen.

Ich würde mich freuen, wenn wir die Gelegenheit nutzen würden; denn es ist noch etwas Zeit. 2012/2013 wird neu verhandelt. Es gilt, wenigstens hier eine einheitliche Meinung zu bekommen, um für Bayern das Beste herauszuholen. Dazu rufe ich Sie hier heute schon auf.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Mütze (GRÜ- NE))

Danke schön, Frau Kollegin. Jetzt hat Minister Fahrenschon ums Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 10. Juni hat der Bayerische Landtag in einem Beschluss unter der Überschrift "Anreizgerechte Gestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs auf den Weg bringen" die Staatsregierung aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass diesbezüglich möglichst rasch Gespräche unter den Ländern und zwischen Bund und Ländern aufgenommen werden. Ich glaube deshalb, dass es sachgerecht ist, die Gelegenheit dieser Aktuellen Stunde zu nutzen, um auch seitens der Staatsregierung noch einmal zu diesem Thema Position zu beziehen.

Ich habe damals im Juni in der Diskussion unseren zentralen Kritikpunkt am Länderfinanzausgleich ausgeführt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich glaube, es ist richtig, dass sich der Freistaat Bayern nicht von einer einmal gefundenen Lösung quasi die Debatte aus der Hand nehmen lässt, sondern dass der Freistaat Bayern zum Wohle seiner Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sagt: So, wie der Länderfinanzausgleich jetzt gestrickt ist, ist er nicht richtig; denn er gibt keine Hilfe zur Selbsthilfe. Wenn nur der Freistaat Bayern in 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland von einem Nehmerland zu einem Geberland geworden ist, dann stimmt in diesem System etwas nicht, und das wollen wir ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich habe versucht, die Debatte auf zwei Stellen zu lenken, weil ich glaube, dass wir den Länderfinanzausgleich an zwei Stellen nachhaltig neu ausrichten müssen.

Erstens: Wir brauchen mehr Leistungsanreize, und zwar unabhängig davon, ob man Nehmer- oder Geberland ist. Wir brauchen ein System, das dafür Sorge trägt, dass einem Land von den eigenen Steuerein

nahmen, von den Zuwächsen, ein angemessener Eigenanteil verbleibt. Wenn man den Ländern von den Steuern erst viel wegnimmt, um das über bestimmte Mechanismen wieder zu verteilen, dann haben wir zu wenige Anreize. Wir wollen hier eine Änderung. Wir wollen vom bayerischen Steueraufkommen, vom Bremer, vom Berliner, vom nordrhein-westfälischen Steueraufkommen mehr in den Ländern behalten. Es ist eine Grundstruktur unserer Gesellschaft, dass sich alle mehr anstrengen, wenn sie die Gewissheit haben, dass von ihren Anstrengungen mehr in ihrem eigenen Haushalt verbleibt. Das gilt für die Menschen genauso wie für die Länder.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP - Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))

Zweitens. Wir brauchen mehr Effizienz im System. Es müssen Überlegungen angestellt werden, wie mit den Finanzausgleichsmitteln des Bundes, die darüber hinaus ins System geleitet werden, bei den zahlungspflichtigen Ländern genauso wie bei den finanzschwachen Ländern strukturelle Verbesserungen erreicht werden können. Ich kann nur noch einmal unterstreichen: Man kann doch einem bayerischen Steuerzahler, einer bayerischen Steuerzahlerin schlicht und einfach nicht vermitteln, dass sie mit ihrer Hände Arbeit, mit ihrer Leistung, mit ihrer Steuer am Ende ein beitragsfreies drittes Kindergartenjahr im Norden Deutschlands finanzieren, während wir im Süden uns das nicht leisten können.

(Christa Naaß (SPD): Wir könnten es schon, aber Sie wollen es nicht!)

Das können Sie den Menschen nicht begreiflich machen, und deshalb muss man festhalten: Sowohl das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr wie auch der Verzicht auf Studiengebühren, das sind feine Sachen. Die hätten wir in Bayern auch gerne, aber wir können es uns nicht leisten, weil wir das Geld in den Länderfinanzausgleich abgeben müssen. Das müssen wir anbringen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Christa Naaß (SPD): Das stimmt doch gar nicht! Sie wollen es halt nicht!)

Die Opposition hat kein Verständnis dafür, dass wir die Debatte heute beginnen. Dazu muss man ganz klar sagen: Die Debatte, die zu den letzten Änderungen geführt hat, hat 1996 begonnen. 1996 ist die Debatte gestartet, 1999 hat es ein Urteil gegeben, 2000/2001 hat es Verhandlungen gegeben, 2005 ist das System geändert worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir Änderungen wollen, dann brauchen wir diese zehn Jahre, dann müssen wir die Debatte jetzt beginnen. Wenn wir sie heute

nicht starten, werden wir bis 2019 nicht die entsprechenden Erfolge erarbeitet haben.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das ist auch der Grund, weshalb die Staatsregierung nicht untätig war. Um unserer Position Nachdruck zu verleihen, haben die FDP-Fraktionen in den Landtagen von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sowie die Regierungen dieser drei Länder jeweils Gutachter damit beauftragt, die derzeitige Ausgestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfen. Der von der FDP beauftragte Prof. Dr. Hanno Kube kommt zu dem Ergebnis, dass der derzeit geltende Länderfinanzausgleich zum Teil verfassungswidrig ist. Das ist ein Ergebnis, das Sie akzeptieren müssen. Deshalb bedanke ich mich bei der FDP-Landtagsfraktion dafür, dass sie dieses Gutachten angestoßen und das Ergebnis des Gutachtens in den Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde gestellt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)