Protokoll der Sitzung vom 19.10.2010

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Herr Halbleib hat sich entschuldigt, weil er dem Präsidenten der Bundesbank zuhören will. Das ist nachvollziehbar, das ist auch immer gut. Aber an der Stelle muss man Herrn Halbleib schon einmal sagen: "Hallo wach", Herr Kollege! Der Prozess läuft, und wenn die FDP ein Ergebnis präsentiert, dann ist eine Aktuelle Stunde sachgerechter, weil wir an dieser Stelle den politischen Prozess aufsetzen müssen, um diese Debatte weiter zu begleiten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Es wäre doch derselbe haushalts- und finanzpolitische Sprecher der SPD, der sagen würde: Jetzt habt ihr einen Prozess gestartet und habt uns seit drei, seit sechs, seit neun Monaten keinen Bericht darüber vorgelegt. Nein, meine Damen und Herren. Die FDP hat die Initiative mit ihrer Landtagsfraktion übernommen, sie hat ein Ergebnis erarbeitet, und ich glaube, es ist richtig, dass der Bayerische Landtag aufgrund seines Selbstverständnisses dieses Ergebnis in einer Aktuellen Stunde ausleuchtet.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Seit ein paar Tagen liegt nun auch das von den Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern und Hessen in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. Seiler vor.

(Christa Naaß (SPD): Dem Landtag?)

Dieses Gutachten wird derzeit ausgewertet. Ein erster vergleichender Blick auf das Gutachten zeigt: Auch

Prof. Dr. Christian Seiler geht in die gleiche Richtung. Auch er macht deutlich, dass der bundesstaatliche Finanzausgleich so, wie er heute besteht, zum Teil verfassungswidrig ist. Die Staatsregierung hält den Finanzausgleich in seiner derzeitigen Ausgestaltung schlicht und einfach für leistungsfeindlich und für ungerecht.

Prof. Seiler setzt andere Schwerpunkte als Prof. Kube. Prof. Kube legt einen zentralen Schwerpunkt auf das Maßstäbegesetz, das den Rahmen für die Ausgestaltung des Finanzausgleichs vorgibt. Bemängelt werden von ihm besonders fehlende oder unzureichend klare Maßstabbildungen für wichtige Regelungen, zum Beispiel für den Umsatzsteuerausgleich. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben die Zahlen ja gehört. Wir sind im reinen Finanzausgleich bei über 3 Milliarden Euro, und dazu kommt der Ausgleich im Umsatzsteuersystem von noch einmal fast 2 Milliarden. Wenn wir an dieser Stelle Gründe haben, die Verteilung im Umsatzsteuerausgleich anzugreifen, dann müssen wir diese Gründe prüfen und am Ende in den Mittelpunkt einer entsprechenden Klage stellen.

Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, neben dem Finanzkraftbegriff und der Einwohnergewichtung sind das die zentralen Effekte. Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass die Bundeshauptstadt Berlin momentan ein doppelter Gewinner ist. Ich frage aber: Wo sind denn die verdoppelten Anstrengungen der Berliner, um einen ähnlichen Weg wie die Bayern zu gehen?

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir können doch nicht zulassen, dass Berlin über die Regelung der Einwohnergewichtung, die vor allem den Stadtstaaten zum Positiven gereicht, die vor allem einen enormen Einfluss auf die Finanzausgleichsströme haben, hinaus allein wegen der seiner Funktion als Bundeshauptstadt noch einmal zusätzlich Geld mitgegeben wird. Diese Debatte müssen wir führen, weil wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, mittlerweile die Effekte haben. In Berlin wird offen eine Debatte geführt nach dem Motto: Uns hilft ein Mehraufkommen an Berliner Steuern überhaupt nichts; denn die Berliner haben mittlerweile gemerkt, dass sie, wenn sie mehr Steuern einnehmen, Gefahr laufen, Hilfen und Gelder an die anderen Länder abgeben zu müssen. Wenn wir so etwas nicht anprangern, wenn wir an dieser Stelle nicht den Prozess aufsetzen, dann werden die Menschen in unserem Land zu Recht sagen: Warum hat die Politik sich mit diesen Problemen nicht auseinandergesetzt?

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Deswegen ist es schon bemerkenswert, wenn Herr Halbleib einerseits unseren laufenden Einsatz fordert und es ihm andererseits nicht recht ist, wenn wir über unseren Einsatz im Parlament Bericht erstatten. Ich halte das schlicht und einfach für widersprüchlich. Wir haben die Debatte zum richtigen Zeitpunkt aufgesetzt, und wir sind auch gut beraten, diese Debatte möglichst breit und möglichst öffentlich zu führen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Christa Naaß (SPD): Und wo ist das Gutachten?)

Mit Bezug auf die Steuerpolitik und die Einlassung der SPD an dieser Stelle will ich diese Gelegenheit ebenfalls nutzen. Die Steuersenkungen, die Herr Halbleib gerade wieder einmal angeprangert hat, sind nicht unsere Steuersenkungen allein, das sind auch die Steuersenkungen der SPD, und sie waren richtig.

(Beifall des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Wenn wir in der Großen Koalition die Einkommensteuerlast nicht gesenkt hätten, wäre uns in den letzten zwei Jahren der Kampf gegen die Wirtschaftskrise nicht so gelungen, wie er uns gelungen ist.

(Beifall bei der CSU)

Ich frage: Will die SPD-Landtagsfraktion die Senkung im Einkommensteuerrecht, die wir als Maßnahme in den beiden Konjunkturpaketen festgelegt haben, wieder zurücknehmen? Wollen Sie quasi jetzt Steuern erhöhen? - Das würde durchaus zu Ihrer grundsätzlichen Ausrichtung passen. Es wäre aber in der jetzigen wirtschaftlichen Situation ein völlig falsches Signal, lieber Herr Beyer.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Zu unserer klaren Position, dass es besser ist, Steuern zu senken - wir haben den Beweis; es war der breitestmögliche Impuls sowie ein erfolgreicher Impuls -, gehört auch, klipp und klar zu sagen, dass wir zu unserer gemeinschaftlichen Aufbauleistung stehen. Aber der Solidaritätszuschlag kann keine Dauereinrichtung sein. Auch an dieser Stelle müssen wir uns der Debatte stellen. Wir stehen für ein stufenweises Absenken des Solidaritätszuschlags, weil er in unserem Steuersystem systematisch eine Sondernummer ist und nach 20 bis 30 Jahren deutscher Einheit aufgehen muss.

(Beifall bei der CSU)

Ebenso möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch einmal zu sagen: Ja, wir verbinden mit der Klage und der Vorbereitung einer Klage auch den Anspruch, eine

stärkere regionale Steuersetzungskompetenz zu erhalten. Es ist ein Fehler in unserem Erbschaftsteuerrecht, dass die Wertermittlung und die Wertentwicklung in Süddeutschland und in Norddeutschland nicht miteinander verglichen werden können.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die Erbschaftsteuer steht den Ländern zu. Wir müssen diese Steuer regionalisieren, weil es im bundesweiten System zu Ungerechtigkeiten kommt, die die Menschen spüren, und die sie insgesamt dem Steuerrecht gegenüber misstrauisch machen.

Der Staat zeigt im Steuerrecht sein wahres Gesicht. Wir brauchen hier Veränderungen. Bayern will die Debatte zum Länderfinanzausgleich auch damit verbinden, eine stärkere Kompetenz in der regionalen Steuersetzung und Steuererhebung zu erreichen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Damit müssen wir im Übrigen auch deshalb die Debatte besetzen, weil es immer wieder Initiativen gibt, die Steuern regional einzurichten und zu gestalten. Die SPD in Bayern hat sich mittlerweile leider durchgesetzt, sodass selbst die SPD Deutschland fordert, die Vermögensteuer wieder aufleben zu lassen.

(Beifall der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Steuer, die die Verwaltung mehr gekostet hat, als sie uns je gebracht hat, ist ein Vorschlag, auf den nur die Sozialdemokraten in Deutschland kommen können.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb werden wir gemeinsam mit den Ländern Baden-Württemberg und Hessen die Grundsteuer eben nicht als Vorreiter für die Vermögensteuer einrichten, sondern wir werden regional versuchen, die Grundsteuer anzupassen, weil wir in der Grundsteuer und in der Erbschaftsteuer zentrale Steuererhebungskompetenzen sehen, die regional runterdelegiert werden müssen. Sie dürfen auch nicht den Sozialdemokraten und anderen oppositionellen Kräften in unserem Lande dazu verhelfen, die Steuern über die kalte Küche zu erhöhen. Wir brauchen eine Senkung der Steuerlast in unserem Lande und keine Erhöhung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Präsident, ich halte beide Gutachten für rechtlich fundiert; sie sind die Grundlage, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Unser Ziel ist und bleibt eine Reduzierung der Belastungen in Bayern. Wir haben schon die ersten 300 Millionen dadurch erreicht, dass

wir im Jahre 2001 eine Veränderung durchgesetzt haben. Jetzt geht es darum, uns auf dieser Basis weiter intensiv mit den Geberländern und Mitauftraggebern Baden-Württemberg und Hessen abzustimmen. Ende Januar ist eine gemeinsame Kabinettssitzung auch zu diesem Thema vorgesehen.

Ich darf festhalten: Allen, die sich anstrengen, will der Freistaat Bayern helfen. Aber wir haben auch von Anfang an gesagt: Finanzielle Unabhängigkeit und finanzielle Selbstständigkeit müssen ein gemeinsames Ziel aller Länder sein. Wir können nicht zulassen, dass die Berliner von "arm, aber sexy" sprechen und sich in die Hängematte legen, während die Bayern ihnen ihre Ausflüge finanzieren. Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU und der FDP - Staatsminister Fahrenschon verlässt das Redner- pult mit einem Glas in der Hand.)

Herr Staatsminister, lassen Sie doch bitte das Glas da.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU und der FDP)

Nachdem der Herr Staatsminister länger als zehn Minuten gesprochen hat, können die Fraktionen zusätzlich einen Redner oder eine Rednerin nachmelden, wenn sie das beantragen. - Die Fraktion der GRÜNEN hat Kollegen Mütze noch einmal als Redner benannt. Bitte schön, Sie haben noch einmal für fünf Minuten das Wort, Herr Mütze.

(Zurufe)

Liebe Kollegen, er hat zu lange geredet. Was soll ich machen?

(Anhaltende Zurufe von der CSU)

Herr Minister, Ihre engagierte Rede, in der Sie die Solidarität in Deutschland mit Füßen getreten haben, -

(Beifall bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CSU und der FDP)

- Entschuldigung, liebe Kollegen, wie sollte ich das anders nennen, wenn der Herr Minister sagt, was sind wir froh, dass der Solidarpakt Ost endlich ausläuft. Das heißt nichts anderes als: Was für ein Glück, dann müssen wir für Berlin kein Geld mehr zahlen. Anders lässt sich das nicht interpretieren.

Ihr Einsatz, Herr Minister, und der Einsatz der FDP erstreckt sich auf zwei Gutachten zur Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung, der Sie und auch die FDP in den Länderregierungen in Hessen und BadenWürttemberg zugestimmt haben. Jetzt prüfen Sie die

Verfassungswidrigkeit, und das nennen Sie dann politisches Agieren. Ich nenne das Zerstörungswut und vor allen Dingen Destruktivismus.