Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

(Staatssekretär Franz Josef Pschierer: Ich habe sie kurzfristig vereinnahmt!)

Bei der Gewerbesteuer bin ich Ihnen für Ihre Ausführung dankbar, dass Sie die ertragsunabhängigen Komponenten angesprochen haben. Vielleicht können wir dabei einen Schritt in die richtige Richtung machen. Sie selbst haben gesagt: Wenn Sie die Kommunen nicht ins Boot holen und so lange die Kommunen nicht einsehen, dass sie mit einer Ersetzung der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer wesentlich stabilere Einnahmen haben, so

lange würde ich den Rückschluss ziehen, dass es den Kommunen sehr gut geht. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass Bundesfinanzminister Schäuble eine zusätzliche Einnahmequelle -

(Unruhe)

Ich bitte doch einmal um Ruhe, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herr Kollege Wengert, bitte beruhigen Sie sich.

Wenn die Kommunen bei der Einkommensteuer eine zusätzliche Stellschraube, die ihre Lage verbessern könnte, ablehnen, würde ich ebenfalls den Rückschluss daraus ziehen, dass es den Kommunen sehr gut geht. Die Opposition hat darauf hingewiesen, was alles an nicht so Gutem auf die Kommunen zukommt. Ich glaube, der Bundesfinanzminister nimmt 4 Milliarden Euro in die Hand, die er den Kommunen zukommen lassen möchte. Vielleicht haben Sie die Zahl, die dabei auf Bayern entfällt, um ein Gegengewicht zu setzen. Würden Sie mir nicht zustimmen, dass es vor dem Hintergrund der sprudelnden Steuereinnahmen, die wir durch den Wirtschaftsaufschwung haben werden, den wir gemeinsam initiiert haben und den wir gemeinsam als Koalition tragen, den bayerischen Kommunen im nächsten Jahr wesentlich besser gehen wird und dass wir deswegen - was Sie angesprochen haben - bei den Einnahmen an dieser Front eher einer entspannten Zukunft entgegensehen?

Das Wort hat jetzt Herr Staatssekretär Pschierer.

Herr Kollege, vielleicht sage ich jetzt zur Situation der Kommunen generell etwas, weil Sie das im Schlusssatz Ihrer Frage angesprochen haben. Sie haben gefragt, wie sich die Steuereinnahmen und die Steuerminderung der letzten Jahre ausgewirkt haben. Die Kommunen hatten in den Jahren 2004 bis 2008 sehr gute Steuereinnahmen.

Wir hatten zweifelsohne 2009 einen dramatischen Rückgang. Wir haben aber auch bei den bayerischen Kommunen einen unterdurchschnittlichen Rückgang. Der Rückgang liegt auf Bundesebene bei zwölf Prozent, in Bayern bei nur acht Prozent. Auch das bitte ich anzuerkennen. Wir werden im Jahre 2010 schon eine etwas bessere Entwicklung haben, übrigens stärker als bei den Ländern. Wenn Sie sich die Steuerschätzung für November ansehen und die Auswirkungen herunterbrechen, so sehen Sie, dass die Auswirkungen für die Kommunen vielleicht besser

sind als für die Länder. Das Gleiche wird für 2011 der Fall sein.

Wir haben allerdings, Herr Kollege Rohde, ein Problem, was Herr Kollege Pointner andeuten will: Wir haben in Bezirken und Landkreisen mit zeitlicher Verzögerung von zwei Jahren eine angespannte Situation. So wird das Hauptaugenmerk der Staatsregierung darauf liegen, im Gespräch mit den vier kommunalen Spitzenverbänden, bei dem die Verfahrensregeln und auch die Beteiligungsrechte klar abgestimmt sind, zu einem fairen kommunalen Finanzausgleich zu kommen.

Auch von den Mitteln des Bundes für die Länder profitiert der Freistaat Bayern auf verschiedenen Feldern. Ich nenne das Thema Investitionskostenförderung bei Kinderbetreuungseinrichtungen und auf anderen Feldern. Ich nenne die Hochschulen und andere Segmente. Ich glaube, wir sind insgesamt, was diese Dinge angeht, mit dem Bund zu einem fairen Ausgleich gekommen.

Noch kein Ausgleich ist, Herr Kollege Rohde, sicherlich bei der Gewerbesteuer, den Gemeindefinanzen und den Standards, erfolgt. Wir erwarten, dass der Bund hinsichtlich seiner Verantwortung als Gesetzgeber das eine oder andere kritisch überdenkt. Ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel: Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung hat rentenähnlichen Charakter, ohne dass auf der anderen Seite eine Beitragspflicht oder ein Beitragseingang festzustellen wäre. Ich darf dabei eine Frage stellen: Man braucht nicht die Gewerbesteuer zu reformieren, sondern es reicht ein höherer Anteil an der Umsatzsteuer, was sich durch Bundesgesetzgebung leicht regeln lässt. Dafür kämpfen wir.

Als Nächster hat Herr Kollege Peter Winter das Wort.

Ich denke, wir sind uns darin einig: Es ist wichtig, dass sich eine Kommission auf Bundesebene mit der finanziellen Situation der Kommunen befasst. Da hat die Koalition ein wichtiges Zeichen gesetzt. Ich frage Sie: Wie trägt die Gemeindefinanzkommission zur Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit der bayerischen Kommunen bei, und wie weit sind die Arbeiten in dieser Kommission fortgeschritten?

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Wir sind in dieser Kommission seitens des Freistaats Bayern durch den Herrn Finanzminister vertreten. Es gibt die drei Arbeitsgruppen der Kom

mission, nämlich zum einen Steuern, insbesondere Gewerbesteuer, Zukunft der Gewerbesteuer, Prüfmodell und Kommunalmodell. Es gibt die zweite Arbeitsgruppe, die wir auch sehr ernst nehmen, die sich mit Standards befasst. Ich habe bereits vorhin angedeutet: Wir haben bezüglich des Abbaues der Standards 100 konkrete Vorschläge nach Berlin übermittelt. Wir erwarten, dass die Ressorts auf Bundesebene - in diesem Fall Familienministerium und Arbeitsministerium - diese Diskussion sehr kritisch führen, und zwar zugunsten der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland.

Herr Kollege Pointner, Ihre Fraktion sagt immer sehr gerne, wer anschaffe, müsse auch zahlen. Meine Damen und Herren, wir halten uns daran. In Richtung Berlin haben wir jedoch noch etwas Nachholbedarf. Dort wird sehr viel angeschafft, aber im Zweifelsfall sehr wenig bezahlt.

Herr Kollege Winter, es gibt eine dritte Arbeitsgruppe, die Arbeitsgruppe Rechtsetzung, die ich persönlich skeptisch beurteile. Dort geht es um die Frage der Beteiligungsrechte der Länder und insbesondere der Kommunen an der Rechtsetzung. Wir haben ein Grundgesetz in der Bundesrepublik Deutschland, das nicht mit Geschäftsordnungsregelungen überfrachtet werden sollte. In Bayern haben wir das Selbstverständnis, dass sich diese Staatsregierung immer auch als Anwalt der bayerischen Kommunen auf Bundesebene sieht.

Bezüglich des Zeitplanes sind die Vorschläge eingebracht. Sie werden auf Bundesebene in der Kommission diskutiert. Sicherlich wird es im nächsten Jahr in diesem Haus die Möglichkeit geben, über diese drei Arbeitsgruppen zu diskutieren. Für das Thema Standards ist das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales zuständig.

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Bachhuber.

Herr Staatssekretär, als langjähriger Bürgermeister interessieren mich besonders die Gewerbesteuer und das sogenannte Prüfmodell, mit dem eine Abschaffung der Gewerbesteuer erreicht und diese mit Zuschlägen für die Einkommenund Körperschaftsteuer kompensiert werden soll. Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung dieses Prüfmodell? Wie ist Ihre Haltung dazu?

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Sie haben die Eckpunkte genannt. Die kommunale Gewerbesteuer und die Gewerbesteuerumla

ge sollen abgesetzt und durch ein Zuschlagsrecht auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer ersetzt werden.

Die Haltung der Staatsregierung hierzu ist, dass die Gewerbesteuer erhalten, gemindert oder verbessert werden sollte, insbesondere in Bezug auf die ertragsunabhängigen Bestandteile. An dieser Stelle gibt es sicherlich Nachholbedarf. Die Bayerische Staatsregierung möchte jedoch keine interkommunalen Wanderungen, die durch das Steuerrecht verursacht werden. Meine Damen und Herren, ein Bürgermeister - Herr Kollege Bachhuber war Bürgermeister - sollte nicht das alleinige Interesse verfolgen, gut verdienende Einkommensteuerzahler in die Gemeinde zu holen, und von der Ansiedlung eines Gewerbebetriebes absehen. Wir wollen eine wirtschaftsbezogene Steuer. Diese ist für uns in erster Linie die Gewerbesteuer. Das ist ein klares Bekenntnis zum Erhalt dieser Steuer.

Als Nächster hat Herr Kollege Halbleib das Wort.

Herr Staatssekretär, einen wunderschönen Guten Morgen! Wir waren von den Antworten, die Sie gegeben haben, etwas verblüfft. Die bayerischen Kommunalpolitiker, die Bürgermeister und Oberbürgermeister benötigen vonseiten des Bayerischen Landtages oder von Ihnen keine Belehrung darüber, wie sie mit schweren Situationen umzugehen haben. Das sind die seit Jahr und Tag gewohnt.

(Beifall bei der SPD)

Für einen CSU-Politiker haben Sie ein seltsames Verständnis von Städtebauförderung. Im Augenblick versuchen Sie Probleme zu lösen, die Sie selbst geschaffen haben. CSU-Minister Ramsauer, der Städtebauminister, wollte die Städtebauförderung kürzen. Jetzt versuchen Sie das Problem, das Sie selbst geschaffen haben, wieder zu lösen. Das ist ein seltsames Verständnis von Politik.

(Beifall bei der SPD)

Es ist seltsam, wenn ein Finanzstaatssekretär sagt, 25 % der kommunalen Haushalte seien nicht genehmigungsfähig.

(Staatssekretär Franz Josef Pschierer: 2,5 %! Die Sozialdemokraten haben ein Problem mit Kom- mas und Zahlen! - Dr. Paul Wengert (SPD): Landesbank lässt grüßen!)

Ich lese es Ihnen vor. Sie können es nachlesen: 39 % der bayerischen Kommunen können 2010 keine Zu

führung zum Vermögenshaushalt erwirtschaften. Das bedeutet, dass sie nicht einmal die Tilgungsrate der Kredite bezahlen können. Das ist ein dramatischer Anstieg: von 9,6 % im Jahr 2008 auf 16,6 % im Jahr 2009. 40 % der Kommunen können sich nicht haushaltsrechtskonform verhalten. 20 % der bayerischen Kommunen können ihrem Vermögenshaushalt überhaupt keinen Cent zuführen bzw. müssen Mittel aus dem Vermögenshaushalt dem Verwaltungshaushalt zuführen. Das bedeutet, sie benötigen Kredite für die laufenden Ausgaben. Das ist der Zustand, den wir im Augenblick haben. Der Prozentsatz ist dramatisch angestiegen, von 2,8 % im Jahre 2008 auf 20 %. Ein Fünftel der Gemeinden braucht Kredite, um die laufenden Ausgaben zu bewältigen. Sie sagen, dies sei ein normaler und befriedigender Zustand. Dafür habe ich kein Verständnis.

(Beifall bei der SPD)

Darüber bitte ich Sie nachzudenken. Was macht die Bayerische Staatsregierung, um dieser schwierigen Situation der Kommunen zu begegnen? Welche Zielmarke hat die Staatsregierung für die FAG-Mittel im kommenden Jahr? Will sie den Finanzausgleich von der jetzigen Höhe anheben? Will sie ihn absenken? Wo sieht sie eine Notwendigkeit, das Volumen zu erhöhen? In welcher Höhe sind Sie bereit, die Verbundquote deutlich zu erhöhen, um insbesondere die Schlüsselmasse und die Schlüsselzuweisungen mindestens zu erhalten, wenn nicht zu erhöhen? - Das sind ganz konkrete Fragen. Wir bitten deshalb um eine ganz konkrete Antwort.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Ich muss Sie enttäuschen. Sie haben lang geredet, und ich werde Ihnen nur kurz antworten, weil ich Ihnen zu den letztgenannten Fragen überhaupt nichts sagen werde. Herr Kollege Halbleib, ich halte mich an Stil und Form und an die gesetzlichen Grundlagen.

(Lachen bei der SPD)

Im letzten Jahr haben wir hier in diesem Hause bezüglich des kommunalen Finanzausgleiches klare Verfahrensregeln abgestimmt. Weder der Herr Staatsminister noch ich werden vor dem Spitzengespräch und dem Vorliegen einer klaren Datenbasis in der Öffentlichkeit Aussagen zur Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs im Doppelhaushalt 2011 oder 2012 machen. Ende der Ansage, Herr Kollege Halb

leib. Sie müssten eigentlich wissen, wie die Verfahrensregeln aussehen.

Ich habe die bayerischen Kommunen nicht belehrt. Nichts läge mir ferner. Ich war mit Stolz Stadtrat und bin gerne noch Kreisrat in meinem Landkreis Unterallgäu. Ich würde mich genauso gegen Belehrungen von oben verwahren. Meine Damen und Herren, in der CSU-Fraktion - das wird aus den Biografien der Mitglieder deutlich - hat fast jeder ein kommunalpolitisches Amt.

Herr Kollege Halbleib, was wollen Sie mehr? Wir haben in Richtung Berlin deutlich signalisiert, dass wir diese Kürzung nicht wollen. Ihnen sind die Zahlen bekannt. Wir sind nicht mehr bei dem Betrag, der auf Bundesebene angedacht war. Wir sind wieder auf einem guten Weg.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜ- NE))

Frau Kollegin Kamm, Herr Kollege Halbleib, vergessen Sie bitte nicht, dass sich die Städtebauförderung nicht nur aus Bundesmitteln, sondern ebenfalls in einem hohen Maße aus Ländermitteln zusammensetzt. Im Rahmen des Haushaltes des Freistaates Bayern haben wir uns immer zu einer guten Ausstattung der Städtebauförderung bekannt. Wir wollen attraktive Innenstädte und wissen, dass jede Maßnahme aus der Städtebauförderung ein kleines Konjunkturpaket vor Ort darstellt. Mit der Städtebauförderung besteht die Möglichkeit, Privatkapital und Kapital der Kommunen einzusetzen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Aufträge im Rahmen der Städtebauförderung nicht an große Baukonzerne, sondern an das mittelständische Handwerk erteilt werden.

Als Nächste hat Frau Kollegin Kamm das Wort.

Herr Staatssekretär, Sie behaupten, die Sozialdemokraten hätten Probleme mit Kommas. Sie sprechen von einem Rückgang von 8 % der Steuereinnahmen in Bayern im Jahr 2009. Dabei waren es 8,8 %. Das sind immerhin 1,2 Milliarden Euro für die bayerischen Kommunen.