Protokoll der Sitzung vom 01.12.2010

(Beifall bei der CSU - Ludwig Wörner (SPD): Was haben Sie daraus gemacht?)

Im Bayerischen Landtag stimmten damals bis auf die FDP alle zu. Die FDP war damals dagegen. Man sieht, dass sich das in den letzten 40 Jahren zum Positiven verändert hat.

(Tobias Thalhammer (FDP): Lesen Sie im Protokoll nach; Sie werden sehen, dass das nicht so ist!)

Damals ging es darum, regional begrenzte Umweltschäden zu reparieren. Heute geht es darum, einer globalen Klimaveränderung zu trotzen, die unser aller Lebensräume bedroht.

Verantwortung und klare Werte bestimmen unsere Politik und unsere bayerische Umweltphilosophie auch heute: Wir handeln aus ethischer Verantwortung und Verpflichtung zur Bewahrung der Schöpfung. Der Mensch ist vor allem Kreatur. Deshalb ist es unsere Pflicht, den Lebensraum Erde auch für unsere Mitgeschöpfe Tiere und Pflanzen lebenswert zu erhalten.

Viele beginnen zu verstehen, dass es nicht nur um die Ethik, sondern auch um die Ökonomie geht. Eine gesunde Natur und eine intakte Umwelt haben einen großen ökonomischen Wert. Die Leistungen unserer

bayerischen Ökosysteme sind nach Schätzung des Landesamts für Umwelt 13 bis 14 Milliarden Euro pro Jahr wert. Nach Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung würde die ungebremste Erderwärmung um 4,5 Grad Celsius alleine in Bayern klimabedingte Kosten von bis zu 122 Milliarden Euro verursachen.

Ökologie schafft auch Arbeitsplätze. In Deutschland und insbesondere in Bayern haben wir eine sehr leistungsfähige Umwelttechnologie, die viele Arbeitsplätze vorhält. Umweltschutz ist damit auch Jobmotor.

Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um Ethik oder um Ökonomie. Umweltschutz ist auch ein wichtiger Beitrag zur kulturellen Entwicklung unseres Landes. Unsere einmalige bayerische Natur ist das, was unsere unverwechselbare Heimat ausmacht, nämlich das Kernstück unserer konservativen Identität. Zu Bayern gehört nicht nur die Kirche im Dorf, sondern auch der Wald drum herum. Das Leben in und mit der Natur gehört für ein Land mit christlicher und bäuerlicher Tradition quasi zu seinen "kulturellen Genen". Umweltpolitik ist damit auch aktive Heimatpolitik.

Auf der Grundlage dieser klaren Wertvorstellungen betreiben Staatsregierung und Freistaat Bayern einen modernen und nachhaltigen Klimaschutz. Bayern steht im internationalen Vergleich gut da.

(Ludwig Wörner (SPD): Platz 10!)

Der jährliche Pro-Kopf-Ausstoß von energiebedingtem CO2 liegt im Freistaat schon heute bei 5,99 Tonnen und damit rund 20 % unter dem EU-Durchschnitt von 7,9 Tonnen. Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liegt bei 9,2 Tonnen und der Durchschnitt in den USA sogar bei 19,1 Tonnen.

Dabei werden wir nicht stehen bleiben. Wir ruhen uns nicht aus. Wir wollen einen klaren Beitrag leisten, um das international anvisierte Ziel, die Zwei-Grad-Celsius-Grenze, einzuhalten, zu erreichen. Das erfordert aus meiner Sicht klare Klimaziele über 2020 hinaus. Bis 2030 sollen die energiebedingten CO2-Emissionen Bayerns auf unter fünf Tonnen pro Einwohner und Jahr reduziert werden. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Das wissen wir. Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass es der Natur egal ist, ob wir dieses Ziel erreichen. Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bernhard Grzimek sagte einmal: "Naturschutz ist Menschenschutz." Das ist die Verbindung. Deshalb wollen wir Vorbild und Partner für andere Länder und

Regionen sein, und dies nicht mit erhobenem Zeigefinger, nicht belehrend und nicht mit einem bloßen Nein zu jeder neuen Entwicklung. Wer wie beispielsweise die GRÜNEN im Jahr 2009 von einem Bayern ganz ohne CO2-Ausstoß träumt, müsste den Menschen das Atmen verbieten. Wir wissen, liebe Freunde, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die alten Gräben zwischen Ökonomie und Ökologie, in denen manch einer festsitzt, überholt und nicht mehr zeitgemäß sind.

(Ludwig Wörner (SPD): Wo hat es die gegeben? - Bei der CSU!)

Die Menschen und insbesondere die Bayern wollen Wohlstand, und zwar einen Wohlstand mit Verantwortung für eine gesunde Umwelt. Wir wollen verantwortlichen und verantwortbaren Fortschritt statt reiner Blockade und Stopp aller gesellschaftlichen Entwicklungen. Zum Menschsein gehört Entwicklung, und keine Partei hat das Recht, den Menschen diese Entwicklung zu verbieten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der "bayerische Weg" und unsere Grundphilosophie lauten: Nachhaltigkeit statt Ideologie; Kooperation statt Konfrontation; Innovation statt Bürokratie und Menschen begeistern statt sie zu belehren. Auf diesen Prinzipien haben wir eine moderne, kompetente und international anerkannte Klimastrategie aufgebaut. Achim Steiner, der Direktor des UN-Umweltprogramms, nennt Bayerns Ziele "ehrgeizig" und würdigt ausdrücklich unsere Erfolge beim Klimaschutz.

Unsere Strategie steht auf drei starken Säulen: Wir schützen erstens das Klima, indem wir alle sinnvollen technischen und natürlichen Möglichkeiten nutzen, um gefährliche Treibhausgase zu reduzieren und zu binden. Wir passen uns zweitens an unvermeidliche Folgen des Klimawandels an, indem wir systematisch alle verwundbaren Bereiche untersuchen und Lösungen dafür entwickeln. Und drittens betreiben wir eine hochkarätige Klimaforschung, damit wir Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels noch besser verstehen und uns noch besser darauf einstellen können.

Das machen wir nicht alleine. Wir verwirklichen unsere Strategie in Bayern mit den über eine Million engagierten Ehrenamtlichen in den Naturschutzverbänden, mit 5.500 bayerischen Unternehmen im Umweltpakt und mit 15 starken Partnern in der Klimaallianz. Ich sage all denjenigen eine ausdrückliches Dankeschön, die in Bayern echte Klimapartner sind.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Im Mittelpunkt all unserer Bemühungen steht - wie kann es anders sein? - die Energie. Rund 80 % der bayerischen Treibhausgasemissionen hängen mit Energieerzeugung und Energienutzung zusammen. Energie hat nicht nur eine ökologische Dimension. Energie hat auch eine soziale und ökonomische Dimension; denn sichere und bezahlbare Energie spielt eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung und für die soziale Gerechtigkeit in unserem Land. Das bayerische Rezept muss deshalb lauten: "Bayern regenerativ".

Wir spielen im nationalen und internationalen Verbund eine zentrale Rolle bei klimafreundlichen regenerativen Energien. Schon heute liegen wir mit einem Anteil von 25 % an der Stromerzeugung weit über dem Bundesdurchschnitt von 16 %. Wir sind bei der Nutzung von Holz- und Solarheizungen, Wärmepumpen und Fotovoltaikanlagen führend. Die gesellschaftliche Akzeptanz der erneuerbaren Energien ist in Bayern bundesweit am höchsten. Das alles bescheinigt uns eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom vergangenen Donnerstag. Dass andere Länder auch positive Entwicklungen verzeichnen, ist ein Erfolg für ganz Deutschland. All denjenigen, die behaupten, Bayern sei deshalb schwächer geworden, sei gesagt: Bayern befindet sich auf einem so hohen Niveau bei der Produktion der erneuerbaren Energien, dass jede weitere Verbesserung eine enorme Kraftanstrengung bedeuten würde.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Na, na, na!)

Ein Vergleich, Herr Dr. Magerl: Bayern erzeugt heute 19,5 Milliarden Kilowattstunden Strom aus erneuerbaren Energien, Brandenburg lediglich 8,5 Milliarden.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

- Erst schauen, dann hauen.

Die CO2-Emissionen liegen in Bayern bei unter 6 Tonnen pro Einwohner und Jahr, in Brandenburg dagegen bei knapp 23 Tonnen. Das heißt, wir produzieren doppelt so viel Strom wie die anderen, haben aber nur ein Viertel so viele Emissionen pro Einwohner. Wenn das keine gute Leistungsbilanz ist, meine Damen und Herren, weiß ich nicht, was noch zählt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

An dieser Stelle möchte ich dem Wirtschaftsministerium und vor allem Martin Zeil für die umsichtige Weiterentwicklung der regenerativen Energiefelder in Bayern Dank sagen.

(Beifall bei der FDP)

Bis 2030 wollen wir den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung deutlich erhöhen, und zwar auf über 40 %. Das schaffen wir nur mit innovativer Technologie, nicht mit Preiserhöhungen und Paragrafen, wie die Modelle und Konzepte der 1970erJahre es vorgesehen haben.

Nur mit neuen technischen Möglichkeiten wie dem Repowering lässt sich der Beitrag der Windkraft vervierfachen, ohne gleichzeitig viele neue Standorte zu benötigen. Bei der Wasserkraft kann man die Ausbeute durch Verbesserung der vorhandenen Anlagen um bis zu 7 % erhöhen und damit die Wasserkraft optimal nutzen, ohne neue Eingriffe in die Gewässerökologie zu verursachen.

(Ludwig Wörner (SPD): Haben Sie das endlich eingesehen; das erzähle ich seit einem Jahr!)

Deshalb brauchen wir auch neue Pumpspeicherkraftwerke. Die Auffassung, die ich in einem Interview gelesen habe, das sei in Norwegen besser, ist nicht akzeptabel. Wenn wir in Deutschland Energie verbrauchen wollen, dann müssen wir für die eigene Energieversorgung sorgen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Fotovoltaik kann durch mehr Effizienz und optimale Ausnutzung von Solararchitektur auf bis zu 14 % vervierfacht werden.

Auch die Biomasse kann beispielsweise mit circa 10 % in 2030 als Ziel einen wichtigen Beitrag leisten. Ich sage hier ausdrücklich: Unsere Landwirtschaft ist ein starker und wichtiger Klimapartner für Bayern. Wir wollen allerdings bei der Biomasse - ich glaube, da sind wir uns einig - auch ökologische Leitplanken. Eine ausschließliche und großflächige Maismonokultur sehen wir skeptisch. Bayern soll nicht komplett gelb werden, sondern muss weiß-blau bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren. - Das war jetzt aber nicht politisch gemeint.

(Alexander König (CSU): Das war Zufall, oder?)

- Das war Zufall, ja.

Bayern soll das Elektromobilitätsland Nummer 1 werden. Martin Zeil hat es in Regierungserklärungen und Darstellungen angesprochen. Umweltfreundliche Mobilität ist wichtig für uns. Wir können zu einem Zentrum der Elektromobilitätsforschung in Deutschland werden. Bis 2020 sollen 20 % der bundesdeutschen Elektrofahrzeuge - das sind 200.000 - in Bayern zugelassen werden. Herr Ministerpräsident, wir erbringen da einen wichtigen Beitrag für ganz Deutschland.

Wir wollen Bayern zu einem führenden Standort für Batterietechnologie, zu einem Batterieland Bayern machen. Erneuerbare Energien brauchen Speichertechnologien. Immer wieder kommt das Argument, Deutschland exportiert Energie. Warum? - Wenn der Wind weht und die Sonne scheint, dann muss Deutschland Energie exportieren, weil es keine Speichertechnologie hat. Eines der größten Versäumnisse von rot-grüner Regierungspolitik in Berlin war es immer, dass man alles Mögliche gemacht hat, aber nicht für die Speichertechnologie geforscht hat. Wir beenden das, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Wie denn?)

Das erste bayerische Zentrum dafür wird in Nürnberg am Energie-Campus entstehen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da sind wir gespannt, was nach der Regierungserklärung geschieht! - Ludwig Wörner (SPD): Wie lange sind wir denn schon an der Macht?)

Als Grundlage für eine intelligente, für eine nachhaltige und, Herr Wörner, für eine intellektuell stimmige Strategie legen wir im nächsten Jahr einen EnergieAtlas Bayern vor, mit dem wir in einem bundesweit einmaligen Informationsangebot regionale Potenziale an Energie lokalisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Weg, den es vergleichbar in keinem anderen Bundesland gibt. Ich glaube, wir befinden uns auf dem richtigen Weg.

Ich möchte Ihnen aber in aller Deutlichkeit auch sagen: All diese Bemühungen, regenerative Energien bewusst gemeinsam mit der Bevölkerung voranzubringen, werden nur erfolgreich sein - ich sage das ausdrücklich vor dem Weltklimagipfel -, wenn wir ein klares Bekenntnis zu einer Laufzeitverlängerung bei der Kernenergie ablegen. Rot-Grün hat seinerzeit den Ausstieg beschlossen und sprach von einem Signal an die Welt. Man hoffte, alle würden folgen. Am Ende galt das Motto: "Trittin und Gabriel allein zu Haus". Keiner ist Deutschland gefolgt. Ganz im Gegenteil, viele Länder haben sich diese Option eröffnet.

(Ludwig Wörner (SPD): Welche?)