Protokoll der Sitzung vom 25.01.2011

(Beifall bei den Freien Wählern)

Dort gilt es, anzusetzen. Es gilt auch, politische Themen zu erkennen.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

- Jetzt kommt wieder der Bauernhof-Vorwurf. Wenn Sie mehr auf Ihre Bauern gehört hätten als auf Ihre McKinsey-Chaoten, wären wir in Bayern weiter.

(Lebhafter Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt gilt es, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die Wachstumsmärkte zu erkennen. Ich spreche hier vor allem von der Energiepolitik. Sie haben vor wenigen Jahren noch gemeint, Energie würde immer billiger, wenn wir privatisieren. Der Strom wäre dann quasi zum Nulltarif zu haben. Das haben Ihnen Ihre "Gutachter" eingeredet. Sie haben das Bayernwerk verkauft, weil das ja nur Schnee von gestern sei und der große Wettbewerb kommen würde. Wo gibt es denn Wettbewerb? Monopole wurden geschaffen, die uns heute schamlos abkassieren und uns das Geld aus der Tasche ziehen, das für Kindergärten, für Straßen, für Kommunen und für die Breitbandversorgung fehlt.

(Beifall bei den Freien Wählern)

In den vier großen Energiekonzernen versickern pro Jahr zweistellige Milliardenbeträge. Ich bin kein Neidhammel, aber ich glaube, dass wir schauen müssen, ob hier nicht des Guten zuviel abgeschöpft wird. Wir sind zur falschen Zeit aus dem Bayernwerk ausgestiegen. Heute stehen wir ohnmächtig vor dieser Entwicklung. Ich muss aber ehrlich sagen: Jetzt bestünde die

Chance, die erneuerbaren Energien ins Spiel zu bringen. Techniken, die wir vor 20 bis 30 Jahren nicht hatten, sind in der Entwicklung. Es ist schon bezeichnend, wenn wir in Niederbayern ein Innovationszentrum "CARMEN" für nachwachsende Rohstoffe in Straubing

(Dr. Thomas Goppel (CSU): Das war doch nicht Ihre Idee?)

- ja, Herr Doktor

(Heiterkeit bei der CSU)

- und einige Kilometer weiter eines im Chiemgau haben und viele Experten vor einem Sicherheitsrisiko bei bestehenden Kernkraftwerken warnen und die kommunalen Stadtwerke sagen: Wir brauchen Planungssicherheit, verlängert deshalb nicht die Laufzeiten der Kernkraftwerke. Dann verlängert diese Bayerische Staatsregierung mit verlängertem Arm in Berlin die Laufzeit eines solchen alten Reaktors und will ihn für 250 Millionen Euro sanieren.

Meine Damen und Herren, wenn Sie nur einen Bruchteil dieser Summe in diese CARMEN-Anlagen, in diesen Ausbau der erneuerbaren Energien, in Energieeinsparmaßnahmen, in den Rückbau dieser Monopolstruktur oder in die Rekommunalisierung der Netze stecken würden, dann hätten wir morgen zumindest etwas die Finger im Spiel, dort, wo die Milliarden fließen.

Aber nein, das Thema wird in der Regierungserklärung überhaupt nicht erwähnt. Da werden nicht ein nur paar tausend Euro hin- und hergeschoben, meine Damen und Herren, da geht es nicht nur um Millionen, sondern da geht es um Milliarden - um Milliarden an Geldern, die man einer Region lassen könnte, um diese zu entwickeln, die man aber über die Stromrechnung abgebucht bekommt, damit die anderen sich die Hucke volllachen. Auch das ist ein Versagen der bayerischen Politik, weil sie nicht erkennt, dass ein Loch im System ist, dass die Hauptschlagader quasi aufgeschnitten ist, dass wir Blut verlieren. Dann zerbrechen wir uns den Kopf, wie wir die übrig gebliebenen Ämter noch verteilen. Wir betreiben Mangelverwaltung anstatt hinzuschauen, wo die Gelder fließen; und gerade im Energiebereich, meine Damen und Herren, spielt die Musik der Zukunft. Dort haben Sie sich ausgeklinkt. Dort sagen Sie: Das passt schon so.

Es passt nicht so, und ich bitte Sie: Gehen Sie auf die Kommunen zu. Es gibt viele Bürgermeister, die heute die Netze zurückhaben wollen.

(Zuruf von der CSU: In jedem Land!)

Noch einmal: Rekommunalisieren Sie die Energienetze! Helfen Sie diesen Leuten dabei, diese Wertschöpfung für sich selbst gestalten zu können, und sagen Sie ihnen nicht - genauso, wie wir es beim Breitbandausbau getan haben -: Bürgermeister, mach dein Zeug alleine; geh hin, wo der Pfeffer wächst, denn für uns ist die Welt in Ordnung. Helft den Leuten in der Region, Geld in der Region zu lassen. Helft den Leuten, eine regionale Energiepolitik durchzuführen!

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren! Regionalität will ich Ihnen damit quasi als Wegmarke, als politischen Kompass für die nächsten Jahre mit auf den Weg geben, wenn Sie hinhören. Wenn Sie sagen: Was Aiwanger sagt, ist eh Blödsinn, dann machen Sie Ihren Stiefel weiter. Wenn Sie aber sagen: Okay, vielleicht sollten wir doch auf ihn hören, dann denken Sie bitte an das Wort Regionalität. Darunter können Sie vieles aufgliedern, neben der Energiepolitik auch das Thema der regionalen Nahrungsmittelversorgung, die Landwirtschaft, die in Ihrem Zukunftsprogramm schlichtweg gnadenlos vergessen wurde.

Meine Damen und Herren, stattdessen haben wir lieber einen Klausner-Holz-Vertrag unterschrieben, damit sich ein russischer Großinvestor momentan billiges bayerisches Staatsholz holen kann, während die bayerischen Sägewerker kein Holz mehr zu vernünftigen Bedingungen kaufen können. Auch das ist Ihre Politik gewesen!

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren, die Menschen wollen Regionalität. Sie wollen überschaubare Strukturen, und da ist gerade im Bereich der Landwirtschaft sehr viel zu holen. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung davon überzeugt ist, dass wir zum Ziel kommen, wenn wir am Ende nur noch Agrarindustrie, aber keinen bäuerlichen Familienbetrieb mehr haben, weil diese kleinen Strukturen all den bürokratischen und sonstigen Erschwernissen überhaupt nicht mehr gewachsen sind.

Auch hier sind Sie gefordert, genau hinzuschauen. Auch hier sind Sie gefordert, den Betroffenen zu helfen. Das wurde schon damals versäumt, als der genveränderte Mais in Umlauf gekommen ist, als den Bauern monatelang - das ist nun nicht in erster Linie das Versagen der Bayerischen Staatsregierung, aber ein Strukturversagen - nicht geholfen worden ist, wie ihnen heute bei den Folgeschäden des Dioxinskandals auch wieder nicht geholfen wird.

Einige wenige große Betrüger machen sich die Taschen voll, und die Regierungen in Land und Bund

schauen weg. Deshalb fordern wir auch hier als Freie Wähler auf Landesebene eine Handvoll Leute - und wenn es nur zehn sind -, die diesen überregionalen Futtermitteltransport unter die Lupe nehmen, weil die Kontrolleure in den Landratsämtern überfordert sind. Hier können Sie mit wenigen Menschen etwas bewegen und diese Strukturen angehen.

(Unruhe)

Im Bereich der Gesundheitspolitik haben wir in den letzten Tagen eine famose Entwicklung erlebt: Man bekennt sich nun plötzlich doch wieder zu den Hausärzten - ja, meine Damen und Herren, aufgrund des politischen Drucks. Aber das geschieht immer nur, wenn wirklich auf die Barrikaden gegangen wird. Sie müssen doch feststellen, dass die Hausarztversorgung gerade auch im ländlichen Bereich derzeit massiv wegbricht.

Wenn wir diese Entwicklung weiterdenken, ist in zehn Jahren kein Hausarzt mehr in der Fläche. Können wir das denn wollen? Nein, und deshalb müssen wir diese Strukturen heute schützen und dürfen nicht sagen: Liebe Hausärzte, dann seid ihr eben Geschichte; es gibt schon andere, die gerade darauf warten, dass ihre eure Praxen schließt.

Nein, wir wollen auch den Gesundheitsbereich nicht privatisiert haben. Wir wollen keine börsennotierten Klinikbetten, sondern eine wohnortnahe Haus- und Facharztversorgung, wohnortnahe Kliniken, kommunale Kliniken. Dieses Ziel muss, wie in Staat und Bund gefordert, realisiert werden; es darf nicht gesagt werden: Da hauen wir ein Ei drüber, das sind die Strukturen von gestern.

Nein, wir müssen hier ran. Wir müssen einen Aufbruch Bayerns in diesem Sinne auch als Aufbruch in eine mehr konservative Strukturpolitik sehen und dürfen nicht alles über den Haufen werfen, was McKinsey als verstaubt ansieht. Wir müssen vielmehr bewahren, was wirklich wichtig ist und dürfen uns nicht so viel einreden lassen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren! Unter "Aufbruch Bayern" verstehen wir auch das Aufbrechen von verkrusteten Strukturen. Gerade die Debatte um die bayerische Landesmedienzentrale in den letzten Tagen ist ein symbolhaftes Beispiel dafür gewesen, wie es nicht laufen sollte: dass Posten nach Parteibuch besetzt werden. Diese Politik hat die Bevölkerung satt und das beschränkt sich nicht auf diesen Bereich, sondern das gilt für sehr viele andere Bereiche in dieser Gesellschaft.

(Beifall bei den Freien Wählern)

"Aufbruch Bayern" heißt auch Aufbrechen einer CSUAlleinherrschaft, die meint, alles allein regieren zu können.

(Zuruf von den Freien Wählern: Doch, auch!)

Warum sage ich das? Nicht, weil ich der CSU die Posten neide, nein, sondern weil ich sehe, dass sehr viel bessere Leute heute verhindert werden, die nicht das richtige Parteibuch in der Tasche haben.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Auch das abzustellen ist ein Politikansatz, der geradezu von der Bevölkerung erwartet und sehnsüchtig herbeigeredet wird, und deshalb hören Sie auch draußen, wenn Sie mit den Menschen sprechen, die Aussage: Eine absolute Mehrheit der CSU wollen wir nicht mehr, weil sie dann alleine schalten und walten kann, wie sie will.

Also noch einmal: "Aufbruch Bayern" heißt auch Aufbrechen von verkrusteten Parteistrukturen, die Verfilzung von Staat und Partei zu lockern

(Beifall bei den Freien Wählern)

und damit frischen Wind in die Politik zu bringen und ein Bayern der Bürgerinnen und Bürger überhaupt erst einmal in Gang zu setzen, weil wir gemeinsam stärker sind, als wenn immer nur eine Partei mit einem begrenzten Teilnehmerkreis alle Schalt- und Walthebel bedient und sagt: Alle anderen können ja sowieso nicht lesen und schreiben.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz deutlich: Lassen Sie das zu, was Sie versprochen haben: Bürgerbeteiligung. Nehmen Sie die Menschen mit hinein. Fragen Sie sie, ob sie eine Atomlaufzeitverlängerung wollen, ob sie den Ausbau der Donaustaustufe wollen, ob sie eine dritte Startbahn wollen, ob sie die grüne E-Technik wollen! Fragen Sie das die Menschen, gehen Sie hinaus, und ich sage Ihnen: Die Antwort wird richtiger sein als die von den Herrschaften von McKinsey.

Deshalb abschließend: Bayern ist auf sehr gutem Wege. Bayern kann noch sehr viel besser sein, wenn man die Menschen und die politisch Andersdenkenden mitarbeiten lässt. Allein schaffen Sie es nicht. Hören Sie auch auf das, was andere sagen! Vielen Dank.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

(Vom Red- ner nicht autorisiert) Danke schön, Herr Kollege Aiwanger. Als Nächster hat Kollege Thomas Mütze das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht autori- siert) Das wird schwer zu toppen sein.

(Allgemeine Heiterkeit - Alexander König (CSU): Vom Unterhaltungswert her bestimmt!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben vorhin von Internationalität gesprochen und das Beispiel des Industriellen aus Berching gebracht. Vielleicht sollten Sie das Trikot des FC Ingolstadt anziehen und ihn vor dem Abstieg retten. Vielleicht sollten Sie sich ähnlich verhalten wie der Unternehmer aus Berching. Die Ingolstädter würden sich sicher freuen, wenn der Ministerpräsident das tun würde.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Schiedsrichter wäre weniger aufwendig!)

- Das ist richtig. - Herr Ministerpräsident, ich bin enttäuscht und auch verwundert darüber, dass Sie die Regierungserklärung zum Thema "Aufbruch Bayern" nicht dem Herrn Finanzminister überlassen haben, dem man diese Rede gut hätte aufdrücken können. So haben Sie die Rede halten müssen oder halten wollen. Sie haben schöne Worte gefunden. Sie haben - so sage ich das einmal despektierlich - eine schöne Soße über den Braten geschüttet, damit man von dem Braten nichts sieht. Herr Ministerpräsident, ich frage mich schon, ob Sie das Märchen "Des Kaisers neue Kleider" gelesen haben. Sie sind genau nach dem dort dargestellten Prinzip verfahren. Sie haben sich neue Kleider schneidern lassen, die man "Aufbruch Bayern" nennt, haben also Kleider mit einem neuen Namen bestellt, dabei sind Sie nackt. Da ist nichts, jedenfalls nichts Neues. Sie haben aus dem bestehenden Haushalt ein Milliardenprogramm herausgeschnitzt, finanziert aus den letzten Privatisierungserlösen, obwohl Sie jetzt schon wissen - das steht in der Kurzfassung des Finanzministers -, dass Ihr Haushalt auch 2013 und 2014 insgesamt eine Unterdeckung von 2 Milliarden Euro haben wird. Sie haben sich 66 Haushaltsstellen aus dem gesamten Haushalt zusammengesucht und diesen ein neues Label aufgepappt; das ist alles.