Protokoll der Sitzung vom 02.02.2011

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Doppelhaushalt des Landes sieht keine neuen Schulden vor, obwohl wir auf der Basis der November-Steuerschätzung für den Länderfinanzausgleich 2011 rund 3,8 Milliarden Euro und in 2012 circa 4 Milliarden Euro einplanen müssen. Dieses Volumen - um das richtig einzuordnen - bewegt sich in der Größenordnung der Ausgaben für die bayerischen Hochschulen. Wir könnten also noch einmal doppelt soviel im Hochschulbereich machen, wenn der Länderfinanzausgleich nicht so wäre, wie er sich momentan darstellt.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Machen Sie doch einen Vorschlag!)

Dabei verlassen wir keineswegs die Solidarität, sondern wir kritisieren vielmehr die Fehler im System. Wenn die Nehmerländer auf Dauer am Tropf der Geberländer hängen, wenn der aktuelle Finanzausgleich am Ende zu einer Strafsteuer für wirtschaftlich erfolgreiche Länder wird, dann kann das System so nicht bleiben. Das geltende System verhindert, dass andere Länder dem Vorbild Bayerns folgen, das diesen Sprung geschafft hat. Deshalb ist es unser Ziel, den Länderfinanzausgleich zu ändern. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Baden-Württemberg und Hessen im Zweifelsfall klagen. Wir wollen verhandeln und wollen Ergebnisse haben. Aber wenn niemand bereit ist, das System neu auszurichten, wenn dieses falsche System weiter so betrieben wird, dann müssen wir im Selbstverständnis gegenüber dem bayerischen Steuerzahler und der bayerischen Steuerzahlerin eine Entscheidung suchen, und dann werden wir diesen Weg beschreiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zuruf des Ab- geordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Was Bayern ausmacht, ist der Anspruch, aktiv Politik zu gestalten. Was Bayern ausmacht, ist die Tatsache, dass wir dieses Land mit aktiver Wirtschaftspolitik nach vorne gebracht haben. Was Bayern ausmacht, liegt darin, dass wir auch in der Steuerpolitik nicht

sagen: Wir könnten uns auf unseren Lorbeeren ausruhen und die Hände in den Schoß legen. Wir sind vielmehr der festen Überzeugung, dass die Konsolidierung der staatlichen Haushalte mit einer Steuerpolitik einhergehen muss, die die Wachstumskräfte in unserem Lande stärkt. Deshalb darf die aktive Steuerpolitik keine Auszeit nehmen. Unsere Wettbewerber schlafen nicht, und auch unser Steuersystem steht im Wettbewerb. Dazu gehört unter anderem auch das Thema Steuervereinfachung, und dazu gehört das Problem, dass wir uns mit dem Einkommensteuertarif auseinandersetzen müssen; denn die kalte Progression läuft Gefahr, demotivierend für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für unsere Bürgerinnen und Bürger zu werden. Stellen Sie sich einmal vor, dass es im Laufe des Jahres vielleicht nach harten Auseinandersetzungen zu Lohnsteigerungen von zwei oder zweieinhalb Prozent kommt und am Ende der Bürger beim Blick auf den Lohnsteuerjahresausgleich feststellt, dass ihm mehr weggenommen wird als je zuvor. Das hätte eine demotivierende Wirkung, die wir ausschalten müssen. Wir brauchen Zukunft und Leistungsbereitschaft und nicht Demotivation in unserem Steuerrecht.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von der SPD und den Freien Wählern)

Mit Sicherheit werden wir die Steuervorschläge der SPD nicht weiter verfolgen. Wer in dieser Situation auf Neid und Missgunst setzt, und wer in dieser Situation wieder anfängt, Keile in unsere Gesellschaft zu treiben, geht den falschen Weg. Sie wenden sich von einer Steuerpolitik gegen die Arbeitslosigkeit ab.

(Harald Güller (SPD): Na, na!)

Sie wenden sich gegen die Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Sie wollen die Steuerbürger mit mehr Bürokratie und leistungsfeindlichen Steuererhöhungen belasten. Diese Vorschläge sind schlicht und einfach unbrauchbar.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zuruf der Ab- geordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Europa steht vor großen Herausforderungen. Zu den zentralen Aufgaben zählen solide Finanzen und mehr Nachhaltigkeit. Konsolidierung und dauerhafte Stärkung der Wachstumskräfte müssen überall in Europa zu vorrangigen politischen Zielen werden. Das ist die zentrale Aufgabe für die Europäische Union, aber auch für jeden einzelnen Mitgliedstaat und auch für jede einzelne Region.

Wir in Bayern setzen dabei auf Stabilität im Wandel. Wir stellen uns mit dem Haushalt ohne Neuverschuldung unserer Verantwortung, der jungen Generation nicht nur keinen Schuldenberg, sondern auch Chancen zu hinterlassen. Wir setzen mit den Schwerpunkten Familie, Bildung und Innovation auf die bestmögliche Vorbereitung für die Zukunft. Wir wollen keine Blockade in der Steuerpolitik. Wir wollen einen Aufbruch.

Wir stehen für ein starkes und stabiles, für ein sicheres und soziales Bayern. Wir stehen für den Aufbruch Bayern, damit Bayern seinen europäischen Spitzenplatz stärkt und wo immer möglich ausbaut; denn unsere Politik für Wachstum und Wohlstand kommt allen Menschen in Bayern zugute. Dafür steht der Entwurf des Doppelhaushaltes 2011/2012.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CSU und der FDP - Zurufe von der CSU: Bravo! - Harald Güller (SPD): 51 Minuten Märchenstunde!)

Herr Staatsminister, vielen Dank. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein Wort jetzt zur Geschäftsgrundlage: Die Rede des Herrn Staatsministers hat über 50 Minuten gedauert. Ich muss allerdings auch sagen, die Technik hat ihn verlassen; die Uhr lief bei ihm nicht. Bei uns gingen die Uhren. Aber gut. Ich unterbreche einen Staatsminister nicht, wenn er den Haushalt einbringt.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)

Die Gestaltung des Haushalts ist die wichtigste Aufgabe für uns hier im Hohen Haus.

(Zurufe von der SPD)

Nach der Geschäftsordnung haben die Fraktionen jetzt natürlich auch eine Redezeit von 50 Minuten. Ob davon Gebrauch gemacht wird, überlasse ich jeder Fraktion.

(Harald Güller (SPD): Wir können es inhaltlich viel kürzer!)

Herr Kollege Halbleib, Sie haben nun das Wort.

Geschätzte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht mussten Sie, Herr Staatsminister, ja die Redezeit, die normalerweise vorgesehen ist, deshalb so überziehen, weil Sie möglicherweise trotz Ihrer Jubelarie zum bayerischen Staatshaushalt 2011/2012, so wie er nach Ihrer Auffassung aussehen soll, einen ziemlich hohen Erklä

rungsbedarf und einen reichlich hohen Rechtfertigungsbedarf gesehen haben. Da kann man Ihnen nicht eine Redezeit von 20 Minuten zumuten.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich Ihre Rede bilanziere, stelle ich fest: Sie haben diese Zeit nicht für Informationen über den Doppelhaushalt verwendet, sondern zu 20 % für einen hohen Staatskammerton von Europa nach Bayern und wieder zurück. 20 % haben Sie für die übliche Marketing-Nummer gebraucht, die Sie zu diesem Entwurf seit September abziehen. Weitere 20 % haben Sie für Polemik benötigt. Das ist Ihr gutes Recht. Weitere 20 % haben Sie für die Erregung benötigt. Wahrscheinlich haben Sie mit der Erregung, die Sie selbst gezeigt haben, zwei Ziele verfolgt: Zum einen wollten Sie Ihre eigene Fraktion und Ihre eigene Regierungskoalition endlich einmal für den Entwurf zum Doppelhaushalt begeistern. Zum anderen haben Sie vielleicht gehofft, mit dieser Erregung die Autosuggestion, die Ihnen eigen ist, noch einmal zu stärken. Herr Staatsminister, in diesem Land gibt es keinen zweiten Minister, der über eine so große Fähigkeit der Autosuggestion verfügt.

(Beifall bei der SPD)

Eines haben Sie aber nicht getan: Sie sind nicht der Verpflichtung zur Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit nachgekommen. Diesen Geboten entspricht die Verpflichtung, den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein über die Staatsfinanzierung einzuschenken. Sie haben in den letzten Wochen und Monaten in der Staatsregierung mehr dafür getan, die Haushaltswirklichkeit im Freistaat Bayern zu schönen, zu tarnen und den Marketingschleier darüber zu legen, als den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, wie Sie in den nächsten zwei Jahren die Staatsaufgaben finanzieren werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nachdem der Haushaltsausschuss in der letzten Woche das Gärtnerplatztheater wegen der anstehenden notwendigen Investitionen besucht hat, möchte ich auch hier beim Bild des Theaters bleiben: Die Staatsregierung hat bisher alles getan, um in der zentralen Debatte über die Finanzierung und über die Schwerpunkte dieses Staatshaushalts schöne bunte Kulissen vor die haushaltspolitischen Tatsachen zu schieben. Das ist wie bei einem Theater, bei dem die Zuschauer mit einem tollen Bühnenbild in die Vorstellung gelockt werden, aber bereits nach der ersten Szene merken, dass das Schauspiel eher durchschnittlich oder mittelmäßig ist. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Politisch gesehen ist das, was Sie bisher zum Entwurf des Staatshaushalts veranstaltet haben, ein Rückfall in das alte Staatsschauspiel unter dem früheren Chefdramaturgen Edmund Stoiber, von dem sich das Publikum ja abgewendet hat. Der neue Spielleiter, Ministerpräsident Horst Seehofer, hat wie immer versprochen, alles anders und besser zu machen. Er fällt aber in das alte Inszenierungsmuster zurück, allerdings ohne über die spielerische und finanzielle Substanz des alten Dramaturgen zu verfügen. Der kaufmännische Direktor Fahrenschon - das haben wir heute erlebt - weiß das alles zwar, aber er macht gute Miene zum bösen Spiel. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Des Schauspiels erster Akt erzählt die Mär vom ausgeglichenen Haushalt. Was Sie heute vorgetragen haben, ist Ihr Staatsmärchen. Die Staatsregierung behauptet doch tatsächlich, dass dieser Haushalt 2011/2012 zum sechsten und siebten Mal in Folge ohne Nettokreditaufnahme und damit ohne neue Schulden auskomme. Das ist die Wiederholung einer krassen politischen Lüge. Rechnen Sie doch einmal nach: Bei allen Haushaltsjahren, in denen Sie sich des ausgeglichenen Haushalts gerühmt haben, also von 2006 bis zum Doppelhaushalt 2011/2012, kommt unter dem Strich für jedes Haushaltsjahr eine Nettoneuverschuldung von 1,42 Milliarden Euro heraus. Das ist wahrlich keine Erfolgsbilanz.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister, wir müssen einmal darüber reden, dass zwischen den regulären Einnahmen und den regulären Ausgaben beim Doppelhaushalt 2011/2012 erhebliche Finanzierungslücken klaffen. Das haben Sie heute überdeckt. Dabei sind die erheblichen Kürzungen in allen Ressorts in Höhe von jeweils 460 Millionen Euro pro Haushaltsjahr sowie die Sonderopfer des öffentlichen Dienstes in Höhe von etwa 500 Millionen Euro - ich runde die Zahlen berücksichtigt.

Selbst wenn wir die zusätzlichen Steuereinnahmen im Jahre 2010 einbeziehen, beträgt die Finanzierungslücke zwischen den normalen Einnahmen und den Ausgaben des Freistaats Bayern für 2011 1,5 Milliarden Euro und für 2012 immerhin noch 1,3 Milliarden Euro, obwohl die Steuereinnahmen mit 31 Milliarden Euro im Jahr 2011 und mit 32,7 Milliarden Euro im Jahr 2012 kräftig ansteigen. Das heißt, der bayerische Staatshaushalt ist deutlich unterfinanziert. Daran hat auch Ihre heutige Rede nichts geändert.

(Beifall bei der SPD)

Die Staatsregierung muss nach Ihrem Entwurf tatsächlich neue Kredite beim eigenen Grundstock aufnehmen. Sie wissen, dass dies eine absolute finanzpolitische Notoperation ist. Wenn ich alle diese Punkte betrachte, muss ich sagen: Die Bezeichnung "ausgeglichener Haushalt" ist nicht nur verwegen, sondern damit werden die Öffentlichkeit und die bayerischen Bürgerinnen und Bürger für blöd verkauft.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Der Entwurf des Doppelhaushalts kann nur deshalb ohne Nettoneuverschuldung ausgeglichen werden, weil Sie gerade das Gegenteil dessen machen, was Sie mit dem ausgeglichenen Haushalt versprechen, nämlich keine Lasten in die Zukunft zu verschieben. Sie verschieben Lasten in massivem Umfang in die Zukunft. Sie frieren zum Beispiel den Versorgungsfonds vollständig ein. Es gibt überhaupt keine Zuführungen mehr. Das einzige Ergebnis ist, dass die finanziellen Lasten von heute auf die Zukunft verschoben werden.

(Christa Naaß (SPD): So ist es!)

Das Gleiche tun Sie bei der staatlichen Infrastruktur. Wir haben eine dramatisch niedrige Investitionsquote. Trotz Ihrer Jubelarien liegt sie nur bei 10,8 %. Wir hatten einmal 20 %. Daraus wird unweigerlich eine verstärkte Verschuldung resultieren, weil die Abschreibungen, also der Wertverzehr, deutlich höher als die für Erneuerungen und für den Erhalt zugeführten Mittel sein werden. Der Oberste Rechnungshof schreibt Ihnen jedes Jahr ins Stammbuch, dass Sie hier Lasten von der Gegenwart in die Zukunft schieben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich komme zum zweiten Akt des Märchens. Das ist der "Aufbruch Bayern". Jetzt wird es besonders interessant. Der "Aufbruch Bayern" ist mit einem Abbruch an vielen anderen Stellen verbunden. Das wissen Sie selbst; deshalb wäre es Ihre Pflicht, dies deutlich zu machen. Der "Aufbruch Bayern" ist mit Kürzungen in allen Ressorts, auch sehr empfindlichen, verbunden. Als Beispiele seien nur die sozialen, kulturellen und ökologischen Aufgaben des Freistaats Bayern genannt. Der "Aufbruch" ist zum Teil ein Etikettenschwindel, weil er selbstverständliche, überfällige und längst zugesagte Anpassungen an den tatsächlichen Bedarf enthält. Schlimmer ist, dass die Staatsregierung mit diesem Programm versucht, die Menschen anzulügen. Bei der Prüfung Ihres "Aufbruchs" hat sich nämlich herausgestellt, dass die Staatsregierung auch und gerade in den Bereichen kürzt, für die sie eine Verbesserung durch den "Aufbruch" angekündigt hat. Das ist besonders infam. Das muss ich Ihnen vorhal

ten. Das hat mit einer soliden Finanzpolitik überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen die Wiederholung eines alten Inszenierungsmusters erreichen. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Unter Stoiber konnte noch Tafelsilber in Milliardenhöhe verkauft werden, um Offensiven zu finanzieren. Jetzt ist das Tafelsilber weg. Der "Aufbruch Bayern" ist deshalb nicht einmal eine schlechte Kopie von Stoibers Offensiven. Wenn Sie ehrlich gewesen wären, hätten Sie über dieses Programm geschrieben: "Erst Abbruch, dann Aufbruch". Das ist die Kombination, die Sie diesem Hohen Hause vorlegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich könnte beliebig viele Beispiele nennen. Ich möchte aber nur einige herausgreifen. Zunächst zur Wohnraumförderung für Familien. In der "Aufbruch"-Liste steht, dass die Wohnraumförderung in den Jahren 2011/2012 jeweils um 5 Millionen Euro verstärkt wird. Der normale Bürger denkt: Es wird mehr getan als bisher. Das glatte Gegenteil ist der Fall. Die Zahlen im Etat-Entwurf sprechen eine ganz andere Sprache. 2008 wurden für die Wohnraumförderung 32 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, im Jahr 2009 waren es 28 Millionen Euro, im Jahr 2010 waren es immerhin noch 30 Millionen Euro, und für das Jahr 2011 werden statt 30 Millionen Euro nur noch 25 Millionen Euro und im Jahr 2012 sogar nur noch 20 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das ist die "Steigerung", die der "Aufbruch" verspricht. Für diesen Bereich werden also 12,2 Millionen Euro weniger Landesmittel ausgegeben. Sie rühmen sich jedoch, einen "Aufbruch" zu machen und gaukeln den Leuten vor, diesen Bereich zu verstärken. Das ist absolut unseriös.

(Beifall bei der SPD)