Protokoll der Sitzung vom 02.03.2011

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, wieso ist es nicht möglich, endlich dafür zu sorgen, dass bei uns keine Grabsteine, die mit Kinderarbeit hergestellt wurden, aufgestellt werden dürfen? Ich sage Ihnen: Es fehlt einfach der Mut zum Handeln. Die Verantwortung wird vom Land auf den Bund und von dort auf die europäische Ebene verschoben. Die bayerischen Ministerien verstecken sich hinter juristischen Regelwerken und Verlautbarungen. Viel Energie wird in die Beantwortung der Frage investiert, wie eine Lösung verhindert werden kann, statt in die Antwort, wie eine Lösung aussehen könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube nicht, dass ich vor diesem Auditorium das elende Schicksal von Kindern in Steinbrüchen und bei Steinmetzunternehmen schildern muss. Ich muss auch nicht schildern, welche Konsequenzen die Ausbeutung von Kindern durch die Kinderarbeit hat. Ich unterstelle niemandem in diesem Auditorium, dass er oder sie leichtfertig Steine aus Kinderarbeit auf einem Friedhof aufstellen lassen würde.

Ich zitiere Frau Justizministerin Dr. Merk aus ihrer Pressemitteilung vom 9. Dezember 2010:

In den vergangenen Jahrzehnten hat Deutschland alle zentralen Übereinkommen der Europäischen Union, des Europarates und der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte unterzeichnet. Dazu gehören auch die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und die UN-Kinderrechtskonvention. Merk: "Insbesondere die Kinderrechte liegen mir besonders am Herzen. Kinder sind unsere Zukunft. Sie können sich nicht selbst schützen, sie sind wehrlos. Staat und Gesellschaft müssen deshalb alles dafür tun, um für die Wahrung und Verteidigung der Rechte unserer Kinder zu sorgen!"

Richtig. Ich unterstütze diese Aussagen in der Pressemitteilung. Wir müssen alles dafür tun, um die Rechte von Kindern zu schützen. Warum bleiben Sie aber derartig untätig? Am 27. Oktober 2009 haben wir tatsächlich so etwas wie eine kleine Sternstunde erlebt. Auf Initiative meines Kollegen Dr. Martin Runge ist damals zumindest ein Prüfauftrag einstimmig verabschiedet worden. Doch diese Sternstunde verkam sehr schnell zur Sternschnuppe. Sie verglühte, sobald sie in die Atmosphäre des Wirtschaftsministeriums eingetaucht war, das in dieser Sache übrigens ebenfalls zuständig ist. Ich wundere mich deshalb ein bisschen, dass niemand da ist.

Seit diesem Oktobertag 2009 ist wenig bis nichts passiert, vor allem nichts Konkretes. Wir beschlossen deshalb in der Fraktion, einen erneuten Vorstoß zu unternehmen und den Kommunen eine Möglichkeit zu eröffnen, Friedhöfe und Begräbnisstätten von Steinen aus Kinderarbeit freizuhalten, weil diese ausbeuterische Kinderarbeit von einer zivilisierten Gesellschaft schlicht und einfach nicht geduldet werden darf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kommunen und die Angehörigen warten auf eine klare Lösung. Wir haben uns mit unserem Gesetzentwurf, der Ihnen in Zweiter Lesung vorliegt, an einer saarländischen Gesetzesänderung, die auch in Kraft getreten ist, orientiert und kleine marginale Anpassungen vorgenommen. Uns ist nicht bekannt, dass es gegen diese saarländische Regelung Klagen gäbe.

Ich gehe noch einmal kurz auf die Historie ein. Leider war es so, dass die Satzung der Stadt München vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben worden ist, weil die Kommune keine Satzungskompetenz habe. Deswegen hätte sie keine Beschränkungen für Steine aus Kinderarbeit erlassen dürfen. Geklagt hat ein Steinmetzunternehmen, weil die Satzung die Berufsfreiheit und Eigentumsrechte tangieren würde. Ich sage es hier ganz deutlich: Diesem Steinmetzunternehmen unterstelle ich Schäbigkeit.

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir den Mangel an Gesetzgebungskompetenz heilen und schlagen vor, ins Bayerische Bestattungsgesetz eine Ermächtigung aufzunehmen, die den Kommunen Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Es war sehr putzig, zu erleben, wie plötzlich das Wirtschaftsministerium nach der Einbringung dieses Gesetzentwurfs hellhörig geworden ist, nachdem man von ihm gar nichts mehr gehört hat. Herr Zeil hat uns dann in einem Schreiben über seine Aktivitäten aufgeklärt. Auf diese Aktivitäten möchte ich näher eingehen.

Für mich ist schon einmal nicht klar, warum überhaupt das Wirtschaftsministerium zuständig ist. Herr Zeil als Wirtschaftsliberaler, der lediglich von Steuererleichterungen spricht und ausschließlich den DAX und Handelsbilanzen im Auge hat, soll über die Kinderarbeit und Handelsbeschränkungen entscheiden? Für mich ist das schlichtweg unglaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Entsprechend sahen auch die Schreiben aus dem Ministerium aus.

Herr Zeil hat an seinen Kollegen im Bund, Herrn Brüderle, geschrieben, der dann wiederum mit Ausflüchten geantwortet hat. Viel passiert ist nicht. Seitdem

müssen wir Kinderarbeit aus wirtschaftlichen Gründen wieder zulassen. Herr Zeil hat in seinem Schreiben ausgeführt, man habe sich ganz aktiv an einer Bundesratsinitiative beteiligt. Ich möchte zunächst einmal darauf hinweisen, dass diese Initiative von den Ländern Rheinland-Pfalz und Bremen am 20. Mai 2010 eingebracht worden ist. Sie wurde von den Ländern Rheinland-Pfalz, Bremen, Berlin und Brandenburg erweitert und dann beschlossen. Wo hier die besonderen Aktivitäten unseres Wirtschaftsministers Zeil oder von Herrn Brüderle liegen sollen, erschließt sich mir nicht. Herr Zeil redet sich schlicht und einfach heraus, weil er nichts machen will.

Ich fordere das Wirtschaftsministerium auf, endlich die Dollar-Zeichen von der Brille zu nehmen und sich intensiv um dieses Thema zu kümmern.

(Zuruf der Abgeordneten Theresa Schopper (GRÜNE))

Wir sind einer Meinung mit dem Bundesverwaltungsgericht, dass Kommunen keine Satzungsermächtigung haben, deswegen gehen wir den Weg über das Landesbestattungsgesetz. Wir sind jedoch der Meinung, dass all die Gründe gegen eine kommunale Satzung, die zur Gerichtsentscheidung aufgeführt wurden, bei unserem Gesetzentwurf nicht ziehen. Von jeher handelt es sich bei Friedhofssatzungen um reine Benutzungssatzungen. Diese tangieren in diesem Sinne kein öffentlich-rechtliches Vergaberecht.

Regelungen sind möglich. Wir greifen mit unserer Regelung auch nicht in abschließend geregeltes Bundesrecht ein. Das möchte ich hier deutlich machen; weder ist der Jugendschutz tangiert noch sind es arbeitsrechtliche Regelungen. Auch das Handelsrecht ist nicht unmittelbar tangiert. Man kann immer noch importieren, was man will, aber aufstellen kann man solche Steine nicht mehr, wenn die Städte von ihrer Ermächtigung Gebrauch machen.

In unserem Gesetzentwurf ist die Rede von fairem Handel. Wenn das zu Irritationen führt, bin ich gerne bereit, das Wort "fair" zu streichen. Das Wort "fair" in unserem Gesetzentwurf bezieht sich auf die Kinderarbeit, nicht aber auf Fair Trade. Das führt vielleicht zu Missverständnissen. In all den Diskussionen wurden aber in keiner Weise Änderungswünsche an uns herangetragen.

Selbst das GATT-Abkommen sieht in Artikel 20 Ausnahmen vor. Es heißt immer, wir seien durch internationale Verträge und europäische Regelungen gebunden. Ich halte Ihnen Artikel 20 des GATT-Abkommens entgegen. Nach GATT dürfen keine Maßnahmen verhindert werden, die dem Schutz von Leben, der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen dienen.

Wir dürfen also Maßnahmen ergreifen. Das können Sie nachlesen.

Zudem stehen zwingende Vorschriften des Völkerrechts als ius cogens auf unserer Seite. Niemals kann Völkerrecht durch Handelsrecht auf dieser von Herrn Zeil in seinem Brief beschriebenen Ebene gebrochen werden.

Ich verweise auch auf Beschlüsse des Europäischen Parlaments vom 25.11.2010.

Es gibt also genügend Möglichkeiten und Gründe dafür, diesen Weg hier in Bayern zu gehen. Es gibt keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu unserem Vorschlag. Sie werden einfach ein bisschen experimentieren müssen, wenn es Ihnen mit der Verhinderung von Grabsteinen aus Kinderarbeit wirklich ernst ist. Kein Ministerium und kein juristischer Dienst kann Ihnen diese Entscheidung abnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Stahl. Bleiben Sie bitte noch am Redepult. Ihre Fraktionskollegin Frau Schopper will eine Zwischenbemerkung anbringen.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Stahl, ich bin wirklich empört darüber, dass zu diesem Tagesordnungspunkt, bei dem es um die Verhinderung von Kinderarbeit geht, in dem es um eine Änderung geht, die der Landtag in der Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs hier beschließen könnte, aus dem zuständigen Ministerium weder der Herr Minister noch die Frau Staatssekretärin anwesend sind. Ich möchte das hier zur Kenntnis geben.

(Zuruf der Staatssekretärin Melanie Huml)

- Sie sind gar nicht zuständig. Es hieß hier, dass Frau Hessel und Herr Zeil zuständig seien. Sie, Frau Huml, habe ich gar nicht geschimpft. Ich bitte deshalb darum, dass man dem Wirtschaftsministerium die Grundlagen, die heute hier vorgetragen wurden, zur Kenntnis gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte schön, Frau Stahl.

In der vorangegangenen Debatte wurde das Thema hin- und hergeschoben. Es hieß, der Gesetzentwurf werde im Kommunalausschuss behandelt. Dort wurde der Gesetzentwurf auch beraten. Dort haben wir ihn aus Sicht der Kom

munen diskutiert. Es hieß des Weiteren, dass wegen der abfallrechtlichen und wasserrechtlichen Zusammenhänge, die das Bestattungsrecht mit sich bringt, ebenso das Umweltministerium zuständig sei. Gleichwohl wurde im Verfassungsausschuss die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums betont. Es liegt nicht an uns, dass wir nicht so recht wissen, wer denn eigentlich dafür zuständig ist.

(Zuruf der Staatssekretärin Melanie Huml)

- Liebe Kollegin, ich frage mich, wieso Herr Minister Zeil an Bundesminister Brüderle schreibt und was Sie getan haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Ausschuss habe ich erfahren, dass die Kollegen von der CSU bereits Rechtsgutachten aus dem Innenund dem Justizministerium zur Kenntnis erhalten haben, in denen dargestellt stehe, dass eine landesgesetzliche Lösung nicht möglich sei. Auf die Frage, ob wir diese Gutachten auch haben könnten, hieß es dann plötzlich: Die haben wir nur mündlich, weil ein Bericht an die SPD noch ausstehe. Ich bin gespannt, was man der SPD auf ihre Fragen, was denn rechtlich möglich sei, antworten wird. Ich bin jetzt schon sicher, dass man sagen wird: Geht alles nicht, geht alles nicht, geht alles nicht.

Wirtschaftsrecht geht hier vor. Ich bin gespannt, welche Gegenargumente noch von Ihnen kommen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Es geht um die Sache, nicht um Zuständigkeiten!)

- Natürlich geht es auch um die Zuständigkeiten, lieber Herr Kollege Thalhammer. Selbstverständlich. Hier schiebt einer die Verantwortung auf den anderen. Darum geht es.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den Frei- en Wählern)

Danke schön. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schorer. Bitte schön, wenn Sie nach vorne kommen. Ihr folgt dann Kollege Perlak. Frau Schorer hat zunächst das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Stahl, wir haben in den Ausschüssen intensiv diskutiert. Sie haben heute wieder die Zuständigkeit angesprochen. Wir sind uns in den verschiedenen Ausschüssen, in verschiedenen Beschlüssen und nicht nur in dieser Legislaturperiode darin einig gewesen, dass wir gemeinsam zu dem Ziel kommen müssen, dass Grabeinfassungen und Grabsteine, wie Sie es in

Ihrem Gesetzentwurf ausführen, aus ausbeuterischer Kinderarbeit in kommunalen Friedhöfen nicht mehr aufgestellt werden dürfen. Sie haben deutlich ausgeführt, welche Bedeutung das hat. Wir alle haben ausgeführt, dass wir parteiübergreifend nicht nur diskutieren, sondern zu einem Ergebnis kommen wollen.

Ich möchte Ihnen heute noch einmal deutlich machen: Es wurde schon etwas getan. Wir sind natürlich noch nicht am Ziel. Wir sind auf einem Weg. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Das haben wir immer wieder deutlich gemacht, auch im Innenausschuss, im Sozialausschuss und in den anderen Ausschüssen. Den Weg dorthin werden wir mit Sicherheit gemeinsam gehen. Ich bin zuversichtlicher als Sie, dass wir dieses Ziel erreichen werden.

Sie haben heute die landesrechtliche Seite angesprochen, Frau Stahl. Nach unseren Erkenntnissen - diese Schreiben liegen Ihnen ebenso vor - ist es auf der landesrechtlichen Seite nicht möglich, eine Änderung über das Bayerische Bestattungsgesetz herbeizuführen. Ich werde Ihnen einige Beispiele dafür nennen, was getan wurde. Das Thema wird im Parlament, in den Ausschüssen sehr ernst genommen. Im vergangenen Jahr stand es unter anderem auf der Tagesordnung des bayerischen Kabinetts mit Entschließungen.

(Theresa Schopper (GRÜNE): Was ist dabei herausgekommen?)

- Ich werde schon noch darauf eingehen. Wenn Sie dann noch Fragen haben, können Sie diese gerne noch stellen.

Angesichts dessen, wie ernst das Thema hier diskutiert worden ist, bin ich der Meinung, dass wir in der Sache sicherlich weiterkommen. Sie wollen aber nicht wahrhaben, dass wir diese Änderung mit dem Bayerischen Bestattungsgesetz nicht herbeiführen können.